Branchenstudie WINDENERGIE Windenergie September 2016 2014 Inhaltsverzeichnis Einleitung 2 1 Entwicklung der Windenergie 5 1.1 Aktuelle Entwicklung Global 5 1.2 Aktuelle Entwicklungen in Europa 1.2.1 Marktentwicklung und Trends 1.2.2 Umbau der Förderregime 1.2.3 Erfahrungen mit Ausschreibungsverfahren 1.2.4 Strompreise und -gestehungskosten 7 7 13 15 16 2 Europas Windmärkte 19 2.1 Kernmärkte im Fokus 2.1.1Deutschland 2.1.2Frankreich 2.1.3Großbritannien 2.1.4Irland 2.1.5Belgien 2.1.6Niederlande 2.1.7Dänemark 2.1.8Finnland 2.1.9Schweden 2.1.10Norwegen 2.1.11Polen 2.1.12 Baltische Staaten 2.1.13Italien 2.1.14Spanien 2.1.15Portugal 2.1.16Rumänien 2.1.17Türkei 19 19 25 28 32 35 38 42 44 47 51 55 58 62 65 68 70 72 2.2 Fördersysteme im Überblick 74 3Marktprognose 75 Abkürzungsverzeichnis 77 Impressum 78 Disclaimer 78 Urheberrecht 78 HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 1 BRANCHENSTUDIE WINDENERGIE Einschätzung internationaler Perspektivmärkte Einleitung Größer, höher, effizienter und immer günstiger – die Windenergie schreitet in vielerlei Hinsicht voran und steuert in vielen Ländern mittlerweile signifikante Beiträge zur Stromversorgung bei. Weltweit wurden im vergangenen Jahr Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von insgesamt rund 63 GW in Betrieb genommen. Das bedeutete ein neues Rekordvolumen und mit fast 22% mehr als in 2014 ein unerwartet starkes Wachstum. Mit einem Zubau von gut 30 GW war China hierbei klar die Triebfeder. Doch auch in Europa ging mit 13,8 GW so viel Anlagenleistung ans Netz wie nie zuvor. Während die Windkraft auch im Jahr 2015 global weiter an regionaler Verbreitung gewonnen hat, werden in den etablierten Windmärkten dank der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Anlagentechnik und Windparksteuerung auch neue Potenzialflächen erschlossen. Ob an Schwachwindstandorten, auf See oder in Regionen mit herausfordernden Witterungsbedingungen – die Anlagentechnik bietet heute für unterschiedlichste Standortbedingungen effiziente Lösungen. Gut dreißig Jahre nach dem Beginn ihrer kommerziellen Nutzung ist die Windenergie erwachsen geworden. Windstrom wird marktseitig zusehends voll in die Strommärkte integriert und bedarf in sinkendem Maße einer staatlichen Förderung. Angesichts dieser Entwicklung beschäftigt sich die Branchenstudie Windenergie, zwei Jahre nach der Publikation der letzten Fassung, erneut mit den aktuellen Entwicklungen auf dem Markt der Windenergie. Wie gewohnt geht es primär um die Perspektiven wichtiger europäischer Märkte: Was sind die politischen Rahmenbedingungen, wie wurden die Fördersysteme weiterentwickelt? Welchen Stellenwert hat die Windenergie in den nationalen Stromerzeugungsstrukturen, welche Rahmenbedingungen hinsichtlich Nutzung, Verfügbarkeit und Bedarf gibt es und welche Ausbauziele verfolgen die einzelnen Länder? Die Studie beschäftigt sich nicht mit einzelnen Herstellern und Anlagentechnologien. Auch Strommarktdesign, Kapazitätsmärkte, Emissionszertifikate, der Ausbau der Stromnetze, die Stromspeicherung und die Elektrifizierung auf dem Feld der Gebäudeheizung oder im Transportsektor sind ebenso nicht Fokus dieser Studie. Gleichwohl sind alle diese Themenfelder für das Gelingen der Energiewende und die weitere Entwicklung der Windenergie durchaus maßgeblich. Eine besondere Relevanz für die weitere Entwicklung des Ausbaus der Windenergie hat das Thema Kosten. Für die Antwort auf die Frage, was denn Strom aus Windenergie eigentlich kostet, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Herangehensweisen, die ebenso selbstverständlich ihre Berechtigung haben, wie sie vielfach interessengetrieben betrachtet werden. Diese Studie beschränkt sich diesbezüglich methodisch auf die Berechnung der so genannten Stromgestehungskosten. Bei diesem Ansatz werden über die typische Anlagennutzungsdauer die Stromerträge einer Erzeugungstechnologie zu deren fixen und variablen Kosten ins Verhältnis gesetzt. Angesichts niedriger Betriebskosten haben hierbei insbesondere die durchschnittlichen Kapitalkosten, über die die für Windenergieanlagen typischen hohen spezifischen Investitionskosten berücksichtigt werden, einen erheblichen Einfluss auf die Stromgestehungskosten. Aufgrund sehr unterschiedlicher natürlicher Voraussetzungen und nationaler Besonderheiten gibt es auf die Frage nach den Stromgestehungskosten der Windenergie keine einheitliche Antwort, sondern vielmehr ländertypische Bandbreiten. Als europaweit aktiver Projektfinanzierer auf dem Feld der Erneuerbaren Energien können wir auch hier unsere Expertise aus der Projektfinanzierung einbringen. Alles, was mit dem Thema Energieversorgung zu tun hat, besitzt in besonderem Maße eine politische Dimension. Zielkonflikte mit anderen Politikfeldern, wie insbesondere dem Umweltschutz sind dabei unvermeidlich. Wesentliche Rahmenbedingungen auf dem Feld der Energie- und der Umweltpolitik werden heute in Europa von den Staaten nicht mehr autark gesetzt, sondern kooperativ auf Ebene der Europäische Union vereinbart und vorangetrieben. Nachdem anfangs die Liberalisierung der Energiemärkte und die Schaffung eines Binnenmarktes für Energie im Vordergrund standen, ist vor dem Hintergrund der voranschreitenden globalen Erwärmung längst die EU-Klimapolitik zum Haupttreiber für die Energiemärkte geworden. Wie die Energy Roadmap der EU-Kommission bis zum Jahr 2050 zeigt, ist nicht weniger als eine weitgehende Umstellung der gesamten Energieversorgung von fossilen Energieträgern auf Erneuerbare Energiequellen zu leisten, wenn das CO2-Einsparziel von 80% bis 95% erreicht werden soll. Auf dem Weg dahin sind die verbindlichen Klimaschutzziele der EU-Länder für das Jahr 2020 ein erster, noch relativ leicht zu gehender Schritt. Schon die nächste Dekade wird erheblich höhere Anstrengungen erfordern, um die von der EU-Kommission auf der Pariser UN-Klimakonferenz Ende 2015 gemachten Zusagen zu operationalisieren und umzusetzen. Zumindest eines ist sicher: Das natürliche Energieangebot an SEITE 2 Solarstrahlung und Wind ist überreichlich vorhanden und sowohl mit der Photovoltaik als auch mit der Windenergie technologisch zu niedrigen Kosten zur Stromerzeugung nutzbar. Die zentrale Herausforderung liegt künftig aber nicht nur darin, mehr Wind- und Solarstrom zu erzeugen, sondern diese Strommengen auch so nutzbar zu machen, dass eine jederzeitige Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt. Der Strommarkt und die Stromnetze stehen dabei an vorderster Front. Eine langfristige Umstellung der Stromerzeugung zu wesentlichen Teilen auf Erneuerbare Energien bedeutet für die Stromnetze eine große Herausforderung, denn diese werden dadurch in zunehmendem Maße mit einer schwankenden Stromerzeugung konfrontiert sein. Zudem müssen größere Strommengen über erheblich größere Entfernungen transportiert werden müssen. Des Weiteren wird der Strombedarf durch die erforderliche Elektrifizierung des Transportsektors und auf dem Feld der Gebäudeheizung tendenziell weiter steigen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss daher von einem umfassenden Maßnahmenbündel u.a. aus Netzertüchtigungen, internationalen Stromnetzverbünden, Stromspeichern und einer Flexibilisierung und Dezentralisierung der Stromnachfrage begleitet werden. Ohne leistungsfähige und intelligente Stromnetze ist das nicht zu schaffen. Netzausbau und Windenergieanlagenzubau müssen daher mit zunehmendem Windstromanteil aufeinander abgestimmt werden, wenn es nicht zu gravierenden Ineffizienzen kommen soll, wie etwa in China, das im vergangenen Jahr etwa 15% der nationalen Windstromerzeugung im Land wegen Netzengpässen nicht in das Netz einspeisen konnte. Die marktseitige Integration großer Windstrommengen verursacht allerdings nicht nur direkte und indirekte Kosten (Förderung, Netzausbau), sondern bringt auch tagtäglich Vorteile mit sich. So dämpft Windstrom dank des Merit-Order-Effekts, der die Einsatzrangfolge der jeweils günstigsten Kraftwerke beschreibt, den Preis an den Strombörsen und könnte so die Stromverbraucher entlasten. An windreichen, verbrauchsschwachen Tagen kann es in einigen Ländern bereits jedoch dazu kommen, dass der Strompreis auf Null fällt oder gar negativ wird. Solche Konstellationen sind allerdings gesamtwirtschaftlich schädlich, da dann kein im Betrieb befindliches Kraftwerk seine Grenzkosten verdienen kann. Weiter steigende Windstrommengen drohen dieses bisher auf wenige und kurze Zeitfenster begrenzte Problem künftig zu verschärfen. Insofern besteht hier Handlungsbedarf für die Politik, noch mehr für die Flexibilisierung der Stromnachfrage zu tun, statt darauf zu warten, dass die Strompreisentwicklung den Akteuren am Strommarkt hierfür die entsprechenden Anreize bietet. Während die Frage nach der grundsätzlichen Förderwürdigkeit der Windenergie jedes Land für sich selbst beantworten muss, rückt vor dem Hintergrund weiter gesunkener Stromgestehungskosten zwangsläufig die Frage in den Fokus, wie viel Förderung noch nötig ist und wie Fördermittel möglichst effizient eingesetzt werden können. Hier hat die EU-Kommission als oberste Entscheidungsinstanz bei staatlichen Energie- und Umweltbeihilfen den Mitgliedsländern im Jahr 2014 neue Leitlinien für bzw. Anforderungen an die Ausgestaltung der nationalen Fördersysteme vorgegeben, die ab dem Jahr 2017 in vollem Umfang einzuhalten sind. Im Kern geben diese eine volle Marktintegration der Windenergie in den Strommarkt sowie eine strikt wettbewerbliche Ermittlung der Förderhöhe vor. Zwar bleiben auch künftig Quotensysteme mit handelbaren „Grünen Zertifikaten“ zulässig, einen solchen Förderweg verfolgen aber mit Schweden, Norwegen und Rumänien nur noch drei der größeren Windenergiemärkte in Europa. Die ganz überwiegende Mehrheit hat ihre Fördersysteme hin zu Marktprämienmodellen mit auktionsbasierter Ermittlung der Förderhöhe weiterentwickelt bzw. plant dies zu tun. In einem solchen Modell sind die Stromvermarktung und die Zahlung der Zusatzvergütung strikt voneinander getrennt. Ab 2017 werden die Anlagenbetreiber mit Geboten über die verlangte Förderhöhe miteinander konkurrieren müssen. Nur die niedrigsten Gebote erhalten dann den Zuschlag für ihr Projekt. Wer zu teuer ist, geht leer aus. Während der Auktionszwang in vielen Ländern für die Projektierer eine zusätzliche Unwägbarkeit bedeutet und ihnen noch mehr Flexibilität abverlangt, erleichtern Auktionen den Staaten künftig die Steuerung des Zubaus und damit eine bessere Verzahnung mit dem Netzausbau. Hierbei kommt es darauf an, das Auktionsdesign so zu wählen, dass die verfolgten Ziele damit bestmöglich erreicht werden. Eine hohe Realisierungsquote der ausgeschriebenen Kapazität dürfte dabei ganz oben in der Zielhierarchie stehen. Die in vielen Ländern in der Vergangenheit bereits durchgeführten Auktionen für Solar- und Windenergiekapazitäten geben dabei wertvolle Anhaltspunkte für die „richtige“ Ausgestaltung des Auktionsdesigns. Für eine möglichst reibungslose Integration immer höherer Windstrommengen in die Stromversorgung sind Windparks mit möglichst konstanter Stromproduktion und hohen Kapazitätsfaktoren besonders systemdienlich. Optimal im Sinne einer kostengünstigen Netzintegration ist es, wenn solche Standorte räumlich in der Nähe von verbrauchsstarken Regionen liegen, denn solche Standorte nutzen das HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 3 bestehende Stromnetz tendenziell besser aus und erfordern nicht gleich auch einen Ausbau der Übertragungsnetzkapazitäten. D.h. eine Förderung des Windparkzubaus macht nicht nur an Starkwindstandorten Sinn, sondern insbesondere auch an Schwachwindstandorten in verbrauchsstarken Regionen. Mit einer von der Standortgüte abhängigen Differenzierung der Förderhöhe ist Deutschland diesbezüglich seit langem Vorreiter in Europa und verfolgt diesen Weg auch im modifizierten Fördersystem ab 2017 weiter. Die Erschließung von Offshore-Standorten, die zunehmende Nutzung von Schwachwindstandorten, die Hebung von Potenzialen mit Repowering sowie sinkende Kosten sind nicht die einzigen Treiber der Entwicklung an den Windenergiemärkten. Infolge der Abhängigkeit vom Zugang zu staatlichen Fördersystemen führen politische Risiken – auch in Europa – vereinzelt immer wieder dazu, dass der Ausbau der Windenergienutzung in einzelnen Ländern abrupt gestoppt wird oder über Gebühr rückwirkend in bestehende Fördermechanismen eingegriffen wird. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind hier Großbritannien, das die Onshore-Förderung an Land ab 2017 einstellt, Polen, dessen neue Regierung die Windenergie grundsätzlich ablehnt und Rumänien, das bei der Steuerung seines Fördersystems Schiffbruch erlitt und bestandsschutzverletzende Noteingriffe vornehmen musste. In anderen Ländern hingegen wird aktiv ein langfristiger energiepolitischer Konsens auf breiter gesellschaftlicher Basis gesucht, der den Transformationsprozess hin zu einer CO2-armen Energieversorgung langfristig absichert. Mit der Ratifizierung des Pariser UN-Klimaabkommens durch die beiden größten CO2-Erzeuger China und USA hat der Ausbau der Erneuerbaren Energien neue politische Unterstützung erfahren – der Boden für einen nachhaltig starken Ausbau der Windenergie ist damit bereitet. Vor diesem Hintergrund sind wir sehr zuversichtlich, dass die weltweit installierte Leistung bis zum Jahr 2020 in dem vom GWEC prognostizierten Tempo von durchschnittlich ca. 13% p.a. wachsen wird. Für Europa erwarten wir angesichts des bereits vergleichsweise hohen Ausgangsniveaus „nur“ eine jährliche Zunahme der installierten Leistung bis 2020 um durchschnittlich 8,1%, was einer Nennleistung von insgesamt 71 GW entspricht. Für 2025 gehen wir von einer Verdoppelung der Kapazität im Vergleich zu Ende 2015 aus. Nicht nur infolge des steigenden Anteils von Offshore-Windparks wird mit diesem Kapazitätszuwachs eine deutlich überproportionale Zunahme bei der Windstromerzeugung einhergehen. Dieser aggregierte Ausblick auf den europäischen Windmarkt wird in dieser Studie anhand der Windmärkte in 19 Ländern Europas ausführlicher beschrieben. Dabei liegt der Schwerpunkt der Analyse auf den jeweiligen energiepolitischen Rahmenbedingungen und den nationalen Fördersystemen. Als Fazit lässt sich bereits vorab feststellen: Die Windkraft wird auch in den nächsten Jahren ihre Erfolgsgeschichte fortschreiben SEITE 4 1 Entwicklung der Windenergie 1.1 Aktuelle Entwicklungen Global Mit einem weltweiten Zubauvolumen von gut 63 GW an neuen Kapazitäten war das Jahr 2015 nach Angaben des Global Wind Energy Councils (GWEC) ein weiteres Rekordjahr für die Windenergie, verglichen mit dem Vorjahr lag das Plus bei knapp 22%. Per Ende 2015 hatte der weltweit installierte Anlagenbestand eine Kapazität von ungefähr 433 GW erreicht. Beim Blick auf die regionale Verteilung des Kapazitätszubaus wird deutlich, dass das Marktwachstum wie im Vorjahr vorwiegend in Asien stattfand (53% Zubauanteil). Das wachstumsstärkste Land war hierbei China, das mit 30,5 GW an neu installierten Windenergieanlagen gut 48% des gesamten weltweiten Zubaus in 2015 auf sich vereinte. Die USA und Deutschland waren mit einer neu installierten Windenergieanlagenkapazität von 8,6 GW bzw. 6,0 GW der zweit- bzw. drittgrößte Einzelmarkt in 2015. Europa lag in der Zubaustatistik mit einem Anteil von 21,7% zwar vor Nordamerika, die Zubaudynamik ist hier aber am geringsten. So lag das Plus im Vergleich zum Jahr 2014 bei nur 5,7%, während das Zubauvolumen in Nordamerika um 47% gestiegen war. Entwicklung des weltweiten Windenergieanlagenzubaus, in GW 70 60 3,7 10,8 50 3,7 7,4 40 11,0 30 20 10 0 8,9 6,1 8,0 10,1 10,3 10,2 8,9 15,2 8,6 2008 2009 Asien 21,5 20,9 2010 2011 Europa 14,8 13,0 3,1 12,9 12,0 15,5 18,2 2012 2013 Nordamerika 13,8 Asien 26,0 2014 33,6 2015 Übrige Quelle: Global Wind Energy Council HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 5 Entwicklung der weltweiten Windenergieanlagenkapazität, in GW 500 450 400 89 350 78 300 71 250 148 68 134 53 200 45 150 39 86 100 28 50 66 0 24 40 61 2008 2009 2010 76 Asien Europa 97 110 122 82 98 116 2011 2012 2013 Nordamerika 176 142 2014 Lateinamerika 2015 übrige Quelle: Bloomberg New Energy Finance Bei der regionalen Verteilung des Investitionsvolumens in neue Windenergieanlagen sieht das Bild jedoch etwas anders aus. Hier flossen im Jahr 2015 nach Erhebungen von Bloomberg New Energy Finance (BNEF) 54,8 Mrd. USD des Investitionsvolumens nach Asien (45% Anteil), wohingegen Europa mit 37,7 Mrd. USD auf einen Anteil von 31% kam. Die Ursache des relativ zum Zubauvolumen überproportional hohen Investmentvolumens in Europa liegt wesentlich darin, dass der Zubau in den asiatischen Ländern überwiegend mit kostengünstigen einfachen Anlagen erfolgt, während in Europa der Ausbau der Offshore-Windenergie enorme Investitionsmittel bindet. Windenergie Investitionsvolumen, in Mrd. USD 140 120 10,4 100 9,9 60 40 19,8 12,5 30,6 14,3 33,1 28,8 30,7 20 21,3 0 6,3 22,4 80 2008 17,1 21,9 17,3 33,0 33,6 32,8 36,1 2009 2010 2011 2012 2013 Europa Nordamerika 13,1 37,7 34,4 26,6 38,1 Asien 16,7 Lateinamerika 46,7 2014 54,8 2015 Übrige Quelle: Bloomberg New Energy Finance An den Ausbauzahlen in den letzten beiden Jahren lässt sich erkennen, dass die Windenergie weltweit zwar allmählich an regionaler Breite gewinnt. Die Entwicklung wird aber immer wieder auch von Rückschritten in einzelnen Ländern begleitet. So zeigten mit SEITE 6 Brasilien, Mexiko, Kanada, Südafrika, Marokko, Uruguay und Panama beispielsweise eine Reihe von Ländern in den letzten zwei Jahren deutliche Zuwächse beim Bau neuer Windparks. In den krisengeschüttelten Ländern in Nordafrika und im Nahen Osten hingegen, ist der Zubau hingegen praktisch komplett zum Erliegen gekommen. Und selbst in Europa gibt es mit Polen, Rumänien und der Ukraine einige Länder, in denen die Projektrealisierung infolge politischer und regulatorischer Risiken eingebrochen ist. Die Entwicklung verdeutlicht, dass Windparkprojekte als langfristige Investitionen vor allem ein Mindestmaß an Stabilität in den politischen Rahmenbedingungen benötigen, wenn sie in einem Land zur Erfolgsstory werden sollen. Trotz Rückschlägen in einzelnen Ländern ist der globale Trend zur Nutzung Erneuerbarer Energien gleichwohl ungebrochen und erhält durch die Ergebnisse des Weltklimagipfels im Dezember 2015 in Paris neuen Rückenwind. So haben nach Erhebungen von REN21, einer Initiative im Rahmen des UN-Umweltprogramms UNEP, laut aktuellem Renewables 2016 Global Status Report per Anfang 2016 173 Staaten (+9 ggü. Anfang 2015) nationale energiepolitische Ziele formuliert. 146 Länder haben auf nationaler oder regionaler Ebene Fördermodelle für Erneuerbare Energien implementiert. Hiervon sind mehr als zwei Drittel Entwicklungs- und Schwellenländer. Mit dem Zubau an neuen PV- und Windenergieanlagenkapazitäten nimmt der Stromanteil aus Erneuerbaren Energien im Strommix zu. Ab einem gewissen Umfang droht der Ausbau der Erneuerbaren Energien für Industrieländer mit klassischen Stromerzeugungsstrukturen zu einem „Stressfaktor“ für die Netzstabilität und damit die Versorgungssicherheit zu werden. Mit zunehmenden Solar- und Windstrommengen müssen die nationalen Stromnetze nämlich in steigendem Maße witterungsbedingte Erzeugungsschwankungen aufnehmen und ausgleichen. Speziell bei einem räumlichen Auseinanderfallen von EE-Stromerzeugung und Stromverbrauch können die Transportnetzkapazitäten überfordert werden. Speziell in China ist dies mittlerweile zu einem gravierenden Problem geworden. Dort konnten in 2015 von den staatlichen Netzgesellschaften rund 34 TWh Windstrom – das entspricht 15% der Gesamterzeugung – nicht ins Netz eingespeist werden. Obwohl die nationale Energiebehörde und die Netzgesellschaften eigenen Bekundungen zufolge an der Behebung von Netzengpässen arbeiten, bleibt die Anlagenabregelung ein bedeutender Risikofaktor für bereits bestehende, aber auch für künftige Windenergieprojekte in China. Die Zentralregierung könnte daher in Zukunft gezwungen sein, das Ausbautempo im Land zu drosseln. Auch in Europa resultieren aus dem Anlagenzubau bereits gewisse Herausforderungen für die Stromnetze, die sich dank Einspeisevorrang bzw. garantiertem Netzzugang der EE dann auch schnell auf die Preisentwicklung am Strommarkt auswirken. Zwar sind Windenergieanlagenzubau und Stromnetzausbau in Europa besser aufeinander abgestimmt, die Windparkinvestoren sind dabei gleichwohl in steigendem Maße gewissen Vergütungsrisiken ausgesetzt. So entfallen für neue Anlagen gesetzliche Zusatzvergütungen im Rahmen der staatlichen Windenergieförderung, wenn der Strompreis über längere Zeit auf Null fällt oder gar negativ wird. Diese auf die EU-Leitlinien für Umweltschutz- und Energiebeihilfen zurückgehende Regelung ist Ausdruck der zunehmenden Marktintegration der Windenergie und – zusammen mit der Vorgabe zur strikt wettbewerblichen Ermittlung staatlicher Förderungen – ein weiterer Schritt auf dem Weg zur langfristigen Überwindung einer staatlichen Fördernotwendigkeit. 1.2 Aktuelle Entwicklungen in Europa 1.2.1 Marktentwicklung und Trends Wie mit den obigen GWEC-Statistiken bereits ausgeführt, war das Jahr 2015 mit 13,8 GW ein weiteres Rekordjahr beim Windenergieanlagenzubau in Europa. Bei der Länderverteilung fällt allerdings auf, dass der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr allein auf das Rekordvolumen in Deutschland zurück zu führen ist. Mit 6,0 GW belief sich der Anteil Deutschlands am gesamten Zubau in Europa auf ungefähr 43%. Dahinter folgen Polen und Frankreich mit jeweils rund 1,1 GW bzw. 8% Anteil, gefolgt von Großbritannien mit knapp 1 GW (7%). Beim installierten Anlagenbestand führt Deutschland mit 45 GW, gefolgt von Spanien (23 GW), Großbritannien (13,6 GW), Frankreich (10,4 GW) und Italien (9 GW) die Rangliste an. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 7 Entwicklung der Windenergieanlagenkapazität, Nettokapazitätszubau in GW 16 14 12 10 8 6 4 2 0 2008 2009 2010 DE ES 2011 UK FR 2012 IT SE 2013 PO TR 2014 2015 übrige Quelle: EWEA, nationale Branchenverbände Entwicklung der Windenergieanlagenkapazität, Bestand per Jahresende, in GW 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2008 2009 DE 2010 ES 2011 UK FR 2012 IT SE 2013 DK PT 2014 2015 übrige Quelle: EWEA, nationale Branchenverbände Die Aufschlüsselung des Zubauvolumens nach Standorttyp offenbart, dass mit knapp 3,0 GW in 2015 ein rekordhohes Zubauvolumen auf Offshore-Windparks entfiel, während die Anschlussleistung bei Windparks an Land mit 10,7 GW nicht ganz an das Niveau des Vorjahres herankam. Offshore-Windparks machten per Ende 2015 etwa 7% der gesamten installierten Anlagenkapazität aus. SEITE 8 Nettokapazitätszubau nach Standorttyp, in GW 16 14 1,5 12 0,7 10 8 0,9 3,0 11,2 10,7 2014 2015 1,6 0,5 0,4 6 4 1,5 8,2 10,0 9,3 9,9 2010 2011 11,3 10,2 2 0 2008 2009 Nettozubau Onshore 2012 2013 Nettozubau Offshore Quelle: EWEA, nationale Branchenverbände Installierte Kapazität nach Ländern, per Ende 2015, in GW 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Onshore Offshore Quelle: EWEA, nationale Branchenverbände HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 9 Die BNEF-Auswertung der Finanzierungsvolumina im europäischen Windenergiemarkt zeigt für das Jahr 2015 einen Rekordwert von 37,7 Mrd. USD. Hiervon entfielen gut 46% auf Offshore-Windparks. Die BNEF-Erhebungen zeigen außerdem, dass Investitionen in Windenergieprojekte ganz wesentlich in Form von Projektfinanzierungen erfolgen. In Europa lag deren Anteil im Jahr 2015 bei 96%. Bankfinanzierungen sind damit, ggf. unter Einbindung staatlicher Förderkredite, unverändert die zentrale Finanzierungsquelle für Windparkprojekte. Dass die Investitionsvolumina sowohl für neue Windparks an Land (19,4 Mrd. USD, +3 Mrd. USD ggü. Vorjahr) als auch auf See (16,9 Mrd. USD, +1,6 Mrd. USD ggü. Vorjahr) in 2015 deutlich über den im Vorjahr finanzierten Volumina liegen, deutet darauf hin, dass das der Finanzierung nachlaufende Fertigstellungsvolumen zumindest in 2016 eine Zunahme der neu installierten Anschlussleistung an Land bringen wird. Windenergieinvestitionen in Europa nach Finanzierungsweg, in Mrd. USD 40 0,8 35 30 8,7 25 20 15 10 3,5 1,2 1,8 0,5 0,8 1,1 0,1 1,2 0,3 16,4 19,2 22,1 26,7 29,3 31,4 31,7 27,2 20,7 36,4 24,2 5 0 2005 2006 2007 2008 2009 Wind Europe Asset Finance 2010 2011 2012 Wind Europe Public Markets Finance Quelle: Bloomberg New Energy Finance; Asset Finance: Projektfinanzierung; Public Markets: Kapitalmarktfinanzierung SEITE 10 2013 2014 2015 Projektfinanzierte Windenergieinvestitionen in Europa, in Mrd. USD 40 35 30 16,9 3,1 25 2,5 20 15 10 12,6 10,0 15,3 11,5 1,5 0,5 15,9 17,6 2005 2006 4,6 19,6 9,1 23,6 18,0 18,9 2009 2010 15,7 16,0 15,1 16,4 2011 2012 2013 2014 19,4 5 0 2007 2008 Onshore 2015 Offshore Quelle: Bloomberg New Energy Finance Die auf EU-Ebene unter den Mitgliedsländern abgestimmte und national mit konkreten Maßnahmenplanungen unterlegte Klimapolitik ist einer der Haupttreiber des Ausbaus der Windenergienutzung. Den verbindlichen Rechtsrahmen bilden in dieser Hinsicht derzeit die Nationalen Aktionspläne der EU-Länder für Erneuerbare Energien („NREAP“), mit denen die EU-Klimaziele für das Jahr 2020 erreicht werden sollen.1 Zwar gibt es mit der „Energy Roadmap“ der EU bis zum Jahr 20502 bereits seit dem Jahr 2011 LangfristPlanungen für den Umbau der Energieversorgung sowie mit dem von der EU auf dem Weltklimagipfel in Paris im Dezember 2015 zugesagten CO2-Reduktionsziel für das Jahr 2030 z.T. sehr viel weitergehende Zielgrößen auf EU-Ebene. Deren Umsetzung in nationales Recht wird jedoch noch geraume Zeit in Anspruch nehmen. So gibt es aktuell unter den Regierungen der Mitgliedsstaaten diesbezüglich noch keine verbindliche Aufteilung auf die EU-Länder. Bisher haben lediglich wenige Länder für sich längerfristige klimapolitische Zielgrößen für die Zeit von 2020 bis 2050 beschlossen. Auch wenn diese z.T. auf breiter gesellschaftlicher Basis z.B. im Wege eines nationalen Energiekonsenses beschlossen wurden, entfalten sie nicht dieselbe rechtliche Bindung wie die nationalen Aktionspläne bis zum Jahr 2020. Was die Fortschritte der EU-Länder bei der Erreichung ihrer Klimaziele bis 2020 anbelangt, gibt es einige wenige Mitgliedsländer, die ihre Ziele bereits geschafft haben, und solche, die auf Zielkurs sind oder den eigenen Planungen hinterherhinken. Aus der nachfolgenden Übersicht ist der im Jahr 2014 erreichte Stand wiedergegeben, wie er von den Regierungen mit ihren jährlichen Fortschrittsberichten an die EU gemeldet wurde. Demnach liegen Polen und Belgien hinter den Planungen zurück und müssen mehr tun, wenn sie ihre zugesagten Klimaziele noch erreichen wollen. Dank relativ kurzer Bauzeiten können Windenergieprojekte an Land hier ggf. Lücken schließen helfen. Schweden, Finnland, Estland, Litauen und Rumänien hingegen haben ihre Zielgrößen bereits erreicht und können sich bereits den Planungen für die CO2-Reduktion in der nächsten Dekade bis 2030 widmen. ie von den Mitgliedsländern auf Basis der EU-Direktive 2009/28/EC aufgestellten Nationalen Aktionspläne und die nachfolgend aufgestellten zweijährlichen Fortschrittsberichte D sind auf den Webseiten der EU-Kommision verfügbar; siehe www.ec.europa.eu/energy/en/topics/renewable-energy/national-action-plans sowie www.iet.jrc.ec.europa.eu/remea/ national-renewable-energy-action-plans-nreaps 2 Siehe www.ec.europa.eu/energy/en/topics/energy-strategy/2050-energy-strategy 1 HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 11 Fortschritte der EU-Länder bei Erreichung ihrer Klimaziele für 2020 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% AT BE BG CY CZ DE DK EE ES FI FR GR HU HR IE IT LT LU LV MT NL PL PT RO SE SI SK UK Zielpfad 2014 Ziel 2020 (bindend) Ist 2014 Quelle: EEA, Renewable energy in Europe 2016 – Recent growth and knockon effects, S. 20; verfügbar unter www.eea.europa.eu/publications/renewable-energy-in-europe-2016 Die europäischen Anlagenhersteller gelten international unverändert als technologisch führend. Ähnliches gilt für die Entwicklung geeigneter Fördermechanismen in Europa, mit deren Hilfe der Technologie zum Durchbruch und zur vollen Marktintegration verholfen werden kann. Die Trends im europäischen Windenergiemarkt dienen insofern vielfach auch als Orientierungshilfe für andere Länder. Nachfolgend haben wir zusammengestellt, welche wesentlichen Trends derzeit im Windenergie-Projektierungsumfeld in Europa zu beobachten sind: • Umstellung der Fördersysteme auf strikt wettbewerblich zu ermittelnde Zusatzvergütungen zum Strompreis ab 1.1.2017 - Marktprämienmodell mit Ausschreibung und Auktion von zu fördernden Kapazitäten als Standard; Zertifikatesystem bleibt weiterhin möglich - Marktintegration neuer Windparks mit Direktvermarktungszwang, Standardbilanzausgleichsverantwortung und Vergütungswegfall bei negativen Strompreisen • Fortschritte bei der WEA-Technologie - Qualitätsverbesserung und Produktionskostensenkung durch Plattformstrategien, Serienfertigung, Bauteilstandardisierung und Automatisierung der Produktion - Erhöhung der Anlageneffizienz durch Verbesserungen bei Anlagen- und Windparksteuerung - Optimierung der Produktpalette für ein breiteres Standortspektrum (Generatorleistung, Turmhöhe, Rotorfläche, Zusatzausstattung) • Sehr förderliches Finanzmarktumfeld - Sinkende Fremdkapitalkosten durch Nullzinspolitik der EZB und sinkende Kreditmargen - Sinkende Eigenkapitalkosten durch erheblich gesunkene erzielbare Renditen von Anlagen am Kapitalmarkt; Zustrom von institutionellem Anlagekapital in Realanlagen; Beschneidung von Überrenditen aus staatlichen Fördersystemen durch Umstellung auf wettbewerblich zu ermittelnde Förderhöhen • Erhöhter Druck auf Anlagenpreise und Wartungskosten durch Absenkung der staatlichen Förderung • Sinkende oder gar negative Strompreise durch steigende und schwankende EE-Stromerzeugung; Abschalt- und Vergütungsausfallrisiken nehmen zu • Friktionen beim Zubau durch politische Risiken - Für Investoren nachteilige regulative und fiskalische Eingriffe (Polen, Lettland) und rückwirkende, bestandsschutzverletzende Fördersystemkorrekturen (Rumänien, Spanien) - Vorübergehender Zubaustillstand durch Zeitbedarf für Umstellung der Fördersysteme - Umsetzung und potenzielle Auswirkungen des „Brexit“ nicht absehbar, z.B. auf das EE- und EU-freundliche Schottland - Abrupte Förderstopps nach Regierungswechseln (z.B. Großbritannien Onshore) SEITE 12 • Kooperation von Regierungen und Offshore-Windindustrie zur beschleunigten Realisierung von Kostensenkungen bei OffshoreWindparks • Abnehmende Verfügbarkeit von Neubaustandorten an Land mit Top-Windressourcen • Engpässe beim Netzausbau bremsen den Offshore-Zubau 1.2.2 Umbau der Förderregime Mit den im Juni 2014 bekannt gegebenen „Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020“ hat die EUKommission neue Vorgaben für die Ausgestaltung der staatlichen Fördersysteme zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen gemacht.3 Diese Leitlinien gelten zwar nur bis zum Jahr 2020, sollen aber insbesondere auch dazu beitragen, dass die etablierten erneuerbaren Energien zwischen 2020 und 2030 im Netz voll wettbewerbsfähig werden und dadurch eine kosteneffiziente Energieversorgung über Marktmechanismen sichergestellt wird. Das bedeutet, dass Subventionen und eventuelle Befreiungen von der Bilanzausgleichsverantwortung über die Zeit degressiv abgeschafft werden sollen. Die Leitlinie greift zeitlich in zwei Stufen. Seit dem 1.1.2016 müssen neue Beihilferegelungen für sogenannte Betriebsbeihilfen folgende Voraussetzungen erfüllen: • Die Beihilfe wird als Prämie zusätzlich zum Marktpreis gewährt, zu dem die Anlagenbetreiber ihren erzeugten Strom am Markt verkaufen. • Anlagenbetreiber unterliegen einer Standardbilanzausgleichsverantwortung, sofern es einen liquiden Intraday-Markt für Strom gibt. Die Beihilfeempfänger können die Bilanzausgleichsverantwortung dabei von anderen Unternehmen wie z.B. Direktvermarktern und anderen Aggregatoren wahrnehmen lassen. • Es werden Maßnahmen getroffen, die sicherstellen, dass geförderte Anlagenbetreiber keinen Anreiz haben, Strom zu negativen Preisen zu erzeugen. Ab dem 1.1.2017 müssen staatliche Fördermittel dann grundsätzlich im Wege von Ausschreibungen anhand eindeutiger, transparenter und diskriminierungsfreier Kriterien vergeben werden. