BuB-Monatsbrief - Bankrecht und Bankpraxis

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Nr. 9 • September 2016
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines Bankrecht
BGH 4.12.2015
Vormerkungswidrig eingetragen – Haftung – Verzugsschaden –
Zustimmungsanspruch
BGH 15.6.2016
PfÜB – Verwendung des Antragsformulars ZVFN –
unzureichende Eintragungsmöglichkeiten
BGH 7.6.2016
Allgemeines Bankrecht – Kreditrecht – Forward-Darlehen – Widerruf
OLG Köln 21.3.2016
Täuschung bei autorisiertem Zahlungsvorgang – kein Mitverschulden –
Reaktion am Folgetag
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Insolvenzrecht
BGH 14.7.2016
BGH 23.6.2016
BGH 14.7.2016
Stille Zwangsverwaltung – Nichtigkeit einer Vergütungsabrede
Insolvenzeröffnungsgrund – Übernahme der persönlichen
Haftung in Grundschuld
Vorsatzanfechtung – subjektive Tatbestandsmerkmale
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Wertpapier- und Kapitalmarktrecht
OLG Schleswig 15.10.2015 Beratungsfreies Geschäft – Schadensersatzansprüche –
Wertpapier-Kaufabrechnungen Impressum
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Autoren: P. Berger, Dr. M. Brass, H. Dunker, Dr. S. Fackler, A. Gelmroth, S. Herz, T. Kamm, M. Kern, M. Kaufmann,
Dr. S. Straßburger, Dr. C. Wulfers
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6. Fachtagung Bankrecht und Bankpraxis
Konto und Zahlungsverkehr im
Spiegel aktueller EU-Reformen
16. November 2016 in Köln
Technischer Wandel – und in dessen Folge die EU-Gesetzgebung – revolutioniert nun auch das fundamentalste
Produkt des Bankgewerbes: das Girokonto. Neue Anbieter drängen an den Markt mit dem Angebot besonderer
Bezahl-Dienstleistungen, deren Risiko im Moment noch der Kunde allein trägt. Für mehr Sicherheit soll hier in
naher Zukunft die Payment Service Directive (PSD II) sorgen. Ziel ist es, Rechte und Pflichten für Drittanbieter
und Banken europaweit zu harmonisieren. Betroffen hiervon sind im Wesentlichen alle Formen der Kartenzahlung
sowie der Lastschrift- und Überweisungsverkehr.
Aber noch von anderer Seite erfährt die Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde schwerwiegende
Eingriffe: Das Zahlungskontengesetz schreibt seit diesem Sommer das Recht eines jeden Verbrauchers auf ein
Basiskonto fest und verpflichtet die Institute außerdem zur umfänglichen Unterstützung des Kunden bei Kontowechselwünschen – obgleich diese naturgemäß nicht unbedingt in ihrem Geschäftsinteresse liegen.
Im Spannungsfeld der sich aus alledem ergebenden Rechtsfragen bewegt sich die Agenda unserer diesjährigen
6. Fachtagung Bankrecht und Bankpraxis.
Information und Anmeldung:
Stefan Lödorf | 0221/5490-133 | [email protected] Allgemeines Bankrecht
Vormerkungswidrig eingetragen – Haftung –
Verzugsschaden – Zustimmungsanspruch
Ist der vormerkungswidrig Eingetragene mit der Erfüllung des Zustimmungsanspruchs
nach § 888 Abs. 1 BGB in Verzug, haftet er gemäß § 280 Abs. 1 u. 2, § 286 BGB und gemäß
§ 288 BGB auf Ersatz des Verzögerungsschadens (teilweise Aufgabe von Senat, Urteil vom
19. Januar 1968, Az. V ZR 190/64)
(BGH, Urt. v. 4.12.2015, Az. V ZR 202/14, WM 2016, S. 1406 ff.)
In dem dieser Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Sachverhalt sah sich der Kläger
folgender Situation ausgesetzt: Im Jahr 2009
ist zugunsten des Klägers eine Auflassungsvormerkung für ein vom ihm auf der Grundlage eines notariellen Kaufvertrages erworbenen
Grundstücks eingetragen worden. Die Eigentumsumschreibung auf den Kläger verzögerte sich allerdings infolge einer gerichtlichen
Auseinandersetzung mit dem Verkäufer des
Grundstücks bis in das Jahr 2012. In diesem
Zwischenzeitraum wurde das Grundstück mit
mehreren Zwangssicherungshypotheken zugunsten mehrerer Gläubiger des Verkäufers
belastet. Der Kläger verkaufte das Grundstück
im Jahr 2012 weiter, sah sich jedoch infolge der
Zwangssicherungshypotheken und der Weigerung der Hypothekengläubiger, deren Löschung
zuzustimmen, außer Stande, seiner Verkäuferverpflichtung zur lastenfreien Übertragung des
Grundstücks nachzukommen. Um sich aus dieser Zwangslage zu befreien, vereinbarte der
Kläger mit seinem Käufer zunächst, dass er die
unter der Käuferfinanzierung anfallenden Bereitstellungszinsen übernimmt. In einem zweiten Schritt verklagte er die Hypothekengläubiger, einerseits auf Zustimmung zur Löschung
der Zwangssicherungshypotheken und andererseits auf Ersatz der Kosten der Übernahme
der Bereitstellungszinsen als Verzugsschaden.
Der Kläger obsiegte in den Vorinstanzen; die
Revision der Beklagten wurde beschränkt zugelassen auf die Überprüfung des geltend
gemachten Schadensersatzanspruchs aus
Verzug (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB). Die Erfolgsaussichten der Beklagten im Hinblick auf
diesen Teilaspekt waren vglw. hoch, hatte doch
der BGH in einer Leitentscheidung aus dem
Jahr 1968 entschieden, dass die Bestimmun-
gen über die Haftung eines Schuldners für
Verzögerungsschäden auf den Anspruch der
Löschung einer vormerkungswidrigen Eintragung (§ 888 BGB) keine Anwendung finden.
