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FLEET MANAGEMENT Schadenmanagement
Digitalisierung im Schadenmanagement: Mehr
Transparenz in der Reparaturabwicklung
«Wir stehen am Anfang einer technologischen Revolution, welche die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten
und miteinander interagieren, fundamental verändern wird!» Das sagt Klaus Schwab, Gründer und
Vorstandsvorsitzender des World Economic Forum (WEF). Laut Schwab wird diese «vierte industrielle
Revolution» unser Leben mit einem Tempo und in einem Ausmass umkrempeln, wie es die Menschheit
bislang noch nicht erlebt hat. Im Wissen um dieses Zitat lesen Sie bitte den Bericht über die Digitalisierung
im Schadenmanagement. Text: Robert Hasler, Head of Business Delivery, Audatex Schweiz GmbH
S
eit bereits mehr als vier Dekaden wird
die Erfassung und Berechnung eines
Fahrzeugschadens digital unterstützt.
Damals schon wurden Daten über das
Schadenausmass systematisch erfasst und
computerbasiert berechnet. Das Resultat galt
und gilt noch immer als akkurat und besteht
auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Erst die Kombination von intelligenter, in
die Fahrzeuge eingebauter Sensoren-Technologie, der Verarbeitung und der Interpretation von extrem hohen Datenbeständen
(Big Data) und modernen Netzwerk-/Applikations-Architekturen (Cloud) führt zur Revolution im Schadenmanagement.
Hauptsächliche Kostentreiber im Schadenprozess sind die eigentlichen Reparatur- oder
Ersatzbeschaffungskosten (Severity Cost)
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sowie die Prozesskosten. Unternehmen machen enorme Anstrengungen, diese Kosten zu
senken. Beschränken wir uns bei der näheren
Betrachtung auf die Prozesskosten und auch
hier auf wenige Prozessschritte.
Eine Auswertung unseres Datenbestands
ergab, dass sich das Total aller Fahrzeugschäden
aufteilt in 36 % Klein-, 58% mittlere und 6%
Gross- und Totalschäden, bei einer mittleren
Schadensumme von etwas mehr als 3000 CHF.
In den Strategiepapieren von Versicherungsunternehmen finden wir Ziele, in den kommenden
4 bis 5 Jahren bis zur Hälfte aller Schäden
vollautomatisch abzuwickeln.
Beginnen wir bei der Schadenentstehung,
was in der Regel aus einem äusseren Einfluss
geschieht (z.B. Kollision, Hagel, Steinschlag
etc.). Hier wollen wir zwei unterschiedliche
Ansätze näher betrachten:
• Der Fahrer erfasst und meldet den Schaden
(zumeist an die Versicherung).
• Das Fahrzeug meldet den Schaden selbstständig.
Eine junge Generation wächst heran, die
sich gewohnt ist, Smartphone-Apps für viele
Arten ihres Lifestyles zu nutzen.
So wird aktuell in einem unserer Nachbarländer ein Pilotversuch gemacht, Kleinschäden mittels einer App geführt zu erfassen.
Das alleine wäre ja kein Hexenwerk, aber in
Sekundenbruchteilen die Reparaturkosten
zu ermitteln und dem Eigner den Vorschlag
zu unterbreiten, ob Reparatur oder Barauszahlung, dazu benötigen wir doch einiges an
intelligenter Programmlogik, kombiniert mit
heuristischen Abfragen aus unseren Millionen
von Daten. Was steckt nun dahinter? Der
Geschädigte wird durch den Vorgang geführt.
Schadenmanagement FLEET MANAGEMENT
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vergehen...
OL
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Auslieferung
Teile & Zubehör
Autoübergabe
Reparatur
Ersatzteilbeschaffung
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Änderungen &
Inspektionen
Anlieferung
Teile & Zubehör
Montage
Arbeit fertiggestellt
Zahlung
Administration
Schlüsselübergabe
Der Schadenprozess.