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, sofern eine Ausschreibung nachweislich zu einer Fehlsteuerung (im Sinne eines zu hohen Förderniveaus oder einer Unterbietung und Nichtrealisierung der ersteigerten Kapazitäten) führen würde. Ebenso können Ausschreibungen auf einzelne Erzeugungstechnologien beschränkt werden, wenn ein solches Verfahren für bestimmte Technologien und Ziele nicht adäquat ist. Explizit anerkannt werden hier insbesondere die Erschließung eines längerfristigen Potenzials von innovativen (d.h. noch nicht marktfähigen) Technologien, die Notwendigkeit der Diversifizierung der Erzeugungstechnologien und die Vermeidung von Netzeinschränkungen und Risiken für die Netzstabilität. Neben der Ausgestaltung der staatlichen Förderungen in Form einer Prämie auf den Marktpreis kann eine Förderung wie bisher auch in Form von Umweltzertifikaten erfolgen, sofern das Mitgliedsland nachweist, dass diese Unterstützung erforderlich ist, um eine Rentabilität der unterstützten Erzeugungsform sicherzustellen. Die Förderung der Anlagenbetreiber erfolgt dabei indirekt dadurch, dass das Mitgliedsland eine bestimmte Stromnachfragemenge oder einen bestimmten Stromnachfrageanteil aus erneuerbaren Quellen gesetzlich vorschreibt und den EE-Anlagenbetreibern entsprechende Umweltzertifikate für den erzeugten Strom zuweist, die diese wiederum am Markt an die zur Quotenerfüllung verpflichteten Marktteilnehmer verkaufen können. Der Zertifikatepreis darf dabei nicht im Voraus festgesetzt sein, sondern muss sich nach Angebot und Nachfrage bilden. Strafzahlungen im Falle einer Nichterfüllung der Verpflichtungen sind für das Funktionieren eines Zertifikatesystems erforderlich und geben dem Markt zugleich eine Preisobergrenze vor. Im Falle einer technologiespezifischen Differenzierung der zugewiesenen Zertifikate je Stromerzeugungseinheit ist das Mitgliedsland nachweispflichtig, dass diese Differenzierung nicht zu einer Überförderung führt und die Erzeuger nicht davon abhält, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die EU-Vorgaben bewirken eine tendenzielle Vereinheitlichung der Fördersysteme in der EU auf nur noch zwei Grundmodelle. Von dieser Änderung waren die Mitgliedsländer sehr unterschiedlich betroffen, denn von festen Einspeisetarifen über verschiedene Marktprämienmodelle bis hin zu Zertifikatesystemen gab es zuvor eine breite Fördersystemvielfalt. Für Länder mit einem bisher schon auf Umweltzertifikaten und Quotenverpflichtung basierenden Fördersystem, wie Schweden, Norwegen, Großbritannien, Polen und Belgien, ergab sich dabei kein grundlegender Anpassungsbedarf. Gleichwohl entschieden sich Polen und Großbritannien für einen Systemwechsel zu ausschreibungsbasierten Marktprämienmodellen und lassen ihre Zertifikatesysteme jetzt kontrolliert auslaufen. Für die meisten anderen Mitgliedsstaaten bedeutete der Zwang zur ausschreibungsbasierten Preisfindung des Förderniveaus jedoch eine Notwendigkeit zur Umstellung ihres Fördersystems. Betroffen waren hiervon v.a. Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Irland, Dänemark, Finnland und Estland. Bei den notwendigen Gesetzesänderungen sind die Mitgliedsländer allerdings unterschiedlich schnell vorangekommen. So haben beispielsweise die Niederlande, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen und Litauen ihre Fördersysteme bereits EU-konform gestaltet, wohingegen z.B. Irland, Finnland, Dänemark, Portugal und Estland noch an Gesetzesentwürfen arbeiten. Italien wiederum hat zunächst nur eine Übergangslösung für das Jahr 2016 in Kraft gesetzt, 3 Vgl. Europäische Kommission, Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020, Amtsblatt der Europäischen Union 2014/C 200/01 HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 13 während bei der hochkomplexen Regelung Spaniens gewisse Zweifel an der EU-Konformität bestehen. Einen Überblick der Fördersystemanpassungen in den wesentlichen europäischen Windenergiemärkten gibt die nachstehende Übersicht. Status der Fördersystemanpassungen an die EU-Leitlinien Land Status der Fördersystemanpassung Deutschland EU-konforme Umstellung auf Marktprämie & Tender ab 2017 ist erfolgt Frankreich EU-konforme Umstellung auf Marktprämie & Tender ab 2017 ist erfolgt; Regierungserlass mit Detailregelungen steht noch aus Großbritannien CFD-Modell mit Marktprämie & Tender ist EU-konform Irland REFIT2 (Einspeisetarif) ist ausgelaufen, Gesetzesänderung ist in Vorbereitung Belgien Zertifikatesystem (Onshore) und Marktprämie & Tender (Offshore) sind EUkonform Niederlande Bestehendes SDE+ mit Marktprämie & Tender ist EU-konform Dänemark Gesetzesänderung für die Onshore-Förderung (garantierter Bonus auf Marktpreis) steht noch aus; Offshore-Förderung (Marktprämie & Tender) ist EU-konform Finnland altes Fördersystem (Marktprämie) ist bereits ausgeschöpft; Gesetzesänderung ist in Vorbereitung Schweden Zertifikatesystem ist EU-konform Norwegen Zertifikatesystem ist EU-konform Polen bestehendes Fördersystem (Marktprämie & Tender) ist EU-konform Estland altes Fördersystem (Marktprämie) ist bereits ausgeschöpft; Gesetzesänderung ist in Vorbereitung Lettland Bestehendes Fördersystem (Marktprämie & Tender) ist EU-konform Litauen Bestehendes Fördersystem (Marktprämie & Tender) ist EU-konform Italien Bestehendes Fördersystem (Marktprämie & Tender) ist EU-konform, aber nur Übergangslösung bis Ende 2016 Spanien Umstellung auf Zielrendite & Tender ist erfolgt, EU-Konformität fraglich Portugal Derzeit Förderung nur für kleine Anlagen; keine Gesetzesänderung in Vorbereitung Rumänien Bestehendes Zertifikatesystem ist EU-konform Türkei EU-Konformität des Fördersystems Marktprämie ist nicht erforderlich Quelle: EU-Kommission (www.res-legal.com), nationale Ministerien; Stand per 15.8.2016 Von Kleinanlagen abgesehen, haben Windenergieanlagenbetreiber, die sich ab dem 1.1.2017 für eine staatliche Förderung qualifizieren, in keinem EU-Land mehr einen sicheren Zugang zu festen Einspeisevergütungen. In allen Ländern unterliegt die Marktprämie, die zusätzlich zum Marktpreis für Strom erlöst werden kann künftig entweder einem Bieterwettbewerb bei der Ausschreibung und wird darüber für die Förderdauer fixiert oder die Marktprämie unterliegt bei gesetzlich garantiertem Zugang einer permanenten Marktpreisfindung (Zertifikatesystem). Offshore-Projekte werden künftig in allen hierin derzeit aktiven Ländern ausschließlich über Tenderverfahren vergeben. Für die Anlagenbetreiber bedeutet der von der EU-Kommission erzwungene Fördersystemwandel in vielen Ländern sowohl einen gravierenden Einschnitt im Hinblick auf die Planungssicherheit beim Zugang zur Förderung als auch eine erhöhte Unsicherheit über SEITE 14 die Höhe der erreichbaren Gesamtvergütung. Da die Gesamtvergütung über das Marktprämienmodell allerdings für alle Projekte, die in den Ausschreibungen einen Zuschlag erhalten haben, über die Förderdauer grundlegend fixiert wird, erwarten wir keine grundlegenden Erschwernisse für die Finanzierung neuer Windenergieprojekte mit Fremdkapital. In den wenigen verbliebenen Ländern, die an der Förderung über ein Zertifikatesystem festhalten, bedeutet das Risiko adverser Marktpreisentwicklungen bei den Zertifikaten eine höhere Variabilität der erzielbaren Gesamtvergütung und damit höhere Anforderungen an die Belastbarkeit der Projekte. Ergebnis hiervon ist eine geringere Verschuldungskapazität der Projekte und damit einhergehend die Notwendigkeit eines teilweise deutlich höheren Eigenkapitalanteils im Finanzierungsmix, als das bei Projekten mit Förderung nach dem Marktprämienmodell der Fall ist. Im aktuellen extrem günstigen Finanzmarktumfeld stellt das allerdings kein Problem dar. 1.2.3 Erfahrungen mit Ausschreibungsverfahren Während die Fördermittelvergabe über Auktionen bei Offshore-Windparks bereits schon jetzt meist die Regel ist, sind Auktionen für die Förderung von Windparks an Land in Europa bisher noch die Ausnahme. Erfahrungen haben auf diesem Feld in letzter Zeit nur die Niederlande (SDE+ Auktionen), Großbritannien (CFD-Auktionen), Italien und Spanien (Auktion im Januar 2016) sammeln können. Außerdem hat Deutschland in 2015 und 2016 bereits mehrere Auktionen für PV-Freiflächenanlagen abgehalten, die auch eine Pilotfunktion für die Windenergie-Auktionen haben sollen. In nächster Zeit planen Italien, Frankreich und Deutschland Auktionen zur Förderung von Windparks an Land. Da der Auktionszwang aber ab dem Jahr 2017 für fast alle Mitgliedsstaaten gilt, wenn sie neue EE-Kapazitäten fördern wollen, besteht ein großes Interesse daran, mit welchem Auktionsdesign die Ausschreibungen zum Erfolg gebracht werden können. Was also sind die Lehren aus den bisherigen Versteigerungen? Was kann man ggf. aus früheren Auktionen in anderen Ländern lernen? Mit dieser Frage hat sich insbesondere AURES (www.auresproject.eu), eine von der EU finanzierte Research-Initiative, mit umfangreichen Untersuchungen von EE-Auktionen seit dem Jahr 1995 in Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, den Niederlanden, Großbritannien, Portugal, Brasilien, Südafrika, Kalifornien und China auseinander gesetzt und die gewonnenen Erkenntnisse in mehreren Studien veröffentlicht.4 Demnach sollten insbesondere folgende Aspekte beim Auktionsdesign berücksichtigt werden: • Die Auktionsteilnahme bedeutet für Projektentwickler neue Risiken und erfordert eine höhere planerische Flexibilität, so dass beim Auktionsdesign sorgfältig zwischen Verpflichtungen, die den Bietern auferlegt werden, und einem leichten Auktionszugang abzuwägen ist. • Technologiespezifische, statische Auktionen mit versiegelten Geboten, bei denen die Projektierer Preis und Kapazität bieten müssen und eine Zuteilung gemäß den individuellen Preisgeboten erfolgt, haben sich wegen der Einfachheit und Klarheit ihrer Struktur als akzeptierter Standardrahmen erwiesen. • Der Nachweis der für die spätere Anlagenerrichtung erforderlichen Genehmigungen als Zugangsvoraussetzung für eine Auktionsteilnahme spielt eine entscheidende Rolle, wenn nach der Auktion eine hohe Realisierungsquote der bezuschlagten Projekte erreicht werden soll. Das gilt insbesondere für den Fall, dass unerfahrene Bieter an einer Auktion teilnehmen. • Die Festlegung von geeigneten Gebotspreisobergrenzen erfordert einen bedeutenden Untersuchungsaufwand und sollte durch Konsultationen mit den relevanten Branchenvertretern unterlegt sein. • Die Implementierung von Sicherheitsleistungen und Strafen in den Ausschreibungsverfahren garantiert nicht eine umfängliche spätere Projektrealisierung. • Zentrale Voraussetzung für den Auktionserfolg ist das Schaffen von Wettbewerb unter den Bietern. D.h. das Bieterinteresse muss mengenmäßig das ausgeschriebene Fördervolumen deutlich übersteigen. Transparente Auktionsregeln und ein einfacher Auktionszugang fördern ein hohes Bieterinteresse. • Ein offener Dialog der auktionsausrichtenden Behörde mit den potenziellen Bietern über die Ausgestaltung des Auktionsdesigns kann hilfreich im Hinblick auf die Auktionsbeteiligung sein. • Regelmäßig stattfindende Auktionen und deren frühzeitige Kommunikation sollte einer diskretionären Ausschreibungspolitik vorgezogen werden. Das regelmäßige Abhalten mehrerer Auktionen im Jahr erleichtert den Projektierern die längerfristige Planung und erhöht die Wahrscheinlichkeit bei einer der Auktionen einen Zuschlag erhalten zu können. • Zwar sollte der Auktionsausrichter die Möglichkeit haben, die Ausschreibungsbedingungen an die Marktentwicklungen anzupassen. Stabile und verlässliche Auktionsverfahren erhöhen für die Projektierer aber die Planungssicherheit. • Schließlich ist es auch wichtig, das Auktionsdesign auf die nationalen Klimaziele und das jeweilige Marktumfeld auszurichten. Da eine spätere möglichst vollständige Projektrealisierung, ein möglichst niedriger Auktionspreis sowie eine hohe Akteursvielfalt zueinander konträre Ziele sind, sollte das Auktionsdesign die primären nationalen Zielpräferenzen widerspiegeln und zugleich den lokalen Bieterwettbewerb und die üblichen Projektrealisierungsdauern berücksichtigen. 4 AURES, Auctions for Renewable Energy Support: Lessons Learnt from International Experiences, 2016 HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 15 Speziell für Deutschland als Europas größtem Windenergiemarkt kann man aus den Ergebnissen der von der Bundesnetzagentur durchgeführten Auktionen für PV-Freiflächenanlagen den Schluss ziehen, dass das gewählte Auktionsdesign grundsätzlich funktioniert. So gab es in den bisherigen Auktionen ein hohes Bieterinteresse und es wurde eine sukzessive Absenkung der Fördersätze erreicht. Bei der ersten Auktion für Windenergieanlagen an Land im Mai 2017 wird es wesentlich darauf ankommen, dass ein ausreichend hoher Bestand an genehmigten Projekten teilnahmeberechtigt ist, der nicht mehr die Förderung unter dem EEG 2014 in Anspruch nehmen kann oder will. Danach kommt es insbesondere auf die Genehmigungspraxis in den Bundesländern an. 1.2.4 Strompreise und -gestehungskosten Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen ist in den meisten EU-Ländern mittlerweile marktseitig voll in die Strommärkte integriert. Dies wird einerseits durch einen gesetzlich vorgegebenen garantierten Zugang zum Stromnetz oder z.T. sogar einen gesetzlich verankerten Einspeisevorrang vor der Erzeugung konventioneller Kraftwerke sichergestellt und andererseits durch eine Separierung der EE-Förderkosten in einem meist staatlich administrierten Extrakonto. Typischerweise werden die Förderkosten durch eine extra Umlage (z.B. als Aufschlag auf die Netzentgelte) auf die Endverbraucher überwälzt und tangieren damit den Stromhandel nicht direkt. Dank ihrer sehr niedrigen variablen Produktionskosten sind Wind- und Solarstrom der günstigste Grenzkostenanbieter im Strommarkt. Steigt ihr Erzeugungsvolumen an, müssen konventionelle Kraftwerke infolge ihrer signifikant höheren variablen Produktionskosten (Brennstoffkosten) abgeregelt werden („Merit Order-Effekt“). In dieser Konstellation führt ein steigender Anteil von Wind- und Solarstrom im Strommix c.p. zu sinkenden Strompreisen. Im Extremfall kann es in Ländern mit einem hohen EEAnteil am Strommix dazu kommen, dass die EE-Stromerzeugung die Stromnachfrage übersteigt und der Angebotsüberschuss in die Nachbarländer exportiert oder die EE-Stromerzeugung zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität abgeregelt werden muss. In solchen Fällen sind am Strommarkt (Intra-Day und Day-Ahead) zeitweise negative Preise möglich, die für den Anlagenbetreiber wiederum ggf. einen Verlust des Anspruchs auf Zahlung der Marktprämie oder deren Deckelung zur Folge haben können. Wie die nachstehende Grafik exemplarisch für Deutschland zeigt, haben sich die Strompreise in Europa in den letzten Jahren per saldo rückläufig entwickelt. Das ist neben der steigenden EE-Stromerzeugung vor allem auch auf die rückläufigen Preise für fossile Brennstoffe wie Kraftwerkskohle zurückzuführen. Parallel hierzu sind die regionalen Preisunterschiede zwischen den Ländern deutlich konvergiert. Hierzu haben der Ausbau von Netzverknüpfungspunkten und die zunehmende Integration der nationalen Übertragungsnetze auf europäischer Ebene im Rahmen des Europäischen Stromnetzverbundes („Europäisches Verbundsystem“) beigetragen. Strompreise Deutschland und Brennstoffkosten von Kohlekraftwerken, in €/MWh 70 60 50 40 30 20 10 0 2010 2011 2012 Baseload Day-Ahead 2013 2014 Peakload Day-Ahead 2015 2016 Kraftwerkskohle Quelle: Bloomberg, Monatsdurchschnittspreise; Kraftwerkskohlepreis ARA, umgerechnet in €/MWhelektr. mit einem Kraftwerkswirkungsgrad von 46%, ohne Berücksichtigung von Kosten für CO2-Zertifikate SEITE 16 Der vom Merit Order-Effekt ausgehende Druck auf die Strompreise in Europa ist für Windenergieanlagen, deren Stromerzeugung über einen festen Einspeisetarif (Altanlagen) oder eine Marktprämie vergütet werden, einzelwirtschaftlich unproblematisch, da der geringere Erlös aus dem Stromverkauf am Markt im Wege einer entsprechend höheren Marktprämienzahlung kompensiert wird. Windenergieanlagen in Zertifikatesystemen haben hingegen keine derartige automatische Kompensation, sondern können sogar zusätzlich zu geringeren Stromerlösen auch von sinkenden Zertifikatepreisen getroffen werden. Ein möglicher Schutz gegen diese Risiken ist der Abschluss langfristiger Stromabnahmeverträge zu Festpreisen sowie ein möglichst hieran gekoppelter ebenfalls langfristiger Verkauf von Zertifikaten. Bei nicht gesicherten Verkaufspreisen können diese Projekte aber auch von steigenden Strom- und Zertifikatepreisen profitieren. Schon vor einigen Jahren haben einschlägige Forschungsinstitute der Windenergie an guten Standorten an Land attestiert, bei Kraftwerksneubauten preislich mit Stromgestehungskosten („Levelized Cost of Electricity“, „LCoE“) in der Spanne von 50 bis 100 €/MWh im Vergleich zu Kohle- und Gaskraftwerken wettbewerbsfähig zu sein.5 Dass in Europa aus wirtschaftlichen Gründen mittlerweile kaum mehr Gas- und Kohlekraftwerke gebaut werden, scheint diese Ergebnisse zu bestätigen. Neue Windenergieanlagen konkurrieren dadurch allerdings wesentlich mit bereits teilweise oder ganz abgeschriebenen alten konventionellen Kraftwerken, die ihre Kapitalkosten bereits mehr oder minder verdient haben. Unsere Berechnungen auf Basis aktueller Energie- und CO2-Zertifikatepreise zeigen, dass konventionelle Kraftwerke Brennstoffkosten in der Größenordnung von etwa 20 €/MWh (Steinkohle- und Gaskraftwerke) sowie von gut 10 €/MWh (Braunkohlekraftwerke) haben und ohne Berücksichtigung von Kapitalkosten für die Investition, je nach Auslastungsgrad, Strom zu Gestehungskosten von 20 bis 35 €/MWh erzeugen können. In den letzten drei Jahren haben sich die kostenseitigen Rahmenbedingungen für die Realisierung von Windenergieprojekten in vielen Märkten Europas weiter verbessert. Das gilt sowohl für die Investitions-, als auch für die Betriebs- und die Finanzierungskosten. Folgende Haupttreiber sehen wir hierbei: •L eicht sinkende spezifische Gesamtinvestitionskosten; einem Preiswettbewerb unter den Anlagenherstellern stehen im Schnitt tendenziell aufwändigere Anlagenkonfigurationen (größere Nabenhöhen und Rotordurchmesser) gegenüber • S inkende Betriebskosten insbesondere auf dem Feld der Anlagenwartung durch fortlaufende Verbesserungen bei Anlagenzuverlässigkeit und -zustandsüberwachung sowie ausgefeiltere Wartungskonzepte; gleichzeitig gegenläufige Entwicklungen bei Pachten •E rhebliche Verringerung bei den Finanzierungskosten durch rekordniedriges Zinsniveau, ermäßigtes Kreditmargenniveau sowie deutlich gesunkene Renditeanforderungen von Investoren; hoher Zufluss von institutionellem Anlagekapital – Windparks werden als alternative Anlageform zur Ergänzung von nur noch niedrigverzinslichen Kapitalmarktanlagen nachgefragt Zugleich haben kontinuierliche technische Weiterentwicklungen der Windenergieanlagen und der Windparksteuerung sowie ausgefeiltere Anlagenkonfigurationen auch ertragsseitig zu einer Steigerung der Anlagen- bzw. Windparkperformance geführt. Das hat die Stromgestehungskosten von neuen Windenergieanlagen an Land weiter reduziert. Vor diesem Hintergrund haben wir für verschiedene europäische Windenergiemärkte auf Basis neuerer Projektdaten untersucht, auf welche Niveaus sich die LCoE im aktuellen Marktumfeld entwickelt haben. Hierbei unterstellen wir – neben landesspezifischen Gesamtinvestitionskosten, Betriebskosten, Anlagenkonfigurationen und Kapazitätsfaktoren – jeweils eine technische Anlagennutzungsdauer von 25 Jahren und eine Eigenkapitalrendite von 8%. Bei Windparks in Märkten mit Zertifikatesystem haben wir angesichts des vergleichsweise höheren Ertragsrisikos eine Finanzierungsstruktur von 45% Eigenkapital und 55% Fremdkapital angenommen, bei einer Marktprämienbasierten Vergütung liegt der unterstellte Fremdkapitalanteil hingegen bei 80%. Vgl. z.B. Fraunhofer ISE, Stromgestehungskosten erneuerbare Energien, 2013; Prognos AG, Entwicklung von Stromproduktionskosten, 2013; DLR/IWES/IfnE, Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Euro-pa und global, Leitstudie 2010) 5 HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 17 Stromgestehungskosten der Windenergie an Land in ausgewählten europäischen Ländern 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 DE 70% DE 100% DK SE NO FI IE UK FR BE NL ES PT IT Quelle: eigene Berechnungen; Spannbreiten bilden die spezifischen Investitionskosten ab; die Werte für Deutschland bilden den Referenzstandort (100%) gemäß EEG 2017 sowie einen Binnenlandstandort mit 70% Gütefaktor ab Die niedrigsten Stromgestehungskosten in Europa haben wir mit 4,2 ct/kWh für neue große Windparks in Norwegen ermittelt und die höchsten mit 7 bis 9 ct/kWh für Italien und Binnenlandstandorte in Deutschland. Bei einem Großteil der EU-Länder bewegen sich die LCoE in der Spanne von 4,7 bis 6,3 ct/kWh. Damit liegen unsere Berechnungen recht nahe dem Niveau von 5,9 ct/kWh, das die IEA als Median-Wert für die Onshore-Windenergie in Europa und den USA insgesamt für das Jahr 2014 erhoben hat. Der IEASchätzung liegen Investitionskosten von 1.353 EUR/kW, durchschnittliche Betriebskosten von 45 EUR/kW, ein Kapazitätsfaktor von 35% sowie ein Finanzierungskostensatz i.H.v. 8% zugrunde. Für Offshore-Windparks in Europa mit festen Gründungsstrukturen veranschlagt die IEA die Stromgestehungskosten für das Jahr 2014 bei einer 20jährigen Nutzungsdauer mit einem mittleren Wert i.H.v. 12,7 ct/kWh, d.h. knapp 7 ct mehr als bei Onshore-Anlagen.6 Perspektivisch gehen die von der IEA befragten Experten davon aus, dass sowohl bei Windenergieanlagen an Land als auch insbesondere auf See noch erhebliche Kostensenkungs- und Ertragssteigerungspotenziale gehoben werden können. So werden von den befragten Experten bis zum Jahr 2030 Senkungen bei den Investitions- und den Betriebskosten sowie höhere Kapazitätsfaktoren und eine längere wirtschaftliche Anlagennutzungsdauer erwartet, die sich unterm Strich im Basisszenario zu einer LCoE-Verringerung um 24% auf etwa 4,4 ct/kWh addieren. Bei Offshore-Windparks werden im selben Zeitraum Kostensenkungen um 30% auf LCoE von rd. 9 ct/kWh erwartet. Parks mit schwimmenden Strukturen sollten demnach in 2030 kostenseitig mit Gründungsstrukturen auf gleichem Niveau liegen. Die erwarteten Kostensenkungen basieren v.a. darauf, dass in 15 Jahren sowohl an Land als auch insbesondere auf See durchschnittlich deutlich größere Anlagen zum Einsatz kommen werden (an Land: durchschnittlich 3,7 MW Nennleistung mit etwa 120 m Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von etwa 130 m; auf See: durchschnittlich 11 MW Nennleistung mit gut 120 m Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von etwa 190 m). 6 Vgl. IEA, Forecasting wind energy costs & cost drivers, 2016 SEITE 18 2 Europas Windmärkte 2.1 Kernmärkte im Fokus 2.1.1 Deutschland Als Anrainer von Nord- und Ostsee verfügt Deutschland sowohl an Land als auch auf See über ausgedehnte Flächen mit guten bis sehr guten Windbedingungen. Begünstigt durch eine flache Topografie liegen die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten in den nördlichen Bundesländern (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern sowie Teilen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg) in 100 m Nabenhöhe verbreitet bei 6 m/s und mehr; an der Nordseeküste (Schleswig-Holstein, Niedersachsen) werden sogar 9 bis 10 m/s erreicht. In der südlichen Landeshälfte bieten wesentlich nur die Höhenlagen gute Windbedingungen. Mit Standardanlagen der 3 MW-Klasse lassen sich an guten Windstandorten durchschnittliche Kapazitätsfaktoren von deutlich über 30% erzielen. Die technische Weiterentwicklung hin zu Anlagen mit Nabenhöhen von über 150 m und Rotordurchmessern von z.T. deutlich über 120 m, verbunden mit einem Druck auf die Anlagenpreise erlaubt allerdings auch im windschwächeren Binnenland die Erschließung zusätzlicher Potenziale. Deutschland gilt als Pionierland bei der großanlagentechnischen Nutzung der Windenergie und ist mit einer Erzeugung von knapp 88 TWh (2015) der mit Abstand größte Windstromproduzent in Europa. Dank einer bereits in den 1990er Jahren eingeführten und seitdem kontinuierlich weiterentwickelten gesetzlichen Fördersystematik ist der installierte Anlagenbestand mittlerweile auf eine Gesamtkapazität von 44.947 MW (Stand per 31.12.2015) angewachsen. Der Zubau im Jahr 2015 belief sich dabei auf 6.013 MW, was knapp der Hälfte des gesamten Zubaus in der EU entsprach. Vom Gesamtbestand entfielen 3.295 MW auf Offshore-Windparks. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Als größte Volkswirtschaft und führendes Industrieland in der EU hat Deutschland nicht nur den höchsten Stromendverbrauch, sondern mit 6.350 kWh p.a. auch einen über dem EU-Durchschnitt liegenden Pro-Kopf-Verbrauch an Strom. Die Stromerzeugung wird derzeit noch von einem diversifizierten Strommix geprägt, dessen größte Säule seit Jahrzehnten die Kohleverstromung ist. Mit knapp 25% Braunkohleanteil aus heimischer Förderung und weiteren knapp 19% Steinkohleanteil entfallen dabei allerdings fast 44% der Stromerzeugung (Jahr 2014) auf die beiden Brennstoffarten mit der schlechtesten CO2-Bilanz. Die Erneuerbaren Energien zusammen kamen in 2014 auf einen Anteil von knapp 26% am Strommix, wovon ein gutes Drittel Windstrom war. Die Kernkraftwerke des Landes steuerten einen Anteil von unter 16% bei. Im Jahr 2015 ist der EE-Anteil auf 32,6% weiter angestiegen. Deutschland treibt seit einigen Jahren den als „Energiewende“ bezeichneten Übergang von der nichtnachhaltigen Nutzung fossiler Energieträger und der Atomenergie hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung über einen breiten Mix an Erneuerbaren Energien und sieht sich als treibende Kraft in der europäischen Klimaschutzpolitik. So hat die Bundesregierung nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Mit der vorgesehenen sukzessiven Abschaltung der letzten noch laufenden acht deutschen Kernkraftwerke wird bis zum Jahr 2022 eine Grundlast von gut 90 TWh aus dem deutschen Strommix wegfallen, die es durch einen Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie viele andere Maßnahmen zu kompensieren gilt. Deutschland hat sich im Rahmen der EU-Klimaschutzziele im Jahr 2009 mit seinem Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien dazu verpflichtet, den EE-Anteil am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 18,0% zu erhöhen. Im Elektrizitätssektor sollen dann 38,6% aus EE-Quellen stammen. Mit einer EE-Quote am Gesamtenergieverbrauch von 13,8% (Stand: 2014) bewegt sich Deutschland bisher auf dem Zielpfad. Über diese Zielgrößen für 2020 hinaus steuert die Bundesregierung den Zubau neuer EE-Stromerzeugungskapazitäten auf nationaler Ebene im Erneuerbare-Energien-Gesetz („EEG“). Dieses sieht für den EE-Anteil am Bruttostromverbrauch für das Jahr 2025 einen Korridor von 40 bis 45% vor, für das Jahr 2030 von 55 bis 60% und im Jahr 2050 von mindestens 80% vor. Im Jahr 2015 lag der EE-Anteil am Bruttostromverbrauch in Deutschland bei 32,6%. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 19 Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 595.618 7.607 54.132 41.859 575.737 55.430 25.003 497.259 6.064 2014 627.796 8.003 74.320 40.435 585.908 51.059 24.159 512.835 6.350 Δ% 10,0% 7,0% -24,2% -43,8% -28,0% 71,3% 2,9% 48,4% 447,7% 107,1% 17,6% 425,0% 3,6% 37,2% 5,4% Anteil 18,9% 24,8% 9,9% 0,9% 15,5% 25,9% 3,1% 9,1% 5,7% 5,0% 2,9% 0,0% 0,9% 3,2% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung 2014 13,8% 28,2% 2020p 18,0% 38,6% 2010 27.191 27.099 92 37.793 2015 44.947 41.652 3.295 87.974 2020e 60.950 53.452 7.498 140.200 Windenergienutzung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 9,9% 17,4% 2009 107.858 145.589 82.118 10.068 134.932 94.858 19.031 38.646 6.584 15.022 15.555 19 5.651 14.543 595.618 2014 118.595 155.818 62.271 5.661 97.129 162.512 19.587 57.357 36.056 31.114 18.300 98 5.857 19.954 627.796 Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 26% 4% EE-Strommix 342.344 97.129 162.512 25.810 Wind Solar Übrige 57.357 36.056 69.098 43% 35% 55% 15% 22% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wind Solar Übrige Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Die Bundesregierung geht das gesamtgesellschaftliche Mammutprojekt der Energiewende strategisch mit einer 10-Punkte-Agenda an, die systematisch die Entwicklung auf den dafür relevanten Feldern miteinander koordinieren und vorantreiben soll. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien sind weitere wesentliche Bausteine hierbei insbesondere das Strommarktdesign, die Ertüchtigung der Stromnetze, die Klimaschutzziele und das Emissionshandelssystem („ETS“) in der EU, die regionale Kooperation im europäischen Strommarkt und die Energieeffizienzstrategie. In diesem Rahmen hat sich in den letzten Jahren auch die Ausbaustrategie für die Erneuerbaren Energien gewandelt. Nachdem viele Jahre lang ein ungebremster Kapazitätsaufbau angereizt wurde, wird der Zubau mit der EEG-Novelle 2017 künftig sehr viel gezielter gesteuert, denn der EE-Anlagenbestand hat mittlerweise einen Umfang erreicht, der eine Abstimmung der regionalen EE-Stromproduktion auf die Leistungsfähigkeit der Stromnetze erfordert. Zentrale Herausforderungen für Netzstabilität und Versorgungssicherheit stellen dabei die wetterbedingt schwankende Solar- und Windstromerzeugung auf der einen Seite sowie deren regionale Verteilung und der Transport zu den Stromverbrauchern auf der anderen Seite dar. Vor diesem Hintergrund setzt die Regierung beim Kapazitätszubau an Land mit dem Fördersystem auf ausreichende Anreize für Windparkinvestments auch in Bundesländern mit mäßigem Windenergieangebot. Gleichwohl werden mit dem weiteren Ausbau der Windenergie in zunehmendem Maße Strommengen in Norddeutschland produziert und in die verbrauchsstarken Regionen im Westen und Süden des Landes transportiert werden müssen. Die Energiewende und die Förderung des Zubaus der Erneuerbaren Energien ist für Deutschland auch aus industriepolitischer Sicht von besonderer Bedeutung. So haben mit Siemens, Enercon, Senvion und Nordex nicht nur vier der weltweit größten Windenergieanlagenbauer ihre wesentliche Forschungs- und Produktionsbasis in Deutschland. National und international tätige Projektierer, Bau-, Instandhaltungs- und andere Dienstleistungsunternehmen komplettieren die Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland. Nach BMWI-Angaben umfasst die Branche insgesamt etwa 300.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Vor diesem Hintergrund hat die förderseitige Sicherstellung des zum Gelingen der Energiewende nötigen hohen Kapazitätszubaus in Deutschland auch erhebliche positive gesamtwirtschaftliche Effekte. Mit der EEG-Novelle 2017 hat die Bundesregierung zugleich auch die bisher angestrebten Zubauvolumina für die verschiedenen Erneuerbaren Energietechnologien überarbeitet. So sollen bei der Windenergie an Land künftig bis zum Jahr 2019 jährlich brutto 2,8 GW und ab 2020 jährlich 2,9 GW ausgeschrieben und installiert werden. Hieraus ergibt sich ein jährlicher Nettozubau in der Größenordnung von etwa 2,5 GW. Im Jahr 2020 sollte der installierte Anlagenbestand an Land damit wenigstens 54 GW erreichen und in 2025 etwa 66,5 GW. Im Offshore-Bereich liegen die Zielmarken bei 6,5 GW in 2020, 11,5 GW in 2025 und 15 GW in 2030. Während hier der Zubau bis zum Jahr 2020 aus dem bereits projektierten und genehmigten Bestand erfolgt, soll der für 2021 bis 2025 angestrebte Zubau in zwei Auktionen in den Jahren 2017 und 2018 über insgesamt 3,1 GW ausgeschrieben werden. Mit dem Ziel SEITE 20 des kostenoptimalen Stromnetzausbaus wird der Staat auf See künftig selbst die Flächenvoruntersuchungen durchführen und so die für den Betrieb von Offshore-Windparks erforderlichen Netzanschlusskapazitäten optimal dimensionieren. Die ersten Windparks in den voruntersuchten Zielzonen sollen dann ab dem Jahr 2026 ausgeschrieben werden. Angestrebte Zubauvolumina für die Windenergie an Land und auf See, in GW (netto) Onshore 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 0,5 0,5 0,7 0,7 0,7 Offshore 2016 bis 2020 insgesamt: 5,1 Staatliche Förderung In Deutschland ist die Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien im EEG geregelt, gültig derzeit in der Fassung vom 21.7.2014 („EEG 2014“). Mit einer im Juli 2016 beschlossenen Gesetzesänderung („EEG 2017“) wurde der Übergang zu einer ausschreibungsbasierten Fördervergabe vollzogen. Die Änderungen treten am 1.1.2017 in Kraft. Die Förderung erfolgt, wie schon bisher, in Form der Zahlung einer Marktprämie als Aufschlag auf den Stromgroßhandelspreis. Für die Anlagenbetreiber besteht ein Direktvermarktungszwang, d.h. sie können den produzierten Strom wahlweise in Eigenregie an der Strombörse verkaufen, hierzu einen Direktvermarkter einschalten oder einen kommerziellen Stromliefervertrag mit einem Unternehmen oder einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen abschließen. Die Marktprämie wird für alle Anlagen über einen Zeitraum von 20 Jahren gezahlt. Neue Windenergieanlagen erhalten ab dem kommenden Jahr nur noch dann eine Förderung, wenn sie sich in einer Auktion mit einem Preisgebot für ihr Projektvolumen gegen konkurrierende Projekte durchgesetzt haben. Projekte an Land müssen dann binnen 30 Monaten errichtet werden. Bei Offshore-Projekten richtet sich die Errichtungsfrist nach dem Zeitpunkt des Zuschlags und dem Fertigstellungstermin für die Offshore-Anbindungsleitung. Teilnahmeberechtigt an einer Auktion für Windenergieanlagen an Land sind künftig Anlagen, die eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erhalten haben und damit in das Anlagenregister der Bundesnetzagentur eingetragen sind. An Auktionen für Windenergieanlagen auf See sind zunächst nur solche Projekte zugelassen, die in den Nordsee-Offshore-Clustern 1 bis 8, den Ostsee-Offshore-Clustern 1 bis 3 oder den deutschen Küstengewässern liegen, sich bereits in der Projektierung befinden, über eine Planfeststellung (AWZ) oder eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (Küstengewässer) verfügen und nach dem 31.12.2020 in Betrieb genommen werden. Nicht dem Ausschreibungszwang unterliegen •Windanlagen an Land, die eine installierte Leistung von höchstens 750 KW haben •Windanlagen an Land, die vor dem 1.1.2017 eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erhalten haben •Windanlagen auf See, die vor dem 1.1.2017 eine verbindliche Netzanschlusszusage erhalten haben und vor dem 1.1.2021 in Betrieb genommen werden. Für Windparks an Land wird die Bundesnetzagentur künftig jährlich drei oder vier Auktionen über bestimmte Kapazitätsmengen für neu zu errichtende Windparks durchführen. Bei diesen müssen die Interessenten die Höhe der verlangten Förderung bieten, zu der sie die Anlage zu betreiben bereit sind. Alle Bieter geben dabei ein Preisgebot für einen fiktiven Referenzstandort mit genau definierten Windverhältnissen (durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 6,45 m/s in 100 m Höhe über Grund und einem Höhenprofil, das nach dem Potenzgesetz mit einem Hellmann-Exponenten in Höhe von 0,25 zu ermitteln ist) ab. Über einen Korrekturfaktor, mit dem der Gebotspreis multipliziert wird, erfolgt dabei eine Anpassung auf die tatsächlichen Windverhältnisse am Projektstandort. Der so errechnete sog. „Anzulegende Wert“ ist dann für die zukünftigen Vergütungszahlungen maßgeblich, falls die Anlage in der Auktion den Zuschlag erhält. Über den Korrekturfaktor erhalten Anlagen an windschwachen Standorten für den zu erwartenden geringeren Stromertrag einen Preisaufschlag von bis zu 29% auf den Gebotspreis für die Referenzanlage, während der Mehrertrag von Anlagen an windstärkeren Standorten durch einen Preisabschlag von bis zu 21% kompensiert wird. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, erfolgt dabei eine Differenzierung in der Spanne von 70% bis 150% der Referenzstandortgüte. Liegt die ermittelte Standortgüte eines Projektes zwischen zwei Stützstellen der Tabelle, dann wird zwischen den beiden betreffenden Korrekturfaktoren linear interpoliert. Die Kappung des Referenzertragsmodells bei einem Gütefaktor von 70% bzw. von 150% stellt auf der einen Seite einen Anreiz für herausragend effiziente Anlagen(mit Gütefaktoren von mehr als 150%) dar und sorgt auf der anderen Seite auch dafür, dass ineffiziente Anlagen an windschwachen Standorten (Gütefaktor von unter 70%) benachteiligt werden. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 21 Korrekturfaktoren des EEG 2017 in Abhängigkeit von der Standortgüte Gütefaktor 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150% Korrekturfaktor 1,29 1,16 1,07 1,00 0,94 0,89 0,85 0,81 0,79 Quelle: EEG 2017, § 36h Die Ersteinstufung einer Anlage wird anhand der Windgutachten vorgenommen. Nach jeweils fünf Betriebsjahren (d.h. zu Beginn des 6., des 11. und des 16. Betriebsjahres) wird der Korrekturfaktor anhand der Anlagenperformance im gerade abgeschlossenen Fünfjahreszeitraum überprüft und für die nächste Fünfjahresperiode entsprechend angepasst. Zum Zwecke der Sicherstellung der Akteursvielfalt beim Ausbau der Windenergie an Land sieht die EEG-Novelle für Bürgerenergiegesellschaften mit höchstens sechs Anlagen und maximal 18 MW Kapazität Erleichterungen für die Auktionsteilnahme (Gebot auch ohne vorliegende Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz möglich, geringere Sicherheitsleistungen, Verlängerung der Realisierungsfrist um bis zu zwei Jahre) vor. Auch bei der Vergütungshöhe genießen Bürgerenergiegesellschaften u.U. eine Besserstellung, denn wenn sie bei der Auktion mit ihrem Gebot den Zuschlag bekommen, erhalten sie unabhängig vom gebotenen Preis eine Vergütung entsprechend des höchsten in der Auktion noch akzeptierten Gebotspreises. Für Offshore-Windparks wird die Bundesnetzagentur in den Jahren 2017 und 2018 jeweils eine Auktion über eine Kapazität von 1,55 GW durchführen. Bei diesen Auktionen müssen die Interessenten für ihr Projekt ein Preisgebot für die geforderte Vergütung („Anzulegender Wert“) abgeben. Die zusätzliche Abgabe von Hilfsgeboten für kleinere Projektgrößen ist dabei zulässig. An der zweiten Auktion im Jahr 2018 dürfen nur diejenigen Projekte teilnehmen, die bereits bei der ersten Auktion im Jahr 2017 mitgeboten hatten, aber nicht bezuschlagt worden sind. Bei den Auktionen gibt die Bundesnetzagentur jeweils einen Höchstgebotswert vor. Bei Auktionen für Windenergieanlagen an Land im Jahr 2017 sieht das EEG einen Höchstpreis von 7 ct/KWh am Referenzstandort vor. Ab 2018 soll der Höchstwert dann auf 108% des Durchschnitts der höchsten noch bezuschlagten Gebote der drei vorangegangenen Auktionen festgesetzt werden. Beginnend mit dem niedrigsten Gebot erhalten die Bieter den Zuschlag, bis das ausgeschriebene Kapazitätsvolumen ausgeschöpft ist. Bei Auktionen für Offshore-Windparks wurde der Höchstpreis auf anfänglich 12 ct/KWh festgesetzt. Zwecks Neuordnung des Planungsrechts für Offshore-Windparks in der AWZ werden für diejenigen Projekte, die bei keiner der beiden Auktionen einen Zuschlag erhalten haben, nach der Offshore-Auktion 2018 alle noch laufenden Planfeststellungs- bzw. Genehmigungsverfahren ersatzlos beendet. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass der Bund die eigene Flächenvoruntersuchung als Basis für die Offshore-Windparkauktionen ab dem Jahr 2021 aufnehmen kann. Geplante erste Auktionstermine im Jahr 2017 Onshore 1. März 2017 Offshore 1,55 GW 1. Mai 2017 0,8 GW 1. August 2017 1,0 GW 1. November 2017 1,0 GW Quelle: EEG 2017, § 28; WindSeeG, § 27 Mit dem EEG 2017 wird die aktuelle Förderung (EEG 2014) neuer Anlagen an Land zum 31.12.2018 bzw. auf See zum 31.12.2020 auslaufen. Die nachstehende Tabelle gibt die aktuellen Vergütungshöhen wider. SEITE 22 Vergütung gem. EEG 2014 Onshore Basisvergütung (ct je KWh) 4,77 Offshore 1) 3,9 20 Jahre plus Installationsjahr Dauer des Vergütungsanspruches Erhöhte Anfangsvergütung (ct je KWh) Dauer des erhöhten Vergütungsanspruches 8,58 1) mind. 5 Jahre 15,4 2) 12 Jahre 3) Quelle: EEG 2014 und BWE; 1) Stand per 1.7.2016, quartalsweise Degression in Abhängigkeit vom Zubauvolumen, von März bis August 2017 mtl. Sonderdegression um 1,05%; 2) Verlängerung der erhöhten Anfangsvergütung in Abhängigkeit von der Standordortgüte vs. 130%-Referezstandort, z.B. 12 Jahre bei 100%-Standortqualität; 3) Basismodell, Verlängerung der erhöhten Anfangsvergütung in Abhängigkeit von Küstenentfernung und Wassertiefe Marktausblick Die über das EEG 2017 implementierte Förderung des Windenergieanlagenzubaus in Deutschland ist langfristig angelegt und soll einen nachhaltig verlässlichen Gesetzesrahmen bieten. Gerade auch im Vergleich zu manchen anderen EU-Ländern konnten sich die Projektierer und Investoren bisher in Deutschland auf ein verlässliches Fördersystem, ein stabiles Regulierungsumfeld und ein Höchstmaß an Rechtssicherheit verlassen. Mit dem Übergang zur ausschreibungsbasierten Vergabe des Förderanspruchs hält künftig zwar ein bedeutender Unsicherheitsfaktor Einzug in die Projektplanungen der Investoren, dieser dürfte aber vorwiegend schwächere (d.h. weniger effiziente) Projekte aus dem Markt drängen. Dank des gewählten Ausschreibungsdesigns als sogenannte „späte Ausschreibung“ in Kombination mit Sicherheitsleistungen und Pönalen bei Nichterfüllung erwarten wir bei der künftigen Zubauentwicklung eine hohe Realisierungsrate der erteilten Zuschläge. In der mit zwei Jahren ausreichend lang bemessenen Übergangsfrist von der bisherigen Förderung gemäß EEG2014 dürften sich gewisse Vorzieheffekte nicht ganz vermeiden lassen. So gehen wir davon aus, dass viele Investoren ihre bereits genehmigten Projekte schnellstmöglich noch unter altem Förderrecht realisieren werden, anstatt sich später freiwillig an den Auktionen zu beteiligen und ihre Projekte dadurch einem Zuschlagsrisiko auszusetzen. Mit der verfügten Sonderdegression für die Förderung gemäß EEG 2014 von März bis August 2017 wird der Vergütungsanspruch nach EEG 2014 für eine 100% Referenzstandortqualität allerdings zügig auf unter 7 ct/kWh abgesenkt, so dass für bereits jetzt realisierungsreife Anlagen per Mitte 2017 keine sicheren vergütungsseitigen Anreize mehr bestehen, noch nach den Regeln des EEG 2014 zu bauen. Im Gegenzug sehen wir die Möglichkeit, dass es bei der ersten Onshore-Auktion zu einem relativ geringen Gebotsinteresse und zu nahe dem Höchstpreis liegenden Zuschlägen kommt. Wie erwarten jedoch, dass sich das Auktionsverfahren recht schnell und geräuschlos als neue Normalität etabliert. Hinsichtlich der längerfristigen Zubauperspektiven für Windparks an Land machen sich im recht dicht besiedelten Deutschland einerseits zunehmende Restriktionen bei der Nutzbarmachung immer neuer Flächen für die Windenergie bemerkbar. So zeigen die in Bayern verfügte 10H-Regel und der Bürgerbeteiligungszwang in Mecklenburg-Vorpommern, dass die Widerstände gegen einen ungehinderten Ausbau auf regionaler Ebene zunehmen. Andererseits ergeben sich mit der Alterung des Anlagenbestandes jedoch zusehends Potenziale für ein verstärktes Repowering. Gerade in den windstarken Küstengebieten dürften perspektivisch sehr gute Windstandorte zur Bebauung mit erheblich leistungsstärkeren und effizienteren neuen Anlagen verfügbar werden. Bei Unterstellung einer 20-jährigen Anlagennutzungsdauer fallen schon in 2020 Anlagen mit etwa 1,5 GW aus der Förderung und stehen perspektivisch zum Rückbau an. Mit einer Größenordnung von 3 GW erreicht das jährliche Repowering-Potenzial im Jahr 2023 dann zunächst ein Maximum. Vor diesem Hintergrund wird die von der Bundesregierung eingeführte Deckelung des Bruttozubaus auf knapp unter 3 GW dazu führen, dass der Windenergiezubau an Land in Deutschland in den kommenden Jahren auf Nettobasis deutlich zurückgehen wird. Netto wird das Kapazitätswachstum in Deutschland daher in steigendem Maße von der Offshore-Windenergie kommen. Dank der erheblich höheren Effizienz von neuen Anlagen im Vergleich zu der von Altanlagen wird der durchschnittliche Kapazitätsfaktor des installierten Anlagenbestandes an Land jedoch selbst bei einem stark rückläufigen Nettozubau weiter steigen. Zusammen mit dem Zubau neuer Offshore-Windparks erwarten wir damit in den nächsten Jahren ein deutlich überproportional zur installierten Kapazität ansteigendes Stromerzeugungspotenzial. Damit wird die Windenergie binnen zehn Jahren zusätzlich jährlich etwa 70 TWh zur Bruttostromerzeugung beisteuern können. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 23 Marktprognose in MW Marktprognose in MW Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW Zubau Bestand 90.000 5.243 39.128 80.000 2014 2015 6.013 44.947 2016e 3.892 48.839 2017e 3.174 52.013 2018e 3.492 55.505 2019e 3.350 58.855 2020e 3.250 62.105 2025e k.A. 76.300 70.000 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 10,6% 2015 - 2020e 6,7% 2020 - 2025e 4,2% Quelle: EWEA, eigene Prognose SEITE 24 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e Offshore 2019e 2020e ……. 2025e 2.1.2 Frankreich Frankreich gilt in Europa als das Land mit dem größten Potential für die Stromproduktion durch Windkraft. Mit seiner langen Küstenlinie ist das Land drei unterschiedlichen Windregimen ausgesetzt. Im Norden und Westen profitieren die Atlantik- und die Nordsee-/Kanalküsten bis weit ins Landesinnere von kräftigen atlantischen Windströmungen, und an der südwestlichen französischen Mittelmeerküste sorgt der Mistral für ein sehr gutes Windangebot. Mit modernen WEA lassen sich an Land in 100m Nabenhöhe Kapazitätsfaktoren von etwa 30% erzielen. Auf See sind je nach Anlagengröße Kapazitätsfaktoren von über 40% erreichbar. Die französische Politik hat dieses Potenzial lange Zeit etwas stiefmütterlich behandelt, geht die Nutzung der Windenergie aber seit dem letzten Regierungswechsel mit der Einführung von ambitionierten Ausbauzielen, einer attraktiven Förderpolitik und dem Abbau administrativer Hürden deutlich fokussierter an. So rangierte Frankreich im Jahr 2015 mit einem Zubau von 1.073 MW auf 10.358 MW und einer Windstromerzeugung von 20.000 GWh (2015, vorläufig) in Europa hinter Deutschland, Spanien und Großbritannien mit deutlichem Abstand immerhin auf Rang 4. Kommerzielle Windparks gibt es in Frankreich bisher nur an Land, denn die 2012 und 2014 genehmigten sechs Offshore-Projekte vor der West- und der Nordküste befinden sich noch immer in der Projektierungsphase. Hier gibt es Verzögerungen durch die Vorgaben zum Mindestumfang der lokalen Wertschöpfung, welche den Einsatz von in Frankreich produzierten Windturbinen erzwingen. Die betreffenden Modelle sind noch nicht serienreif. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele In der Stromerzeugung setzt Frankreich seit Jahrzenten wesentlich auf die Kernenergie. So werden etwa Dreiviertel der heimischen Stromproduktion von den 58 Atomreaktoren des staatlichen Energieversorgers EDF erzeugt. Wasserkraftwerke und Erneuerbare Energien kommen zusammen auf knapp 20%, während fossile Energieträger mit einem Anteil von 4% vernachlässigbar sind. Mit diesem Strommix hat Frankreich unter den G8-Ländern den niedrigsten CO2-Ausstoß pro Kopf. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 535.636 6.812 44.451 18.517 502.891 55.141 34.878 417.955 6.495 2014 562.780 7.957 75.064 7.874 487.633 41.799 35.384 415.325 6.303 Δ% -56,0% n.m. -37,9% -61,7% 6,5% 31,2% 10,2% 118,0% 3310,1% 68,8% 6,4% 7,5% 16,6% 15,0% 5,1% Anteil 1,7% 0,0% 2,3% 0,3% 77,6% 16,2% 11,2% 3,1% 1,1% 0,3% 0,6% 0,1% 1,0% 0,9% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 21.668 0 20.504 4.724 409.737 69.659 56.996 7.912 173 875 3.255 448 4.972 4.373 535.636 2014 9.525 0 12.738 1.810 436.474 91.406 62.829 17.248 5.909 1.476 3.462 481 5.798 5.030 562.780 2014 14,3% 18,3% 2020p 23,0% 27,0% 2010 5.970 5.970 0 2015 10.358 10.358 0 21.800 2020e 19.782 17.858 1.924 41.500 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 12,1% 15,1% 4% 24.073 436.474 91.406 10.828 Fossile Kernenergie 16% Erneuerbare Übrige EE-Strommix Wasserkraft 12% Wind Sonstige EE 0 19% 62.829 17.248 11.329 0 69% 78% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wasserkraft Wind Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Der Atomkraftwerksbestand des Landes ist allerdings mittlerweile stark veraltet. So wurde rund die Hälfte der Reaktoren Ende der 1970er oder Anfang der 1980er in Betrieb genommen und nähert sich dem Ende ihrer 40jährigen Sollbetriebsdauer. Bis zum Jahr 2025 sollen insgesamt 24 Reaktoren abgeschaltet werden. Dem steht derzeit nur ein einziger Neubau eines EPR-Druckwasserreaktors gegenüber. Dieser soll möglichst noch in 2016 in Betrieb gehen und bis zum Jahr 2019 die beiden Reaktorblöcke in Frankreichs ältestem AKW Fessenheim ersetzen. Perspektivisch droht mit der sukzessiven Abschaltung von etwa einem Drittel der AKW-Kapazitäten eine bedeutende Lücke in der Energieversorgung des Landes zu entstehen. EDF hat bisher vergeblich versucht, bei der Regierung eine Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten auf 60 Jahre zu erreichen. Der französische Präsident Francois Hollande hält zwar grundsätzlich an der Nutzung der Kernenergie fest, verfolgt jedoch das Ziel, den Atomstromanteil bis zum Jahr 2025 auf 50% zu HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDENERGIE September 2016 SEITE 25 senken und stattdessen mehr Strom aus Erneuerbaren Energien zu produzieren. So hat die französische Regierung im August 2015 ein Energiewendegesetz („Loi relative à la transition énergétique pour la croissance verte“) beschlossen, mit der die bisherigen für das Jahr 2020 formulierten verbindlichen Klimaziele sowie die Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 weiterentwickelt wurden. So soll der Anteil der Erneuerbaren Energien vom verbindlichen Zielwert von 23% im Jahr 2020 auf 32% im Jahr 2030 steigen. Die Zielgröße für den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung liegt bei 27% für 2020 und 40% im Jahr 2030. Für die Windenergie gilt jetzt – zusammen mit der Photovoltaik – für das Jahr 2018 ein Kapazitätsziel von 24 GW. Hiervon sollen 15 GW auf die Windenergie entfallen. Im Jahr 2023 werden für beide Technologien zusammen 36 bis 43 GW angestrebt, wobei die Zielmarke für die Windenergie bei 25 GW liegt. Das Gesetz aktualisiert die bisherigen gesetzlich fixierten Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien, mit denen die nationalen Klimaziele für das Jahr 2020 erreicht werden sollten. Diese sahen für 2020 bisher eine installierte Windenergiekapazität in Höhe von 25 GW vor, wovon 19 GW auf Onshore-Anlagen und 6 GW auf OffshoreAnlagen entfallen sollten. Diese Ziele lassen sich beim aktuellen Ausbautempo allerdings nicht erreichen. So befindet sich noch keiner der bisher sechs ausgeschriebenen und genehmigten Offshore-Windparks über insgesamt 2,92 GW im Bau. Ein verzögernd wirkender Faktor ist hierbei, dass in allen sechs Offshore-Projekten ausschließlich Windenergieanlagen aus heimischer Fertigung verbaut werden müssen, die beiden einzigen französischen Anlagenbauer Alstom (nach Verkauf der Kraftwerkssparte mittlerweile GE) und AREVA (Anlagenbau mittlerweile ins Gemeinschaftsunternehmen Adwen eingebracht) bei Ausschreibung aber überhaupt keine Anlagentypen für den Offshore-Einsatz hatten. Sofern die hierfür neu konzipierten Anlagentypen (GE Haliade 150-6 MW sowie Adwen AD 8 MW-180) plangemäß zur Serienreife entwickelt und produziert werden können, ist nach den derzeitigen Planungen eine stufenweise Projektrealisierung von 2018 bis 2022 geplant. Auch bei der Ausschreibung weiterer Offshore-Windparks drückt die Regierung bisher nicht aufs Tempo. So hat Frankreichs Energieministerin Segolene Royal im Frühjahr 2016 für den dritten Offshore-Tender einzig eine Fläche vor Dünkirchen mit bisher noch unbekannter Zielkapazität und Ausschreibungsfristen angekündigt. Die Ausschreibung soll nach Vorlage der noch zu beauftragenden Gutachten zu Wind-, Wellen- und Meeresbodenbedingungen voraussichtlich in Q3/2017 stattfinden. Mit einem Zuschlag dürfte erst in 2018 zu rechnen sein und ein Baubeginn ist kaum vor dem Jahr 2024 realistisch. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Offshore-Ausbaupläne der französischen Regierung von ursprünglich 6 GW im Jahr 2020 auf ein realistisches Maß von nun 3 GW in 2023 und 6 GW in der Zeit danach korrigiert wurden. Mithin müssen primär die Windenergie an Land und die Photovoltaik den angestrebten Kapazitätszubau darstellen. Um die per 2018 angestrebte installierte Kapazität von 24 GW zu erreichen, sollen PV-Projekte im Gesamtvolumen von 4,35 GW in mehreren Tenderrunden ausgeschrieben werden, während der Windenergieanlagenzubau jährlich auf 1,5 bis 3,25 GW steigen soll. Eine derartige Erhöhung des Zubautempos an Land ist zwar ambitioniert, aber erreichbar, wenn die Regierung an einer auskömmlichen Förderhöhe festhält. Staatliche Förderung Mit der Verabschiedung des Energiewendegesetzes hat das französische Parlament auch eine Anpassung des bisherigen, vollständig auf einem Einspeisetarif basierenden Fördersystems an die Wettbewerbs- und Beihilferegeln der EU für die Förderung der Erneuerbaren Energien beschlossen. Künftig wird die Förderung größerer Windenergieprojekte über ein Marktprämienmodell erfolgen. Das neue Förderregime gilt zwar ab Januar 2016, muss jedoch noch in wesentlichen Punkten durch Erlasse der Regierung konkretisiert werden. Sobald diese präzisiert und rechtskräftig sind, soll eine voraussichtlich 18-monatige Übergangsfrist beginnen, während neu errichtete Windparks zwischen dem alten Einspeisetarif und dem neuen Förderregime wählen können. Erst nach dieser Übergangsfrist wird das alte Fördersystem für größere Windparks geschlossen. Danach sollen lediglich kleinere Anlagen von bis zu 12 MW Kapazität weiter mit dem Einspeisetarif gefördert werden. Nach dem neuen Marktprämienmodell muss der Windparkbetreiber den erzeugten Strom am Stromgroßhandelsmarkt verkaufen. Er kann dabei zwischen drei Optionen wählen: •Verkauf an der Strombörse (EPEX Spot) in Eigenregie •Abschluss eines kommerziellen Stromliefervertrages mit einem Unternehmen, einem Stromnetzbetreiber oder einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit vereinbartem Preis und fixierter Laufzeit •Abschluss eines kommerziellen Stromliefervertrages mit einem Direktvermarkter mit vereinbartem Preis und fixierter Laufzeit Der Stromerzeuger erhält dabei einen Referenzmarktpreis, basierend auf dem Großhandelsmarktpreis gemäß des von ihm gewählten Vermarktungsweges. Wenn der Referenzmarktpreis unter den für die Förderdauer festgeschriebenen geltenden Zielpreis sinkt, erhält der Stromerzeuger eine Ausgleichszahlung bzw. eine Prämie auf den niedrigeren Marktpreis. Wenn der Referenzmarktpreis den Großhandelsmarktpreis übersteigt, ist der überschießende Erlös an den Staat abzuführen. Die Höhe des Referenzmarktpreises und dessen eventuelle Absenkung über die Zeit sind von der Regierung noch in einem Erlass zu regeln. Gleiches gilt für die Förderdauer neuer Windenergieprojekte. Wir gehen davon aus, dass die Regierung an den bisherigen Förderdauern festhalten wird, d.h. OnshoreWindparks sollten weiterhin mit einer 15 jährigen und Offshore Windparks mit einer 20jährigen Förderdauer rechnen können. Die staatliche Förderung für neu zu errichtende Kapazitäten wird unter dem neuen Förderregime ab dem Jahr 2017 voraussichtlich im SEITE 26 Wege von wettbewerblichen Ausschreibungen erfolgen. Bisher hat die Regierung aber weder einen Ausschreibungszwang beschlossen, noch ein konkretes Ausschreibungsdesign vorgestellt. Mit einer entsprechenden Verordnung wird bis Ende 2016 gerechnet. Bis das neue Fördersystem in allen Details präzisiert und in Kraft gesetzt ist, gilt für neu errichtete Windparks in Frankreich weiterhin die Förderung über eine Einspeisevergütung („Tarif d’Achat“). Deren Höhe wurde zuletzt im Jahr 2008 festgelegt und gilt bei Onshore-Anlagen für 15 Jahre. Die Vergütungssätze liegen in den ersten zehn Jahren bei 8,2 ct je kWh und danach für weitere fünf Jahre zwischen 2,8 und 8,2 ct je kWh, abhängig von den tatsächlichen Volllaststunden. Die WEA müssen dabei in dafür vorgesehenen Gebieten errichtet werden. Die Vergütungssätze werden jährlich um einen Inflationsfaktor angepasst. Formal schließt der Anlagenbetreiber hierbei einen Stromliefervertrag (PPA) mit dem Netzbetreiber ab, der gesetzlich dazu verpflichtet ist, den produzierten Strom zum fixierten Förderpreis abzunehmen. In der Regel ist EDF der Netzbetreiber. Die Verbraucher zahlen einen durch die Energieregulierungskommission errechneten Aufschlag (Contribution au Service Public de l’Électricité CSPE) zum normalen Strompreis, mit dem die zusätzlichen Kosten für die Windenergie-Förderung auf den Endverbraucher umgelegt werden. Bei Offshore-Projekten, die schon in der Vergangenheit über Ausschreibungsverfahren vergeben wurden, beträgt die Förderdauer 20 Jahre. Für die Auktionen wurden vom Energieministerium projektspezifische Gebotsober- und -untergrenzen festgelegt, differenziert nach Wassertiefe und Entfernung von der Küste. Grundsätzlich bekam der Bewerber mit dem niedrigsten Gebot für die Einspeisevergütung den Zuschlag. Beim Abschluss eines Stromliefervertrages mit dem staatlichen Energieversorger EDF wird die Stromerzeugung der erfolgreichen Projekte mit einem Festpreis in Höhe des akzeptierten Gebotes vergütet. Die in der ersten Offshore-Tenderrunde berücksichtigten vier Projekte erhielten im Jahr 2012 den Zuschlag für einen Gebotspreis von bis zu 22,6 ct/kWh, die beiden Projekte in der zweiten Tenderrunde 2014 erhielten den Zuschlag für durchschnittlich 20,0 ct/kWh. Nach positiven Erfahrungen mit einem entsprechenden Pilotprojekt wurde mit dem Energiewendegesetz eine landesweite Verschlankung des Genehmigungsprozesses für neue Windparks an Land verfügt. Demnach werden alle genehmigungsrelevanten Prüfungen bei nur noch einer Behörde der jeweils zuständigen Regionalregierung zusammengefasst und zu einer einzigen, alles umfassenden Genehmigung gebündelt. Dies hat den Genehmigungsprozess beschleunigt und dürfte künftig einen forcierten Kapazitätszubau erlauben. Marktausblick Mit einem Bündel von Maßnahmen hat die französische Regierung in den letzten drei Jahren erhebliche Verbesserungen und Erleichterungen für die Projektierung von Windparks bewirkt. Das derzeitige Fördersystem setzt zudem vergütungsseitig ausreichend hohe Anreize, um den Zubau von Windparks an Land zu beschleunigen und auf einem erhöhten Niveau zu stabilisieren. Das in Grundzügen Mitte 2015 eingeführte Marktprämienmodell wird den derzeitigen Einspeisetarif voraussichtlich nicht vor dem Jahr 2018 ablösen. Es ist unser Verständnis, dass die Regierung an einer investorenfreundlichen Ausgestaltung der Fördersystemparameter interessiert ist, um die angestrebten Zubauraten dauerhaft auf einem erhöhten Niveau zu halten und dadurch die selbstgesteckten Kapazitätsziele zu erreichen. In unserer Prognose gehen wir von kräftig anziehenden Zubau-Zahlen an Land aus. In 2025 sollten ungefähr 29 GW installierte Leistung in Frankreich vorhanden sein. Davon dürften 3,0 GW auf Offshore-Anlagen entfallen. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 1.042 9.285 2015 1.073 10.358 2016e 1.500 11.858 2017e 1.500 13.358 2014 2018e 1.786 15.144 2019e 1.928 17.072 2020e 2.710 19.782 2025e k.A. 29.420 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 11,7% 2015 - 2020e 13,8% 2020 - 2025e 8,3% 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Offshore Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 27 2.1.3 Großbritannien Dank seiner geografischen Lage gilt Großbritannien in Europa neben Norwegen und Irland als der beste Standort für die Nutzung der Windenergie – sowohl an Land als auch auf See. Mit hohen durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 8 m/s und mehr bieten die vorherrschenden kräftigen Atlantikwinde in weiten Landesteilen ideale Voraussetzungen für die Stromerzeugung. Mit modernen WEA lassen sich nach Angaben des Ministeriums für Energie und Klimaschutz („DECC“) an Land in 100 m Nabenhöhe Kapazitätsfaktoren von rund 30% bis 33% erzielen. Auf See sind je nach Anlagengröße 40% bis 48% erreichbar. Neben den guten Windbedingungen bedeuten die vergleichsweise flachen Küstengebiete günstige Bedingungen für die Errichtung von Offshore-Windparks. So ist Großbritannien in der Nutzung der Offshore-Windenergie eines der Pionierländer und treibt hier den Kapazitätsausbau mit seiner Förderpolitik voran. Bei einer installierten Offshore-Kapazität von 5.061 MW, entsprechend 37% der Gesamtkapazität, liegt das Land unverändert weltweit an erster Stelle. Mit einem Zubau von 975 MW auf insgesamt 13.603 MW und einer Windstromerzeugung von 40.442 GWh (2015, vorläufig) ist Großbritannien hinter Deutschland und Spanien der drittgrößte Windenergienutzer in Europa. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele In der Stromerzeugung hat Großbritannien in der Vergangenheit vor allem auf Erdgas, Kohle und Kernenergie gesetzt. Angesichts der staatlichen Förderung der Erneuerbaren Energien, eines im Trend leicht rückläufigen Stromverbrauchs und sinkender Auslastungsraten bei den Gas- und Kohlekraftwerken wurden neue Erzeugungskapazitäten in den letzten Jahren nur im Bereich der Erneuerbaren Energien geschaffen. Während diese ihren Anteil an der Stromerzeugung zu Lasten konventioneller Kraftwerke binnen fünf Jahren auf gut 17% mehr als verdreifachten, blieb der Anteil der Kernenergie mit rund 19% recht konstant. Die fossilen Energieträger waren im Jahr 2014 mit zusammen knapp 60% der Bruttostromerzeugung jedoch unverändert die Hauptsäule der britischen Stromerzeugung. Unter den Erneuerbaren Energien ist die Windenergie mit einem Anteil von knapp 50% das größte Teilsegment. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 376.715 4.843 3.748 6.609 374.734 25.876 28.148 321.870 5.188 2014 338.924 3.884 2.723 23.243 355.559 24.991 28.011 303.563 4.717 Δ% -2,1% n.m. -39,5% -72,1% -7,7% 156,5% 12,5% 244,9% n.m. 6,5% 227,1% 100,0% -21,8% 39,3% -10,0% Anteil 29,8% 0,0% 29,7% 0,5% 18,8% 19,1% 1,7% 9,4% 1,2% 1,7% 5,0% 0,0% 0,9% 1,3% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 103.036 0 166.499 5.993 69.098 25.208 5.230 9.283 20 5.534 5.140 1 3.686 3.196 376.715 2014 100.845 0 100.670 1.670 63.748 64.656 5.885 32.015 4.050 5.892 16.812 2 2.883 4.452 338.924 2014 7,0% 17,8% 2020p 15,0% 31,0% 2010 5.248 3.907 1.341 2015 13.603 8.542 5.061 43.500 2020e 21.889 10.948 10.941 72.200 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 3,3% 6,7% Fossile Kernenergie 19% Erneuerbare Übrige EE-Strommix 203.185 63.748 64.656 7.335 Wind 32.015 Biobrennstoffe & Abfälle 16.812 24% Sonstige EE 15.828 0 0 50% 19% 60% 26% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wind Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Quelle: Eurostat, BWEA, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Zur Einhaltung der zugesicherten CO2-Reduktionen will die britische Regierung langfristig die Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken zurückfahren und setzt bei neuen Stromerzeugungskapazitäten wesentlich auf Gaskraftwerke und Erneuerbare Energien. Parallel dazu will die konservative Regierung aber auch an der Nutzung der Kernenergie festhalten und fördert die Entwicklung kleiner modularer Reaktoren. Im Rahmen der EU-Klimaziele für das Jahr 2020 hat Großbritannien einen verbindlichen nationalen Aktionsplan zur CO2-Emissionsreduzierung beschlossen, demzufolge im Jahr 2020 mit Erneuerbaren Energien 15% des Gesamtenergiebedarfs und 31% der Stromproduktion gedeckt werden sollen. Darüber hinaus haben die Regionalregierungen von Schottland und Nordirland für 2020 ambitioniertere regionale Zielquoten von 100% Stromanteil aus Erneuerbaren Energien (Schottland) bzw. von 40% (Nordirland) beschlossen. Die SEITE 28 schottische Regierung würde die herausragend guten Windverhältnisse zudem auch für den Windstromexport nutzbar machen wollen. Neben der Windenergie ist für Großbritannien die Konversion von alten Kohlekraftwerksblöcken auf biogene Festbrennstoffe ein wichtiges Element zur Erhöhung der Erneuerbaren Energien-Quote. Die angestrebte Veränderung des Strommix wird dadurch erleichtert, dass der britische Kraftwerkspark veraltet ist und bis zum Jahr 2020 ohnehin zahlreiche fossile Kraftwerke abgeschaltet werden müssen. Bei staatlich geförderten Investitionen in Erneuerbare Energien sollen 50% der Investitionen aus heimischer Wertschöpfung stammen. Mangels einer größeren inländischen Windenergieanlagenproduktion ist das allerdings nur bei Offshore Windparks erreichbar, denn der reine Anlagenanteil an den Gesamtinvestitionskosten liegt hier unter 50%. Bei Standorten an Land wäre das nicht erreichbar. Staatliche Förderung Im Jahr 2014 hat die britische Regierung mit der Strommarktreform und der Einführung eines marktorientierten, auktionsbasierten Förderverfahrens („Contract for Difference“, „CFD“) einen Systemwechsel bei der Förderung von Erneuerbare Energien-Projekte vollzogen. Das CFD-Förderverfahren ist so ausgestaltet, dass es im Einklang mit den für die Energiemärkte verfügten Wettbewerbsrichtlinien der EU-Kommission steht. Das bisherige Quotensystem („Renewables Obligations“, „RO“) bleibt noch für eine Übergangszeit geöffnet und wird am 31.03.2017 geschlossen. Während der Übergangsphase besteht für neue Windparkprojekte eine Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Mechanismen. Funktionsweise, Anforderungen, Merkmale und Eckdaten beider Fördersysteme sind nachfolgend beschrieben. Neben RO und CFD gibt es in Großbritannien noch ein staatliches Förderprogramm für kleinere Windenergieanlagen bis maximal 5 MW Gesamtkapazität. Unter der zum 31.3.2017 auslaufenden Renewables Obligation findet ein Emissionshandel mit sogenannten „Renewables Obligation Certificates“ (ROCs) statt. Stromanbieter müssen dabei einen festgelegten (jährlich steigenden) Anteil ihrer Elektrizität aus regenerativen Quellen beziehen und dies der staatlichen Regulierungsbehörde Ofgem durch eine entsprechende Menge an erworbenen ROCs nachweisen. Die hierfür erforderlichen ROCs können sie ausschließlich bei Stromerzeugern mit Ofgemregistrierten Erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten beziehen. Die Regulierungsbehörde weist den Erzeugern dabei eine technologiespezifische Menge an ROCs je erzeugter MWh elektronisch zu. Windenergieanlagen, die im aktuellen Regulierungsjahr (April 2016 bis März 2017) erstmals via RO gefördert werden, erhalten demnach für Onshore-Anlagen 0,9 ROCs je erzeugter MWh bzw. 1,8 ROCs je MWh bei OffshoreAnlagen. Diese „Renewables Obligation“ wird jährlich vom DECC formelgebunden ermittelt und richtet sich nach dem zu erwartenden Anteil an Strom aus erneuerbaren Quellen an der gesamten Stromnachfrage. Für das aktuelle Regulierungsjahr müssen alle lizensierten Stromanbieter 0,348 ROC per MWh nachweisen. Anbieter ohne ausreichende ROCs müssen eine (inflationsindexierte) Strafzahlung i.H.v. derzeit 44,77 GBP pro fehlendem ROC leisten. Diese Strafzahlungen fließen in einen sog. Buyout Fund und werden jährlich