Begründet wurde diese Entscheidung seinerzeit damit, dass die allgemeinen Vorschriften
des Schuldrechts nach dem Sinn und Zweck
des Zustimmungsanspruchs (§ 888 BGB) als
bloßer Hilfsanspruch nicht zur Anwendung gelangen könnten. Für den Verzögerungsschaden
müsse bei einer solchen Fallgestaltung der ursprüngliche Verkäufer als Auflassungsschuldner einstehen, da er insoweit die lastenfreie
Übertragung des Grundstücks (noch) nicht herbeigeführt habe.
Diese Entscheidung des BGH ist auf nahezu
einhellige Ablehnung in der Literatur gestoßen.
Mit einem etwas wackligen Hinweis auf die
Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2001 stellt
der BGH in der hier vorliegenden Entscheidung
nunmehr klar, dass er an seiner vormaligen
Rechtsprechung und der Einordnung des Zustimmungsanspruchs als bloßen Hilfsanspruch
nicht mehr „uneingeschränkt“ festhält. Da die
Schadenersatzbestimmung des § 280 Abs. 1
BGB nicht danach unterscheide, ob eine Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht vorliege
oder ob eine Anspruchsgrundlage nur einen
Hilfscharakter habe, komme es für den Verzögerungsschaden (§ 286 BGB) entscheidend
darauf an, ob der zustimmungspflichtige Gläubiger mit seiner Verweigerung der Zustimmung
eine Leistungspflicht verletzt.
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass der
Zustimmungsanspruch nach § 888 BGB vergleichbar dem Herausgabeanspruch nach
§ 985 BGB und dem Störungsbeseitigungsanspruch nach § 1004 BGB einen dinglichen
Leistungsanspruch begründet, auf welchen die
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BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
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Allgemeines Bankrecht
Vormerkungswidrig eingetragen – Haftung –
Verzugsschaden – Zustimmungsanspruch
allgemeinen Leistungsstörungsregelungen des
Schuldrechts Anwendung finden. Nach Auffassung des BGH könne der Vormerkungsberechtigte wegen des aus der Verzögerung der Zustimmung entstehenden Schadens auch nicht
auf den Vormerkungsschuldner (Verkäufer) verwiesen werden. Der durch diese Verzögerung
entstehende Schaden sei bei der gebotenen
wertenden Betrachtung nämlich nicht die Folge einer Pflichtverletzung des Schuldners des
durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs
(Verkäufer), sondern die Folge einer Pflichtverletzung des vormerkungswidrig Eingetragenen.
Der Vormerkungsschuldner (Verkäufer) könne
die erforderlichen Erklärungen nicht selbst abgeben und hat wegen der nur relativ – nämlich gegenüber dem Vormerkungsgläubiger
– wirkenden Unwirksamkeit der Eintragung
auch keine rechtliche Möglichkeit, den vormerkungswidrig Eingetragenen zu zwingen, die erforderlichen Erklärungen abzugeben. Den der
Vormerkung entsprechenden Rechtszustand
könne allein der vormerkungswidrig Eingetragene herbeiführen, der gerade deshalb auch
nach § 888 BGB kraft Gesetzes zur Abgabe
der erforderlichen Erklärungen verpflichtet sei.
Die durch die Verweigerung der geschuldeten
Zustimmung eintretende Verzögerung und der
auf dieser Verzögerung beruhende Schaden
seien allein die Folge des pflichtwidrigen Verhaltens des vormerkungswidrig Eingetragenen,
für die er wie jeder andere Schuldner selbst
einstehen müsse.
Für die Rechtsprechungsänderung letztlich
ausschlaggebend war jedoch, dass der Schutz
des durch die Vormerkung gesicherten Gläubigers entscheidend entwertet würde, könnte der
vormerkungswidrig Eingetragene die Erfüllung
des Zustimmungsanspruchs gegenüber dem
Vormerkungsberechtigten verweigern oder hinauszögern, ohne mit der Möglichkeit rechnen
zu müssen, für die von ihm gegebenenfalls sogar mutwillig herbeigeführten Verzögerungen
BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
zu haften. Einer solchen Entwertung, so der
BGH, lasse sich nur durch die Anwendung der
Vorschriften über die Haftung des Schuldners
für den Verzögerungsschaden effektiv begegnen.
Dr. Christian Wulfers, UniCredit Bank AG
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Allgemeines Bankrecht
PfÜB – Verwendung des Antragsformulars ZVFN – unzureichende Eintragungsmöglichkeiten
1. Sofern das Antragsformular gemäß Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFN für den Antrag des
Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich der zu
vollstreckenden Forderungen auf Seite 3 keine vollständige und zutreffende Eintragsmöglichkeit bietet, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gläubiger wegen der zu vollstreckenden Forderungen insgesamt auf eine in einer Anlage beigefügte Forderungsaufstellung
verweist, auch wenn eine zutreffende Eintragung der zu vollstreckenden Forderungen in
die vorgegebene Forderungsaufstellung teilweise möglich gewesen wäre.
2. Das Antragsformular bietet auf Seite 3 keine vollständige und zutreffende Eintragungsmöglichkeit, wenn der Gläubiger die Vollstreckung wegen mehrerer Kostenforderungen
nebst Zinsen mit gleicher Zinshöhe, aber unterschiedlichen Zinsläufen betreibt.
[…]
(BGH, Beschl. v. 15.6.2016, Az. VII ZB 58/15, WM 2016, S. 1394 ff.)