Das Fahrzeug wird einfach über die Fahrzeugidentifikationsnummer identifiziert (zu finden
unterhalb der Frontscheibe oder im Fahrzeugausweis). Die App übernimmt das automatisch. Die technischen Detailinformationen
sowie auch die aktuellen Werte des Fahrzeuges werden realtime erkannt und zur Ermittlung des Schadenausmasses übernommen.
Die Schadenaufnahme wird intuitiv unterstützt durch 3-D-Grafiken, Führungsmasken
für die Fotoerstellung und vieles mehr. Hilfreiche Tutorials unterstützen den Laien.
Nach erfolgter Aufnahme der Daten wird
die Berechnung durchgeführt und es werden
dem Benutzer Vorschläge übermittelt. Er
kann nun seine Reparaturwerkstatt auswählen oder die Barauszahlung wünschen. Der
gesamte Prozess dauert wenige Minuten.
Dazu sind intelligente Hintergrundprozesse sowie aufwendige Datenbestände notwendig. In wenigen Fällen wird eine manuelle
Der Erfassungsprozess.
Weiterbearbeitung und Abklärung durch einen Experten notwendig. Gegenüber früher
sind vor Ort Abklärungen seltener geworden.
Wir, als Unternehmen, verfügen über
strukturierte Schadendaten aus Dutzenden
von Ländern, entstanden über mehrere Jahre
und für eine Vielzahl von Fahrzeugen. Diese
Grundlagen erlauben es uns, diverse Analysen
über den gesamten Datenbestand durchzuführen, Vergleiche zwischen Ländern, Regionen, Unternehmen etc. zu machen und dabei
Muster zu erkennen. Solche Erkenntnisse
dienen ebenso auch zur Plausibilisierung von
Schäden. Wir beschäftigen dazu eine Vielzahl
von Mathematik- und Datenspezialisten.
Crash Recorder werden zur Ermittlung des
Schadens eingesetzt
Crash Recorder werden als kleine Dongles in
die ODB-Schnittstelle eingesteckt. Bisher
verwenden ihn Versicherungen und Flotten-
besitzer zu vielfältigen Zwecken. Früher
dienten Dongles als Kopierschutz für Software, heute werden spezielle Varianten
entwickelt, welche sehr genau die Kräfte
messen, die beim Beschleunigen und beim
Bremsen eines Fahrzeuges entstehen. Eine
Kollision stellt letztlich nichts anderes als ein
unmittelbares Bremsen mit Stillstand dar.
Zusätzlich sind die aktuellen Zustandsinformationen (z. B. über Geschwindigkeit, Temperatur, Tag und Zeit, Fahrbahnzustand etc.)
verfügbar. Dongles haben die Fähigkeit zu
kommunizieren.
Letztes Jahr wurden konkrete Versuche
unternommen, Crash-Ereignisdaten mit
Schadendaten in Relation zu bringen, mit
vielversprechenden Ergebnissen.
Lassen Sie mich dies wie folgt erklären:
Über die eingewirkten Kräfte bei einer Kollision und die dabei aufgezeichneten Daten
kann genau ermittelt werden, welche Stellen
des Fahrzeuges betroffen sind. Der Vergleich
mit entsprechenden Kollisionsmustern,
ausgewertet über unseren Datenbestand,
ergibt das approximative Schadenausmass.
Bei einem Crash werden bei intakter Datenübermittlung die Daten in Echtzeit an ein
Datencenter übermittelt und Hersteller, Flottenbesitzer, Vermieter etc. können den Schadenprozess vollautomatisch starten und haben
bereits die meisten benötigten Daten verfügbar.
Sie können sich sicher auch vorstellen, dass
es einfach ist, einen Parkschaden als solchen
zu erkennen. Ein solcher kann nämlich nur
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Easy-to-use-App.
entstehen, wenn das Fahrzeug nicht in Betrieb
ist. Betrugskosten werden dadurch ebenfalls
vermindert.
Wie stellt sich nun der Nutzen der
Digitalisierung ein?