Im Anschluss an seine Beschlussentscheidungen vom 13.02.2014 (BGHZ 200, 145),
20.2.2014 (u.a. Az. VII ZB 44/13) und 4.11.2015
(Az. VII ZB 22/15, Monatsbrief März 2016) stellt
der BGH in seinem Beschluss vom 15.6.2016
nochmals klar, dass sich ein Antragsteller bei
der Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses grundsätzlich der aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 829
Abs. 4 S. 1 ZPO geschaffenen Formulare bedienen muss und nur eine Anlage verwendet
werden könne soweit für den beabsichtigten
Antrag keine zweckmäßige Eintragungsmöglichkeit im Formular bestehe.
In dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt sei eben davon auszugehen. So betreibe
der Gläubiger die Zwangsvollstreckung u.a.
wegen zweier titulierter Kostenforderungen
mit zwar gleicher Zinshöhe, aber unterschiedlichem Zinslaufbeginn. Diese Zinsforderungen
habe der Gläubiger nicht zutreffend in das vorgegebene Formular eintragen können, da die-
ses keine Möglichkeit biete, mehrere Kostenforderungen nebst Zinsen mit gleicher Zinshöhe
aber unterschiedlichen Zinsläufen einzutragen.
Insofern unterscheide sich der Fall auch von
dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4.11.2015 zugrundeliegenden (a.a.O.
- Monatsbrief März 2016). Dort habe der Gläubiger nämlich die Vollstreckung wegen mehrerer Forderungen mit demselben Verzinsungsbeginn und einheitlicher Zinshöhe beantragt.
Da das Formular keine ausreichende Möglichkeit biete, die vorliegend im Raume stehenden
Zinsforderungen korrekt zu erfassen, habe der
Gläubiger wegen der zu vollstreckenden Forderung insgesamt auf eine Anlage verweisen dürfen und sei nicht gehalten gewesen, zumindest
die Hauptforderung und die Vollstreckungskosten in die Forderungsaufstellung auf Seite
3 des vorgegebenen Formulars einzutragen,
auch wenn das Formular insoweit vollständige
und zutreffende Eintragungsmöglichkeiten geboten habe.
Dr. Michael Brass, UniCredit Bank AG
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Allgemeines Bankrecht
Allgemeines Bankrecht – Kreditrecht – Forward-Darlehen –
Widerruf
Kein Widerrufsrecht bei Forward-Darlehen, soweit dem Darlehensnehmer kein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird.
(BGH, Beschl. v. 7.6.2016, Az. XI ZR 385/15, ZIP 2016, S.1528)
Die für unechte Abschnittsfinanzierungen geltende Rechtsprechung des BGH, wonach im
Falle von Konditionenanpassungen dem Verbraucher kein Widerrufsrecht nach §§ 495
Abs. 1, 355 BGB zusteht, erstreckt der BGH in
seinem neuerlichen Beschluss auch auf Forward-Darlehen, sofern mit diesen kein neues
Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird, sondern
lediglich der Zins- und Tilgungsanteil der monatlichen Ratenzahlungen neu geregelt wird.
Wörtlich führt der BGH diesbezüglich aus:
„Bei einer unechten Abschnittsfinanzierung
steht einem Verbraucher kein Widerrufsrecht
nach den Vorschriften über Verbraucherdarle-
hensverträge gemäß § 495 Abs. 1, § 355 BGB
zu, wenn nach Auslaufen der Zinsbindungsfrist
mit der darlehensgebenden Bank lediglich neue
Konditionen für die Zukunft vereinbart werden
und die Konditionenanpassung entsprechend
dem ursprünglich geschlossenen Darlehensvertrag vollzogen wird (Senatsurteil vom 28. Mai
2013 XI ZR 6/12, WM 2013, 1314 Rn. 22). Das
ist auch bei einer hier als Forward-Darlehen bezeichneten zeitlich vorgezogenen Neuregelung
des Zins- und Tilgungsanteils der Darlehensraten der Fall, wenn dem Darlehensnehmer damit
kein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt
wird.“
Dr. Steffen Straßburger, UniCredit Bank AG
Personalsicherheiten
Bürgschaft, Kreditauftrag, Garantie und
Schuldbeitritt
Artikel-Nr. 22.529-1600
ISBN 978-3-86556-480-1
250 Seiten, gebunden
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Allgemeines Bankrecht
Täuschung bei autorisiertem Zahlungsvorgang – kein Mitverschulden – Reaktion am Folgetag
Sofern ein autorisierter Zahlungsvorgang vorliegt, kann dem Zahlungsdienstleister nicht der
Vorwurf eines Mitverschuldens gemacht werden, wenn dieser auf einen Hinweis des Zahlers
per Hotline erst am nächsten Bankarbeitstag reagiert.
(OLG Köln, Bechluss v. 21.3.2016, Az. 13 U 223/15 (Vorinstanz: LG Köln Urt. v. 16.10.2015, Az. 30 O
330/14; BKR 2016, S. 349 f.)
Das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln) bestätigte das vorinstanzliche Urteil des Landgerichts
Kölns (LG Köln). Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Kläger einen Zahlungsauftrag zu
Lasten ihres bei der Beklagten geführten Girokontos im Online-Banking erteilt. Das Online-Banking
wird mittels smsTAN-Verfahren durchgeführt. Bei
diesem Verfahren erhalten die Nutzer nach Versendung eines im Online-Banking übersandten
Überweisungsauftrages eine SMS. Diese SMS
enthält die konkreten Daten des Überweisungsauftrags sowie eine speziell für diese Transaktion generierte TAN, welche zur Auslösung des
Zahlungsvorgangs als Bestätigung eingegeben
werden muss. Dabei wird der Nutzer darauf hingewiesen die Auftragsdaten zu überprüfen und
bei Abweichungen den Kundenberater zu kontaktieren.
Während zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Überweisung am 27.5.2014 ein Fremdzugriff auf das Online-Banking-System der Bank
ausgeschlossen werden kann, war zu diesem
Zeitpunkt ein Trojaner auf dem PC der Kläger
installiert. Die Kläger behaupten, dass eine Sicherheitsabfrage die Durchführung einer Probeüberweisung verlangt habe. Deshalb hätten
die Kläger die TAN ohne Erklärungsbewusstsein
eingegeben, welche den streitgegenständlichen
Zahlungsvorgang ausgelöst hatte. Die weiteren
Hinweise in der SMS haben die Kläger nicht gelesen.
Unmittelbar nachdem die Kläger die Überweisung
zu Lasten des Kontos feststellten, teilten sie der
Beklagten über deren Hotline mit, dass die Überweisung nicht willentlich veranlasst wurde. Die Beklagte nahm am folgenden Bankarbeitstag einen
SEPA-Rückrufversuch vor, der von der Empfängerbank nicht ausgeführt wurde. Die Kläger erhielten von der Empfängerbank einen kleinen Teil
der Zahlung zurück und forderten die Beklagte zur
Zahlung des übrigen Teils des Zahlungsbetrags
auf. Das Landgericht Köln (LG Köln) hatte sich in
der Vorinstanz mit der Frage zu beschäftigen, ob
ein vom Zahler ohne Erklärungsbewusstsein veranlasster Zahlungsvorgang einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang i. S. d. § 675u BGB darstellt,
mit der Folge, dass der Zahlungsdienstleister dem
Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zurückerstatten müsste.
Die Kläger waren der Ansicht, dass kein grob
fahrlässiges Verhalten ihrerseits vorliege und die
Beklagte verpflichtet und imstande gewesen sei,
den Überweisungsvorgang anzuhalten. Die Beklagte verteidigt sich mit der Argumentation, dass
sie zum Eingriff in den Überweisungsvorgang
weder berechtigt noch verpflichtet gewesen sei
sowie dass die Kläger ihrerseits eine Vielzahl von
Sicherheitshinweisen nicht beachtet hätten.
Das LG Köln stellt zunächst fest, dass es dahinstehen kann, ob die Kläger nur eine Probeüberweisung ausführen wollten und ihnen damit
das Erklärungsbewusstsein fehlte. Vielmehr sei
entscheidend, dass durch die Eingabe der TAN
durch die Kläger der Rechtsschein einer wirksamen Willenserklärung gesetzt wurde. Die Beklagte musste davon ausgehen, dass eine – mit
Erklärungsbewusstsein abgegebene – Willenserklärung vorliegt, welche folglich wirksam ist.
Angenommen, man würde das Hotline-Telefonat
als Anfechtung des Zahlungsauftrags wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins analog § 119
Abs.1 BGB auslegen, würde dies nach Ansicht
des LG Köln keinen Anspruch auf Rückerstattung des Zahlungsbetrags gegen die Beklagte
begründen. Selbst wenn die Anfechtungsvoraussetzungen vorlägen, wäre der Zahlungsauftrag
zwar nichtig geworden. Demgegenüber hätte die
Beklagte jedoch einen Schadensersatzanspruch
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BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
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Allgemeines Bankrecht
Täuschung bei autorisierten Zahlungsvorgang – kein Mitverschulden – Reaktion am Folgetag
gemäß § 122 Abs. 1 BGB, da die Kläger aufgrund
der Nichtbeachtung der Sicherheitshinweise zumindest leicht fahrlässig handelten. Ein zum Ausschluss dieses Anspruchs gemäß § 122 Abs. 2
BGB führendes Mitverschulden der Beklagten
sieht das LG Köln dagegen nicht als gegeben
an. Die Beklagte hatte keine Obliegenheit in den
Zahlungsvorgang einzugreifen, da dieser gemäß
§ 675p BGB unwiderruflich war. Deshalb sind
auch keine sonstigen Schadensersatzansprüche
der Kläger gegen die Beklagten gemäß § 280
BGB denkbar.
Mit der Berufung wendeten sich die Kläger allein
gegen die Feststellung des LG Köln, dass der Beklagten kein Mitverschulden zur Last zu legen ist.
Die Kläger legen insoweit dar, dass die Beklagte
als Beauftragte nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nach Kenntniserlangung eines drohenden Schadens alles im Rahmen des Möglichen
und Zumutbaren hätte unternehmen müssen,
um diesen abzuwenden. Bei unverzüglicher Reaktion auf den Hinweis an die Hotline noch am
selben Tage wäre der Schaden nicht entstanden.
Die Beklagte könne sich dabei nach Ansicht der
Kläger auch nicht auf die Unwiderruflichkeit des
Zahlungsauftrags berufen, da dies gegen sich
aus dem allgemeinen Auftragsrecht ergebende
Pflichten verstoße.
Das OLG Köln führt dazu aus, dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Auftragsrechts in den
spezielleren Regelungen des Zahlungsverkehrsrechts eine besondere Ausgestaltung erhalten haben. Dabei seien die besonderen Interessen des
automatisierten Zahlungsverkehrs berücksichtigt worden. Um eingeleitete Zahlungsvorgänge
schneller ausführen zu können, seien die gesetzlich geregelten Ausführungsfristen im § 675s BGB
verkürzt worden. Dies führe dazu, dass Zahlungsvorgänge individuell nur noch mit einem erhebliche Kosten verursachenden Aufwand gestoppt
werden können. Daher sei der Zeitpunkt der Widerruflichkeit von Zahlungsaufträgen vorverlegt
worden. § 675p Abs. 1 BGB lege diesen Grundsatz nieder, nach welchem autorisierte Zahlungsaufträge mit Zugang beim Zahlungsdienstleister
grundsätzlich unwiderruflich werden. Dies führe
im Ergebnis dazu, dass die Auferlegung einer
Schadensersatzpflicht im Falle der – trotz eines
Hinweises von Verdachtsmomenten – nicht erfolgten Verhinderung eines Zahlungsvorgangs
zu Lasten des Zahlungsdienstleisters die grundsätzliche Unwiderruflichkeit des Zahlungsauftrags
aushöhlen würde.