Wir kommen wieder zurück zur Betrachtung
der Prozesskosten. Bei beiden Verfahren, die
ich oben beschrieben habe, werden die
Kosten für den Flottenbesitzer oder das
Versicherungsunternehmen dadurch gesenkt,
dass
• der «FNOL Process» (First Notification of
Loss) zu einem hohen Anteil ohne Personaleinsatz stattfindet. Hier erinnere ich
an den 50 %-Automatisierungsanteil,
welcher in den Strategiepapieren einiger
Versicherungen steht,
• die Dauer des Prozesses verkürzt wird.
Eine zusätzliche Kostenkomponente ist das
«Cash Out» (Barauszahlung). Diese gewinnt
bei sehr vielen Versicherungsunternehmen
an Bedeutung, kann doch nach einer Barauszahlungsentscheidung der Prozess für das
Unternehmen als beendet betrachtet werden.
Reparaturdauer verkürzen – aber wie?
Ein weiteres Beispiel für die Digitalisierung
Repair-Status.
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Der Dongle.
im Schadenmanagement: Wir Europäer haben
uns daran gewöhnt, immer wieder mal über
den Ozean zu schielen und Trends zu übernehmen. Aktuell beobachten wir in der
Schweiz, dass Versicherungsunternehmen
vermehrt mit ausgewählten Reparaturwerkstätten immer intensiver zusammenarbeiten.
In den USA binden Versicherer ihre Partnernetzwerke allerdings bereits seit einiger Zeit
wesentlich enger in ihre Prozesse mit ein. Sie
steuern die Reparaturen. So wurde im nachfolgenden Beispiel aus den USA durch einen
der ganz grossen Versicherer vorgegeben,
dass jeder Reparaturschritt in einer Reparaturwerkstatt an eine Datenbank gemeldet
werden soll. Über Standardschnittstellen
wurden die benötigten Daten in eine cloudbasierte Anwendung übermittelt, nahezu
realtime.
Über ein Anwendungs-GUI werden die
Reparaturstatus transparent ersichtlich. Ein
intelligentes Regelwerk informiert über
Ausnahmesituationen.
Üblicherweise wird im Schadenfall dem
Fahrzeugbesitzer ein Ersatzfahrzeug zur
Verfügung gestellt, in den USA ist dies etwas
üblicher als in der Schweiz. Vor dem Einsatz
der Anwendung wurden diese Fahrzeuge
durchschnittlich jeweils 8,8 Tage benötigt.
Nach gerade mal 3 Monaten konnte diese
Anzahl Tage auf 7,2 Tage gesenkt werden. 1,6
Tage Reduktion bei approximativ 110 Dollar
Mietkosten pro Tag ergeben ein sehr ansprechendes Einsparungspotenzial.
Einziger Grund: Transparenz in der
Reparaturabwicklung!
Die Digitalisierung revolutioniert den Schadenprozess. Neue Technologien um Big Data,
Sensorik und Datenverarbeitung und -analyse ermöglichen weitgehende Änderungen im
Ablauf. Klassische Expertentätigkeiten werden partiell durch Laien übernommen, die
Kombination von aktuellen Fahrzeugzustandsinformationen und historischen Schadendaten ergeben Schadenmuster, die akkurat
sind und menschliche Einflüsse weitgehend
ausschliessen.
Solera, die Muttergesellschaft der Audatex,
unterhält in Texas, London und Zürich drei
Research und Development Center, die sich
ausschliesslich diesem Thema widmen.
Audatex: Spezialist für Schadenkalkulation
Audatex bildet mit ihren standardisierten
Services und Lösungen den gesamten
Kfz-Schadenprozess ab. Das Angebot umfasst
Management-Systeme für Sachverständige
sowie Karosserie- und Lackierfachbetriebe,
Schadenkalkulation und Fahrzeubbewertung
bis hin zur papierlosen elektronischen
Schadenkommunikation.
Das Crash-Ergebnis.