Etwas anderes gelte nur, sofern die Beteiligten
gemäß § 675s Abs. 4 BGB eine längere Widerrufsfrist vereinbart haben. Die Einrichtung einer
Hotline für Kundenanrufe außerhalb der Geschäftszeiten stellte aber nach Auffassung des
OLG Köln offensichtlich keine derartige Vereinbarung über verlängerte Widerrufsfristen dar. Selbst
wenn eine verlängerte Widerrufsfrist vereinbart
gewesen wäre, stünden dem klägerischen Anspruch die einbezogenen Überweisungsbedingungen der Banken und Sparkassen entgegen.
Gemäß deren Nr. 1.5. Abs. 3 ist eine Verlängerung
der Widerrufsfrist nur wirksam, wenn die Ausführung verhindert wird oder der Überweisungsbetrag zurück erlangt wird. Da dies nicht geschehen
ist, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu
nach Ansicht des Gerichts.
Matthias Kaufmann, UniCredit Bank AG
BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
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Insolvenzrecht
Stille Zwangsverwaltung – Nichtigkeit einer Vergütungsabrede
Die Vereinbarung einer stillen Zwangsverwaltung, die zwischen den Absonderungsberechtigten einerseits und dem Insolvenzverwalter für die Masse andererseits abgeschlossen wird,
begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Masse keinen Nachteil erleidet.
Ein Vertrag, in dem sich ein Insolvenzverwalter persönlich gegen Entgelt verpflichtet, für die
Absonderungsberechtigten im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine stille Zwangsverwaltung
durchzuführen, ist nichtig.
[…]
(BGH, Beschl. v. 14.7.2016, Az. IX ZB 31/14, WM 2016, S. 1543 ff.)
Der Schuldner (ein Bauunternehmer) beantragte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über
sein Vermögen, zu welchem auch vermieteter
Immobilienbesitz zählte, welcher mit Grundpfandrechten belastet war. Bereits während des
Eröffnungsverfahrens vereinbarte die vorläufige
Insolvenzverwalterin mit den Grundpfandrechtsgläubigern, dass die Mieten durch die vorläufige
Verwalterin eingezogen werden sollen. Im Insolvenzverfahren verwaltete die Insolvenzverwalterin über 64 Monate mehr als 30 Mietverhältnisse
an fünf Grundstücken bis zur Verwertung aller
Immobilien. Mit den Grundpfandrechtsgläubigern war vereinbart, dass die Masse für die
Durchführung der stillen Zwangsverwaltung
6 v.H. der Netto-Kaltmieten erhalten soll. Mit der
Rechtsbeschwerde wendete sich die Verwalterin gegen die (nach ihrer Auffassung zu niedrig)
festgesetzte Vergütung.
Der BGH bezieht in der Entscheidung erstmals
eingehender zu der Frage Stellung, inwiefern
der Abschluss einer Vereinbarung zwischen
Pfandrechtsgläubigern und Insolvenzverwalter
zulässig ist, wonach dieser die massezugehörigen, aber dem Haftungsverbund der Grundschuld/Hypothek unterliegenden Miet- und
Pachtforderungen einzieht und einen Erlösanteil den Grundpfandrechtsgläubigern auskehrt.
Der Senat würdigt die beiderseitigen Vorteile
einer stillen (auch “kalten“ genannt) Zwangsverwaltung gegenüber eines sonst gebotenen
Zwangsverwaltungsverfahrens nach §§ 146 ff.
ZVG (für die Masse: Erlösbeteiligung, erleichterte freihändige Veräußerung; für die Grund-
pfandrechtsgläubiger: Ersparnis an Kosten und
Aufwand, nur ein Ansprechpartner, kein Einstellungsrisiko). Gegen die Zulässigkeit der stillen
Zwangsverwaltung bestünden nach Ansicht des
Senats dann keine Bedenken, wenn sie so ausgestaltet werde, dass die Masse im Verhältnis
zur förmlichen Zwangsverwaltung nicht schlechter gestellt werde.
Die vorrangige Auskehr der Erlöse an die
Grundpfandrechtsgläubiger im Rahmen der
stillen Zwangsverwaltung stelle keinen Nachteil
für die Masse dar, soweit und solange diese die
Beträge auch bei förmlicher Zwangsverwaltung
erhalten würden.
Die Vergütungsvereinbarung müsse aber dergestalt geschlossen werden, dass der Insolvenzverwalter für die Masse tätig werde und im Gegenzug dieser ein Massekostenbeitrag zufließe.
Hingegen wäre eine Vereinbarung zwischen
Absonderungsberechtigten und Insolvenzverwalter in dem Sinne, dass Letzterer für diese
Tätigkeit von Ersteren gesondert persönlich
vergütet werde, nichtig. Die Nichtigkeit ergebe
sich bei Rechtsanwälten schon aus § 45 Abs. 1
Nr. 1 BRAO. Aber auch bei anderen Verwaltern
als Rechtsanwälten wäre eine derartige Abrede wegen Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam.
Der Abschluss von Dienstverträgen mit einzelnen Verfahrensbeteiligten, die den Verwalter nur
diesen gegenüber verpflichten und berechtigen,
beseitige die erforderliche Unabhängigkeit des
Verwalters, was sich den Absonderungsberechtigten nach den Umständen auch aufdrängen
müsse.
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BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
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Insolvenzrecht
Stille Zwangsverwaltung – Nichtigkeit einer Vergütungsabrede
Hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs
des Insolvenzverwalters im Zusammenhang mit
einer stillen Zwangsverwaltung stellt der Senat
folgende Grundsätze auf:
■■ Die Durchführung der stillen Zwangsverwaltung sei im Rahmen der Festsetzung der
Vergütung für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.
■■ Bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters sei hinsichtlich der
Durchführung der stillen Zwangsverwaltung
nur der Überschuss zu berücksichtigen, der
hierbei zugunsten der Masse erzielt worden
sei (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 und § 1 Abs. 2
Nr. 4 Satz 2 lit. b InsVV analog).
■■ Sei die Berechnungsgrundlage nicht entsprechend größer geworden, sei für die
Durchführung der stillen Zwangsverwaltung
ein Zuschlag zu gewähren; dafür sei der Umfang des zusätzlichen Arbeitsaufwands maßgebend. Bei der Bemessung der Höhe des
Zuschlags sei als ein geeigneter Anhaltspunkt auch die Vergütung eines Zwangsverwalters nach § 18 ZwVwV in Betracht zu
ziehen, sofern der Umfang der Tätigkeit und
der Ertrag für die Masse vergleichbar seien.
Patricia Berger, UniCredit Bank AG
8. überarbeitete Auflage
Bankgeheimnis und Bankauskunft
in der Praxis
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Insolvenzrecht
Insolvenzeröffnungsgrund – Übernahme der persönlichen Haftung in Grundschuldbestellungsurkunde
Stützt ein Gläubiger seinen Eröffnungsantrag auf die Übernahme der persönlichen Haftung
des Schuldners für einen Grundschuldbetrag und bildet diese Forderung zugleich den Insolvenzgrund, wird die Forderung durch Vorlage einer vollstreckbaren Urkunde bewiesen. Einwendungen des Schuldners gegen die Forderung oder gegen die Vollstreckbarkeit des Titels
können regelmäßig nur in den für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren geltend
gemacht werden.
(BGH, Beschl. v. 23.6.2016, Az. IX ZB 18/15; ZIP 2016, S. 1447 ff.)
Die Schuldnerin, eine Immobilienzweckgesellschaft, war Eigentümerin eines bebauten Grundstücks. Die W Bank gewährte ihr ein Darlehen
über 13 Mio. €, besichert durch eine Grundschuld
in Höhe von nom. 13 Mio. €. In der Grundschuldbestellungsurkunde übernahm die Schuldnerin
die persönliche Haftung für die Zahlung eines
Geldbetrags in Höhe des Grundschuldbetrags
nebst 18 % Zinsen und einer einmaligen Nebenleistungen von 10 % des Grundschuldbetrags und
unterwarf sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Schuldnerin und Bank vereinbarten die Verkürzung der
Darlehenslaufzeit. Da die Schuldnerin den Restsaldo nicht fristgemäß zurückführte, ließ die Bank
die Vollstreckungsunterlagen zustellen. Die Bank
beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der Schuldnerin. Sie stützte
ihren Eröffnungsantrag zum einen auf den (hinsichtlich seiner Fälligkeit bestrittenen) Anspruch
auf Rückzahlung des gewährten Darlehens und
zum anderen auf die in der Grundschuldbestellungsurkunde von der Schuldnerin übernommene
persönliche Haftung für den Grundschuldbetrag.
Mit der Rechtsbeschwerde wendete sich die
Schuldnerin – im Ergebnis ohne Erfolg – gegen
die Verfahrenseröffnung.
Nach Auffassung des Senats liegen die Eröffnungsvoraussetzungen vor, da die Gläubigerin
bewiesen habe, eine fällige Forderung gegen die
Schuldnerin inne zu haben.
Gemäß § 14 Abs.1 Satz 1 InsO ist der Antrag
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig,
wenn der Gläubiger seine Forderung glaubhaft
macht. Wenn allerdings der Eröffnungsgrund aus
einer einzigen Forderung des antragstellenden
Gläubigers abgeleitet werden solle und diese Forderung bestritten werde, so müsse sie nach st.
Rspr. des BGH für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein.
Werde die Eröffnung wegen Zahlungsunfähigkeit
des Schuldners beantragt, seien noch nicht fällige Forderungen außer Betracht zu lassen (§ 17
Abs. 2 Satz 1 InsO) Die Darlehensrückzahlungsforderung könne demnach im Streitfall alleine die
Zahlungsunfähigkeit nicht begründen, da deren
Fälligkeit von der Schuldnerin bestritten und vom
Beschwerdegericht nicht festgestellt wurde.
Fällig sei vorliegend aber die Forderung aus der
Übernahme der persönlichen Haftung für den
Grundschuldbetrag. Die Gläubigerin habe sich
auch auf diesen Anspruch zur Begründung des
Insolvenzantrags berufen und den ihr obliegenden Beweis durch die Vorlage der vollstreckbaren
Urkunde geführt. Da sich die Schuldnerin in der
Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung wegen dieser Forderung unterworfen habe, sei diese
Forderung gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO tituliert.
Einwendungen der Schuldnerin gegen titulierte
Forderungen seien im Eröffnungsverfahren nicht
zu prüfen. Nach ständiger Rechtssprechung des
Senats gelte dies auch bei einer Titulierung durch
Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung. Der Umstand, dass in diesem Falle noch
keine sachliche Prüfung der Forderung unter Berücksichtigung der Einwendungen des Schuldners
stattgefunden habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Nach der Systematik des Gesetzes sei
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BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
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Insolvenzrecht
Insolvenzeröffnungsgrund – Übernahme der persönlichen Haftung in Grundschuldbestellungsurkunde
die Berechtigung der Forderung außerhalb des
Insolvenzverfahrens zu klären. Die Verfolgungslast liege grundsätzlich beim Gläubiger. Handele
es sich jedoch um eine titulierte Forderung, wobei
auch eine vollstreckbare Urkunde i.S.v. § 794 Abs.
1 Nr. 5 ZPO genüge, werde die Verfolgungslast auf
den Bestreitenden verlagert. Es sei mithin Sache
des Schuldners, im Eröffnungsverfahren erhobene Einwendungen gegen eine titulierte Forderung
des antragstellenden Gläubigers, etwa im Wege
der Vollstreckungsgegenklage zu verfolgen.
Patricia Berger, UniCredit Bank AG
BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
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Insolvenzrecht
Vorsatzanfechtung – subjektive Tatbestandsmerkmale
1. Allein der Umstand, dass der Schuldner dem Anfechtungsgegner erklärt, dass er eine
fällige Zahlung nicht sofort und nicht auf einmal erbringen und nur Ratenzahlungen leisten
könne, begründet keine Kenntnis von Tatsachen, die zwingend darauf schließen lassen,
dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
2. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können, da es sich um innere
Tatsachen handelt, zumeist nur anhand objektiver Tatsachen hergeleitet werden, die aber
nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, eine Gesamtwürdigung
nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner
zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen.
(BGH, Urt. v. 14.7.2016, Az. IX ZR 188/15, ZIP 2016, S. 1686 ff.)
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem über
das Vermögen des Schuldners am 1.2.2012 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Beklagte ist eine
Lieferantin des Schuldners. Anfang 2011 teilte der
Schuldner der Beklagten mit, dass er deren gesamte offene Forderungen nicht sofort und nicht
auf einmal bezahlen könne. Nach mehrfacher
Mahnung zahlte der Schuldner im März, April,
Mai, Juni und September jeweils Teilbeträge an
die Beklagte. Laut Mahnschreiben vom 18.5.2011
beliefen sich die offenen Forderungen zu diesem
Zeitpunkt auf 10.684,09 €, bei Verfahrenseröffnung war noch ein Betrag i.H.v. 7.484,30 € offen.
Der klagende Insolvenzverwalter verlangt von
der Beklagten im Wege der Vorsatzanfechtung
die Herausgabe von insgesamt 6.015,18 € sowie
vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 507,50 €. Die
Klage wurde von den Vorinstanzen abgewiesen.
Ebenso blieb auch der hiergegen eingelegten Revision der Erfolg versagt.
Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass das Berufungsgericht im konkreten Einzelfall rechtsfehlerfrei davon ausgehen durfte, dass ein Rückgewähranspruch gem. §§ 143 Abs. 1 S. 1, 133 Abs.
1 InsO jedenfalls mangels Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des
Schuldners nicht bestand. Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes ist regelmäßig gegeben,
wenn der Gläubiger die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. entsprechende
Umstände kennt. Die Zahlungseinstellung des
Schuldners begründet dabei die gesetzliche
Vermutung der Zahlungsunfähigkeit, § 17 Abs. 2
InsO. Allerdings waren im vorliegenden Fall die
Erklärung des Schuldners, er könne den ausstehenden Betrag nicht sofort und auf einmal zahlen
und die Bitte um Ratenzahlung nicht ausreichend,
um eine entsprechende Kenntnis der Beklagten
anzunehmen.
Da die Beklagte als Außenstehende keinen Gesamtüberblick über die finanzielle Situation des
Schuldners hatte und der Schuldner nach Ermöglichung der Ratenzahlung die Teilbeträge im März,
April und Mai 2011 auch gezahlt hatte, musste die
Beklagte weder von einer Zahlungseinstellung
noch sonst von einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit ausgehen. Auch war die Forderung nicht
so hoch, dass sich der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hätte aufdrängen
müssen. Die bei der Beklagten gekauften Waren
hatte der Schuldner trotz Zahlungsverzug immer
bar bezahlt. Schließlich durfte die Beklagte nach
unbeanstandeter Auffassung der Vorinstanz auch
davon ausgehen, dass die Zahlungsengpässe auf
der witterungsbedingt schlechten Jahreszeit beruhten und sich die Auftragslage – wie später tatsächlich geschehen – im Frühling und Frühsommer wieder bessern würde. Dass die Beklagte
nicht mit der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
gerechnet hatte, zeigte sich nach Einschätzung
des Berufungsgerichts zudem daran, dass die
Beklagte weder eine Titulierung ihrer Forderungen angestrebt noch das Vollstreckungsverfahren
eingeleitet hatte, sondern vielmehr die Geschäftsbeziehung zum Schuldner unverändert aufrechterhielt.
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13
Insolvenzrecht
Vorsatzanfechtung – subjektive Tatbestandsmerkmale
Die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts
war nach Auffassung des BGH somit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden: die subjektiven
Merkmale der Vorsatzanfechtung können, so
der BGH, meist nur aus objektiven Tatsachen
hergeleitet werden. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich,
bei welcher, so der BGH weiter, nicht übersehen
werden darf, dass die verschiedenen objektiven
Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdi-
gung nicht entbehrlich machen und insbesondere
nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Vielmehr muss der Tatrichter, § 286 ZPO, die subjektiven Voraussetzungen
der Vorsatzanfechtung unter Berücksichtigung
aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls und
damit auf Grundlage der Gesamtergebnisse der
Verhandlung sowie einer etwaigen Beweisaufnahme würdigen.
Christina Grammer, UniCredit Bank AG
Thomas Kamm, UniCredit Bank AG
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Wertpapier- und
Kapitalmarktrecht
Beratungsfreies Geschäft – Schadensersatzansprüche –
Wertpapier-Kaufabrechnungen
1. Eine Warnpflicht als Nebenpflicht aus § 384 Abs. 2 BGB des Geschäftsbesorgungsvertrag
(Kommissionsvertrag) besteht im beratungsfreien Geschäft nur dann, wenn das Kreditinstitut klar erkennt, dass der Kunde die Tragweite und das Risiko des von ihm selbst ausgewählten Wertpapieres falsch einschätzt.
2. Weder aus § 384 Abs. 2 HGB noch aus § 31 Abs. 8 WpHG noch aus § 8 Abs. 2 Nr. 7 WpDVerOV ergibt sich die Verpflichtung eines Kreditinstitutes, einen Kunden über den Charakter und die einzelnen Konditionen eines gekauften Wertpapieres zu informieren. Aus
den vorgenannten gesetzlichen Vorschriften ergibt sich ausschließlich die Verpflichtung,
im Rahmen der Kaufabrechnung Rechenschaft über die Ausführung des Kommissionsgeschäftes zu legen.
(OLG Schleswig, Urt. v. 15.10.2015, Az. 5 U 91/15, WM 2016, S. 1390 ff.)
Der Kläger hat mit der Klage einen Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Discount-Broker im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktienanleihen im beratungsfreien Geschäft geltend
gemacht; der Kläger hatte mehrfach Nachkäufe
der klagegegenständlichen Anleihe getätigt.
Auf den Wertpapierkaufabrechnungen hieß es
„Gesamtfälligkeit am 22.11.2012 zum Kurs von
100,00“. Diese Angabe sah der Kläger als falsch
an, während die Beklagte behauptet hat, dass
diese Angabe richtig sei, da auch eine Aktienanleihe grundsätzlich eine Anleihe sei, die zu 100 %
zurück gezahlt werde. Lediglich für den Fall, dass
eine festgelegte Bedingung eintrete, erfolge die
Rückzahlung nicht in Geld, sondern in einer vorher festgelegten Art von Aktien. Das OLG sah
diese Angaben als möglicherweise unvollständig
an und hat offen gelassen, ob die auf der Kaufabrechnung gemachten Angaben tatsächlich unvollständig sind. Wegen dieser möglicherweise unvollständigen Angaben hat das OLG eine Haftung
des Kreditinstitutes aus folgenden Erwägungen
verneint:
■■ Eine Warnpflicht als Nebenpflicht aus § 384
Abs. 2 BGB des Geschäftsbesorgungsvertrag (Kommissionsvertrag) im beratungsfreien Geschäft hat das OLG in diesem Fall
abgelehnt. Eine solche Warnpflicht besteht
nach Rechtsprechung des BGH nur dann,
wenn das Kreditinstitut im beratungsfreien Geschäft klar erkennt, dass der Kunde
die Tragweite und das Risiko des von ihm
selbst ausgewählten Wertpapieres falsch
einschätzt.
■■ Auch eine Haftung des Kreditinstitutes aus
dem Geschäftsbesorgungsvertrag (Kommissionsvertrag) aufgrund der Angabe auf den
Kaufabrechnungen zur Fälligkeit der Anleihe
hat das OLG abgelehnt:
-- Es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung: Weder aus § 384 Abs. 2 HGB
noch aus § 31 Abs. 8 WpHG noch aus
§ 8 Abs. 2 Nr. 7 WpD-VerOV noch aus
den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des beklagten Kreditinstitutes ergibt
sich die Verpflichtung, einen Kunden
über den Charakter und die einzelnen
Konditionen eines gekauften Wertpapieres zu informieren. Aus den vorgenannten gesetzlichen Vorschriften ergibt
sich ausschließlich die Verpflichtung, im
Rahmen der Kaufabrechnung Rechenschaft über die Ausführung des Kommissionsgeschäftes zu legen.
-- Aber selbst wenn eine Pflichtverletzung
vorliegen würde, so wäre diese nicht
schuldhaft. Denn nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen haftet die
Beklagte nicht für die Vollständigkeit,
Richtigkeit und Genauigkeit der an den
Kunden weitergeleiteten Börsen- und
Wirtschaftsinformationen, sofern die
Haftung nicht auf Vorsatz oder grober
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BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
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Wertpapier- und
Kapitalmarktrecht
Deutscher Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte
(Rahmenvertrag) – Insolvenz – Teilweise Unwirksamkeit
der Berechnungsmethode bei vertraglichen Netting-Vereinbarungen im Rahmen des Deutschen Rahmenvertrages für
Finanztermingeschäfte
Fahrlässigkeit beruht. Bei den hier streitgegenständlichen Angaben handelt
es sich um solche von einem externen
Dienstleister. Nach Auffassung des OLG
hat die Beklagte etwaige Nebenpflichtverletzung (d.h. falsche bzw. irreführende Bezeichnung des Finanzprodukts
oder Verletzung einer entsprechenden
Prüfungspflicht) nicht grob fahrlässig
oder vorsätzlich verschuldet.
Zudem sah das OLG die möglicherweise unvollständige Information nicht als ursächlich für den
geltend gemachten Schaden an. Denn die „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“ greift
hier nicht ein, denn sie gilt nur im Zusammenhang
mit Aufklärungs- und Beratungsfehlern. Vorliegend geht es aber um Informationspflichten nach
Abschluss einer getätigten Anlage zur Vorbereitung von weiteren Anlagen. Hierbei gelten in Bezug auf die Kausalität die normalen Beweisregeln.
Heike Dunker, UniCredit Bank AG
BuB-Monatsbrief • Nr. 9 • September 2016
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BuB – für alle Fälle
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