nachträglich quotal an die ROC-generierenden Stromerzeuger ausgezahlt. Windenergieanlagenbetreiber, die unter der Quotenregelung gefördert werden, erhalten die Förderung für eine Förderzeit von 20 Jahren, d.h. längstens bis zum Auslaufen der Regelung im Jahr 2037. Die jährliche Gesamtvergütung, die ein Betreiber unter dem RO-Regime erzielt, ist variabel und besteht neben der Zahlung aus dem Buyout Fund typischerweise aus einer (ggf. inflationsindexierten) Festvergütung für die Stromlieferung an einen Stromversorger auf Basis eines langfristigen Stromliefervertrages. Das im Jahr 2014 eingeführte neue Förderregime für Erneuerbare Energien mittels CFDs beinhaltet in stärkerem Maße wettbewerbliche Elemente und erlaubt den staatlichen Regulierern eine deutlich stringentere Kapazitätssteuerung über den verschiedenen förderwürdigen Technologien hinweg, als dies mit dem RO-System möglich war. Im CFD-System werden von der Low Carbon Contracts Company Limited (“LCCC”), einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft im Alleineigentum des DECC, Auktionen für neu zu errichtende Stromerzeugungskapazitäten auf Basis von Erneuerbaren Energien durchgeführt. Die LCCC fungiert dabei als zentraler Kontrahent, der alle CFD-Kontrakte mit den geförderten Erneuerbare Energien-Erzeugern abschließt und die vereinbarten CFD-Zahlungen leistet. Die LCCC finanziert sich durch Umlagezahlungen der Stromversorger. Ein CFD-Kontrakt hat eine feste Laufzeit von 15 Jahren und gewährt dem Anlagenbetreiber für seine Stromerzeugung über die Vertragslaufzeit eine feste Einspeisevergütung mit Inflationsindexierung. Die CFD-Zahlung entspricht dabei der Differenz aus vereinbartem Referenzpreis („Strike Price“) und Großhandelspreis an der Strombörse, multipliziert mit der Menge des eingespeisten Stroms. Liegt der Preis am Strommarkt unter dem Referenzpreis, dann zahlt die LCCC den ermittelten Differenzbetrag an den Anlagenbetreiber. Übersteigt der Strompreis aber den Referenzpreis, dann hat der Anlagenbetreiber den überschießenden Betrag an die LCCC zu zahlen. Zentrales Steuerungsinstrument des CFD-Systems ist damit der vereinbarte Strike Price. Dieser wird in der CFD-Auktion wettbewerblich über die Abgabe von Preisgeboten für den zu produzierenden Strom ermittelt. Um einen möglichst plangemäßen Kapazitätsausbau zu erreichen, sind bei CFD-Auktionen nur solche Projekte teilnahmeberechtigt, die bereits über für die Realisierung alle erforderlichen Genehmigungen für die Realisierung verfügen. Den Zuschlag erhalten die Projekte mit den niedrigsten Preisgeboten, bis der im Staatshaushalt budgetierte Förderbetrag ausgeschöpft ist. Bei den CFD-Auktionen werden, je nach Marktreife und Grad der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Technologien mehrere Fördertöpfe gebildet. Die Windenergie an Land war dabei in der ersten CFD-Auktion (wie z.B. die Photovoltaik) als sogenannte „etablierte Technologie“ in einem anderen Fördertopf als die Offshore-Windenergie, welche zusammen mit anderen preislich noch nicht HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 29 wettbewerbsfähigen Technologien um die Fördermittel für die „weniger etabliertenTechnologien“ konkurrierte. Die DECC gibt für alle zugelassenen Erzeugungstechnologien spezifische Preisobergrenzen für die Auktionen vor, welche tendenziell um so niedriger sind, je weiter der Inbetriebnahmezeitpunkt in der Zukunft liegt. Projekte, die in der Auktion den Zuschlag erhalten haben, müssen innerhalb des zugesagten Inbetriebnahmezeitraums fertiggestellt werden. Daneben wird ein spätestmöglicher Anschlusstermin vereinbart, dessen Nichteinhaltung die LCCC zum Widerruf des CFD-Vertrages berechtigt. Bei großen Offshore-Windparks sind Serien von Einzelgeboten entsprechend der projektierten Bauabschnitte zulässig; ein Entzug der Förderung ist dann nur im Falle einer nicht fristgemäßen Inbetriebnahme des ersten Bauabschnitts möglich. Der Übergang vom RO- auf das CFD-Fördersystem begann im Frühjahr 2014 mit einer ersten Allokation von CFDs für fünf OffshoreProjekte durch das DECC über eine Gesamtkapazität von 3.184 MW. Im Oktober 2014 führte die LCCC die erste CFD-Auktion durch und erteilte im Februar 2015 Zuschläge für zwei Offshore- und 15 Onshore-Windparkprojekte im Gesamtvolumen von rund 1.911 MW zu. Hierbei lagen die Preisgebote der bezuschlagten Windenergieprojekte mit 79,2 bis 82,5 GBP/MWh (Onshore) bzw. mit 114,4 bis 119,9 GBP/MWh (Offshore) deutlich unter den vorgegebenen Gebotspreisobergrenzen von 95 bzw. 90 GBP/MWh für OnshoreProjekte und 150 bzw. 140 GBP für Offshore-Projekte (Preisbasis jeweils 2012). Diese Auktionsergebnisse scheinen zwar auf den ersten Blick ein Beleg für die Wirksamkeit der wettbewerblichen Preisermittlung im Sinne eines kostenminimierenden Verfahrens. Nach Berechnungen der Beratungsfirma Beringa Partners lagen die erzielten durchschnittlichen Auktionspreise um 2 GBP/MWh (Onshore) bzw. 1 GBP/MWh (Offshore) über der Gesamtvergütung, die die Projekte im Rahmen des auslaufenden RO hätten erwarten können. Bedingt durch den Regierungswechsel im Mai 2015 und eine von der neuen Regierung verfolgte restriktivere Förderpolitik für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sind seitdem keine neuen CFDs mehr ausgeschrieben oder anderweitig zugeteilt worden. Verlierer der neuen Förderpolitik sind Windenergieprojekte an Land. So wurde von der Regierung beschlossen, dass Onshore-Windenergieprojekte künftig generell nicht mehr für CFD-Auktionen zugelassen werden sollen. Ebenfalls wurde das bestehende Quotensystem für OnshoreProjekte in Wales und England bereits ein Jahr früher als ursprünglich vorgesehen geschlossen, d.h. bereits zum 1. April 2016. Lediglich solchen Projekten, die per Stichtag 18. Juni 2015 bereits genehmigt oder genehmigungsreif waren, wurde eine Übergangsfrist bis zum 31.3.2017 zugestanden. Diese Änderungen des RO wurden mit dem Energiegesetz im Herbst 2015 ins Parlament eingebracht und sind mittlerweile verabschiedet worden. Neben dem massiven Eingriff in das bisherige Fördersystem bei Windenergieprojekten an Land hat das DECC in 2015 auch die Förderung von Eigenverbrauchern bzw. Kleinerzeugern mit Windenergieanlagen bis zu einer installierten Gesamtkapazität von 5 MW stark gekürzt. So wurden die bisherigen Vergütungsregeln im Februar 2016 zu deutlich verschlechterten Konditionen neu geregelt. Die Erzeugungsvergütung für Windenergieanlagen bis 100 KW wurde im Vergleich zur vorigen Regelung um etwa 65% auf jetzt anfänglich 8,54 p/KWh gekürzt. Anlagen mit mehr als 1,5 MW erhalten mit 0,86 p/kWh praktisch keine Förderung für die Stromerzeugung mehr. Die Erzeugungsvergütung für neu installierte Anlagen wird quartalsweise planmäßig abgesenkt. Für ins Netz eingespeisten Strom beträgt der Einspeisetarif jetzt größenunabhängig bei 4,91 p/KWh. Der Förderzeitraum beträgt unverändert 20 Jahre. Während also die vergleichsweise deutlich teurere Offshore-Windenergie weiterhin gefördert wird, bedeutet die neue Regierungspolitik nach Auslaufen des RO für neue Onshore-Windenergieprojekte über 5 MW ab dem 31.3.2017 einen Ausschluss von der staatlichen Förderung. Es ist folglich davon auszugehen, dass der Kapazitätszubau an Land nach Realisierung der letzten Projekte, die noch eine Förderung bekommen konnten, nahezu vollständig zum Erliegen kommen wird. Angesichts dieser Aussichten setzen die Projektentwickler alles daran, wenigstens noch ihre genehmigten Projekte in die auslaufende RO-Förderung zu bringen. Vor dem Hintergrund des verfügten Ausschlusses von Onshore-Projekten bei künftigen CFD-Auktionen will das DECC bis zum Jahr 2020 nur noch drei Auktionen für weitere Offshore-Windparks (und andere als förderwürdig eingestufte Technologien) abhalten lassen. Mit der nächsten CFD-Auktion ist frühestens in Q4/2016 zu rechnen. Als neue Preisobergrenze für die nächste Auktionsrunde wurde von der Regierung für neue Offshore-Projekte 105 GBP/MWh (2011/12er Preise) festgesetzt. Dieser Wert sinkt in der Folgezeit bis 2026 auf 85 GBP/MWh (zzgl. Inflationsausgleich). Marktausblick Nach Angaben von LCCC und RenewableUK umfasst der Bestand an bereits genehmigten Onshore-Projekten einschließlich der in der ersten CFD-Auktion erteilten Zuschläge und aller zur Genehmigung angemeldeten Kleinwindanlagen derzeit noch eine Gesamtkapazität von knapp 2,6 GW. An Offshore-Projekten verfügen derzeit Parks mit einer Gesamtkapazität von 6,0 GW über eine RO-Förderung oder einen CFD-Kontrakt. Projekte über weitere 8,2 GW haben bereits die erforderlichen Genehmigungen erhalten (Stand per 8.5.2016). Mit der ersatzlosen Einstellung der Förderung von größeren Windenergieprojekten an Land reduziert sich der britische Windenergiemarkt über die nächsten Jahre zunehmend auf den Offshore-Bereich. Während die Realisierung der letzten genehmigten Projekte an Land voraussichtlich bis zum Jahr 2019 abgeschlossen sein wird, sehen die Zeitpläne der genehmigten neuen Offshore-Windparks mit Förderzusage einen kräftigen Zubau ab dem Jahr 2018 vor. Ab dem Jahr 2020 wird der Kapazitätszubau dann nahezu vollständig vom SEITE 30 Offshore-Bereich getragen werden. Für den Zeitraum 2021-2025 gehen wir von einer Fortsetzung des Kapazitätszubaus in einer Größenordnung von durchschnittlich 800 MW p.a. aus. Dank der sehr günstigen Windbedingungen verfügt der britische Windmarkt langfristig über ein enormes Wachstumspotenzial. Auch wenn der Kapazitätszubau an Land derzeit regierungsseitig als nicht mehr förderwürdig ausgebremst wird, bestehen längerfristig Chancen auf eine Wiederbelebung dieses Teilmarktes. So lassen künftige Effizienzgewinne mit weiter sinkenden Stromgestehungskosten, ein zunehmendes Repowering-Potenzial im alternden Anlagenbestand sowie die Möglichkeit eines neuerlichen Regierungswechsels mit einer Neuausrichtung der Förderpolitik auf eine Wiederbelebung der Projektentwicklungstätigkeit hoffen. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 1.923 12.633 2014 2015 2016e 975 13.603 1.300 14.903 2017e 1.340 16.243 2018e 2.696 18.939 2019e 2.250 21.189 2020e 700 21.889 2025e k.A. 26.200 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 21,2% 2015 - 2020e 10,0% 2020 - 2025e 3,7% 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Offshore Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 31 2.1.4 Irland Durch seine geographische Lage im Nordatlantik weist Irland optimale natürliche Bedingungen für den Betrieb von Windenergieanlagen auf. Schon in Nabenhöhen von unter 100m herrschen in weiten Landesteilen durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von über 8 m/s vor, so dass mit Standardanlagen Kapazitätsfaktoren von etwa 35% erzielbar sind– ein Top-Niveau in Europa. Mit einem Zubau von 224 MW auf 2.486 MW und einer Windstromerzeugung von 6.571 GWh (2015, vorläufig) ist der irische Windenergiemarkt zwar absolut gesehen eher klein, wächst aber deutlich stärker als der Durchschnitt der europäischen Länder. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Im Rahmen der EU-Klimaziele für das Jahr 2020 hat Irland einen verbindlichen nationalen Aktionsplan zur CO2-Emissionsreduzierung beschlossen, demzufolge im Jahr 2020 mit Erneuerbaren Energien 16% des Gesamtenergiebedarfs und 42,5% der Stromproduktion gedeckt werden sollen. Langfristig, d.h. bis zum Jahr 2050, strebt die Regierung eine sehr viel weitgehendere CO2-Reduktion an und unterstützt die von der EU-Kommission für das Jahr 2030 formulierten Klimaziele sowie die EU-Energy Roadmap für eine CO2-arme Energieversorgung im Jahr 2050. Hierzu hat die Regierung im Jahr 2015 ein Weißbuch vorgestellt (Ireland’s Transition to a Low Carbon Energy Future), in dem Szenarien für eine Senkung der CO2-Emissionen um 80% bzw. um 95% entwickelt wurden. Demnach müsste der Anteil fossiler Energieträger am Gesamtendenergieverbrauch von 79% (status quo) auf 30% (im 80%-Reduktionsszenario) bzw. auf 19% (95%-Szenario) sinken. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 28.313 578 174 939 28.499 1.574 2.102 25.269 5.589 2014 26.314 501 704 2.853 27.962 1.406 2.045 24.136 5.241 Δ% 0,3% n.m. -20,8% -79,6% n.m. 31,4% -21,4% 73,9% n.m. 10,0% 3,8% n.m. -21,3% n.m. -7,1% Anteil 15,3% 0,0% 49,1% 0,7% 0,0% 33,6% 2,7% 19,5% 0,0% 0,8% 10,6% 0,0% 1,1% 0,2% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung 2014 8,6% 22,7% 2020p 16,0% 42,5% 2010 1.392 1.367 25 2015 2.486 2.461 25 7.000 2020e 3.866 3.841 25 11.200 Windenergienutzung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 5,1% 13,4% 2009 4.005 0 16.298 918 0 6.737 902 2.955 0 186 2.694 0 355 0 28.313 2014 4.016 0 12.914 187 0 8.853 709 5.140 1 205 2.797 0 279 65 26.314 Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 34% EE-Strommix 17.117 0 8.853 344 Wind 5.140 10%& Abfälle Biobrennstoffe 2.797 Sonstige EE 915 0 0 32% 65% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 58% Wind Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Quelle: Eurostat, IWEA, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Der Windenergie kommt bei der Erreichung der Klimaziele eine Schlüsselposition zu und so wird deren Ausbau mit der staatlichen Förderpolitik entsprechend forciert. Um die Klimaziele für das Jahr 2020 zu erreichen, strebt die Regierung eine installierte OnshoreKapazität von 3,5 bis 4,0 GW an. Mit Blick auf das Nahziel 2020 und auf die nächste Etappe bis 2030 zeigen die Potenzialberechnungen, dass Irland ein Mehrfaches des Bedarfs mit Windenergieanlagen an Land decken kann. Darüber hinaus verfügt das Land über ein enormes Offshore-Potenzial, welches im Falle des Erreichens von Kostensenkungen langfristig ebenfalls sinnvoll nutzbar wäre. Vor dem Hintergrund der sehr guten Onshore-Standorte besteht beim weiteren Ausbau der Windenergienutzung in Irland auf absehbare Zeit allerdings kein Bedarf an Offshore-Windparks. Die Regierung achtet beim Fördermitteleinsatz strikt auf eine hohe Effizienz. Entsprechend werden Offshore-Projekte staatlich nicht gefördert und bleiben damit auf kleine Test- bzw. Demonstrationsprojekte zu Forschungszwecken beschränkt. Von Irland nicht geförderte kommerzielle Offshore-Windparks wären derzeit allein in Kooperation mit Großbritannien und ausschließlich für den Stromexport ins Nachbarland denkbar. Auf britischer Seite besteht bisher (dank ausreichend eigener Offshore-Potenzialflächen) aber bisher kein Interesse an einer diesbezüglichen Zusammenarbeit. SEITE 32 Dank des in den letzten 10 Jahren recht stetigen Kapazitätsausbaus deckt die Windenergie mit einer installierten Gesamtkapazität von rund 2,5 GW und einer Stromerzeugung von 6,6 TWh der nationalen Stromversorgung mittlerweile 23% (2015, vorläufig). Die Erneuerbaren Energien insgesamt kommen im Stommix Irlands mittlerweile auf einen Anteil von etwa 31%. Den größten Anteil der Stromerzeugung hat jedoch nach wie vor Erdgas mit gut 49%. Staatliche Förderung Das derzeit bestehende Fördersystem für Onshore-Windenergieanlagen („REFIT 2“) basiert auf einer Einspeisevergütung, die dem Anlagenbetreiber über einen Zeitraum von 15 Jahren gezahlt wird. Betreiber von WEA schließen dabei einen Vertrag mit einem Versorger zur Abnahme des produzierten Stroms (Power Purchase Agreement – PPA) ab und erhalten hierüber den Marktpreis für den produzierten Strom. Der Versorger ist grundsätzlich dazu verpflichtet, Strom aus geförderten regenerativen Energien abzunehmen. Zusätzlich zum Marktpreis erhält der Betreiber ggf. eine Ausgleichszahlung, deren Höhe sich aus dem REFIT-Referenzpreis und dem Marktpreis abzüglich eines Ausgleichsbetrages von 9,90 EUR je MWh bemisst. Ist der REFIT-Referenzpreis höher als der Marktpreis des Stroms, erhält der Betreiber eine Differenzzahlung. Übersteigt der Marktpreis den REFIT-Referenzpreis um mehr als den Ausgleichsbetrag, dann entfällt die REFIT-Zahlung. REFIT-Zahlungen werden vom staatlichen Stromnetzbetreiber EirGrid an die Betreiber geleistet und die Mehrkosten hierfür über eine Abgabe (Public Service Obligation“, „PSO“) auf die Stromendverbraucher umgelegt. Der REFIT-Referenzpreis ist inflationsindexiert und beträgt derzeit 72,167 EUR je MWh bei bis 5 MW und 69,72 EUR je MWh bei Parks über 5 MW. REFIT 2 gilt letztmalig für Anlagen, für die bis Ende 2015 ein Antrag gestellt wurde. Das für Energie zuständige Department of Communications, Energy and Natural Resources („DCENR“) hat den Projektentwicklern, die trotz noch nicht vollständig vorliegender Unterlagen noch bis 31.12.2015 eine Anmeldung zur REFIT-Förderung gestellt hatten, bis zum 31.12.2016 eine Frist für Nachreichung der erforderlichen Unterlagen (Planungsgenehmigung, Netzanschlussbestätigung) gestellt. Letztmöglicher Termin für Errichtung und Netzanschluss unter REFIT 2 ist das Jahresende 2017. Zwecks Konzeption eines Nachfolgeprogramms für das REFIT-Fördersystem, mit dem insbesondere auch den Vorgaben der EUKommission über die wettbewerbliche Ausgestaltung von Fördersystemen für Erneuerbare Energien Rechnung getragen werden soll, hat das DCENR im Herbst 2015 eine Konsultation angestoßen. Ein REFIT-Nachfolgesystem wird derzeit erarbeitet und anschließend mit der EU-Kommission abgestimmt. Wir gehen davon aus, dass das Nachfolgesystem als Marktprämienmodell mit Festvergütung und auktionsbasiertem Vergabeverfahren, ähnlich dem britischen CFD-Modell, ausgestaltet sein wird. Für kleinere Anlagen bis 5 MW dürfte die Regierung die von der EU-Kommission eröffneten Spielräume nutzen und erneut eine REFIT-Lösung wählen. Marktausblick Dank der sehr günstigen Windbedingungen verfügt der irische Windmarkt langfristig über ein enormes Wachstumspotenzial. Gestützt auf die Ausbaustrategie der Regierung gehen wir bis zum Jahr 2020 von einem jährlichen Zubau um 250 bis 300 MW aus. Wie bisher wird der Ausbau in den nächsten Jahren ausschließlich an Land stattfinden. Der anstehende Fördersystemwechsel stellt dabei angesichts der positiven Grundhaltung der Regierung zu den Erneuerbaren Energien aus unserer Sicht einen eher kleineren Unsicherheitsfaktor dar. Für den Zeitraum 2021-2025 gehen wir von einer Fortsetzung des Kapazitätszubaus mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 7,8% bzw. durchschnittlich 350 MW p.a. aus. Ambitionierte Klimaziele auf der einen Seite sowie weitere Kostensenkungen sollten den Ausbau stützen. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 33 Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 222 2.272 2014 2015 224 2.486 2016e 300 2.786 2017e 240 3.026 2018e 260 3.286 2019e 280 3.566 2020e 300 3.866 2025e k.A. 5.600 Bestand 12,6% 2015 - 2020e 9,2% 2020 - 2025e 7,7% Quelle: EWEA, eigene Prognose SEITE 34 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 Ø Wachstumsraten 2010 - 2015 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 0 2012 2013 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e 2.1.5 Belgien Mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 6 bis 7 m/s in 100m Höhe im Binnenland, etwa 8 m/s an der flandrischen Nordseeküste sowie von bis zu 10 m/s auf See verfügt Belgien über gute natürliche Bedingungen zur Nutzung der Windenergie. Mit aktuellen Standardanlagen von bis zu 3 MW Nennleistung sind an küstennahen Standorten Kapazitätsfaktoren von 28% erreichbar. Mit einem rekordhohen Zubau von 274 MW auf eine Kapazität von 1.517 MW an Land hat der belgische Windenergiemarkt im Jahr 2015 erheblich an Fahrt gewonnen. Mit einem installierten Anlagenbestand in Höhe von insgesamt 2.229 MW, der sich etwa zu gleichen Teilen auf die Regionen Flandern und Wallonien verteilt sowie auch Offshore-Windparks umfasst, und einer Windstromerzeugung von 5.7 TWh (2015, vorläufig) ist Belgien bisher zwar ein vergleichsweise kleiner Windenergiemarkt in Europa, zählt derzeit aber zu den am stärksten wachsenden. Während die Förderung des Zubaus an Land in die Zuständigkeit der Regionalregierungen fällt, obliegt der Zentralregierung die Entwicklung neuer Offshore-Windparks. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele In Belgien wird der größte Teil der Stromerzeugung seit Jahrzehnten durch Atomenergie gedeckt. Bedingt durch längerzeitige Abschaltungen zweier Reaktorblöcke ist der Anteil des Atomstroms in den letzten Jahren zwar auf 46,4% in 2014 gesunken, Atomstrom ist aber bis heute die wesentliche Stütze der Versorgungssicherheit des Landes. Auf Gaskraftwerke entfielen im Jahr 2014 gut 26% und auf die Erneuerbaren Energien zusammen knapp 17% der Stromerzeugung. Unter diesen ist die Windenergie mit gut 6% der Bruttostromerzeugung mittlerweile die Technologie mit dem höchsten Anteil. Infolge des teilweisen Ausfalls der Atomstromkapazitäten war Belgien in den letzten Jahren, insbesondere während der Wintermonate, zunehmend auf Stromimporte angewiesen. Mit gut 17 TWh bzw. fast 22% des Stromendverbrauchs haben die Nettostromimporte des Landes im Jahr 2014 einen Rekordwert erreicht. Auch dies offenbart die hohe Abhängigkeit des Landes von den eigenen AKWs. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 91.237 1.882 11.321 9.485 87.520 6.572 4.065 77.255 7.184 2014 72.686 1.629 4.188 21.791 88.660 4.550 3.879 80.561 7.190 Δ% -56,9% n.m. -34,2% -21,7% -28,6% 123,6% -16,3% 362,9% 1633,6% 84,9% 1,4% n.m. -13,8% 61,6% -20,3% Anteil 3,1% 0,0% 26,5% 0,3% 46,4% 16,7% 0,4% 6,3% 4,0% 1,2% 4,9% 0,0% 1,7% 5,3% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 5.178 0 29.311 279 47.222 5.441 328 997 166 470 3.480 0 1.429 2.377 91.237 2014 2.231 0 19.292 219 33.703 12.167 274 4.614 2.883 869 3.527 0 1.233 3.843 72.686 2014 8,0% 13,4% 2020p 13,0% 20,9% 2010 886 691 195 2015 2.229 1.517 712 6.200 2020e 4.834 2.567 2.267 12.600 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 5,1% 6,2% Fossile 7% Kernenergie Erneuerbare 17% Übrige 21.741 33.703 12.167 30% 5.075 EE-Strommix Wind 4.614 Biobrennstoffe & Abfälle 3.527 Sonstige EE 4.026 33% 0 0 38% 46% 29% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wind Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Mit dem nationalen Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien hat sich Belgien dazu verpflichtet, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 13% zu erhöhen. Zielgröße für den Anteil an der Stromproduktion ist dabei ein Wert von 20,9%. Mit Blick auf die in 2014 erreichten Werte (8,0% insgesamt und 13,4% beim Anteil an der Stromerzeugung) scheint das Land nur auf den ersten Blick einigermaßen im Plan zu liegen. Diese Zahlen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der EE-Anteil auch deshalb deutlich gestiegen ist, weil die Atomstromproduktion störungsbedingt zurückgefahren werden musste. Belgien steckt vielmehr in einem ernergiepolitischen Dilemma. So wurde zwar im Jahr 2003 ein vollständiger Atomausstieg des Landes und ein Verbot der Errichtung neuer Reaktoren beschlossen, demzufolge die in den 70er und 80er Jahren in Betrieb gegangenen insgesamt sieben Reaktorblöcke in den beiden AKWs in Thiange und Doel zwischen 2015 und 2025 stillgelegt werden sollten. Die stückweise Stilllegung war aber daran geknüpft, dass entfallender Atomstrom durch anderweitige Erzeugungskapazitäten ersetzt werden kann. Und HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDENERGIE September 2016 SEITE 35 da dies in den letzten Jahren nicht gegeben war, mussten die Betriebsgenehmigungen für die ursprünglich zur Stilllegung vorgesehenen Reaktoren unter der Auflage bestimmter Investitionen in die Reaktorsicherheit von der Atomaufsichtsbehörde notgedrungen um 10 Jahre verlängert werden. Belgien hat jetzt bis zum Jahr 2025 Zeit, alternative Erzeugungskapazitäten zu schaffen oder anzureizen. Die zentrale Rolle kommt hierbei Investitionen in zusätzliche Windparks bei – sowohl Onshore wie Offshore. Doch hierfür ist eine enge Zusammenarbeit der Zentralregierung mit den Regionalregierungen in Flandern und Wallonien nötig. So entscheidet zwar die Regierung über die grundsätzliche energiepolitische Ausrichtung des Landes und ist für den Ausbau von Offshore-Windparks allein zuständig, die Ausgestaltung der Fördermechanismen für die Windenergienutzung an Land obliegt aber weitestgehend den Regionalregierungen. Staatliche Förderung Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird durch ein Quotensystem mit handelbaren Zertifikaten geregelt. Windparkbetreiber an Land erhalten hierbei für die erzeugte Strommenge „Grüne Zertifikate“ zugewiesen, welche sie wahlweise zu einem gesetzlich festgelegten Mindestpreis an den Netzbetreiber oder freihändig z.B. über eine Zertifikatehandelsplattform der Strombörse verkaufen können. Der erzeugte Strom wird, hiervon losgelöst, von den EE-Produzenten am Strommarkt verkauft. Die Energieversorger hingegen sind gesetzlich dazu verpflichtet, einen festgelegten Anteil von erneuerbaren Energien an ihrem Stromabsatz nachzuweisen. Fehlende Zertifikatsmengen bei den nachweispflichtigen Energieversorgern werden mit Strafzahlungen (fixe Strafzahlung pro fehlendem Zertifikat) bestraft. Die Ausgestaltung des regionalen Quotensystems obliegt dabei der jeweiligen Regionalregierung. Dadurch kann es je nach Region Unterschiede bei der Menge der je produzierter MWh zugewiesenen Grünen Zertifikate, deren Gültigkeitsdauer, der Förderdauer insgesamt sowie der Höhe der einzuhaltenden Quote geben. In allen drei Regionen steigt diese Mindestquote, passend zu den nationalen Klimazielen, jährlich an. Neben der Vergabe der Grünen Zertifikate an die EE-Stromerzeuger übernehmen die regionalen Energieregulierungsbehörden auch die Kontrolle der Einhaltung der Mindestquote. Bei der Festlegung der Mindespreise für die Grünen Zertifikate orientieren sich die Regulierungsbehörden an einer Zielinvestitionsrendite von 7 bis 8 %. Für Offshore-Windparks gilt für Projekte mit Financial Close vor dem 1.5.2014 ebenfalls ein Quotensystem mit Zertifikaten und Garantiepreisen. Mit diesen Zertifikaten findet allerdings kein Handel statt. Die Betreiber erhalten daher, zusätzlich zum am Markt erzielten Strompreis, für die Zertifikate die garantierte Mindestvergütung. Für Offshore-Projekte mit Financial Close ab dem 1.5.2014 hat die Regierung jedoch einen Systemwechsel hin zu einem Marktprämienmodell vollzogen. Hierunter erhält der Betreiber eine Marktprämie in Höhe von 138 €/MWh abzüglich 90% des Großhandelsstrompreises. Diese Marktprämie ist zugleich Gebotsgegenstand bei zukünftig auszuschreibenden Offshore-Windparks. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die aktuellen Förderparameter für Windparks in Belgien. Die Kosten für den Erwerb der Grünen Zertifikate durch die Stromversorger und die Netzbetreiber haben letztlich die Verbraucher in Form einer Umlage auf den Strompreis zu tragen. Von der Konstruktion her steht das Vergütungssystem für Erneuerbare Energien für Onshore- und OffshoreWindenergieprojekte im Einklang mit den wettbewerblichen Vorgaben der EU-Kommission. Der Vergleich von Marktpreisen und gesetzlich garantierten Mindestpreisen für die Grünen Zertifikate legt den Schluss nahe, dass die Regionalregierungen in Flandern und Wallonien bei der nächsten Überprüfung der garantierten Mindestpreise eine Absenkung vornehmen werden, damit der Marktpreis für die Zertifikate seine Steuerungswirkung auf den Kapazitätszubau entfalten kann. Wesentliche Parameter Grüner Zertifikate im Überblick Mindestpreis Marktpreis Dez. 2015 Region Flandern 93 Region Wallonien Hauptstadtregion Brüssel (in €/MWh) Strafpreis Gültigkeitsdauer Förderdauer 89,86 100 1 Jahr 15 Jahre 65 66,37 100 5 Jahre 15 Jahre 65 82,46 100 5 Jahre 10 Jahre --- 5 Jahre 20 Jahre Windenergie an Land Windenergie auf See 1) 107/90 1) n.a. 1) Quelle: VREG, Brugel, CREG, WAaPE; 1) Gültigkeit nur für Offshore-Projekte mit Financial Close vor dem 1.5.2014; 2) der Mindestpreis von 107 €/MWh gilt für eine Anlagenkapazität von bis zu 216 MW, darüber hinausgehende Kapazitäten erhalten 90 €/MWh Marktausblick Vor dem Hintergrund des geschilderten energiepolitischen Dilemmas, in dem das Land steckt, wird die belgische Regierung in den nächsten zehn Jahren in erheblichem Umfang Investitionen in neue, klimafreundliche Stromerzeugungskapazitäten anreizen müssen. Die Windenergie wird hierbei sowohl an Land als auch auf See eine bedeutende Rolle spielen. Auf dem aktuellen Preisniveau erscheinen die mit neuen Onshore-Windparks in Belgien erzielbaren Vergütungshöhen sehr attraktiv. Dies dürfte den Kapazitätszubau an Land auf kurze Sicht weiter stützen und auf einem historisch hohen Volumen halten. Angesichts der begrenzten Potenzialflächen des Landes gehen wir auf längere Sicht von einem nachhaltig möglichen Zubauvolumen von 150 bis 200 MW p.a. aus. Hinzu kommt in den nächsten fünf Jahren ein Offshore-Zubauvolumen von rund 1,6 GW. Längerfristig sind zudem weitere Offshore-Projekte im Wege von Ausschreibungen zu erwarten. Bis zum Jahr 2025 sollte sich die installierte Windenergiekapazität auf dann 6,3 GW nahezu verdreifachen. SEITE 36 Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 293 1.959 2015 274 2.229 2016e 250 2.479 2017e 365 2.844 2014 2018e 854 3.698 2019e 200 3.898 2020e 936 4.834 2025e k.A. 6.300 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 20,3% 2015 - 2020e 16,7% 2020 - 2025e 5,4% 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Offshore Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 37 2.1.6 Niederlande Durch die Lage an der Nordsee herrschen in den Niederlanden sehr gute Windbedingungen vor. In weiten Landesteilen sind in 100m Nabenhöhe durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 7 bis 8 m/s nutzbar, im Norden des Landes in Küstennähe sogar 8 bis 9 m/s und auf See sogar bis zu 11 m/s. Selbst im Binnenland lassen sich die Windressourcen (durchschnittlich 6 bis 7 m/s) noch gut zur Stromerzeugung nutzen. Mit aktuellen Standardanlagen von bis zu 3 MW Nennleistung sind an Küstenstandorten Kapazitätsfaktoren von 30% erreichbar. Angesichts einer sehr hohen Besiedlungsdichte stellen die küstennahen ausgedehnten Flutschutzgebiete des Landes zusammen mit den sehr flachen Binnengewässern (insbesondere das Ijsselmeer) bedeutende alternative Potenzialflächen für die Windenergienutzung dar. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Im Strommix der Niederlande dominieren seit jeher fossile Energieträger mit zusammen rund 80% Anteil die Stromerzeugung. Hierbei trägt die Erzeugung in Gaskraftwerken den mit Abstand größten Teil bei und kam in 2014 auf rund 50% der inländischen Stromerzeugung. Treibender Faktor hierfür ist Nutzung der Erdgasreserven des Landes. An zweiter Rangstelle liegt die Steinkohleverstromung mit einem Anteil von gut 28%. Das einzige Atomkraftwerk des Landes steuert weitere 4% Anteil zur Bruttostromerzeugung bei. Erneuerbare Energien kamen 2014 auf einen Anteil von gut 11%, wovon wiederum die Hälfte auf die Windenergie entfiel. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 113.694 0 10.561 15.452 118.584 8.978 5.245 104.994 6.369 2014 103.414 0 18.128 32.855 118.141 10.236 4.933 101.630 6.039 Δ% 21,4% n.m. -25,2% 28,1% -3,7% 8,0% 14,3% 26,5% 1673,7% 9,9% -22,9% n.m. n.m. 18,4% -9,0% Anteil 28,5% 0,0% 49,8% 1,8% 4,0% 11,3% 0,1% 5,6% 0,8% 1,0% 3,9% 0,0% 0,0% 4,5% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 24.278 0 68.873 1.487 4.248 10.836 98 4.581 44 915 5.197 0 0 3.972 113.694 2014 29.484 0 51.522 1.906 4.091 11.706 112 5.796 784 1.006 4.008 0 0 4.704 103.414 2014 5,5% 10,0% 2020p 14,0% 37,0% 2010 2.269 2.022 247 2015 3.431 3.004 427 8.200 2020e 7.931 5.504 2.427 22.200 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 4,3% 9,1% Fossile 5% Kernenergie 11% Erneuerbare Übrige4% 82.913 4.091 11.706 4.704 EE-Strommix Wind 5.796 Biobrennstoffe 4.008 16% & Abfälle Sonstige EE 1.902 0 0 50% 80% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 34% Wind Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Mit ihrem Nationalen Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien haben sich die Niederlande dazu verpflichtet, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 14% zu erhöhen. Zielgröße für den Anteil an der Stromproduktion ist dabei ein Wert von 37%. Mit Blick auf die in 2014 erreichten Werte (5,5% insgesamt und 10,0% bei Elektrizität) ist allerdings festzustellen, dass das Land hier seit Jahren erheblich im Rückstand liegt und es schon extremer Anstrengungen bedarf, um die verbindlichen Klimaziele noch erreichen zu können. Mit der Bündelung und Koordinierung der diesbezüglichen Bemühungen beim Sozial- und Wirtschaftsrat (SER), der Ende 2012 mit dem „Energieabkommen zum nachhaltigen Wachstum“ ein breites gesellschaftliches Bündnis zur Förderung der Erneuerbaren Energien schmiedete, gelang jedoch der Durchbruch. Dieses Energieabkommen bildet den Rahmen für eine Entwicklung hin zu einer vollständig nachhaltigen Energieerzeugung im Jahr 2050 mitsamt einer Senkung der CO2-Emissionen um 80 bis 95%. Wesentliche langfristige Stützen der Energieversorgung sind dabei die Erneuerbaren Energien sowie Gaskraftwerke. Letztere bleiben bis zum Jahr 2050 eine unverzichtbare Säule der Stromversorgung und sollen perspektivisch mit Hilfe der CCS-Technologie klimaverträglich gemacht werden. Für die fünf Kohlekraftwerke des Landes wurde hingegen eine Stilllegung in den Jahren 2016 und 2017 beschlossen. Das Energieabkommen setzt zudem für das Jahr 2023 eine neue Zielmarke für den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch in Höhe von 16%. SEITE 38 In den letzten Jahren hat die Regierung erhebliche Fortschritte dabei gemacht, die Voraussetzungen für Investitionen in Erneuerbare Energieerzeuger zu verbessern. So wurde das Fördersystem weiterentwickelt und zugleich zeitnah an die wettbewerblichen Vorgaben der EU-Kommission über die Genehmigung von Beihilfen für die Förderung der Erneuerbaren Energien angepasst. Beim Abbau administrativer Hürden gab es ebenfalls wichtige Fortschritte. In den dicht besiedelten Niederlanden stellen Einsprüche von Anwohnern und Widerstände in den Kommunen ein Realisierungsrisiko für ein Windparkprojekt dar. Vor diesem Hintergrund hat die Regierung alle Gemeinden und Provinzen zur Suche und Ausweisung von geeigneten Windenergie-Vorranggebieten gedrängt, innerhalb derer eine leichtere und schnellere Genehmigung durch die lokalen Behörden (Kommunen und Provinzen) möglich ist. Auch sollen Projektierer der Bevölkerung an den Windparkstandorten eine finanzielle Beteiligung an den Projekten anbieten. Bei Windparks mit mehr als 100 MW Gesamtkapazität nimmt die Zentralregierung infolge der erhöhten wirtschaftlichen Bedeutung solcher Projekte die Rolle des zentralen Koordinators wahr. Derzeit gibt es 11 Vorrangzonen für derart große Windparks, die sich in drei Clustern in Küstennähe befinden. In diesen dürfte in den nächsten Jahren ein Großteil des angestrebten Kapazitätszubaus an Land erfolgen. Die offiziellen Ausbauziele der Regierung für die Nutzung der Windenergie an Land im Jahr 2020 liegen bei 6,0 GW, im Offshore-Bereich sollen bis zum Jahr 2023 knapp 4,5 GW errichtet sein. Staatliche Förderung Als Bestandteil des liberalisierten niederländischen Strommarktes müssen Windparkbetreiber den von ihnen erzeugten Strom selbst vermarkten und schließen hierzu typischerweise langfristige Stromlieferverträge mit Energiehändlern, Stromversorgern oder Großkunden ab. Vom Staat können sie zusätzliche Zahlungen als Förderung für die EE-Stromerzeugung erhalten. Primäres Förderinstrument ist dabei der Fördermechanismus „SDE+“ („Stimulering Duurzame Energieproductie“), der von der RVO („Rijksdienst voor Ondernemend Nederland“), einer Behörde des Wirtschaftsministeriums, administriert wird. SDE+ ist ein ausschreibungsbasiertes Marktprämienmodell mit technologieneutraler Förderung, welches jährlich im Staatshaushalt budgetiert wird. Windenergieprojekte von über 3 MW an Land, in Binnengewässern und Flutschutzgebieten konkurrieren dabei z.B. mit Biomasse-, Wasserkraft-, Solar- und Geothermieprojekten in Ausschreibungen um die Genehmigung und Zuweisung der budgetierten Fördermittel. Lediglich Offshore-Windenergieprojekte sind hiervon ausgenommen und werden in separaten Ausschreibungsverfahren vergeben. Voraussetzung für die Teilnahme eines Windparkprojekts an SDE+ ist das Vorliegen der für den Bau und Betrieb erforderlichen Genehmigungen. Die Ausgestaltung der Ausschreibungen, Vergütungsobergrenzen und sonstigen Regelungen wird dabei von der RVO jährlich überprüft und an die Marktentwicklungen angepasst. Die Höhe der unter SDE+ gezahlten Vergütung errechnet sich aus einem sog. Basisbetrag (dieser entspricht dem individuellen Preisgebot, das der Projektierer in der Auktion abgibt) von je nach Standortqualität höchstens 7,0 bis 11,4 ct/ kWh abzüglich eines Korrekturbetrages (entspricht dem Durchschnittspreis für Strom aus konventioneller Erzeugung). Der Korrekturbetrag für das Jahr 2016 wurde von der RVO mit 3,8 ct/kWh angesetzt. Für ihn gilt eine Untergrenze von derzeit 3 ct/kWh. Die gezahlte Vergütung kann damit marktpreisbedingt sinkende Erlöse aus dem Verkauf des Stroms am Markt nur bis zu einem Strompreis von 3 ct/kWh kompensieren, nicht aber darunter. In Zeitintervallen mit negativen Strompreisen (maßgeblich ist hier ein 6-Stunden-Zeitraum) entfällt der Vergütungsanspruch gänzlich. Die jährliche Strommenge, auf die eine Vergütung gezahlt wird, ist zudem auf die projektspezifisch zu erwartende mittlere Volllaststundenzahl (P50-Wert) begrenzt. Die Förderdauer für Onshore-Windenergieprojekte beträgt 15 Jahre ab Netzanschluss. Nach Erhalt der Förderzusage muss der Windpark innerhalb von vier Jahren errichtet werden. Vergütungen für neue Windenergieprojekte an Land, in Binnengewässern und Flutschutzgebieten nach SDE+ können jährlich in zwei Ausschreibungsrunden pro Jahr (April/Mai und Oktober/November) beantragt werden. Jede Ausschreibungsrunde ist dabei in vier zeitlich aufeinander folgende einwöchige Gebotsphasen gestaffelt, in denen alle zugelassenen Technologien im Rahmen vorgegebener technologiespezifischen Gebotspreisobergrenzen miteinander konkurrieren. Bei Windenergieprojekten erfolgt eine Differenzierung des maximalen Basisbetrages nach Windgeschwindigkeitsbereich am Standort des Projektes (s. nachstehende Tabelle). Bei der Zuteilung der Gebote gilt das „First come, first served“-Prinzip, d.h. Anträge werden im Rahmen der Gebotsgrenzen nur solange akzeptiert, wie das für die Ausschreibungsrunde festgelegte Fördermittelbudget noch nicht erschöpft ist. Die Chance auf einen Zuschlag ist also umso höher, je früher der Antrag gestellt wird und je niedriger der gebotene Preis ist. Eingereichte Anträge konkurrieren hierbei gebotstagesweise miteinander. Die für die vier Auktionsphasen vorgegebenen Gebotspreisobergrenzen sind nach Windgeschwindigkeitsklassen gestaffelt. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 39 Maximaler Basisbetrag für Onshore-Windenergieprojekte gemäß SDE+ 2016, in €/kWh Phase 1 Phase2 Phasen 3 & 4 Windenergie an Land ≥8 m/s 0,070 0,070 0,070 7,5 bis <8 m/s 0,076 0,076 0,076 7,0 bis <7,5 m/s 0,082 0,082 0,082 <7,0 m/s 0,090 0,093 0,093 ≥8 m/s 0,075 0,075 0,075 7,5 bis <8 m/s 0,082 0,082 0,082 Windenergie in Flutschutzgebieten 7,0 bis <7,5 m/s 0,087 0,087 0,087 <7,0 m/s 0,090 0,099 0,099 0,090 0,100 0,114 Windenergie in Binnengewässern Quelle: Rijksdienst voor Ondernemend Nederland Basierend auf dem in 2015 verabschiedeten Offshore-Windenergie-Gesetz werden Offshore-Projekte künftig separat in Tendern ausgeschrieben. Nachdem die erste, ursprünglich schon für 2015 vorgesehene Ausschreibung auf 2016 verschoben werden musste, finden in 2016 nun zwei Tenderrunden für je zwei der insgesamt vier Teilflächen der Offshore-Windparkzone Borssele mit zusammen rund 1,4 GW (3 x 350 MW sowie 1 x 320 MW) statt. In den Jahren 2017 bis 2019 sollen weitere Tenderrunden über je 700 MW für die beiden weiter nördlich gelegenen Offshore-Windparkzonen („Hollandse Kust Zuid“ und „Hollandse Kust Noord“) folgen. Die Planungen des RVO sehen vor, dass die Parks innerhalb von vier Jahren nach erfolgter Finanzierungsentscheidung errichtet werden. Hierbei geht die Regierung mit zeitnahen und umfänglichen Untersuchungen der ausgewiesenen Flächen sowie der rechtzeitigen Stellung der Netzanschlüsse in Vorleistung. Der staatliche Stromnetzbetreiber TenneT als Betreiber des Offshore-Netzes ist bereits beauftragt, die erforderliche Netzinfrastruktur (fünf Offshore-Plattformen mit Transformatoren und HVDC-Seekabel-Anbindung) zu errichten. Für die geplanten neuen Offshore-Windparks haben sich alle Beteiligten (Staat, Netzbetreiber, Projektierer, Baufirmen und Windparkdienstleister) ehrgeizige Kostensenkungsziele von 40% im Vergleich zu 2013 gesetzt. So ist für die Offshore-Windparks, die in 2019 ausgeschrieben und bis zum Jahr 2023 errichtet werden sollen, eine Gesamtvergütung von nur noch 10,0 ct/kWh vorgesehen. Vorgesehene Preisobergrenzen Offshore-Windenergieprojekte Jahr Windpark Kapazität Preisobergrenze 2016 (ursprünglich 2015) Borssele I & II 2 x 350 MW 12,4 ct/kWh 2016 Borssele III & IV 320 MW & 350 MW 11,975 ct/kWh 2017 Hollands Kust Zuid I & II 2 x 350 MW 10,75 ct/kWh 2018 Hollands Kust Zuid III & IV 2 x 350 MW 10,325 ct/kWh 2019 Hollands Kust Noord I & II 2 x 350 MW 10,0 ct/kWh Quelle: Rijksdienst voor Ondernemend Nederland Marktausblick Mit dem SDE+ 2016 und den separaten Ausschreibungsverfahren für neue Offshore-Windparks hat die niederländische Regierung die Basis für einen kräftigen Ausbau der Windenergie an Land und, ab dem Jahr 2020, auch auf See, gelegt. Der Fördermechanismus steht im Einklang mit den EU-Wettbewerbsvorgaben für die Förderung der Erneuerbaren Energien, so dass der niederländische Windenergiemarkt keinen Verunsicherungen seitens eines Förderregimewechsels ausgesetzt ist. Die erreichten Fortschritte bei der Beseitigung administrativer Hürden lassen an Land bis zum Jahr 2020 einen deutlichen Anstieg des Zubaus auf jährlich 500 MW erwarten. Das eigene Ausbauziel von 6 GW Windenergie an Land dürfte damit ein Jahr später als ursprünglich geplant erreicht werden. Im OffshoreBereich erwarten wir die Errichtung der neuen Windparks für die Jahre 2020 bis 2023. SEITE 40 Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 175 2.852 2014 2015 586 3.431 2016e 860 4.291 2017e 740 5.031 2018e 500 5.531 2019e 500 6.031 2020e 1.900 7.931 2025e k.A. 11.900 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 8,9% 2015 - 2020e 18,2% 2020 - 2025e 8,5% 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Offshore Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 41 2.1.7 Dänemark Begünstigt durch kräftige Atlantikwindströmungen und einen hohen Anteil küstennaher Gebiete verfügt Dänemark landesweit über ein sehr hohes Windenergieangebot. So sind an der Nordseeküste Jütlands in 100 m Nabenhöhe Windgeschwindigkeiten von 8 bis 10 m/s die Regel, während die Ostsee-Küstenregionen des Landes im Durchschnitt 8 bis 9 m/s aufweisen. Selbst im Binnenland herrschen mit 6 bis 8 m/s immer noch gute Bedingungen. Auf See sind 9 bis 11 m/s in der Nordsee und im Skagerrak bzw. 8 bis 9 m/s im Kattegat und der Ostsee nutzbar. Mit modernen Standardanlagen lassen sich an Land Kapazitätsfaktoren von 35% und mehr erzielen, auf See bis zu 48%. Im Pionierland Dänemark werden Windenergieanlagen seit mehr als 35 Jahren zur kommerziellen Stromerzeugung genutzt. Die Technologie ist in der Bevölkerung breit akzeptiert, und in den landwirtschaftlich geprägten Regionen werden auch heute noch vielfach Kleinwindanlagen errichtet. Das Land verfügt über einen Anlagenbestand mit einem signifikanten Anteil alter, kleiner Anlagen und damit über ein erhebliches Repowering-Potenzial. So war per Ende 2015 ein Drittel der installierten Gesamtkapazität an Land bereits älter als 15 Jahre. Im Jahr 2015 wurden Anlagen mit einer Kapazität von 29 MW zurückgebaut und neue mit einer Nennleistung von insgesamt 217 MW errichtet. Der Anlagenbestand belief sich zu diesem Stichtag auf 5.070 MW, davon 3.799 MW an Land und 1.271 MW auf See. Mit diesem Bestand liegt Dänemark in Europa insgesamt auf Rang 7 und in der Offshore-Windenergie auf Rang 3. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Die Stromversorgung Dänemarks basiert wesentlich auf den Erneuerbaren Energien (56%) sowie auf fossilen Energieträgern (42% Anteil im Jahr 2014). Knapp Dreiviertel des „grünen Stroms“ steuerte dabei die Windenergie bei, gefolgt von der Biomasse mit gut 20%. Dänemark hat sich Mitte der 1980er Jahre mit einem breiten gesellschaftlichen Konsens gegen die Nutzung der Atomenergie entschieden und einen AKW-Bau gesetzlich verboten. Stattdessen wurde bereits früh mit der Förderung der Windenergie und deren Integration in die Stromversorgung begonnen. Mit ihrem nationalen Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien hat sich Dänemark dazu verpflichtet, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 30% zu erhöhen. Zielgröße für den Anteil an der Stromproduktion ist dabei ein Wert von 51,9%. Diese Zielmarke war mit einem Ist-Wert von 48,5% in 2014 bereits in Reichweite. Langfristig verfolgt die dänische Regierung jedoch noch ambitionierte Ziele. Basierend auf einem in 2012 gefundenen breiten gesellschaftlichen Energiekonsens hat die Regierung im Jahr 2013 einen klimapolitischen Plan mit einer Energiestrategie bis zum Jahr 2050 verabschiedet. Demnach soll die Stromerzeugung aus Kohle und Mineralöl bis zum Jahr 2030 vollständig durch Erneuerbare Energien ersetzt werden, indem u.a. Kohlekraftwerke auf Biomasse-Festbrennstoffe umgerüstet werden. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 36.384 0 10.874 11.208 36.718 2.885 2.366 31.445 5.705 2014 32.185 0 9.847 12.702 35.040 2.313 1.974 30.625 5.442 Δ% -37,4% n.m. -68,6% -72,9% n.m. 78,7% -18,8% 94,6% n.m. 23,6% 30,0% n.m. n.m. -8,5% -11,5% Anteil 34,4% 0,0% 6,5% 1,0% 0,0% 55,9% 0,0% 40,6% 1,9% 1,4% 11,9% 0,0% 0,0% 2,3% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 17.687 0 6.671 1.171 0 10.063 19 6.721 3 364 2.956 0 0 792 36.384 2014 11.065 0 2.096 317 0 17.982 15 13.079 595 450 3.843 0 0 725 32.185 2014 29,2% 48,5% 2020p 30,0% 51,9% 2010 3.749 2.895 854 2015 5.063 3.792 1.271 14.200 2020e 6.370 4.299 2.071 17.800 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 20,0% 28,3% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 13.478 0 17.982 72542% EE-Strommix Wind 13.079 6% Biobrennstoffe & Abfälle 3.843 Sonstige EE 1.061 21% 56% 73% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wind Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Für das Jahr 2035 gilt dies dann auch für die Wärmeerzeugung. Im Jahr 2050 schließlich soll auch der Energieverbrauch für Transportzwecke vollständig aus Erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. In den Langfristplanungen zur Erreichung der Klimaziele spielt die Windenergie eine zentrale Rolle, weitere Säulen sind Biogas, Biomasse und – mit Abstrichen – die Photovoltaik. Für den Ausbau der Windenergie hat das zuständige Ministerium Nahziele für das Jahr 2020 formuliert. So sollen mit „Horns Rev 3“ (400 MW) und „Krie- SEITE 42 gers Flak“ (600 MW) zwei weitere große Offshore-Windparks errichtet werden. Das Tenderverfahren für Horns Rev 3 ist in 2015 planmäßig abgeschlossen worden, bei Kriegers Flak hingegen ist mit einer Zuteilung frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2016 zu rechnen. Hinzu kommen in den nächsten Jahren Ausschreibungen über insgesamt 350 MW in diversen „Nearshore“-Gebieten (Meeresflächen in bis zu 4 km Küstenentfernung) sowie ein Testfeld für Offshore-Anlagen von 50 MW. An Land soll die installierte Windenergiekapazität bis 2020, insbesondere durch forciertes Repowering, um netto 500 MW erhöht werden. D.h. bei einem erwarteten Rückbau alter Anlagen mit 1,3 GW Kapazität bedeutet das bis zum Jahr 2020 ein Neubauvolumen von 1,8 GW. Staatliche Förderung Dänemark fördert die Stromproduktion durch Erneuerbare Energien wesentlich über ein Marktprämienmodell, das von der staatlichen Energieagentur und der staatlichen Stromnetzgesellschaft administriert wird. Betreiber von Windenergieanlagen haben mit dem Anlagenanschluss ans Stromnetz einen gesetzlichen Anspruch auf eine Förderung. Einen Ausschreibungszwang gibt es derzeit nur für Offshore-Windenergieprojekte, nicht aber für Anlagen an Land. Unter dem dänischen Fördersystem erhalten Onshore-Anlagenbetreiber zusätzlich zum Marktpreis des erzeugten Stroms einen fixen Bonus von 0,25 DKK je kWh (ca. 3,4 €ct). Die Gesamtvergütung aus Marktpreis und Bonus ist dabei gesetzlich auf eine Höchstvergütung gedeckelt. Für Onshore-Anlagen mit Anschlussdatum ab dem 1.1.2014 liegt diese bei 0,58 DKK je kWh (ca. 7,8 €ct). D.h. bei einem Strompreis von mehr als 0,33 DKK/kWh wird der Bonus gekürzt und würde bei einem Marktpreis von 0,58 DKK/kWh oder mehr ganz wegfallen. Ebenso besteht kein Bonusanspruch bei negativen Strompreisen. Anlagenbetreiber erhalten außerdem für den erzeugten Strom eine Netzstabilisierungsvergütung von 0,023 DKK/kWh. Die staatliche Bonuszahlung ist auf eine bestimmte Strommenge begrenzt, die sich aus einer vollaststunden- und einer rotorflächenabhängigen Komponente zusammensetzt. Die geförderte Stromerzeugungsmenge errechnet sich aus 6.600 Volllaststunden mal Anlagennennleistung plus 5,6 MWh je Quadratmeter Rotorfläche der Anlage. Je nach Standortqualität und Anlagengröße deckt die Bonuszahlung damit einen Zeitraum von etwa 6 bis 8 Jahren ab. Betreiber von Offshore-Windparks haben seit dem 21.2.2008 (Anschlussdatum) für eine Stromerzeugung von 22.000 Volllaststunden Anspruch eine fixe Bonuszahlung von 0,25 DKK/kWh als Aufschlag auf den Strompreis sowie eine Netzstabilisierungsvergütung von 0,023 DKK/kWh. Mit dem Übergang zu Ausschreibungsverfahren für Offshore-Windparks in größerer Entfernung von der Küste sowie in größeren Wassertiefen stellt diese gesetzliche Regelung jedoch keine adäquate Vergütungsbasis dar. An ihrer Stelle wurden mit den Ausschreibungen variable Marktprämienzahlungen als Aufschlag auf den Strompreis eingeführt, so dass die Betreiber projektspezifische Gesamtvergütungen erzielen und damit eine feste Kalkulationsbasis haben. Die staatlichen Differenzzahlungen sind dabei auf vorgegebene Strommengen, längstens aber 20 Jahre begrenzt. Im Einzelnen wird Strom von Horns Rev 2 mit 0,518 DKK/kWh (7 €ct/kWh) vergütet, bei Rødsand 2 beträgt die Gesamtvergütung 0,629 DKK/kWh (8,5 €ct/kWh) und bei Anholt sind es 1,051 DKK pro erzeugter Kilowattstunde (14,1 €ct/kWh). Die förderfähigen Strommengen belaufen sich auf jeweils 10 TWh bei Horns Rev 2 und Rødsand 2 sowie auf 20 TWh bei Anholt. Hieraus errechnet sich eine effektive Förderdauer von voraussichtlich 11 bis 13 Jahren ab Anschluss. Marktausblick Der Kapazitätsausbau wird auf kürzere Sicht von Projekten an Land getragen werden, denn die beiden größeren neuen Offshore-Windparks befinden sich noch in der Projektierungs- und Genehmigungsphase (Horns Rev 3) bzw. noch im Ausschreibungsverfahren (Kriegers Flak). So soll Horns Rev 3 von 2018 bis 2020 in mehreren Abschnitten in Betrieb gehen, während der Zeitplan für Kriegers Flak eine gestaffelte Inbetriebnahme von 2019 bis 2021 vorsieht. Mit dem angestrebten Zubau auf Nearshore-Meeresflächen rechnen wir ebenfalls erst in den Jahren 2019 und 2020. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 105 4.887 2015 217 5.070 2016e 100 5.170 5.270 2014 2017e 100 2018e 100 5.370 2019e 250 5.620 2020e 750 6.370 2025e k.A. 7.600 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 6,2% 2015 - 2020e 4,7% 2020 - 2025e 3,6% 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Offshore Quelle: EWEA, eigene Prognose; * Nettozubau unter Berücksichtigung eines Anlagenrückbaus von 150 MW p.a. ab 2016 HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 43 2.1.8 Finnland Finnland verfügt wesentlich in einem relativ schmalen Streifen entlang seiner Küste über gute Windbedingungen. In 100m Nabenhöhe sind hier durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 8 bis 9 m/s nutzbar; im Landesinneren sind es hingegen meist nur 5 bis 6 m/s. Offshore-Standorte in Küstennähe bieten durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 9 bis 10 m/s. Mit aktuellen Standardanlagen von bis zu 3 MW Nennleistung sind an Küstenstandorten Kapazitätsfaktoren von 29% erreichbar. Verglichen mit Dänemark und Schweden weist Finnland insgesamt allerdings eine größere Schwankungsintensität des Windangebotes auf. Bedingt durch die nördliche geografische Lage haben Windparkstandorte in Finnland eine etwa sechsmonatige Frostperiode und sind erhöhten Vereisungsrisiken ausgesetzt. Mit einem Zubau von 379 MW auf 1.005 MW und einer Windstromerzeugung von 2.283 GWh (2015, vorläufig) ist Finnland derzeit ein vergleichsweise kleiner aber derzeit stark wachsender Windenergiemarkt in Europa. Erst die im Jahr 2012 forcierte staatliche Förderung für einen angestrebten Kapazitätszubau von 2,5 GW hat dem Markt zum Durchbruch verholfen. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Finnland hat einen erheblich über dem europäischen Durchschnitt liegenden Pro-Kopf-Verbrauch an Strom. Dies ist sowohl auf einen witterungsbedingt relativ hohen Wärmeversorgungsbedarf als auch auf die Wirtschaftsstruktur des Landes mit einem hohen Anteil der energieintensiven Papierindustrie zurückzuführen. In der Stromerzeugung hat das Land in der Vergangenheit vor allem auf die Verwendung lokal verfügbarer Ressourcen wie Holzabfälle, Torf und Wasserkraft sowie auf die Kernenergie gesetzt, da eine sichere, unabhängige Energieversorgung einen hohen Stellenwert genießt. Dadurch ist der Anteil nichtfossiler Energieträger an der Stromerzeugung mit etwa 80% im europäischen Vergleich sehr hoch. Vor dem Hintergrund des mit 38,7% bereits vergleichsweise hohen Anteils der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch (Stand: 2014) hat Finnland bis zum Jahr 2020 nur eher geringe Anstrengungen zu unternehmen, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Im Bereich der Energieversorgung richten sich die Maßnahmen wesentlich darauf, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf die Zielmarke von 33% zu steigern. Hierbei kommt der Windenergie eine wichtige Rolle zu, denn mit mindestens 6 TWh Windstrom sollen Windenergieanlagen im Jahr 2020 fast sechsmal so viel Strom erzeugen wie in 2014. Im Erneuerbaren Energiemix unter Einbeziehung würde das c.p. einen Anstieg von unter 4% auf etwa 17% binnen fünf Jahren entsprechen. Zur Erzeugung einer Windstrommenge von 6 TWh ist eine aggregierte Windenergieanlagenkapazität von 2,5 GW erforderlich. Für den weiteren Ausbau der Windenergie hat die Regierung für das Jahr 2025 eine Steigerung der Windstromerzeugug auf 9 TWh p.a. vorgegeben, was eine installierte Kapazität von etwa 3,8 GW erforderlich machen würde – das sind etwa 50% mehr als nach einer vollen Ausschöpfung des aktuellen Förderprogramms bis zum Jahr 2020 erreicht sein sollen. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 72.012 0 3.375 15.460 84.097 4.184 2.773 77.084 14.472 2014 67.995 0 3.655 21.622 85.962 3.908 2.771 79.137 14.517 Δ% -28,7% n.m. -43,6% -57,9% 0,2% 13,7% 5,6% 300,0% 75,0% 674,4% 13,2% n.m. n.m. 14,9% -5,6% Anteil 11,7% 0,0% 8,1% 0,3% 34,7% 43,6% 19,7% 1,6% 0,0% 0,5% 21,8% 0,0% 0,0% 1,6% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 11.112 0 9.792 555 23.526 26.098 12.686 277 5 45 13.085 0 0 928 72.012 2014 7.926 0 5.520 234 23.580 29.669 13.397 1.107 8 351 14.806 0 0 1.066 67.995 2014 38,7% 31,4% 2020p 38,0% 33,0% 2010 197 171 26 2015 1.005 979 26 2.500 2020e 3.055 2.989 66 7.300 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 31,4% 27,3% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 44% 13.679 23.580 20% 29.669 1.066 EE-Strommix Wasserkraft 13.397 Biobrennstoffe & Abfälle 14.806 Sonstige EE 1.467 0 0 35% 43% 35% 22% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wind Solar Übrige Quelle: Eurostat, EWEA; eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Langfristig, d.h. bis zum Jahr 2050, strebt die Regierung eine sehr viel weitgehendere CO2-Reduktion an und unterstützt die von der EU-Kommission für das Jahr 2030 formulierten Klimaziele sowie die EU-Energy Roadmap für eine CO2-arme Energieversorgung im SEITE 44 Jahr 2050. Hierzu hat die Regierung im Jahr 2014 eine eigene Energy and Climate Roadmap 2050 vorgelegt, in der Szenarien für eine Senkung der CO2-Emissionen um 80% bzw. um 95% entwickelt wurden. Demnach muss der Stromanteil am Gesamtenergieverbrauch bei gleichzeitig drastischer CO2-Verminderung deutlich erhöht werden. Wesentliche Bausteine hierbei sind die Atomkraft, holzbasierte biogene Brennstoffe sowie die Windenergie. So hat Finnland ein klar definiertes Atomprogramm, das auf den Bau neuer Kernkraftwerke in der Zukunft setzt und die Kernenergiekapazität des Landes binnen zehn Jahren mehr als verdoppeln wird. Holzbasierte Brennstoffe stehen mit einer langfristig angestrebten Verdoppelung der Stromerzeugung ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste. Der Stellenwert der Stromerzeugung aus Windenergie variiert hingegen in den Szenarien deutlich. So soll die Windstromerzeugung je nach Szenario auf 7 bis 27 TWh steigen. Für die Erzeugung von 27 TWh aus Windenergie bedürfte es mehr als einer Verzehnfachung der per Ende 2015 installierten Anlagenkapazität. Hierfür wäre dann auch eine Nutzung der Offshore-Windenergie erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die finnische Regierung nach Erreichen des Nahziels von 2,5 GW einen stabilen Ausbaupfad in der Nutzung der Windenergie zur nächsten Zielmarke von 3,8 GW im Jahr 2025 verfolgen wird. Staatliche Förderung Der seit dem Jahr 2012 geltende Fördermechanismus für Erneuerbare Energien in Finnland ist als Marktprämienmodell mit gesetzlich festgesetztem Richtpreis ausgestaltet. Neu errichtete Windparks erhalten für einen Zeitraum von 12 Jahren von der staatlichen Energiebehörde quartalsweise nachträgliche Prämienzahlungen als Aufschlag auf den Marktpreis des Stroms. Die Prämienzahlung errechnet sich dabei als Differenz zwischen dem vorgegebenen Richtpreis und dem durchschnittlichen Marktpreis für Strom im zurückliegenden Dreimonatszeitraum. Der Betreiber muss den produzierten Strom selbst über einen Drittvermarktungsvertrag oder einen Stromliefervertrag mit einem Versorger oder einem Großverbraucher vermarkten. Als Vergütung ist bei Onshore- und Offshore-Anlagen ein einheitlicher Richtpreis von 83,5 EUR je MWh festgelegt. Sinkt der Durchschnitt des Marktpreises auf unter 30 EUR je MWh, so wird der Differenzzuschlag auf 53,5 EUR je MWh gedeckelt. Bei negativen Strompreisen hingegen entfällt der Anspruch auf eine Differenzzahlung. Für frühzeitig errichtete Anlagen galt für die ersten drei Förderjahre und längstens bis zum 31.12.2015 ein erhöhter anfänglicher Richtpreis von 105,3 EUR je MWh. Unter diesem Föderregime erzielen Windenergieanlagenbetreiber in den ersten 12 Jahren somit vorab eine fixierte feste Vergütung und nach dem Förderende den mit ihrem Stromabnehmer vertraglich vereinbarten Preis. Für Differenzzahlungen an die Anlagenbetreiber, welche direkt aus dem Staatshaushalt finanziert werden, besteht eine Deckelung auf ein Kapazitätsvolumen von 2,5 GW. Windparkentwickler hatten dabei die Möglichkeit, sich durch die Energiebehörde auf Antrag einen bestimmten Teil dieser Quote für ein Projekt reservieren zu lassen. Hiervon wurde rege Gebrauch gemacht, so dass das Zielvolumen von 2,5 GW bereits im Herbst 2015 mit Bewilligungen und Quotenreservierungen belegt war. Von der Regierung wurde das als Indiz dafür gewertet, dass die Konditionen des Programms zu hoch und nicht mehr marktgerecht sind. Daraufhin hat das zuständige Arbeits- und Wirtschaftsministerium eine Gesetzesänderung angestoßen, mit der das Programm zum 1.11.2017 geschlossen werden soll. Eine Förderbewilligung sollten demnach nur noch solche Projekte erhalten können, die bis zum Stichtag angeschlossen werden und über eine seit zwei Jahren gültige Quotenzusage verfügen. Zugleich wurde eine Kommission eingesetzt, die ein Nachfolgesystem erarbeiten soll, das mit den EU-Wettbewerbsregeln für die Förderung der Erneuerbaren Energien kompatibel ist. Ein entsprechender Bericht wurde im Mai 2016 vorgelegt. Mit der gesetzlichen Neuregelung ist erst für das Jahr 2017 zu rechnen. Marktausblick Wir sehen die weitere Entwicklung des finnischen Windmarktes sowohl kurz- als auch mittelfristig unverändert positiv. Die rasche Belegung und Ausnutzung des bisherigen Förderprogramms lässt für die Jahre 2016 und 2017 hohe Zubauraten in der Größenordnung von jeweils 700 bis 800 MW und bereits für das Jahr 2017 das Erreichen der 2,5 GW-Marke erwarten. Mit dem in 2016 zu konzipierenden Nachfolgemodell des derzeitigen Fördersystems sollte dann der Rahmen für den weiteren Ausbau auf mindestens 3,8 GW im Jahr 2025 abgesteckt werden. Wir gehen davon aus, dass die Zubausteuerung im neuen Fördersystem über Ausschreibungen erfolgen wird, wobei die Vergütungsstrukturen wie bisher den Ausbau an Land bevorteilen werden. Mit dem Mittelfrist-Ziel für das Jahr 2025 ist ein nachhaltiges jährliches Zubauvolumen von 150 MW kompatibel. Mit Ausnahme einer für das Jahr 2017 geplanten Offshore-Demonstrationsanlage von 40 MW wird der Zubau zunächst weiterhin ausschließlich an Land stattfinden. Vor diesem Hintergrund erwarten wir in Finnland per Ende 2025 eine installierte Windkraftkapazität von 4,0 GW. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 45 Marktprognose in MW Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 4.500 184 631 2015 379 1.005 4.000 2016e 800 1.805 2017e 800 2.605 2018e 150 2.755 2019e 150 2.905 2020e 150 3.055 2025e k.A. 4.000 2014 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 38,5% 2015 - 2020e 24,9% 2020 - 2025e 5,5% Quelle: EWEA, eigene Prognose SEITE 46 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e Offshore 2019e 2020e ……. 2025e 2.1.9 Schweden Mit einer langen Küstenlinie und der geografischen Lage zwischen Nordsee und Ostsee weist Schweden gute natürliche Bedingungen für die Windenergienutzung auf. So sind in Südschweden vom Skagerrak im Westen bis nach Gotland, Öland und Gävle im Osten in 100m Nabenhöhe durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 7 bis 9 m/s nutzbar. In der nördlichen Landeshälfte entlang des Bottnischen Meerbusens sind es in der Küstenregion hingegen 7 bis 8 m/s, während im Binnenland meist 5 bis 8 m/s vorherrschen. Auf See liegt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit bei 8 bis 10 m/s. Die Windverhältnisse im Land sind dabei in der nördlichen und in der südlichen Landeshälfte nur gering miteinander korreliert. Mit modernen 3 MW-Anlagen sind in Schweden an Land oberhalb von 100 m Nabenhöhe 2.600 Volllaststunden und mehr bzw. Kapazitätsfaktoren von wenigstens 30% erreichbar. Auf See sollten mit 6 MW-Anlagen Kapazitätsfaktoren von etwa 45% möglich sein. Wie die Zubau- und Ertragsstatistiken für die letzten Jahre zeigen, konzentriert sich das Zubauvolumen keineswegs nur auf die südschwedischen Regionen mit dem vergleichsweise höheren Windenergieangebot. Gerade in den letzten Jahren wird zunehmend auch in der nördlichen Landeshälfte – und damit unter klimatisch anspruchsvolleren Bedingungen – zugebaut. Wesentliche Ursachen hierfür sind Restriktionen, die sich aus der hohen Besiedlungsdichte, aus Schutzgebieten sowie militärischen Sperrgebieten in Südschweden ergeben. Vor diesem Hintergrund hat die Regierung zur Orientierungshilfe für die lokalen Behörden im Jahr 2013 insgesamt 310 Windeignungsgebiete von nationalem Interesse ausgewiesen. Hiervon liegen 281 Zonen an Land (überwiegend in der Nordhälfte des Landes) und 29 Gebiete auf See. Zusammen wäre in diesen rechnerisch eine Anlagenkapazität von bis zu 26 GW an Land und von bis zu 19 GW auf See mit einem jährlichen Stromerzeugungspotenzial von bis zu 150 GWh realisierbar. Rechnerisch würde schon die Nutzung von nur der Hälfte dieser Potenzialflächen ausreichen, um Schwedens Stromerzeugung zu 100% aus Erneuerbaren Energien zu decken. Mit einem Zubau von 614 MW auf 6.029 MW und einer Windstromerzeugung von 16,3 GWh (2015, vorläufig) ist Schweden derzeit der sechstgrößte Windenergiemarkt in Europa. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Schweden hat einen weit über dem europäischen Durchschnitt liegenden Pro-Kopf-Verbrauch an Strom. Dies ist, wie in Finnland, bedingt durch einen witterungsbedingt relativ hohen Wärmeversorgungsbedarf und die Wirtschaftsstruktur des Landes mit einem bedeutenden Anteil der energieintensiven Papierindustrie. Bei der Stromerzeugung des Landes ist seit jeher die Wasserkraft eine tragende Säule, diese Technologie kommt derzeit auf einen Anteil von 41,5% an der Bruttostromerzeugung (Daten für 2014). Schweden hat seit den 1970er Jahren zudem stark auf die Kernenergie gesetzt. Die 9 in Betrieb befindlichen Atomreaktoren des Landes tragen derzeit etwa zu 42% zur Stromversorgung bei. Windstrom hat mit gut 7% Anteil mittlerweile das Niveau der Stromerzeugung aus BiomasseBrennstoffen erreicht, welche wesentlich in Industriekraftwerken zur kombinierten Strom- und Wärmeproduktion eingesetzt werden. Fossile Brennstoffe sind bei der Stromerzeugung in Schweden hingegen nahezu bedeutungslos, es gibt lediglich noch einige Altanlagen, die als Reservekraftwerke dienen. Mit diesem Strommix ist Schweden in Europa eines der Länder mit der niedrigsten CO2-Emission im Stromsektor. Der hohe Anteil von Strom aus Wasserkraft ermöglicht es Schweden, die schwankende Stromproduktion aus Windenergieanlagen in die nationale Stromversorgung zu integrieren. Während die Atomkraftwerke die Basislast bereitstellen, können die Wasserkraftwerke des Landes die Ausbalancierung der Erzeugungsschwankungen beim Windstrom leisten. Verbindungen mit den Stromnetzen der Nachbarländer Norwegen, Dänemark und Finnland sowie Leitungen nach Deutschland und Polen sind eine weitere wichtige Stütze von Netzstabilität und Versorgungssicherheit. Das Land war in den letzten Jahren allerdings per saldo nicht auf Stromimporte aus den Nachbarländern angewiesen, sondern Nettostromexporteur. Schwedens energie- und klimapolitische Ziele wurden auf Basis der EU-weiten Vereinbarungen zum Klimaschutz gefasst. So hat sich das Land mit seinem nationalen Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien für das Jahr 2020 darauf verpflichtet, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 49% zu erhöhen. In diesem Rahmen soll der EE-Anteil an der Stromerzeugung auf 62,9% steigen. Beide Zielmarken waren im Jahr 2014 bereits erreicht. Vor dem Hintergrund der herausfordernden EU-Klimaziele für das Jahr 2030 und den in der EU-Energy Roadmap 2050 formulierten Langfrist-Ziele für die Transformation hin zu einer weitgehend CO2-armen Energieversorgung ruht sich die schwedische Regierung nicht auf dem Erreichten aus, sondern arbeitet an der Formulierung einer langfristigen nationalen Energiepolitik mit neuer Zielmarken für das Jahr 2025 und darüber hinaus. Hierzu wurde im März 2015 eine parlamentarische Kommission eingesetzt, deren Vorschläge im Juni 2016 in einem parteienübergreifenden Energiekonsens für die Zeit bis 2040 mündeten. Demnach soll die Stromversorgung des Landes im Jahr 2040 zu 100% durch Erneuerbare Energien erfolgen, wobei Schweden auch künftig Nettoexporteur von Strom sein soll. Faktisch bedeutet das eine Verschiebung des Atomausstiegs für bis zu sechs sicherheitstechnisch modernisierbare Reaktoren bis längstens 2040 bei einer gleichzeitigen Forcierung des Zubaus an Erneuerbaren Energien. Für die Windenergie ist hierbei eine Verlängerung des derzeitigen Fördersystems um 10 Jahre bis zum Jahr 2030 relevant. Ziel ist es dabei, die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 um 18 TWh (verglichen mit dem Zielwert für 2020) zu erhöhen. Explizite Kapazitätsziele für den Ausbau der verschiedenen EE-Technologien gibt es aber auch mit dem neuen Energiekonsens nicht. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 47 Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 136.727 179 9.080 13.765 141.234 6.378 9.905 123.386 13.330 2014 153.663 154 29.475 13.852 137.886 6.602 7.334 122.191 12.669 Δ% -41,5% n.m. -73,3% -58,9% 24,3% 6,8% -3,2% 352,0% 566,7% -58,6% -9,6% n.m. -13,1% 45,7% 12,4% Anteil 0,2% 0,0% 0,3% 0,2% 42,2% 56,0% 41,5% 7,3% 0,0% 0,0% 7,1% 0,0% 0,1% 1,1% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung 2014 52,6% 63,3% 2020p 50,2% 62,9% 2010 2.163 1.999 164 2015 6.025 5.823 202 16.300 2020e 9.369 9.177 192 24.400 Windenergienutzung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 48,2% 58,3% 2009 515 0 1.548 729 52.173 80.513 65.853 2.485 7 34 12.135 0 124 1.123 136.727 2014 301 0 413 300 64.877 86.027 63.764 11.235 47 14 10.968 0 108 1.636 153.663 Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 1.014 64.877 86.027 1.745 42% EE-Strommix Wasserkraft 13% Wind Sonstige EE 63.764 11.235 11.029 13% 56% 74% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wasserkraft Wind Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Staatliche Förderung Die Förderung und Marktintegration der Erneuerbaren Energien erfolgt in Schweden bereits seit dem Jahr 2003 über einen Quotenmechanismus, der mit einem Zertifikatehandel für den erzeugten EE-Strom kombiniert ist. Betreiber von zugelassenen und neu errichteten Wasserkraftwerken, Windenergie- und anderen EE-Anlagen erhalten hierunter über einen Zeitraum von 15 Jahren für ihre Stromerzeugung Zertifikate zugewiesen, die sie verkaufen können. Pro erzeugter Megawattstunde wird dabei ein Zertifikat zugeteilt. Stromversorger und bestimmte Stromverbraucher sind hingegen gesetzlich verpflichtet, eine bestimmte Quote ihres Stromabsatzes bzw. -verbrauchs aus Erneuerbaren Energien zu decken und müssen dies durch den Kauf der entsprechenden Zertifikatemengen nachweisen. Für fehlende Zertifikate ist eine Strafzahlung i.H.v. 150% des durchschnittlichen Zertifikatepreises während der Erfüllungsperiode zu leisten. Die Zertifikate haben keine zeitliche Befristung und werden dadurch entwertet, dass sie von den Quotenverpflichteten zum Nachweis der Quotenerfüllung eingesetzt werden. Die Kosten des Zertifikatesystems werden letztlich vom Stromendverbraucher getragen. Für den Anlagenbetreiber sind sowohl die Erlöse aus dem Verkauf des erzeugten Stroms als auch die Erlöse aus dem Verkauf der zugewiesenen Zertifikate variabel und bilden sich aus Angebot und Nachfrage am Markt. Windenergieprojekte in Schweden haben damit keine fixe Kalkulationsbasis. Mit der Integration des schwedischen und des norwegischen Strommarktes Anfang 2012 wurde das schwedische Quotensystem auch in Norwegen übernommen und ein gemeinsames Zertifikatesystem für beide Länder (mit jeweils hälftiger Finanzierung) geschaffen. Dieses wird gemeinsam von der staatlichen schwedischen Energieagentur (Energimyndigheten) und vom Norwegischen Wasser- und Energie-Direktorat (NVE) reguliert. Die Administration der Zertifikatesysteme mit den Zertifikatekonten der Teilnehmer obliegt dem jeweiligen nationalen Stromnetzbetreiber (SvenskaKraftnät und Statnett). Investoren können seitdem Windparks in beiden Ländern errichten und die für die Stromerzeugung erhaltenen Zertifikate grenzübergreifend handeln. Der Zugang zum Fördersystem ist derzeit auf den 31.12.2021 und die Zuweisung von Zertifikaten auf den 31.12.2035 begrenzt. Die jeweilige nationale Quotenverpflichtung wird in beiden Ländern separat festgesetzt und bei Bedarf an die Marktentwicklung angepasst. Die Quotenhöhe orientiert sich dabei am erwarteten Anstieg der EE-Stromproduktion sowie am erwarteten Stromabsatz bzw. -verbrauch der Unternehmen mit Quotenverpflichtung. Das schwedischnorwegische Quoten- und Zertifikatesystem ist innerhalb von nur vier Jahren zusehends in eine Schieflage geraten, da den EE-Anlagenbetreibern deutlich mehr Zertifikate zugewiesen wurden, als zur Erfüllung der beim Start des Systems festgelegten Quotenverpflichtungen erforderlich waren. Hierbei kamen mit der Überschätzung des tatsächlichen Stromverbrauchs, einer Unterschätzung des Kapazitätszubaus sowie der insbesondere in 2015 überdurchschnittlich hohen EE-Stromproduktion gleich drei „Prognosefehler“ zusammen. Zudem wechselten Altanlagen mit einer Jahresproduktion von 3 TWh in das neue System. Der hohe Zertifikateüberhang führte wiederum zu einem stark gesunkenen Zertifikatepreis. Die schwedische Energieagentur reagierte auf die Systemschieflage mit einer Anhebung der nationalen Quotenverpflichtung, einer Erhöhung der Zielgröße um 2 TWh und vereinbarte mit der NVE eine SEITE 48 zeitnähere Nachsteuerung an die tatsächliche Marktsituation. Die verfügte Erhöhung der Quotenverpflichtung fiel mit einer Anhebung in der Größenordnung von 10 Prozentpunkten gravierend aus. Sie beträgt jetzt 23,1% für 2016, steigt bis zum Jahr 2019 auf 29,1% und sinkt danach bis Ende 2035. Das gemeinsame schwedischnorwegische Zertifikatesystem soll auf Wunsch Norwegens nach der vereinbarten 10jährigen Laufzeit nicht fortgeführt werden. Derzeit erarbeiten die beiden zuständigen nationalen Regulierer einen Vorschlag für einen möglichst friktionsfreien Übergang. Bereits entschieden wurde, den letztmöglichen Zugang neuer Anlagen zum System in beiden Ländern auf den 31.12.2021 zu vereinheitlichen. Unabhängig davon hat das schwedische Parlament beschlossen, das nationale Quotensystem um zehn Jahre bis zum Jahr 2030 zu verlängern. Schweden will also auch über das Jahr 2021 hinaus am jetzigen System festhalten. Mit dem Zertifikatesystem sollen zwischen 2012 und 2021 in Schweden und Norwegen neue EE-Anlagen mit einer Jahresstromerzeugung von insgesamt 28,4 TWh gefördert werden. Auf Schweden entfallen hiervon Anlagen mit 15,2 TWh Jahreserzeugung. Per Ende Q1/2016 waren in beiden Ländern zusammen mit insgesamt 15,5 TWh bereits über 54% dieses Zielvolumens erreicht, was rechnerisch gut 28% über einem linearen Zubaupfad liegt. Die beiden Länder liegen damit sehr gut im Plan. Bezüglich des weiteren Zubaus mehren sich jedoch die Fragezeichen, denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bieten in Schweden keine ausreichende Basis mehr für die Realisierung neuer Windparkprojekte. So haben die jüngsten Systemanpassungen den Rückgang des Zertifikatepreises bisher noch nicht stoppen können. Mitte Juli 2016 wurde mit 119 SEK/MWh (umgerechnet etwa 12 EUR) ein neuer Tiefststand erreicht. Zusammen mit dem Stromgroßhandelspreis errechnet sich daraus für ein neu an den Markt kommendes Windenergieprojekt aktuell ein Gesamterlös von umgerechnet nur noch etwa 50 EUR/MWh). Preisentwicklung für Strom (Region S4) und Stromzertifikate in Schweden, in EUR/MWh 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2012 2013 2014 Strompreis SE4, peak load 2015 2016 Strompreis SE4 peak load + EL-Zertifikatepreis Quelle: Bloomberg; Monatsdurchschnittswerte Wie die obigen Grafiken zeigen, liegt die sich aus Strompreis und Zertifikatepreis ergebende Vergütung für Windstrom in Schweden derzeit bei etwa 50 EUR/MWh. Das ist zwar weniger als in den Jahren 2012 bis 2014, liegt aber deutlich über dem Niveau des Vorjahres, in dem mit durchschnittlich 40 €/MWh (baseload) bzw. 43 €/MWh (peakload) der tiefste Stand seit Start des gemeinsamen Zertifikatehandels mit Norwegen erreicht worden war. Für Offshore-Windenergieprojekte bietet das Quotensystem mit dem niedrigen Vergütungsniveau und der hohen Marktabhängigkeit der erzielbaren Erlöse derzeit keine ausreichend sichere Investitionsbasis und so sind in Schweden aktuell keine Offshore-Windparks im Bau. Vor diesem Hintergrund hat die staatliche Energieagentur im Auftrag der Regierung Mitte 2015 einen Vorschlag für ein OffshoreWindenergie-Fördersystem erarbeitet und zur Kommentierung gestellt. Demnach sollen Lizenzen für künftige Offshore-Windparks – wie in Europa mittlerweile üblich – im Wege von Ausschreibungen auf Basis eines von den Projektierern zu bietenden Referenzpreises mit gleitender Marktprämie vergeben werden. Eine solche Regelung ist jedoch in der Branche umstritten, da eine starke Erhöhung der Offshore-Stromerzeugung den Strompreis zusätzlich drücken würde und damit wiederum die Konkurrenzfähigkeit der OnshoreStromerzeugung zu verschlechtern droht. Wann und auf welcher Förderbasis die staatliche Energieagentur Offshore-Tender ausschreiben wird, ist derzeit noch offen. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 49 Marktausblick Obwohl die bei der letzten Überprüfung des Quotensystems festgestellte Schieflage im Wege einer deutlich erhöhten Quotenvorgabe entschärft wurde, hat sich das Vergütungsniveau neuer Windparkprojekte in Schweden nur leicht erholt. Der Zertifikateüberschuss muss sich über die höhere Quotenverpflichtung zunächst abbauen, bevor hier eine Preiserholung einsetzen kann und sich damit die Vergütungserwartungen wieder verbessern. Doch auch auf dem aktuellen Niveau werden noch viele neue Projekte realisiert, denn das Projektierungsumfeld ist – ähnlich wie in Norwegen – sehr günstig. Der Kapazitätszubau dürfte sich daher den nächsten Jahren im Rahmen der derzeit geltenden Quotenvorgaben von jährlich etwa 600 bis 700 MW bewegen. Der Bestand an entwickelten Projekten an Land lag per Ende 2015 nach Schätzungen des Branchenverbandes Svensk Vindenergi etwa beim Doppelten des politisch gewollten Zubauvolumens über die nächsten fünf Jahre. Im Offshore-Bereich erwarten wir ein separates Förderverfahren mit einer ersten Ausschreibung in 2017 und Projektrealisierungen nicht vor dem Jahr 2021. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 2014 956 5.425 2015 614 6.029 2016e 740 6.769 2017e 700 7.469 2018e 700 8.169 2019e 600 8.769 2020e 600 9.369 2025e k.A. 13.900 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 16.000 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 22,8% 2015 - 2020e 9,2% 2020 - 2025e 8,2% Quelle: EWEA, eigene Prognose SEITE 50 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e Offshore 2019e 2020e ……. 2025e 2.1.10 Norwegen Mit seiner Lage an Nordsee und Nordatlantik verfügt Norwegen über sehr gute Voraussetzungen für die Windenergienutzung. Entlang der langen Küstenlinie liegen die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten in 100m Nabenhöhe bei 8 m/s und mehr. Die vorherrschenden kräftigen Atlantikwinde reichen zwar bis tief ins gebirgige Landesinnere. Dort steht aber vielfach die schwierige Topografie einer wirtschaftlichen Nutzbarkeit entgegen. Mit modernen WEA lassen sich an Küstenstandorten Kapazitätsfaktoren von etwa 38% erzielen. Auf See wird die kommerzielle Nutzung der guten Windbedingungen dadurch erschwert, dass der Meeresboden vor der norwegischen Küste schnell steil abfällt und es dadurch praktisch keine größeren ausreichend flachen Küstengewässer für Offshore-Windparks gibt. Seit einigen Jahren werden mit Pilotanlagen auf Basis schwimmender Konstruktionen Erfahrungen gesammelt. Den kommerziellen Durchbruch haben diese Technologien bisher jedoch nicht geschafft. Doch auch an Land hat die Windenergie in Norwegen in den letzten Jahren nur geringe Kapazitätszubauten verzeichnen können. Mit 45 MW Neuinstallationen im Jahr 2015 und einer installierten Kapazität von 856 MW liegt das Land in Europa auf den hinteren Rängen. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Norwegen ist reich an Energieressourcen. Das Land verfügt nicht nur über umfangreiche Öl- und Gasvorkommen, sondern kann seinen Strombedarf bereits heute kostengünstig zu 100% aus der grundlastfähigen Wasserkraft decken und ist dadurch unabhängig von allen anderen Erzeugungsverfahren. Der im Überfluss erzeugbare günstige Strom hat dazu beigetragen, stromintensive Industrien der Elektrochemie und der Elektrometallurgie aufzubauen. Auch die Gebäudeheizung ist landesweit weitestgehend elektrifiziert. Dadurch ist Norwegen seit Jahrzehnten das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Strom in Europa (21.224 KWh im Jahr 2014). Im Jahr 2014 machte die Wasserkraft 95,5% des norwegischen Strommixes aus. Auf die Windenergie entfielen lediglich 1,6% der Gesamterzeugung von 142,3 TWh. Norwegen hat sich mit seinem nationalen Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien dazu verpflichtet, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 67,5% zu erhöhen. In diesem Rahmen soll der EE-Anteil am Bruttostromendverbrauch von 97,0% in 2005 auf 113,6% in 2020 steigen. Im Rahmen der Pariser Klimakonferenz hat sich die Regierung bis zum Jahr 2030 auf eine weitergehende Absenkung der CO2-Emissionen um 40% verglichen mit dem Stand von 1990 verpflichtet. Entsprechende gesetzliche Verpflichtungen wurden mit dem Klimaschutzgesetz in 2015 erlassen, wurden bisher aber noch nicht weiter operationalisiert. Den wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der EE-Quoten sollten neue Wasserkraftwerkskapazitäten sowie ein diversifizierter Zubau anderer Erneuerbarer Energien liefern. In diesem Rahmen wurde mit Schweden für den Zeitraum von 2012 bis 2021 ein gemeinsames System aus EE-Quotenverpflichtungen und -Stromzertifikaten geschaffen, das Norwegen hälftig finanziert. Im Nationalen Maßnahmenplan war vorgesehen, dass der Bestand an installierten Windenergieanlagen bis zum Jahr 2020 auf 3.535 MW steigen sollte. Angesichts des bisher mageren Zubaus und der für Windstrom erzielbaren niedrigen Gesamtvergütung ist diese Zielmarke allerdings kaum mehr in Reichweite. Zudem hat Norwegen sein Klimaziel für das Jahr 2020 bereits im Jahr 2014 übererfüllt. So lag der EE-Anteil am Gesamtenergieverbrauch in diesem Jahr bereits bei gut 69%. Vor diesem Hintergrund will die norwegische Regierung nach dem Jahr 2021 keine neuen Quotenverpflichtungen mehr entstehen lassen, d.h. das Quotensystem soll geschlossen werden und planmäßig über den Förderzeitraum bis spätestens Ende 2035 auslaufen. Gleichwohl hat das Öl- und Energieministerium in seinem jüngsten Weißbuch zur zukünftigen Energiepolitik erklärt, dass die Windenergie auch künftig in einem separaten Programm gefördert werden und einen geografisch besser steuerbaren Kapazitätszubau erlauben soll. Hierzu will die Regierung Genehmigungsverfahren vereinfachen und Vorranggebiete für die Windenergienutzung festlegen. Ein geografisch besser steuerbarer Zubau macht durchaus Sinn, wenn man die zeitweise deutlich auseinanderklaffenden Strompreisniveaus in den fünf norwegischen Netzregionen betrachtet. So ist die Gesamtvergütung aus Strompreis und Zertifikatepreis in der Netzregion NO3 (Tromsø/Molde) landesweit am höchsten. Mit den Nachbarländern Schweden, Dänemark und Finnland besteht eine enge Verflechtung der Stromnetze sowie ein gemeinsamer Großhandelsmarkt (Nord Pool). Norwegen würde gerne mehr Strom aus Wasserkraft erzeugen und diesen in die EU exportieren, könnte aber auch als Anbieter von Pumpspeicherleistungen einen Beitrag zur Netzstabilität in EU-Ländern mit einem hohen Anteil schwankender Windstromproduktion leisten. Entsprechend hat der norwegische Stromnetzbetreiber Statnet mit den britischen und deutschen Pendants den Bau entsprechender Stromleitungen vereinbart. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 51 Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 131.771 1.135 14.634 5.651 121.653 6.236 7.578 107.287 22.355 2014 142.326 1.029 21.932 6.346 125.711 8.138 8.586 108.409 21.224 Δ% -5,7% n.m. -38,6% -7,7% n.m. 9,3% 8,5% 126,8% n.m. 22,2% -13,4% n.m. -6,6% 226,3% 8,0% Anteil 0,0% 0,0% 1,8% 0,0% 0,0% 97,2% 95,5% 1,6% 0,0% 0,0% 0,1% 0,0% 0,5% 0,4% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 41 0 4.234 30 0 126.486 125.282 977 0 10 216 0 794 186 131.771 2014 38 0 2.600 28 0 138.310 135.894 2.216 0 13 187 0 742 607 142.326 2014 69,2% 109,6% 2020p 67,5% 113,6% 2010 436 434 2 2015 838 836 2 2.500 2020e 3.056 3.054 2 9.200 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 64,9% 104,7% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 2.667 0 138.310 1.349 EE-Strommix Wasserkraft Wind Sonstige EE 0 97% 135.894 2.216 200 0 98% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wasserkraft Wind Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Staatliche Förderung Die Förderung und Marktintegration der Erneuerbaren Energien erfolgt in Norwegen seit dem Jahr 2012 gemeinsam mit Schweden über einen Quotenmechanismus. Dieser verpflichtet die Stromversorger und bestimmte Stromverbraucher gesetzlich dazu, eine bestimmte Quote ihres Stromabsatzes bzw. -verbrauchs aus Erneuerbaren Energien zu decken und dies durch den Kauf von entsprechenden Zertifikatemengen nachzuweisen. Betreiber von Windenergieanlagen erhalten hierunter über einen Zeitraum von 15 Jahren für ihre Stromerzeugung Zertifikate zugewiesen, die sie verkaufen können. Pro erzeugter Megawattstunde wird ein Zertifikat zugeteilt. Der Zertifikatehandel erfolgt länderübergreifend auf einer gemeinsamen elektronischen Handelsplattform. Dabei ist es unerheblich, in welchem der beiden Länder die Anlage errichtet wird. Das norwegische Quotensystem wird von der staatlichen Norwegischen Wasser- und Energiebehörde (NVE) gesteuert, während der staatliche Netzbetreiber Statnett die Zertifikatekonten der Marktteilnehmer und den Zertifikatehandel administriert. Die von den Endverbrauchern in Norwegen zu erfüllende Quote wird hierbei von der NVE festgesetzt und kann bei Bedarf an die Marktentwicklung angepasst werden. Die Quotenhöhe orientiert sich dabei am erwarteten Anstieg der EE-Stromproduktion sowie am erwarteten Stromabsatz bzw. -verbrauch der Unternehmen mit Quotenverpflichtung. Die derzeitige gesetzliche Regelung umfasst eine Aufbauphase mit steigenden Quotenvorgaben bis Ende 2021, während der neue Anlagen in die Förderung aufgenommen werden können. Die Quotenverpflichtung beträgt 11,9% in 2016 und steigt jährlich an, wobei im Jahr 2020 mit 19,7% der Maximalwert erreicht wird. Nach Schließen des Systems für neue Anlagen Ende 2021 bauen sich die Quotenvorgaben bis Ende 2035 ab. Wer seine Quotenverpflichtung nicht erfüllt, muss für fehlende Zertifikate eine Strafzahlung i.H.v. 150% des durchschnittlichen Zertifikatepreises während der Erfüllungsperiode leisten. Nach vier Jahren Quotensystem und gemeinsamen schwedisch-norwegischen Zertifikatehandel hat die norwegische Regierung im April diesen Jahres signalisiert, dass das Land das Quotensystem per Ende 2020 schließen und den Zubau neuer EE-Anlagen künftig auf anderem Wege anreizen will. Wie der Ausstieg Norwegens aus dem gemeinsamen Zertifikatesystem gestaltet werden soll, wird von den beiden Regulierungsbehörden derzeit abgestimmt. Das Ausscheiden Norwegens hat potenziell erhebliche Auswirkungen auf den Zertifikatemarkt, speziell die Terminkontrakte. Hier gilt es, einen möglichst friktionsfreien Übergang zu finden. Die über das Zertifikatesystem mit EE-Anlagen in Norwegen erzielbare Gesamtvergütung ist in den letzten Jahren gefallen und lag im Juli 2016 in den fünf norwegischen Netzregionen in der Spanne von umgerechnet nur noch 39 bis 46 EUR/MWh. Hierzu haben gleichermaßen ein sinkender Stromgroßhandelspreis und der Preisverfall am Zertifikatemarkt beigetragen. Das derzeitige Vergütungsniveau stellt nach Einschätzung des Norwegischen Öl- und Energieministers Lien eine „Entwertung der natürlichen Energieressourcen“ des Landes dar. So habe der vom Ausbau der Erneuerbaren Energien in Norwegen und Schweden mitverursachte Strompreisrückgang am Großhandelsmarkt eine deutliche Erlös- und Ergebnisverschlechterung für die (überwiegend staatlichen) älteren Wasserkraftwerke des Landes zur Folge gehabt. SEITE 52 Preisentwicklung für Strom (Region NO3) und Stromzertifikate in Norwegen, in EUR/MWh 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2012 2013 2014 Strompreis NO3, peak load 2015 2016 Strompreis NO3 peak load + EL-Zertifikatepreis Quelle: Bloomberg; Monatsdurchschnittswerte Wie die vorstehende Grafik zeigen, liegt die sich aus Strompreis und Zertifikatepreis ergebende Vergütung für Windstrom derzeit bei etwa 45 €/MWh. Das ist zwar weniger als in den Jahren 2012 bis 2014, liegt aber deutlich über dem Vorjahresniveau, in dem mit durchschnittlich 38,45 €/MWh (baseload) bzw. 39,92 €/MWh (peakload) ein historischer Tiefstand erreicht worden war. Gleichwohl ist das Projektierungsumfeld derzeit derart günstig, dass neue Windenergieprojekte bei den herausragend guten Windbedingungen entlang Norwegens Westküste auch auf dem aktuellen Vergütungsniveau profitabel betrieben werden können. Im Gegensatz zu Onshore-Projekten bietet das Quotensystem mit dem niedrigen Vergütungsniveau und der hohen Marktabhängigkeit der erzielbaren Erlöse für Offshore-Windenergieprojekte keine ausreichend sichere Investitionsbasis. Zudem liegt der Fokus der Regierung auf der Sicherstellung wettbewerbsfähiger Strompreise, so dass die Nutzung der vergleichsweise deutlich teureren Offshore-Windenergie für Norwegen absehbar ökonomisch ohnehin nicht in Betracht kommt. Dank der hervorragenden Windbedingungen an Küstenstandorten verfügt Norwegen an Land über Potenzialflächen im Überfluss. Marktausblick Gestützt auf gut vier Jahre Erfahrung mit dem norwegisch-schwedischen Zertifikatesystem hat die Regierung in Oslo dem Partner im Nachbarland seinen Ausstiegswillen mitgeteilt. Die Förderung neuer Windenergieanlagen hierüber wird damit Ende 2021 kontrolliert auslaufen. Trotz des derzeit am Markt erzielbaren historisch niedrigen Vergütungsniveaus ist gegenwärtig eine stark erhöhte Projektentwicklungsaktivität zu beobachten. Der Preiswettbewerb unter den Herstellern, die extrem günstigen Finanzierungsbedingungen und ein hohes Anlageinteresse insbesondere seitens kontinentaleuropäischer institutioneller Investoren haben für Windparkprojekte in Norwegen aktuell ein Investitionsumfeld bereitet, in dem Projekte selbst bei Vergütungen von 4 €ct/kWh wirtschaftlich noch darstellbar sind. So wurden allein im laufenden Jahr neue Projekte mit mehr als 1,4 GW verkündet. Nach Erhebungen von GlobalData umfasst die Projektpipeline für Norwegen derzeit neue Windparks mit einer aggregierten Kapazität von etwa 9 GW, die sich im Genehmigungsprozess oder im Bau befinden. Auf Sicht der nächsten zehn Jahre gehen wir davon aus, dass Norwegen zunächst einen starken Anstieg des Zubauvolumens erleben wird, nach dem Ausstieg aus dem Zertifikatesystem aber praktisch keine neuen Projekte mehr realisiert werden. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 53 Marktprognose in MW Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 4.500 48 811 4.000 2014 2015 45 856 2016e 50 906 2017e 250 1.156 2018e 400 1.556 2019e 600 2.156 2020e 900 3.056 2025e k.A. 4.100 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 14,4% 2015 - 2020e 29,0% 2020 - 2025e 6,1% Quelle: EWEA, eigene Prognose SEITE 54 0 2012 2013 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e 2.1.11 Polen Mit seiner geografischen Lage an der südlichen Ostsee und einer in weiten Landesteilen eher flachen Topografie weist Polen gute natürliche Bedingungen für die Windenergienutzung auf. So sind in einem 50 bis 100 km breiten Streifen entlang der Ostseeküste in 100m Nabenhöhe durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 7 bis 8,5 m/s nutzbar, während im Binnenland meist 5 bis 6 m/s vorherrschen. Auf See liegt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit bei 8 bis 9,5 m/s. Mit modernen 3 MW-Anlagen lassen sich an Land oberhalb von 100 m Nabenhöhe 2.300 bis 2.450 Volllaststunden bzw. Kapazitätsfaktoren von 26% bis 28% erreichen. Auf See sollten mit 6 MW-Anlagen Kapazitätsfaktoren von etwa 40% möglich sein. In polnischen Küstengewässern wurden mangels klarer Planungsbedingungen und einer auskömmlichen Förderung bisher keine kommerziellen Offshore-Windparks errichtet, der Zubau fand bislang ausschließlich an Land statt. Im Jahr 2015 wurden neue Windenergieanlagen mit einer Gesamtkapazität von 1.145 MW errichtet, die den Bestand auf 4.978 MW steigen ließen. Die Windstromerzeugung lag bei 10,7 TWh (2015, vorläufige Zahlen). Das Land war damit im Jahr 2015 der Markt mit dem zweithöchsten Zubau in Europa und liegt bei der installierten Kapazität nach den EWEA-Statistiken aktuell auf Rang 10. Polen schöpft bisher nur einen kleinen Teil seines technisch möglichen Windstromerzeugungspotenzials aus. Strommix, Engergiepolitik und Klimaziele Wie seine mittel- und osteuropäischen Nachbarländer hat Polen einen unter dem europäischen Durchschnitt liegenden Pro-KopfVerbrauch an Strom. Dank umfangreicher Kohlereserven setzt das Land bei der Stromerzeugung seit jeher auf Stein- und Braunkohle. Bei einer Gesamterzeugung von 159,1 GWh lag der Anteil fossiler Brennstoffe an der Stromproduktion im Jahr 2014 bei 86%. Entsprechend ist Polen in Europa eines der Länder mit der CO2-intensivsten Stromerzeugung. Die Erneuerbaren Energien haben in 2014 zu 12,4% zur Stromerzeugung beigetragen und ihren Anteil in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Dieses Wachstum stammt vor allem vom starken Ausbau der Windenergie. So hatte die Windenergie in 2014 mit 39% des aus erneuerbaren Energien produzierten Stroms den zweitgrößten Anteil und hat die Stromerzeugung aus biogenen Festbrennstoffen (46% Anteil) in 2015 überflügelt. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 151.719 882 9.594 7.402 148.647 23.702 12.532 112.695 2.955 2014 159.064 822 11.342 13.508 160.408 24.561 10.250 125.863 3.311 Δ% -8,4% 6,2% 11,3% -41,4% n.m. 128,7% -8,1% 612,7% n.m. 156,2% 86,7% n.m. -8,0% 44,1% 4,8% Anteil 47,9% 33,5% 3,3% 1,0% 0,0% 12,5% 1,4% 4,8% 0,0% 0,5% 5,8% 0,0% 0,3% 1,4% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 83.156 50.233 4.787 2.723 0 8.677 2.375 1.077 0 319 4.907 0 599 1.544 151.719 2014 76.156 53.365 5.328 1.596 0 19.843 2.183 7.676 7 816 9.161 0 551 2.225 159.064 2014 11,4% 12,4% 2020p 15,0% 19,1% 2010 1.180 1.180 0 2015 4.978 4.978 0 12.400 2020e 6.078 6.078 0 14.000 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 8,7% 5,8% Fossile Kernenergie12% Erneuerbare Übrige 136.444 0 19.843 2.776 86% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige EE-Strommix Biobrennstoffe & Abfälle 9.161 Wind 7.676 15% Sonstige EE 3.006 0 0 46% 39% Biobrennstoffe & Abfälle Wind Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Die nationale Stromversorgung des Landes gilt als nicht ausreichend versorgungssicher. So ist der Kraftwerkspark vielfach modernisierungsbedürftig, und auch das Stromnetz des Landes bedarf erheblicher Ertüchtigungen, um mit den erhöhten Anforderungen Schritt zu halten. Polen war in den letzten Jahren zeitweise auf Stromimporte aus Deutschland und Schweden angewiesen. Angesichts dieser Herausforderungen verfolgt das Land seit einigen Jahren eine Energiewende ganz eigener Art. Im Fokus steht dabei nicht die Reduktion der CO2-Emissionen, sondern die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Sicherstellung wettbewerbsfähiger Strompreise für die eigene Wirtschaft. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die umfangreichen Kohlereserven des Landes. Polen HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDENERGIE September 2016 SEITE 55 ist größter Kohleproduzent in der EU. Der Kohleabbau erfolgt überwiegend durch staatliche Gesellschaften und ist defizitär. Angesichts von etwa 100.000 Arbeitsplätzen in dieser Industrie soll Kohle auch künftig maßgeblich zur Stromerzeugung genutzt werden. Daneben verfolgt das Land seit 2009 einen Langfristplan zur Nutzung der Kernenergie, dem zu Folge ab 2025 zwei Atomkraftwerke mit je 3 GW Kapazität gebaut werden sollen. Die Erneuerbaren Energien werden von der nationalkonservativen Regierung derzeit hingegen eher als notwendiges Übel betrachtet, denn als Chance zur Transformation der CO2-intensiven Stromerzeugung. Seit Jahren gibt es eine kontroverse gesellschaftliche Debatte über den Umfang der Landesfläche, die für die kommerzielle Nutzung durch die Windenergie zur Verfügung stehen soll. In der Regierungspartei PiS dominiert im Hinblick auf die Erneuerbaren Energien eine Anti-WindkraftEinstellung und eine Bevorzugung der deutlich teureren Stromerzeugung mit Biogasanlagen. Der Ausbau der Windenergie soll nur insoweit erfolgen, wie es zur Einhaltung der nationalen Klimaziele für das Jahr 2020 erforderlich ist. Diesbezüglich hat sich Polen mit seinem nationalen Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien dazu verpflichtet, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 15% zu erhöhen. In diesem Rahmen soll der EE-Anteil an der Stromerzeugung auf 19,1% steigen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen bis 2020 Windkraftkapazitäten in Höhe von 6,65 GW errichtet sein und 15,2 TWh zur gesamten Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien beisteuern. Hierbei steht der Zubau an Land im Vordergrund. Mit der derzeit installierten Kapazität liegt Polen voll im Plan, sein (allerdings nicht gerade ambitioniertes) Klimaziel für 2020 zu erreichen. Eine Strategie für deren weiteren Ausbau über das Jahr 2020 hinaus ist regierungsseitig momentan allerdings nicht erkennbar. In welchem Umfang sich die neue Regierung im Rahmen der langfristig sehr ambitionierten EU-Klimaziele auf weitergehende nationale CO2-Reduktionsziele einlassen wird, ist völlig offen. Der neue Energieminister Tchorzewski lehnt sowohl den von der Vorgängerregierung mit der EU ausgehandelten Deal im Gegenzug zur Zustimmung zu den EU-Klimazielen für 2030 als auch die Energy Roadmap 2050 der EU-Kommission ab. Die jüngsten Änderungen des Gesetzes zur Förderung der Erneuerbaren Energien sowie das Gesetz über Investitionen in Windparks sind investitionsfeindlich und belegen die ablehnende Haltung gegenüber der Windenergie. So wurden u.a. die Grundsteuern für Windenergieanlagen stark erhöht und restriktivere Abstandsregeln für neue Anlagen („10H-Regel“) erlassen, durch die die für Windparks nutzbare Landesfläche massiv verringert wird. Das erschwert den Zubau in der Zukunft deutlich. Staatliche Förderung Mit dem Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien wurde im Jahr 2015 zum 1.1.2016 eine Schließung des bisherigen Quotensystems für neue Anlagen und ein Wechsel zu einer auktionsbasierten Fördermittelvergabe beschlossen. Noch vor Inkrafttreten wurde der Geltungsbeginn des Gesetzes allerdings um ein halbes Jahr auf den 1.7.2016 verschoben, da das Gesetz von der neuen Regierung zwecks Genehmigung durch die EU-Kommission überarbeitet werden musste und zudem das vorgesehene Auktionsdesign verändert werden sollte. Die EU-Genehmigung steht bisher aus, so dass noch keine Ausschreibungen gestartet werden konnten. Mit dem neuen Fördersystem werden Stromerzeugungsmengen ausgeschrieben, die von den Bietern innerhalb von längstens 15 Jahren nach Netzanschluss zum jeweils zugeschlagenen Gebotspreis geliefert werden müssen. Windenergieprojekte, die den Zuschlag erhalten haben, müssen innerhalb von 4 Jahren (Offshore: 6 Jahre) errichtet werden. Es soll pro Jahr mindestens ein Ausschreibungsverfahren geben, bei dem separate Auktionen für neue Anlagen von bis zu 1 MW sowie für neue Anlagen von mehr als 1 MW abgehalten werden. Ausschreibungen können längstens bis zum Jahr 2021 abgehalten werden, der Förderzeitraum läuft bis längstens Ende 2035 (Offshore: Ende 2040). In 2016 sollen zusätzlich zwei parallele Auktionen für bereits bestehende Anlagen (bis 1 MW sowie > 1 MW) stattfinden, die aus dem alten in das neue Fördersystem wechseln wollen. In den Auktionen werden alle zugelassenen Erzeugungstechnologien direkt miteinander konkurrieren. Für Windenergieanlagen sind bisher Gebotspreisobergrenzen von 385 PLN/ MWh (umgerechnet ca. 87 €/MWh) an Land bzw. 470 PLN/MWh (umgerechnet ca. 106 €/MWh) für Offshore-Projekte vorgesehen. Die endgültigen Referenzpreise sollen bis Ende August 2016 bekannt gegeben werden. Branchenvertreter befürchten vor dem Hintergrund der Anti-Windkraft-Einstellung in der Regierungspartei eine Absenkung der Referenzpreise. Die Stromerzeugung von Anlagen bis 500 KW wird künftig im Wege eines festen Einspeisetarifs abgegolten. Größere Anlagen werden über ein Marktprämienmodell (durchschnittlicher Großhandelspreis in der Zeit der Stromeinspeisung plus gleitende Marktprämie auf Basis des Gebotspreises) vergütet und tragen das Risiko von Vergütungsausfällen im Falle negativer Strompreise über ein 6-Stundenintervall. Bestandteil der Vergütung ist eine jährliche Inflationsindexierung des mit dem Zuschlag in der Auktion vereinbarten Referenzpreises. Die Durchführung der Ausschreibungen obliegt der staatlichen Gesellschaft Renewable Energy Settlement Operator S.A. („OREO“). Diese wird zudem die ausgeschriebenen Strommengen von den bezuschlagten Erzeugern kaufen und am Großhandelsmarkt weiterverkaufen. Die Nettoförderkosten werden über die Stromversorger auf die Endverbraucher umgelegt. Das Ausschreibungsvolumen wird von der Regierung jährlich festgelegt. Für 2016 ist als Ausschreibungsvolumen eine Strommenge von 55 TWh (bezogen auf die gesamte Förderzeit) zur Versteigerung vorgesehen, wovon 30,9 TWh für neue Anlagen mit einem Kapazitätsfaktor von unter 40% reserviert sind. Beim dem von der Regierung unterstellten durchschnittlichen Kapazitätsfaktor für Onshore-Windenergieanlagen von 26% (entsprechend 2300 Volllaststunden p.a.) und 15 Jahren Förderdauer wären damit rechnerisch neue Windenergieprojekte mit einer Gesamtkapazität von bis zu 900 MW förderbar. SEITE 56 Der mit dem Systemwechsel planmäßig zum 1.7.2016 auslaufende alte Fördermechanismus basiert auf einer Quotenregelung, die die Stromversorger dazu verpflichtet, einen jährlich steigenden Anteil des vertriebenen Stroms aus Erneuerbaren Energien zu beziehen. Der Nachweis ist über den Erwerb entsprechender Herkunftszertifikate zu erbringen, welche den EE-Anlagenbetreibern für ihre Ökostromproduktion zugewiesen werden. Infolge einer zu generösen Zuweisung von Zertifikaten ist der Zertifikatepreis über die Zeit stark unter Druck geraten und hat das System in eine Schieflage gebracht, die für die EE-Betreiber zu unerwartet sinkenden Gesamterlösen und zu einem Überhang von noch nicht entwerteten Zertifikaten geführt hat. Der bei einem Zertifikatepreis von 100 PLN/MWh erzielbare Erlös je erzeugter MWh Windstrom ist für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb nicht ausreichend. Marktausblick Mit dem Regierungswechsel im Herbst 2015 hat sich das Investitionsklima für Windenergieanlagenprojeke in Polen massiv verschlechtert. Die seitdem verabschiedeten und im Juli 2016 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen sind Windenergiefeindlich und dürften einem bedeutenden Teil der sich in der Entwicklung befindlichen Projekte die Planungsgrundlage entzogen haben. Die Haltung in der Regierungspartei PIS und das Regierungshandeln offenbaren zudem wenig Bereitschaft für eine sachliche Auseinandersetzung mit den Vorteilen der Windenergie und verursachen ein hohes Maß an Unsicherheit – sowohl für neue Projekte als auch für Bestandsanlagen. So ist zu befürchten, dass es in der laufenden Legislaturperiode (2015-2019) noch zu weiteren Verschlechterungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kommt. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass der Zubau im laufenden Jahr stark einbricht und in den nächsten Jahren auf einem im Vergleich zu den Vorjahren niedrigeren Niveau liegen wird. Das massiv verschlechterte Investitionsklima hat bereits negative Auswirkungen auf die bankseitige Finanzierbarkeit von neuen Projekten. Letztlich kann die hohe Verunsicherung privater Investoren dazu führen, dass vorwiegend nur noch staatliche oder dem Regierungslager nahestehende Unternehmen neue Windparkinvestments tätigen. An die Realisierung von Offshore-Windparks glauben wir in diesem Umfeld bis zum Jahr 2025 nicht. Gleichwohl wird Polen als EU-Land auf lange Sicht nicht um eine sukzessive Verringerung der Kohleverstromung und einen stärkeren Ausbau der Erneuerbaren Energien herumkommen. Mit weiter sinkenden Stromgestehungskosten sollte sich die Windenergie langfristig auch in Polen zu einer starken Säule in der Stromerzeugung entwickeln. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW Zubau Bestand 9.000 2014 444 3.834 8.000 2015 1.145 4.978 2016e 200 5.178 2017e 250 2018e 250 5.428 5.678 2019e 200 5.878 2020e 200 6.078 2025e k.A. 8.400 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 33,4% 2015 - 2020e 4,1% 2020 - 2025e 6,7% 0 2012 2013 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 57 2.1.12 Baltische Staaten Am Ostrand der Ostsee gelegen, verfügen Estland, Lettland und Litauen über z.T. gute Windressourcen. Estland, das unter den drei baltischen Staaten die mit Abstand längste Küstenlinie aufweist, hat hierbei mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 6,5 bis 8,5 m/s in 100 m Nabenhöhe das mit Abstand beste Windangebot. In den litauischen, lettischen und estischen Küstengewässern sind es bis zu 9,5 m/s. In Lettland und Litauen bieten die Küstenregionen bis zu 6,5 m/s, während im Binnenland in der westlichen Landeshälfte meist bis 5,5 m/s vorherrschen. Die Nutzung dieser Potenziale hat in allen drei Ländern erst im Zuge der Vereinbarung verbindlicher Klimaziele und der Etablierung entsprechender Förderprograme begonnen. Estland und Litauen sind hier führend, wohingegen Lettland einen Ausbau in den letzten Jahren eher verhindert hat. Per Ende 2015 waren in Estland Windenergieanlagen mit 303 MW installiert, in Lettland 62 MW und in Litauen 424 MW. Mit einem Zubau von 144 MW wies dabei Litauen in 2015 sowohl in absoluten als auch in relativen Werten das größte Kapazitätswachstum auf. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Bedingt durch die jahrzehntelange enge Integration in die Energie-Infrastruktur der Sowjetunion genießen Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit der Energieversorgung in der Energiepolitik der baltischen Staaten seit der im Jahr 1991 erlangten Unabhängigkeit von Russland einen hohen Stellenwert. Mit Blick auf den Stromsektor hatten dabei eine Integration in den europäischen Stromnetzverbund sowie eine Diversifizierung der Erzeugungsbasis Priorität. Neben dem Einsatz der Wasserkraft und lokaler Rohstoffquellen wie Torf, Ölschiefer und Brennholz rückte ab Mitte der 2000er Jahre hierbei auch die Windenergie stärker in den Fokus. Mit der Verabschiedung verbindlicher EU-Klimaziele und deren Umsetzung in nationalen Aktionsplänen erhielten die Erneuerbaren Energien dann auch konkrete Ausbauziele und Unterstützung durch Förderregime. Während alle drei Länder ihre EE-Zielquoten für den Gesamtenergieverbrauch in 2020 (Estland: 25,0%, Lettland: 40,0% und Litauen: 23,0%) bereits in 2014 bereits ganz (Estland und Litauen) oder weitgehend (Lettland) erreicht hatten, bietet sich bei den EE-Anteilen am Stromverbrauch ein uneinheitliches Bild. Hier war Estland mit 16,4% seinem Ziel (4,8%) in 2014 sehr weit voraus, während Lettland (51,1 vs Ziel 59,8%) und Litauen (13,7% vs Ziel 21,0%) noch im Hintertreffen waren. Estland, das sich dank eigener Schieferölvorkommen im Land bei der Stromerzeugung mit 83% Anteil am Strommix bis heute wesentlich auf Mineralöl-Kombikraftwerke stützt und den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung (v.a. Windenergie und biogene Festbrennstoffe) bis 2014 auf knapp 12% ausgebaut hat, ist bei der Stromerzeugung praktisch energieautark und hat sich in den letzten fünf Jahren zu einem Nettostromexporteur entwickelt. Trotz des hohen Anteils fossiler Brennstoffe an der Stromerzeugung gilt Estland unter den baltischen Staaten als das Land mit der progressivsten und stringentesten EE-Politik. So gibt es sowohl für den Stromsektor insgesamt als auch für den Sektor der erneuerbaren Energien einen strategischen Entwicklungsplan bis zum Jahr 2020. Derzeit arbeitet die Regierung bereits an den Grundzügen der Energiestrategie für das kommende Jahrzehnt, in die dann auch die EU-Klimaziele für 2030 einfließen. Geplant ist eine Anhebung des EE-Anteils am Gesamtenergieverbrauch auf eine neue Zielmarke von 45%. An einer deutlich stärkeren Nutzung der Windenergienutzung an Land als mittlerweile kostengünstigster und schnell verfügbarer Stromerzeugungstechnologie geht dabei kein Weg vorbei. Auch auf dem Feld der Offshore-Windenergie strebt die Regierung eine Führungsrolle im Baltikum an. So befinden sich bereits zwei Offshore-Windparks in flachen, küstennahen Gewässern mit einer Gesamtkapazität von bis zu 1,7 GW in der Projektierung. SEITE 58 Strommarkt Estland im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 8.781 0 2.944 3.025 8.862 1.325 886 6.650 4.979 2014 12.444 0 6.484 3.730 9.690 1.945 842 6.906 5.248 Δ% n.m. n.m. -36,6% 34,9% n.m. 138,7% -17,9% 208,9% n.m. 283,3% 112,6% n.m. n.m. 46,4% 41,7% Anteil 0,0% 0,0% 0,6% 83,1% 0,0% 11,6% 0,2% 4,9% 0,0% 0,2% 6,3% 0,0% 0,0% 4,7% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung 2014 26,5% 14,6% 2020p 25,0% 4,8% 2010 149 149 0 2015 303 303 0 730 2020e 603 603 0 1.450 Windenergienutzung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 23,0% 6,1% 2009 0 0 108 7.670 0 604 33 195 0 7 369 0 0 399 8.781 2014 6 0 69 10.345 0 1.441 27 604 0 27 784 0 0 584 12.444 Fossile 5% Kernenergie 11% Erneuerbare Übrige 10.419 0 1.441 584 EE-Strommix Biobrennstoffe & Abfälle 784 4% Wind 604 Sonstige EE 53 0 0 42% 54% 84% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Biobrennstoffe & Abfälle Wind Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Lettlands Stromversorgung basiert wesentlich auf den Gas- und Wasserkraftwerken der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft Latvenergo, wobei in normalen Niederschlagsjahren die Wasserkraftwerke den größten Teil zum Strommix beisteuern. Lettland zählt damit in der EU zu den Ländern mit dem höchsten EE-Anteil an der Stromerzeugung sowie am Gesamtenergieverbrauch. Das Land bezieht etwa ein Viertel seines Stromverbrauchs aus Nettostromimporten und hätte daher grundsätzlich Potenzial für eine noch stärkere Nutzung der Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung. Die Windenergie spielt bisher praktisch keine Rolle im lettischen Strommarkt. Strommarkt Lettland im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 5.568 0 2.605 4.259 7.222 378 741 6.103 2.822 2014 5.142 0 3.023 5.340 7.459 409 465 6.583 3.289 Δ% -100,0% n.m. 16,5% -100,0% n.m. -21,1% -42,3% 181,4% n.m. 671,8% 9066,7% n.m. n.m. n.m. -7,7% Anteil 0,0% 0,0% 45,4% 0,0% 0,0% 54,6% 38,8% 2,7% 0,0% 6,8% 6,2% 0,0% 0,0% 0,0% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 2 0 2.006 3 0 3.556 3.458 50 0 45 3 0 0 0 5.568 2014 0 0 2.336 0 0 2.805 1.995 141 0 350 320 0 0 0 5.142 2014 38,7% 51,1% 2020p 40,0% 59,8% 2010 31 31 0 2015 62 62 0 140 2020e 62 62 0 140 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 34,3% 41,9% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 2.336 0 2.805 0 45% EE-Strommix Wasserkraft Biogase 16% Sonstige EE 0 13% 1.995 350 461 0 55% 71% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wasserkraft Biogase Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDENERGIE September 2016 SEITE 59 Seit der im Rahmen des EU-Beitritts des Landes erzwungenen Stilllegung des Kernkraftwerks Ignalina (Ende 2009) ist Litauen in erheblichem Umfang auf Stromimporte angewiesen. Diese decken bis heute mehr als die Hälfte des Stromendverbrauchs. Das Land hatte zunächst angestrebt, gemeinsam mit den Nachbarstaaten ein neues Kernkraftwerk zu bauen, gab diese Pläne nach einem Referendum im Jahr 2012 aber auf. Vor diesem Hintergrund bietet die Stromversorgungssituation in Litauen für die Windenergie als kostengünstigste Form der Erneuerbaren Energien gute Wachstumsvoraussetzungen. Wie der Strommix des Landes zeigt, wurden im Jahr 2014 in Litauen nur noch gut 43% des Stroms aus fossilen Brennstoffen (i.W. Erdgas) und bereits 34,4% aus einem Mix an Erneuerbaren Energien erzeugt. Unter diesen war die Windenergie die Erzeugungsart mit dem höchsten Anteil und hat infolge der in 2015 neu in Betrieb genommenen Windparks seitdem weiter zugelegt. Strommarkt Litauen im Überblick (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* 2009 15.357 986 7.715 4.783 11.439 2.366 969 8.371 2.629 2014 4.398 940 898 8.521 11.082 1.276 815 9.237 3.138 Δ% n.m. n.m. -16,7% -78,2% -100,0% 121,4% -5,5% 303,7% n.m. 415,4% 272,0% n.m. -3,7% 5,6% -71,4% Anteil 0,0% 0,0% 39,8% 3,6% 0,0% 34,4% 9,1% 14,5% 1,7% 1,8% 7,4% 0,0% 15,7% 6,5% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung 2014 23,9% 13,7% 2020p 23,0% 21,0% 2010 163 163 0 2015 424 424 0 1.020 2020e 794 794 0 1.910 Windenergienutzung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 20,0% 5,9% 2009 0 0 2.100 735 10.852 684 423 158 0 15 87 0 715 271 15.357 2014 0 0 1.749 160 0 1.514 400 638 73 78 324 0 688 286 4.398 Fossile Kernenergie 22% Erneuerbare Übrige 1.910 0 1.514 975 43% EE-Strommix Wind Wasserkraft Sonstige EE 31% 0 638 400 476 0 42% 35% 27% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wind Wasserkraft Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Staatliche Förderung Estland fördert neue Windenergieanlagen größenunabhängig bisher über einen Premiumtarif, bei dem der Betreiber über einen Förderzeitraum von 12 Jahren zusätzlich zum Strompreis am Großhandelsmarkt vom regionalen Netzbetreiber Elering 53,7 EUR je eingespeister MWh vergütet bekommen. Die geförderte Windstrommenge ist derzeit auf jährlich 600 GWh gedeckelt und wird von allen einspeisenden Anlagen nach dem „First come first serve“-Prinzip in Anspruch genommen. Nach Erreichen dieses Deckels erlösen die Anlagenbetreiber nur noch den Marktpreis für den eingespeisten Strom. Nachdem eine erstmalige volle Ausschöpfung des Förderdeckels in 2015 absehbar war, ist der Kapazitätszubau in Estland dadurch zunächst gebremst worden. Derzeit wartet die Branche auf die neuen Förderrichtlinien, mit denen Estland zum 1.1.2017 auch die von der EU-Kommission vorgegebenen wettbewerbsorientiert zu ermittelnden Förderhöhen adaptiert. Zu erwarten ist ein Marktprämienmodell, bei dem der Staat förderfähige Erzeugungskapazitäten ausschreibt und mit einem Auktionsverfahren an die Bieter mit den niedrigsten gebotenen Förderhöhen versteigert. Hierbei sind als Preisobergrenze für die Marktprämie 53,7 €/MWh vorgesehen. Die aus Strompreis und Marktprämie erzielbare Gesamtvergütung soll bei 93 EUR je MWh gedeckelt werden. Während sich bereits zwei größere Offshore-Windparks in der (allerdings noch frühen) Projektierungsphase befinden, steht eine gesetzliche Grundlage in Estland hierfür allerdings noch aus. In Lettland wurden neue Windenergieanlagen ab 2010 mit einem festen Einspeisetarif gefördert, wobei die betreffenden Stromeinspeiserechte in einem jährlich im Oktober abzuhaltenden Auktionsverfahren zu ersteigern waren. Teilnahmeberechtigt waren nur Projekte, die bereits alle zur Realisierung erforderlichen Genehmigungen hatten. Zu bieten war bei den Auktionen die Gesamtvergütungshöhe, denn der erzeugte Strom durfte nicht frei vermarktet werden, sondern musste vom Netzbetreiber aufgenommen werden. Der für die Versteigerung vorgegebene Referenzpreis war dabei sowohl technologie- als auch größenabhängig – für einen 20 MW-Windpark ergab sich in 2010 z.B. ein Referenzpreis von 114 EUR/MWh. Erfolgreiche Gebote erhielten einen Vergütungsanspruch über 20 Jahre, wobei in der zweiten Dekade ein Abschlag von 40% auf den gebotenen Vergütungssatz vorzunehmen war. Das lettische Fördersystem kam allerdings gerade mal ein Jahr zur Anwendung, denn bereits im Jahr 2011 verfügte die Regierung überra- SEITE 60 schend ein Fördermoratorium für neue EE-Anlagen, welches zwischenzeitlich bis zum Jahr 2016 und mittlerweile bis zum 1.1.2020 verlängert wurde. In der lettischen Politik gibt es mit einer chronischen Haushaltskrise bereits seit langem sehr viel drängendere Probleme als den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Auch die derzeitige Regierung, die einer stärkeren Nutzung der Erneuerbaren Energien grundsätzlich offen gegenübersteht, ist nicht bereit, den Bürgern etwaige EE-Förderkosten über eine höhere Umlage auf den Strompreis zuzumuten. Vor dem Hintergrund tiefer politischer Gräben im Land (das Land hat einen hohen russischstämmigen Bevölkerungsanteil) und einer in den letzen Jahren recht instabilen Parteienlandschaft schätzen wir insbesondere auch die politischen Risiken für einen Ausbau der Windenergie in Lettland als sehr hoch ein. Das Land bietet auf absehbare Zeit keine belastbaren Rahmenbedingungen, in denen sich ein Investorenvertrauen entwickeln könnte. In Litauen erfolgt die EE-Förderung technologieübergreifend auf Basis des „Gesetzes über Energie aus Erneuerbaren Energiequellen“ aus dem Jahr 2011. Strom aus Erneuerbaren Energien genießt dadurch Einspeisevorrang im Stromnetz und ist von der regionalen Stromgesellschaft abzunehmen. Das litauische EEG sieht sowohl für Kleinanlagen bis 10 KW und für Anlagen über 10 KW eine Vergütung in Form fester Einspeisetarife über einen Zeitraum von 12 Jahren vor. Während die Vergütungshöhe von der Nationalen Kontrollbehörde für Energie und Preise („NCC“) quartalsweise festgesetzt wird, ist die Vergütungshöhe für größere Anlagen im Wege von Ausschreibungen zu bestimmen, bei denen der bzw. die Bieter mit den niedrigsten Preisgeboten den Zuschlag erhalten. Hier gibt die NCC quartalsweise die Preisobergrenzen vor. Im 2. Quartal 2016 lag diese bei 54 EUR/MWh. Das litauische EEG sieht außerdem technologiespezifische Kapazitätszielgrößen vor, die an den nationalen Klimazielen für das Jahr 2020 orientiert sind. Bei deren Erreichen werden in der betreffenden Technologieklasse keine weiteren Auktionen mehr durchgeführt. Dies ist bei der Windenergie, deren Ausbauziel bei einer installierten Kapazität von 500 MW liegt, inzwischen eingetreten. Da das litauische EEG für diesen Fall aber zugleich die Regierung verpflichtet, eine Anschlussregelung zur weitergehenden Förderung der betreffenden Technologieklasse zu erarbeiten, ist eine Nachfolgeregelung für die Windenergieförderung in Vorbereitung. So sieht der Entwurf eines EE-Entwicklungsprogramms für die Jahre 2016 bis 2020 vor, zusätzliche Kapazitäten i.H.v. 250 MW durch die Nutzung von EU-Fördermitteln anzureizen. Mit einem Kabinettsbeschluss hat die litauische Regierung zudem kürzlich einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Einstieg in die Offshore-Windenergie gemacht. So wurde eine Änderung des litauischen EEGs auf den Weg gebracht, durch die sechs Meereszonen für Offshore-Windparks definiert werden, deren Gesamtpotenzial auf eine Kapazität von 7,2 GW geschätzt wird. Die Errichtung eines ersten litauischen Offshore-Windparks erscheint aber frühestens ab dem Jahr 2021 realistisch. Marktausblick Während Lettland der Windenergienutzung aus unserer Sicht absehbar keine verlässlichen Investitionsbedingungen bieten wird, sind Estland und Litauen deutlich attraktivere Märkte. Trotz des bereits frühzeitigen Erreichens der selbst gesteckten Kapazitätsziele sind die Regierungen in beiden Ländern bemüht, sowohl Onshore als auch auf längere Sicht Offshore weitere Zubauvolumina anzureizen. So erwarten wir für die Zeit bis zum Jahr 2025 für diese beiden Länder einen Zubau von 1,3 GW (Estland) bzw. 1,5 GW (Litauen), wovon in Estland 600 MW und in Litauen 800 MW auf neue Offshore-Kapazitäten entfallen sollten. Marktprognose in MW Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW Estland 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e 2025e Litauen 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e 2025e Zubau 23 1 100 50 50 50 50 k.A. Bestand 303 303 403 453 503 553 603 1.600 4.000 Zubau 1 144 120 0 50 100 100 k.A. Bestand 280 424 544 544 594 694 794 1.800 1.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 500 0 2012 2013 2014 2015 Estland 2016e 2017e Litauen 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Lettland Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 61 2.1.13 Italien Die natürlichen Gegebenheiten Italiens ermöglichen eine kommerzielle Nutzung der Windenergie wesentlich in der südlichen Landeshälfte, d.h. in den Regionen Puglia, Campania, Basilicata und Calabrien sowie auf Sardinien und Sizilien. Hier herrschen in 100m Nabenhöhe vielfach durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 6 bis 7 m/s vor. Auf See bieten die Küstengewässer Sardiniens sowie südwestlich von Sizilien mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von etwa 8 m/s die besten Voraussetzungen. An Land sind damit Kapazitätsfaktoren von 20% erreichbar und auf See von etwa 34%. Nach einer Absenkung der Förderung im Jahr 2012 und einer Deckelung für größere Windparks auf 500 MW sind in Italien in den letzten Jahren nur relativ geringe Zubauvolumina von 295 MW in 2015 und 108 MW in 2014 realisiert worden. Per Ende 2015 lag der installierte Anlagenbestand bei 8.958 MW. Damit liegt Italien unter den EU-Ländern auf Rang 5, rangiert beim Zubau aber nur auf Rang 8. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Die Stromversorgung Italiens basiert wesentlich auf fossilen Energieträgern sowie auf Wasserkraft. Diese trugen im Jahr 2014 mit rund 54% und 21% zusammen etwa Dreiviertel zur Stromerzeugung bei. Im Segment der fossilen Energieträger dominieren dabei Gaskraftwerke mit 33,5% Gesamtanteil. Die Kernenergie hingegen ist bereits seit 15 Jahren aus dem italienischen Strommix verbannt. Als eines von nur wenigen Ländern hatte Italien schon nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl (1986) den Automausstieg vollzogen. Neben der Wasserkraft hat in den letzten Jahren ein breiter Mix aus verschiedenen weiteren Erneuerbaren Energien sukzessive die Verstromung von Erdgas zurückgedrängt. Dies waren in erster Linie die Photovoltaik (2014: 8% Anteil) und die Windenergie sowie biogene Brennstoffe. Gleichwohl importiert Italien seit mehr als einem Jahrzehnt in signifikanter Höhe Strom aus seinen Nachbarländern (vorwiegend Schweiz und Frankreich), da dieser von dort kostengünstiger bezogen als in den eigenen Gaskraftwerken produziert werden kann. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 292.645 5.798 2.111 47.070 331.806 22.926 20.353 290.016 4.915 2014 279.822 2.329 3.031 46.747 321.209 20.884 19.451 281.498 4.631 Δ% 9,3% n.m. -36,4% -45,6% n.m. 74,3% 19,1% 132,0% 3195,5% 392,3% 78,9% 10,8% -60,3% 2,2% -4,4% Anteil 15,5% 0,0% 33,5% 5,1% 0,0% 43,1% 20,9% 5,4% 8,0% 2,9% 3,8% 2,1% 0,6% 2,2% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung 2014 17,1% 33,4% 2020p 17,0% 26,4% 2010 5.797 5.797 0 2015 8.958 8.958 0 15.200 2020e 12.408 12.408 0 21.700 Windenergienutzung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 12,8% 18,8% 2009 39.746 0 147.270 26.023 0 69.254 49.137 6.543 677 1.665 5.891 5.342 4.305 6.046 292.645 2014 43.453 0 93.637 14.160 0 120.681 58.545 15.178 22.306 8.199 10.536 5.916 1.711 6.181 279.822 Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige EE-Strommix 3% 151.249 0 120.681 7.892 Wasserkraft Solar 20% Wind Sonstige EE 58.545 22.306 15.178 24650,95 49% 43% 54% 13% 18% Fossile Kernenergie Wasserkraft Solar Erneuerbare Übrige Wind Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Italien hat sich mit seinem Nationalen Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien dazu verpflichtet, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 17% zu erhöhen. In diesem Rahmen soll der EE-Anteil an der Stromerzeugung auf 26,4% steigen. Beide Zielmarken sind bereits im Jahr 2014 erreicht worden. Beim Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung lag das Land sogar mit 33,4% weit über dem Sollwert. Einer der Haupttreiber hierfür war ein Boom beim Zubau neuer Photovoltaikanlagen in den Jahren 2011 bis 2013, der von einer üppigen staatlichen Förderung angereizt wurde. Nachdem die Klimaziele für 2020 bereits erreicht sind, hat die Regierung für das Jahr 2030 mit einer EE-Quote von 29% des Gesamtenergieverbrauchs bereits die nächste Zielmarke definiert, mit der das Land zu den EU-weiten Klimazielen beitragen will. Ein weiterer Zubau von Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung ist damit vorgezeichnet. Da die Photovoltaik dank der guten natürlichen Gegebenheiten in Italien nach Einschätzung der Regierung mittlerweile wettbewerbsfähig und nicht mehr förderbedürftig ist, ist die SEITE 62 Windenergie jetzt die Technologie, die den staatlich geförderten Zubau neuer EE-Stromerzeugungskapazitäten in den nächsten Jahren anführen soll. Verglichen mit dem Ausbaupfad im Rahmen des Nationalen Aktionsplans liegt Italien damit bei der Windenergie an Land voll im Plan. Um die Zielmarke von 12 MW im Jahr 2020 zu erreichen, ist ein jährlicher Zubau von 610 MW erforderlich. Bei der Offshore-Windenergie ist hingegen – trotz der bestehenden Genehmigung eines 30 MW-NearshoreProjekts – bisher keine Investitionsneigung zu erkennen und das Offshore-Kapazitätsziel von 680 MW in 2020 ist praktisch jetzt schon nicht mehr zu schaffen. Wenn sich dies auch mit der jüngst erfolgten Neufassung der Förderprogramme nicht ändert, ließe sich die Offshore-Lücke mit zusätzlichen Windparks an Land in der Größenordnung von 250 MW p.a. schließen. Staatliche Förderung Erneuerbare Energien genießen in Italien einen gesetzlichen Einspeisevorrang, verbunden mit einer Netzanschlussverpflichtung für die Stromnetzbetreiber. Die italienische Regierung hat bei der EE-Förderung seit jeher einen mehrgleisigen Ansatz verfolgt, bei dem nach Anlagengröße und -technologie unterschieden wird. Während für kleinere Anlagen bis 5 MW Kapazität ein fester Einspeisetarif oder ein Marktprämienmodell gilt, wird die Vergütung für größere Windparks seit dem Jahr 2012 im Wege von Auktionen bestimmt. Der Zubau wird dabei von der Regierung über jährliche Kapazitätsmengenbegrenzungen für die verschiedenen Anlagenarten und -größenklassen gesteuert. Die derzeitigen Förderbedingungen sind nach Freigabe durch die EU-Kommission zum 30.6.2016 in Kraft getreten und decken den Zeitraum bis zum 31.12.2016 ab. Der jährliche Gesamtförderbetrag für alle geförderten Alt- und Neuanlagen, welcher letztlich auf die Stromendverbraucher umgelegt wird, ist mit dem Regierungsdekret auf 5,8 Mrd. EUR gedeckelt. Da hiervon bereits 5,55 Mrd. durch Altanlagen ausgeschöpft sind, wird dieser Förderrahmen voraussichtlich von den in 2016 hinzukommenden bzw. bezuschlagten Anlagen ausgeschöpft werden. Das für dieses Jahr angestrebte Gesamtvolumen neuer Anlagen beträgt knapp 1,3 GW und verteilt sich zu 286 MW auf kleinere Installationen bis 5 MW (Wind-, Gezeiten-, Geothermie-, Biomasse-, Biogas- und CSP-Anlagen) mit gesetzlich vorgegebenen Vergütungen sowie zu 1.000 MW auf Wind-, Geothermie-, Biomasse- und CSP-Anlagen mit >5 MW, deren Vergütungshöhe wettbewerblich über Auktionen zu bestimmen ist. Bei den auszuschreibenden Kapazitäten ist ein klarer Fokus auf die Windenergie zu erkennen. So sind 800 MW für Windparkprojekte an Land und 30 MW für Offshore-Projekte vorgesehen. Die Administration der Förderung wird von der staatlichen Gesellschaft Gestore Servizi Energetici („GSE“) durchgeführt, sie legt u.a. die jährlichen Kapazitätsobergrenzen fest und führt die Auktionen durch. In den Auktionen müssen die Anlagenbetreiber einen Referenzpreis für eine Förderdauer von 20 Jahren (Onshore) bzw. 25 Jahren (Offshore) bieten, der dann die Basis für die zu vergütende Marktprämie zusätzlich zum Großhandelsstrompreis in der jeweiligen Netzzone ist. Der günstigste Bieter erhält den Zuschlag. Die GSE wird die technologiespezifischen Gebotspreisobergrenzen und weiteren Auktionsdetails bis zum 20. August veröffentlichen und die 70-tägige Bewerbungsfrist bis zum Auktionstag starten. Voraussetzung für die Ausschreibungsteilnahme eines Windparkprojektes ist das Vorliegen einer Bau- und Betriebsgenehmigung sowie der Nachweis einer Netzanschlusszusage. Marktausblick Nachdem mit der jüngst erfolgten Neuregelung Klarheit über den neuen Förderrahmen geschaffen ist, rechnen wir bei der voraussichtlich Ende Oktober anstehenden Auktion von 800 MW an neuen Windkraftkapazitäten mit einem regen Bieterinteresse, denn vor dem Hintergrund des nur schwachen Zubaus in den letzten Jahren sollten die Investoren Projekte über mehrere GW baureif entwickelt haben. Für die weitere Marktentwicklung wird es dann zunächst darauf ankommen, ob die Regierung an ihrem Ausbauziel für das Jahr 2020 festhalten und den Projektierern mit einem neuen Dekret für die Förderung mitsamt den vorgesehenen Zubauvolumina in den Jahren 2017 bis 2020 längerfristig Planungshilfe geben wird. Als ein Hemmnis für einen raschen Zubau sehen wir nach wie vor die komplizierten und vergleichsweise langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windparkprojekte in Italien an. Unerwartetes Störfeuer gab es jüngst zudem von der Regierung der Region Campania, die Ende März 2016 ein 180-tägiges Genehmigungs-Moratorium für neue Windparks verfügte. Diese Maßnahme wird von der Zentralregierung in Rom als verfassungswidrig bewertet und soll juristisch unterbunden werden. Insgesamt gehen wir davon aus, dass der Windenergie von der italienischen Regierung künftig die Hauptrolle beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien zugewiesen wird. Das für das Jahr 2016 angesetzte Ausschreibungsvolumen von 800 MW für neue Windparks an Land stellt eine geeignete Größenordnung dar, mit der die für 2020 angestrebte jährliche Windstromerzeugung von 20 TWh auch ohne Offshore-Projekte darstellbar ist. Das Investoreninteresse an Offshore-Projekten in den italienischen Küstengewässern dürfte im gegenwärtigen Steuerungsansatz mit der Limitierung auf sehr kleine Offshore-Ausschreibungsmengen sehr verhalten bleiben, und so erwarten wir die Realisierung von Windparks auf See nicht vor dem Jahr 2021. HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 63 Marktprognose in MW Marktprognose in MW Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW Zubau Bestand 20.000 2014 108 8.663 18.000 2015 295 8.958 2016e 200 9.158 2017e 700 9.858 2018e 800 10.658 12.000 2019e 800 11.458 10.000 2020e 600 12.058 2025e k.A. 17.400 8.000 16.000 14.000 6.000 4.000 Ø Wachstumsraten 2.000 Bestand 2010 - 2015 9,1% 2015 - 2020e 6,1% 2020 - 2025e 7,6% Quelle: EWEA, eigene Prognose SEITE 64 0 2012 2013 2014 2015 2016e Onshore 2017e 2018e Offshore 2019e 2020e ……. 2025e 2.1.14 Spanien Mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 8 m/s bis 10 m/s in 100m Nabenhöhe weist Spanien insbesondere in den Küstenregionen am Atlantik sowie am südlichen Mittelmeer und auf den Kanarischen Inseln ein sehr gutes Windangebot auf. Im Binnenland bieten vor allem die Randlagen der Gebirge in der nördlichen Landeshälfte (Pyrenäen, Kantabrisches Gebirge, Kastilisches Hochland) gute Windverhältnisse. Gute Standorte für Offshore-Windparks mit geringen Wassertiefen befinden sich primär vor der nordwestlichen und nördlichen Atlantikküste. Beim Einsatz moderner Standardanlagen lassen sich an guten Onshore-Windstandorten heute Kapazitätsfaktoren von etwa 30% erzielen. Spanien liegt mit einer Gesamtkapazität an installierten Windenergieanlagen von rund 23 GW in Europa hinter Deutschland auf Rang 2, wobei seit dem Jahr 2013 praktisch kein Zubau mehr erfolgte. Im kommenden Jahr sollte sich hier aber eine Wiederbelebung zeigen. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Bei einer Stromerzeugung von knapp 279 TWh hatte Spanien im Jahr 2014 einen Stromverbrauch von 4.878 kWh pro Kopf. Im europäischen Vergleich liegt das Land damit im Mittelfeld. Die Stromversorgung des Landes basiert zu jeweils etwa 40% auf fossilen Energieträgern (primär Erdgas und Steinkohle) und auf Erneuerbaren Energien, während in Krenkraftwerken etwa 20% des Stroms erzeugt werden. Bei einem im Trend insgesamt rückläufigen Stromendverbrauch ist der Anteil der Erneuerbaren Energien dabei – trotz erheblicher Schwankungen bei der Stromproduktion in den Wasserkraftwerken des Landes – in den letzten Jahren deutlich angestiegen. In 2014 trug die Windenergie zu 18,7% zur Bruttostromerzeugung bei, das entsprach etwa 47% der gesamten Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Spanien fungiert im gemeinsamen, liberalisierten Strommarkt mit Portugal (MIBEL) für seinen kleineren Nachbarn traditionell als „lender of last resort“ und gleicht dessen Erzeugungsdefizite bzw. -überschüsse aus. Da Spanien zu seinen anderen Nachbarländern Frankreich und Marokko allerdings nur wenige Netzverbindungen mit einer vergleichsweise geringen Transportkapazität unterhält, müssen letztlich primär die fossilen Kraftwerke des Landes für den nötigen Ausgleich im spanischen Stromnetz sorgen. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 294.625 3.736 14.855 6.751 282.786 19.541 24.445 239.778 5.186 2014 278.750 5.202 15.716 12.310 270.143 18.179 26.393 226.897 4.878 Δ% 22,0% n.m. -56,1% -26,6% 8,6% 48,8% 48,3% 36,5% 125,4% 71,4% 52,3% n.m. 38,2% 2,1% -5,4% Anteil 15,7% 0,0% 17,0% 5,1% 20,6% 39,6% 14,1% 18,7% 4,9% 0,3% 1,6% 0,0% 1,4% 0,8% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung 2014 16,2% 37,8% 2020p 22,7% 40,2% 2010 20.623 20.623 0 2015 23.025 23.020 5 51.800 2020e 24.928 24.923 5 59.800 Windenergienutzung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 13,0% 27,8% 2009 35.910 0 107.747 19.244 52.761 74.083 26.412 38.117 6.065 529 2.960 0 2.750 2.129 294.625 2014 43.806 0 47.274 14.121 57.304 110.270 39.170 52.013 13.672 907 4.508 0 3.801 2.175 278.750 Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 40% 105.200 57.304 110.270 38% 5.975 EE-Strommix Wind Wasserkraft 17% Sonstige EE 0 52.013 39.170 19.087 0 47% 36% 20% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wind Wasserkraft Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Nach dem abrupten Stopp der Förderung von neuen EE-Projekten im Jahr 2012 und der anschließenden rückwirkenden drastischen Kürzung und Neuordnung auch der Förderung bereits bestehender Anlagen war die EE-Branche in Spanien paralysiert. Die mangelnde Rechtstreue der Regierung hat den Investoren bestehender Anlagen hohe Wertverluste beschert und das Investorenvertrauen massiv erschüttert. In den vier Jahren von 2012 bis 2015 mussten neue EE-Projekte allein auf Basis der am Markt erzielbaren Vergütungen realisiert werden. Folge hiervon war ein praktisch vollständig zum Erliegen gekommener Zubau. Spanien hat damit vier Jahre Zeit verloren, um die verbindlichen nationalen Klimaziele für das Jahr 2020 zu erreichen. So ist ein Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch von 20% zu erreichen, und die (nichtverbindliche) Zielmarke beim Anteil an der Stromer- HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDENERGIE September 2016 SEITE 65 zeugung liegt bei 40%. In 2014 lag der EE-Anteil am Gesamtenergieverbrauch nach Eurostat-Angaben bei 16,2%, bzw. bei 37,8% der Stromerzeugung. Ursprünglich sah der Nationale Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien vor, die Gesamtkapazität der installierten Windenergieanlagen bis zum Jahr 2020 auf 35 GW an Land und 3 GW auf See installiert zu haben. Diese Ziele sind in weite Ferne gerückt. Da sich allerdings auch die damaligen Prognosen zum Gesamtenergie- und Stromverbrauch als um etwa 15% zu hoch erwiesen haben, ist eine Absenkung des ursprünglichen Kapazitätszieles durchaus zielkonform. Dies ist mit dem im Oktober 2015 beschlossenen Entwicklungsplan für das spanische Übertragungsnetz 2015-2020 erfolgt. Dieser nationale Netzentwicklungsplan sieht vor, dass im Zeitraum 2015 bis 2020 insgesamt gut 8,5 GW an neuen EE-Erzeugungskapazitäten installiert werden sollen, wovon knapp 6,5 GW auf neue Windenergieanlagen entfallen sollen. Das neue Windenergie-Kapazitätsziel für das Jahr 2020 liegt jetzt bei rund 29,5 GW, Offshore-Windparkkapazitäten sind hierbei nicht mehr vorgesehen. Mit der parallel hierzu geschaffenen gesetzlichen Grundlage für ein neues Förderprogramm sowie der Aufhebung des Fördermoratoriums hat die Regierung die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Spanien seine Klimaziele für 2020 doch noch erreichen kann. Ob Investoren sich hierdurch bewegen lassen, wieder erhöhte Investitionen zu tätigen, bleibt abzuwarten. Staatliche Förderung Im Herbst 2015 hat die spanische Regierung die gesetzlichen Grundlagen für die Ausschreibung neuer Stromerzeugungsanlagen aus Wind und Biomasse geschaffen und das seit 2012 geltende Fördermoratorium aufgehoben. Die Wiederaufnahme der EE-Förderung ist mit dem im Oktober 2015 beschlossenen Plan zur Entwicklung des nationalen Stromübertragungsnetzes bis 2020 abgestimmt. Künftig sollen bis zum Jahr 2020 jährlich neue Windenergieanlagen über bis zu 500 MW und neue Biogasanlagen über bis zu 200 MW angereizt werden. Über eine Pilotauktion Anfang 2016 hinaus hat die Regierung bisher allerdings keine weiteren Auktionstermine bekannt gegeben. Hauptstoßrichtung ist dabei, neuen EE-Anlagen zusätzlich zum Marktpreis des erzeugten Stroms über die typische Anlagenlaufzeit so zu fördern, dass dem Betreiber eine „angemessene Vergütung“ auf das investierte Kapital ermöglicht wird, aber keine Überrenditen erzielbar sind. D.h. der Staat wird künftig einen Aufschlag auf den Strompreis am Großhandelsmarkt zahlen, durch den mit der Investition über die gesamte unterstellte Nutzungsdauer die angemessene Vergütung nicht überschritten wird. Die angemessene Vergütung hat die Regierung mit einer Investitionsrendite von 7,503% angesetzt. Diese orientiert sich an der Rendite 10jähriger spanischer Staatsanleihen zuzüglich eines Aufschlags von drei Prozentpunkten. Die Vergütung wird dabei auf eine theoretische Referenzanlage mit vorgegebenen standardisierten Investitions- und Betriebsparametern berechnet, nicht aber auf ein konkretes Projekt. Dadurch soll die volle Vergütungshöhe nur mit effizient geführten Anlagen an guten Windstandorten erzielbar sein. Für die spätere Berechnung der Vergütungshöhe ist es dabei unerheblich, mit welchem oder welchen konkreten Projekten das ersteigerte Kapazitätsvolumen realisiert wird – die Vergütung richtet sich allein nach den vorgegebenen Parametern für die maßgebliche theoretische Referenzanlage. In der Auktion müssen die Teilnehmer Gebote über ein Kapazitätsvolumen und einen prozentualen Abschlag (zwischen 0% und 100%) auf die Referenzvergütung abgeben. Nach Zuschlagerteilung hat der Investor dann vier Jahre Zeit, die Anlage(n) zu errichten. Da die ersteigerten Vergütungsrechte nicht an konkrete Investitionsprojekte gebunden sind, können diese – alternativ zur eigenen Projektrealisierung – vom Bieter auch an Dritte übertragen werden. Als Referenzanlage wurde eine WEA mit folgenden Eckparametern definiert: •Anlagennutzungsdauer: 20 Jahre •Spezifische Gesamtinvestitionskosten: 1,200 Mio. EUR/MW •durchschnittlich 2.800 Vollaststunden p.a. •jährliche Betriebskosten von 24,96 EUR/MWh (Indexierung mit einer Inflationsrate von 1% p.a.) Die Parameter werden alle drei bzw. sechs Jahre überprüft und erforderlichenfalls angepasst. Marktausblick Bei der im Januar 2016 durchgeführten ersten Pilotauktion auf Basis dieser neuen gesetzlichen Regelung gab es eine mehrfache Überzeichnung der ausgeschriebenen Kapazität. Überraschenderweise kamen bei der Auktion ausschließlich solche Bieter zum Zuge, die einen Abschlag von 100% auf die maximal mögliche staatliche Zusatzvergütung geboten hatten, d.h. Projekte allein auf Basis des Marktpreises zu realisieren bereit sind. Ob sich dieses Auktionsmodell als erfolgreich erweisen und den gewünschten Zubau bis zum Jahr 2020 anreizen wird, bleibt abzuwarten. Einerseits ermöglicht das Auktionsdesign die Teilnahme mit spekulativen Geboten, da für die Auktionsteilnahme kein Nachweis realisierungsreifer Projekte zu erbringen und eine mit vier Jahren sehr lange Umsetzungsphase vorgesehen ist. Mit solchen „frühen Ausschreibungen“ haben in der Vergangenheit bereits eine Reihe von Ländern schlechte Erfahrungen im Sinne von später nicht vorgenommenen Investitionen gemacht. Andererseits sitzen die Projektierer nach vier Jahren Stillstand auf einem derart hohen Projektentwicklungsvolumen, dass ein hohes Interesse besteht, versteigerte Kapazitäten auch zeitnah mit realisierten Projekten zu füllen. Zudem ist zu bedenken, dass das Investorenvertrauen in die Rechtstreue des spanischen Staates infolge der jeglichen Bestandsschutz missachtenden drastischen Förderkürzungen nachhaltig erschüttert und das Investitionsklima in der Windenergiebranche dadurch belastet ist. So beinhaltet auch die neue Fördermechanik turnusmäßige Überprüfungen, die der Regierung rückwirkende Anpassungen zu Lasten der Investoren erlauben. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor für das Greifen der neuen Förderung ist, dass die Auktionsregeln bisher nicht von der EU-Kommission auf die Vereinbarkeit mit den SEITE 66 erlassenen beihilferechtlichen Bestimmungen für die marktorientierte Preisfindung bei der Förderung der Erneuerbaren Energien geprüft wurden. Ob die neue Förderung also trägt, bleibt also abzuwarten. Sie ist allerdings sicher besser als gar keine Förderung. Positiv ist, dass die spanische Regierung trotz aller Budgetrestriktionen in den nächsten Jahren einen Kapazitätszubau zumindest auf einem gewissen Niveau zu unterstützen bereit ist. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass auch künftig jährlich eine Auktion über 500 MW abgehalten werden wird, wovon dann im Nachgang zumindest 80% auch gebaut werden sollten. Dieser Zubau wird auch weiterhin ausschließlich an Land stattfinden. Für eine Förderung der deutlich teureren Offshore-Windenergie sehen wir in Spanien mit Blick auf die nächsten zehn Jahre weder eine Notwendigkeit noch eine Bereitschaft in der Regierung. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 16 22.975 2015 33 23.008 2016e 20 23.028 2017e 200 23.228 2018e 300 23.528 2019e 400 23.928 2020e 400 24.328 2025e k.A. 26.300 2014 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 27.000 26.000 25.000 24.000 23.000 22.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 2,2% 2015 - 2020e 1,1% 2020 - 2025e 1,6% 21.000 2012 2013 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 67 2.1.15 Portugal Mit seiner Lage am Atlantik verfügt Portugal entlang seiner Küste über gute natürliche Bedingungen für die kommerzielle Nutzung der Windenergie. In einem recht schmalen Küstenstreifen sind in 80m Nabenhöhe durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von bis zu 8 m/s nutzbar. Im Binnenland ist ein ähnlich gutes Windangebot nur in den höher gelegenen Regionen in der nördlichen Landeshälfte anzutreffen. Ansonsten sind es meist 5 bis 7 m/s. Auf See bieten die Küstengewässer mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von etwa 9 m/s gute Voraussetzungen. Mangels ausreichend flacher Küstengewässer ist die Erschließung dieser Potenziale aber nur mit schwimmenden Tragkonstruktionen möglich. An Land sind mit modernen Standardanlagen Kapazitätsfaktoren von bis zu 28% erreichbar und auf See von etwa 34%. Infolge eines in 2011 verfügten Förder-Moratoriums und des bis heute andauernden Verzichts auf die Ausschreibung neuer Erzeugungskapazitäten ist der hohe Kapazitätszubau der Vorjahre im Jahr 2012 stark zurückgegangen und liegt seitdem auf niedrigem Niveau. So wurden in 2015 neue Windenergieanlagen mit einer Gesamtkapazität von 132 MW errichtet. Der installierte Anlagenbestand lag per Ende 2015 bei 5.079 MW. Offshore-Windparks wurden in Portugal dabei bisher nicht realisiert, es gibt lediglich eine 2 MW starke Demonstrationsanlage. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Auch dank eines bis 2011 erfolgten Ausbaus der Windenergie konnte Portugal im Jahr 2014 gut 60% seiner Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien bestreiten und zählt damit zu den in dieser Hinsicht führenden Ländern in Europa. Während die Windenergie dabei einen recht stabilen Anteil von 23% zur nationalen Stromerzeugung beisteuert, schwankt die Stromproduktion der portugiesischen Wasserkraftwerke erheblich. Abhängig von den Niederschlagsmengen können in guten Jahren 30% des Stroms aus Wasserkraft gewonnen werden, in regenarmen Jahren aber auch mal nur 10%. Für den Ausgleich dieser Erzeugungsschwankungen sorgen fossile Kraftwerke sowie erforderlichenfalls Stromimporte aus dem Nachbarland Spanien, mit dem ein gemeinsamer, liberalisierter Strommarkt (MIBEL) besteht. Zu anderen Ländern gibt es bisher keine Stromleitungen. Dank der steigenden Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien sind die Nettomstromimporte des Landes in den letzten Jahren allerdings deutlich gesunken, wobei Spanien steigende Strommengen aus Portugal aufnehmen musste. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 50.210 929 2.821 7.598 54.057 2.611 3.793 47.855 4.530 2014 52.803 1.080 6.344 7.247 52.625 2.457 5.209 45.195 4.334 Δ% -7,3% n.m. -53,5% -58,7% n.m. 72,5% 87,9% 59,8% 290,6% 231,9% 38,2% 11,4% 16,4% -14,1% 5,2% Anteil 22,6% 0,0% 12,9% 2,6% 0,0% 59,8% 29,5% 22,9% 1,2% 0,5% 5,2% 0,4% 1,6% 0,5% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung 2014 27,0% 52,1% 2020p 31,0% 55,3% 2010 3.706 3.706 0 2015 5.079 5.077 2 12.700 2020e 5.579 5.577 2 13.900 Windenergienutzung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 24,4% 37,6% 2009 12.897 0 14.712 3.285 0 18.294 8.285 7.577 160 84 2.004 184 725 298 50.210 2014 11.952 0 6.834 1.358 0 31.559 15.569 12.111 627 278 2.769 205 843 256 52.803 Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 20.144 0 31.559 1.099 38% EE-Strommix Wasserkraft 12% Wind Sonstige EE 0 15.569 12.111 3.879 0 49% 60% 39% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wasserkraft Wind Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Portugals Nationaler Aktionsplan zum Ausbau der Erneuerbaren Energien zielt darauf, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 31% zu erhöhen. In diesem Rahmen soll der EE-Anteil an der Energieerzeugung auf 55,3% steigen. Diese Zielmarken sind bei günstigen klimatischen Bedingungen (d.h. in niederschlagsstarken Jahren) bereits heute erreichbar. Eine nachhaltige Zielerreichung gewährleistet der aktuelle Kapazitätsmix allerdings noch nicht. So sieht der nationale Aktionsplan bis zum Jahr 2020 einen weiteren Zubau insbesondere bei Wasserkraftwerken und Windenergieanlagen vor. Ursprüngliche Zielmarke für die Windenergie war eine Jahreserzeugung von rund 14,6 TWh, für die von der Regierung Anlagen mit einer SEITE 68 Gesamtkapazität von 6.875 MW (davon 6.800 MW an Land und 75 MW auf See) veranschlagt wurden. Da sich allerdings die Stromnachfrage bisher deutlich schwächer als prognostiziert entwickelt, hat die Regierung das Ausbauziel für alle Erneuerbaren Energien zusammen auf 60% der gesamten Erzeugungskapazitäten des Landes limitiert. Für das Jahr 2020 ist vor diesem Hintergrund ein Windenergieanlagenbestand von nur noch etwa 5,8 GW an Land politisch gewollt. Staatliche Förderung Portugal verfolgt bereits seit Anfang der 2000er Jahre ehrgeizige Klimaziele und unterstützt die EU-Klimapolitik aktiv. Seit dem Jahr 2006 werden neue Windenergieprojekte ausschreibungsbasiert vergeben. Die Vergütung war dabei als fester Einspeisetarif mit 15-jähriger Laufzeit (bzw. bis zur kumulierten Einspeisung von maximal 33 GWh je installiertem MW ) ausgestaltet, dessen Höhe durch Gebote auf Basis eines von der Regierung gesetzten technologiespezifischen Referenzpreises ermittelt wurde. In 2015 wurde der Vergütungsmechanismus für neue Anlagen auf eine gleitende Marktprämie mit Direktvermarktung umgestellt. Nachdem das Land im Zuge der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2011 in eine schwere Wirtschafts- und Budgetkrise geraten war und Stützungskredite unter dem ESM in Anspruch nehmen musste, wurde die Zubauförderung der Erneuerbaren Energien durch ein Moratorium weitestgehend eingestellt. Seit Anfang 2012 sind entsprechend keine neuen Kapazitäten mehr ausgeschrieben worden. Aktuell gibt es lediglich ein Förderprogramm für kleine Windkraftanlagen und Selbstverbraucher, das im Januar 2015 in Kraft getreten ist. Marktausblick Portugal ist zwar mittlerweile kein ESM-Stützungsfall mehr, vor dem Hintergrund der bereits weitgehenden Erreichung der Klimaziele für das Jahr 2020 wurde der angestrebte Zubau an erforderlichen EE-Kapazitäten aber auf die Zielmarke von 60% der gesamten Stromerzeugungskapazitäten des Landes reduziert. Nach Aussagen des portugiesischen Energieministeriums sind keine weiteren Ausschreibungen größerer Kapazitätsmengen mehr geplant. Über die Vorteilhaftigkeit von größeren neuen Windpark-Investments für Projektierer ohne Eigenverbrauch werden folglich künftig wesentlich die am Strommarkt erzielbaren Preise entscheiden. Der Kapazitätszubau dürfte in den nächsten Jahren daher primär von Kleinanlagen und Selbstverbrauchern getragen werden. Bei den derzeit sehr günstigen Marktbedingungen (Anlagenpreise, Finanzierungskosten) sollten aber auch ungeförderte Projekte an guten Standorten realisierbar sein, wenn ein langlaufender Stromliefervertrag abgeschlossen werden kann. Vereinzelt dürfte es zudem noch Projekte geben, die nach altem Recht, d.h. mit Einspeisetarif umgesetzt werden können. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 2014 222 4.947 2015 132 5.079 2016e 100 5.179 2017e 100 5.279 2018e 100 5.379 2019e 100 5.479 2020e 100 5.579 2025e k.A. 6.100 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 5,3% 2015 - 2020e 1,9% 2020 - 2025e 1,8% 0 2012 2013 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 69 2.1.16 Rumänien In Rumänien gibt es mit dem östlichen Landesviertel zwischen Schwarzmeerküste und den Karpaten eine größere Region, die mit durchschnittlich 6 bis 7 m/s in 100 m Höhe ausreichend hohe Windgeschwindigkeiten für die kommerzielle Nutzung der Windenergie bietet. Hierbei ist insbesondere die eher dünn besiedelte Region Dobrogea mit ihrer flachen Topografie an der Schwarzmeerküste die bevorzugte Region für die Errichtung von Windparks. In dieser Region sind mit Standardanlagen von 2 bis 3 MW Nennleistung Kapazitätsfaktoren von 25% erzielbar. So beherbergt der Kreis Constanta seit 2012 den mit 600 MW derzeit größten Onshore-Windpark Europas. Weiter im Landesinneren in der Region Moldova im Nordosten des Landes sind die Windverhältnisse fast genauso gut. Per Ende 2015 waren in Rumänien Windenergieanlagen mit 3.244 MW installiert, von denen allerdings etwa 100 MW nicht in Betrieb waren. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Rumäniens Stromversorgung basiert zu jeweils etwa 40% auf Fossilen Energieträgern und auf Erneuerbaren Energien. Das einzige Kernkraftwerk des Landes in Cernavoda wurde erst im Jahr 1996 in Betrieb genommen und steuert knapp 18% zum rumänischen Strommix bei. Mit netto gut 7 TWh exportierte Rumänien im Jahr 2014 mehr als 10% seiner Stromerzeugung in die Nachbarländer. Unter den Erneuerbaren Energien dominiert mit einem Anteil von knapp 70% die Wasserkraft, gefolgt von der Windenergie mit 23% und der Photovoltaik. Während sich das Gros der Stromerzeugungskapazitäten und das Stromnetz unverändert in Staatsbesitz befinden, hat Rumänien die Stromversorgung in den 2000er Jahren mehrheitlich privatisiert. Unabhängige Energieerzeuger sind seit dem Jahr 2000 zugelassen. Rumänien verfolgt eine Strategie der Energieautarkie und strebt zudem eine Position des in Südosteuropa führenden Strommarktes an. Hierzu sollen in den nächsten Jahren insbesondere neue Wasserkraftwerke gebaut werden. Dank der bedeutenden Wasserkraftwerkskapazitäten hat sich Rumänien im Rahmen seines Nationalen Aktionsplans zum Ausbau der Erneuerbaren Energien per 2020 auf einen EE-Anteil am Gesamtenergieverbrauch auf 24% verpflichtet. Beim EE-Anteil an der Stromerzeugung sollen dabei 42,6% erreicht werden. Mit 24,9% war Rumäniens Gesamtziel bereits im Jahr 2014 erreicht, und auch beim (nicht verbindlichen) EE-Zielanteil bei der Stromerzeugung ist das Land mit 41,7% in 2014 bereits sehr weit. Entsprechend besteht in den nächsten Jahren kaum mehr Handlungsdruck, noch weitere EE-Kapazitäten anzureizen. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 58.014 355 2.946 651 55.365 10.395 7.029 37.607 1.840 2014 65.676 616 9.937 2.811 57.934 9.023 7.097 41.905 2.101 Δ% -59,3% -17,0% 6,2% -52,8% -0,6% 74,4% 21,1% n.m. n.m. n.m. 4233,3% n.m. 73,6% 72,7% 13,2% Anteil 0,4% 26,6% 12,3% 0,7% 17,8% 41,3% 28,6% 9,4% 2,5% 0,1% 0,7% 0,0% 0,7% 0,1% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 694 21.055 7.632 1.029 11.752 15.553 15.533 9 0 0 10 0 273 26 58.014 2014 283 17.481 8.104 486 11.677 27.127 18.806 6.201 1.617 50 454 0 475 44 65.676 2014 24,9% 41,7% 2020p 24,0% 42,6% 2010 389 389 0 2015 3.244 3.244 0 6.800 2020e 3.244 3.244 0 6.800 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 22,7% 30,9% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 41% 26.354 11.677 27.127 51940% EE-Strommix Wasserkraft 18.806 8% Wind 6.201 Sonstige EE 2.120 0 23% 0 69% 18% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige Wasserkraft Wind Sonstige EE Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix Staatliche Förderung Rumänien hatte mit seinem NREAP bis zum Jahr 2020 ursprünglich einen sukzessiven Aufbau von Windparks an Land von nahezu Null auf 4.000 MW vorgesehen. Hinzu sollten 260 MW an PV-Parks kommen. Der Zubau wurde mit einem im Jahr 2008 geschaffenen Quotensystem und handelbaren Grünen Zertifikaten angereizt. Für neue EE-Anlagen wurde ein diskriminierungsfreier Netzzugang sowie ein Einspeisevorrang verfügt. Unter dem Zertifikatesystem erhalten EE-Anlagenbetreiber von der Energieregulie- SEITE 70 rungsbehörde ANRE über einen Zeitraum von 15 Jahren technologieabhängig eine bestimmte Zertifikatemenge je erzeugter MWh Strom, welche sie über einen von der Strombörse OPCOM organisierten Zertifikatemarkt an Stromverbraucher, die zur Erfüllung der verfügten EE-Quote verpflichtet sind, verkaufen können. Für die Zertifikate wurden ein Mindestpreis von 27 €/MWh und ein Höchstpreis von 55 €/MWh festgesetzt, jeweils mit Inflationsindexierung. Bei Nichteinhaltung der Quotenverpflichtung ist ein Strafpreis von 110 € je fehlendem Zertifikat fällig. Die Zertifikatekosten werden auf den Stromendverbraucher umgelegt. Dieses System erwies sich als attraktiv und setzte ab 2010 einen regen Zubau neuer Windenergiekapazitäten in Gang. Nach dem steilen Preisverfall bei PV-Modulen in 2011/12 verursachte das Zertifikatesystem dann jedoch einen PV-Boom und sorgte für erhebliche Zusatzlasten für die Stromverbraucher. So ist mittlerweile fast das Fünffache der mit dem NREAP angestrebten PV-Kapazität am Netz. Die Regulierungsbehörde sah sich daraufhin gezwungen, die Quotenverpflichtung einzufrieren, die technologiespezifischen Zertifikatezuweisungen in den Jahren 2013 und 2014 mit mehreren rückwirkenden Änderungen drastisch zu kürzen und die Handelbarkeit für einen Teil der Zertifikatemenge für mehrere Jahre auszusetzen. Anlagen mit Anschlussdatum ab dem 1.1.2014 erhalten bis Ende 2017 noch 1,5 Zertifikate pro MWh und ab 2018 noch 0,75 Zertifikate pro MWh. Zudem wird das Zertifikatesystem für neue Anlagen Ende 2016 geschlossen. Verschärfend kam hinzu, dass eine Reihe industrieller Großverbraucher in 2014 infolge des Stromkostenanstiegs von der EE-Quotenverpflichtung befreit wurden. Das kehrte die Überförderung ins Gegenteil um und brachte viele Windparkinvestoren in eine finanzielle Schieflage. In 2015 gingen zwei Betreiber in die Insolvenz. Mangels ausreichender wirtschaftlicher Basis brach auch die Projektentwicklungsaktivität ein. Bei einem auf dem (inflationsindexierten) Mindestpreis liegenden Zertifikatepreis von rd. 29,4 €/MWh und einem Strompreis von etwa 30 €/MWh erlösen neu installierte Anlagen ab 2018 gerade einmal etwa 52 €/ MWh. Rückblickend betrachtet ist das Fördersystem Rumäniens ein Beispiel für staatliches Steuerungsversagen. Marktausblick Die erfolgten rückwirkenden staatlichen Eingriffe in das Zertifikatesystem haben das Investorenvertrauen im rumänischen Windenergiemarkt massiv erschüttert und jegliche Projektentwicklungstätigkeit zum Stillstand gebracht. Nach der Fertigstellung letzter im Bau befindlicher Projekte in 2015 ist in Rumänien bis zum Jahr 2020 derzeit nicht mit einem nennenswerten Zubau neuer Windenergieanlagenkapazitäten zu rechnen. Bevor die finanzielle Situation der bestehenden Windparks nicht durch geeignete Nachbesserungen des Zertifikatesystems korrigiert worden ist, wird es schwer sein, einen Neustart für EE-Investitionen im Land zu initiieren. Da die Regierung aber absehbar im EU-Rahmen in der Dekade ab dem Jahr 2021 Maßnahmen zu weiteren CO2-Reduktionen zu ergreifen haben wird, führt am längerfristigen Ausbau auch der Windenergie kein Weg vorbei. Für die Zeit von 2021 bis 2025 hoffen wir daher auf eine Wiederaufnahme des Windparkzubaus mit jährlich 200 MW. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW Zubau Bestand 4.500 2014 471 3.244 4.000 2015 23 3.244 2016e 0 3.244 2017e 0 3.244 2018e 0 3.244 2019e 0 3.244 2020e 0 3.244 2025e k.A. 4.200 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 52,8% 2015 - 2020e 0,0% 2020 - 2025e 5,3% 0 2012 2013 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 71 2.1.17 Türkei Umgeben vom Schwarzen Meer, dem Marmarameer, der Ägäis und dem Mittelmeer verfügt die Türkei in weiten Landesteilen über bedeutende Windressourcen. Die besten Windbedingungen bieten dabei Standorte an der Ägäisküste mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 8 bis 9 m/s in 100m über Grund. Auswertungen zum kommerziell nutzbaren Windenergiepotenzial ergaben, dass mit Standardanlagen eine aggregierte Anlagenkapazität von 48 GW realisierbar wäre, die sich mit gut 29 GW auf Standorte mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von bei 7 bis 7,5 m/s und mit 13 GW auf Standorte mit 7,5 bis 8,0 m/s konzentriert. Gut 5 GW könnten an Standorten mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 8 bis 9 m/s errichtet werden. Von diesem Potenzial waren per Ende 2015 mit einer installierten Gesamtkapazität von 4.718 MW erst etwa 10 Prozent ausgeschöpft. Das Zubauvolumen im türkischen Windenergiemarkt erreichte in 2015 mit 956 MW einen neuen Rekordwert. Angesichts des erst in geringem Umfang ausgeschöpften Potenzials liegt der Fokus der Windenergienutzung in der Türkei auch längerfristig ausschließlich auf dem Zubau an Land. Strommix, Energiepolitik und Klimaziele Die Türkei hat infolge von Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, steigendem Pro-Kopf-Einkommen sowie einer zunehmenden Urbanisierung eine stark steigende Stromnachfrage. Die Regierung geht in ihren energiepolitischen Planungen bis zum Jahr 2023 von einem jährlichen Anstieg des Stromverbrauches um durchschnittlich 6% aus. Derzeit wird der Strombedarf zu 78% aus fossilen Energieträgern gedeckt, wovon Gaskraftwerke in 2014 etwa Zweidrittel und Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke etwa ein Drittel beisteuerten. Während die hierbei verfeuerte Kohle wesentlich im Land gefördert wird, ist das Land beim Gasbezug fast vollständig auf Importe angewiesen. Erneuerbare Energien stellten mit 21% Anteil am Strommix im Jahr 2014 bereits einen signifikanten Anteil, wesentlich dank bedeutender Wasserkraftwerkskapazitäten. Vor dem Hintergrund ihres stark steigenden Energiebedarfes hat die türkische Regierung im Jahr 2014 einen Nationalen Aktionsplan für den Energiesektor bis zum Jahr 2023 verabschiedet, der insbesondere eine stärkere Nutzung heimischer Energieressourcen vorsieht. Hierbei steht besonders auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien im Fokus. Strategisches Ziel ist dabei – neben der Deckung des steigenden Strombedarfs – auch eine Verringerung der Abhängigkeit von Energieimporten (d.h. Erdgas). Hierzu sollen die Kraftwerkskapazitäten des Landes von 74 GW (Stand Ende 2015) bis zum Jahr 2023 auf 120 GW ausgebaut werden. Als Ergebnis soll der EE-Anteil am Gesamtenergieverbrauch innerhalb von 10 Jahren auf 30% steigen. Das geht erheblich über die im Kontext der EU-Klimapolitik für das Jahr 2020 gemachte Zusage von 20,5% hinaus. Die strategischen Planungen für den Zeitraum bis 2023 sehen bei der Windenergie einen Ausbau auf 20 GW und bei der Wasserkraft einen Ausbau auf 34 GW vor. 3 GW an Solarkraftwerken und 1 GW an geothermischen Kraftwerken ergänzen das EEZielportfolio. Darüber hinaus soll mit zwei Atomkraftwerksneubauten der Einstieg in die Nutzung der Kernenergie erfolgen und mit neuen Kohlekraftwerkskapazitäten von 14 GW die heimischen Kohleressourcen stärker genutzt werden. Diese Langfristplanungen wurden durch eine kurzfristige Energiestrategie für den Zeitraum 2015 bis 2019 ergänzt. Begleitet von einem Ausbau der Stromnetze sollen Windenergieanlagen demnach bis 2017 auf 9,5 GW Kapazität und bis 2019 auf 10 GW ausgebaut werden. Strommarkt im Überblick Nationale Zielgrößen für die EE-Stromerzeugung* (GWh) Bruttostromerzeugung Verbrauch von Pumpspeicherwerken Stromexporte Stromimporte Bruttostromverbrauch Eigenverbrauch des Energiesektors Netzverluste Stromendverbrauch Stromverbrauch je Einwohner (kWh) 2009 194.812 0 1.546 812 194.078 10.159 28.991 154.928 2.166 2014 251.966 0 2.696 7.953 257.223 14.447 37.331 205.442 2.680 Δ% 148,8% -6,3% 25,5% -55,3% n.m. 38,0% 13,0% 469,7% n.m. 370,7% 23,1% 442,1% n.m. 50,9% 29,3% Anteil 15,0% 14,5% 47,9% 0,9% 0,0% 20,9% 16,1% 3,4% 0,0% 0,4% 0,0% 0,9% 0,0% 0,9% 100,0% Anteil am Gesamtenergieverbrauch Anteil an der Stromerzeugung Installierte Gesamtkapazität (MW) Onshore (MW) Offshore (MW) Stromerzeugungspotenzial p.a. (GWh) Strommix 2009 15.140 39.088 96.095 4.803 0 38.143 35.959 1.496 0 222 30 436 0 1.542 194.812 2014 37.672 36.615 120.578 2.146 0 52.629 40.645 8.520 17 1.046 37 2.364 0 2.327 251.966 2014 14,5% 29,4% 2023p 20,5% 37,6% 2010 1.329 1.329 0 2015 4.694 4.694 0 13.600 2020e 13.218 13.218 0 38.300 Windenergienutzung Strommix (GWh) Steinkohle Braunkohle Erdgas Mineralöl Kernenergie Erneuerbare Energien Wasserkraft Wind Solar Biogase Biobrennstoffe & Abfälle Sonstige EE Pumpspeicherwerke Sonstige Gesamt 2009 9,9% 19,7% Fossile Kernenergie 21% Erneuerbare Übrige 197.010 0 52.629 2.327 EE-Strommix Wasserkraft 40.645 7% Wind 8.520 Sonstige EE 3.465 16% 0 0 78% Fossile Kernenergie Erneuerbare Übrige 77% Wasserkraft Quelle: Eurostat, EWEA, eigene Prognosen; * Berechnung der Quoten gem. EU-Direktive 2009/28/EC, abweichend zur Anteilsberechnung am Strommix SEITE 72 Wind Sonstige EE Staatliche Förderung Die Türkei fördert die Nutzung der Erneuerbaren durch ein Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr 2010. In der ersten Geltungsperiode bis Ende 2015 erhielten neu angeschlossene Windenergieanlagen für längstens 10 Jahre ab Netzanschluss eine Vergütung in Form eines festen Einspeisetarifes. Die Vergütung betrug für Onshore- und Offshore-Anlagen einheitlich 7,3 $ct/kWh, d.h. umgerechnet etwa 6,6 €ct. Beim Einsatz von Anlagenkomponenten, die in der Türkei produziert wurden, wurde in den ersten fünf Betriebsjahren ein Bonus von 0,6 bis 3,7 $ct gewährt. Die Kosten der EE-Förderung werden auf die Stromendverbraucher umgelegt. Mit einer Gesetzesänderung wurde das Fördersystem per 29.04.2016 bei grundsätzlich identisch beibehaltenen Eckparametern (Förderdauer, Vergütungssätze, Bonus für im Land gefertigte Analagenkomponenten) in ein Marktprämienmodell umgestaltet. Es gilt sowohl für neu zu errichtende Anlagen als auch für Altanlagen und ist bis zum 31.12.2020 befristet. Anlagenbetreiber müssen jetzt jährlich wählen, ob sie ihre Stromerzeugung im Folgejahr frei auf dem Markt verkaufen wollen oder sich über das staatliche Fördersystem vergüten lassen wollen. Sofern eine Anlage noch in der 10jährigen Maximalförderdauer liegt und der Anlagenbetreiber im Folgejahr das Marktprämienenmodell wählt, muss er sich bis zum 31. Oktober bei der Energiemarktregulierungsbehörde EMRA registrieren, die seinen Antrag prüft und dann bis Ende November die Teilnahme am Fördermodell im Folgejahr bestätigt. Im Fördersystem gilt ein Direktvermarktungszwang, wodurch Stromverkauf und Marktprämienzahlung voneinander getrennt werden. Die Marktprämie entspricht dabei grundsätzlich der Differenz aus dem gesetzlich festgelegten Referenzpreis von 73 $/MWh (in TRL umzurechnen) und dem durchschnittlichen Stundenpreis am Day-Ahead-Markt. Daneben unterliegen die Anlagen einer Ausgleichsverpflichtung, d.h. für eine Minder-/Mehrproduktion im Vergleich zur Sollproduktion wird eine entsprechende Differenzpreisverrechnung anhand des Spotmarktpreises (Kauf/Verkauf der Differenzmenge zum Spotpreis) vorgenommen. Der Zubau neuer Windenergieanlagen ist in der Türkei auf die Leistungsfähigkeit des Stromnetzes abzustimmen. Im Sinne eines effizienten und zielgerichteten Kapazitätszubaus werden daher vom staatlichen Übertragungsnetzbetreiber TEIAS zunächst diejenigen Netzregionen bzw. einzelne Netzanschlusspunkte bekannt gegeben, in denen ein Zubau erfolgen darf. Die Vergabe von Netzanschlusskapazitäten erfolgt dann im Wege von Bietungsverfahren unter den Projektierern. Marktausblick Da der Übertragungsnetzbetreiber über ausreichend Anschlusskapazitäten (vorwiegend im windstarken Westen des Landes) verfügt und ausreichend Netzanschlusslizenzen an Windparkprojektierer vergeben worden sind, steht einem weiterhin kräftigen Windenergieanlagenzubau in der Türkei stromnetzseitig nichts entgegen. Auch die modifizierte Vergütungsregelung ist mit 73 $/MWh über 10 Jahre Förderzeitraum zzgl. eines eventuellen Bonus für im Land produzierte Anlagenkomponenten nicht grundlegend verschlechtert worden. Die volle Marktintegration von Windenergieanlagen mit Direktvermarktung und Ausgleichsverpflichtung stellt in einem stark wachsenden Strommarkt ebenfalls absehbar kein gravierendes Risiko für die nachhaltige Vergütungshöhe dar. Insofern ist die Umstellung des Fördersystems auf ein Marktprämienmodell durchaus positiv für die weitere Zubauentwicklung in der Türkei zu bewerten. Schwer zu beurteilen sind derzeit allerdings die längerfristigen Auswirkungen des politischen Umbruchs im Land. Der türkische Windenergiemarkt ist jedoch ganz wesentlich ein nationaler Markt. Ausländische Investoren engagieren sich, wenn überhaupt, meist als Co-Investoren zusammen mit türkischen Partnern. Auch die Finanzierung erfolgt überwiegend im lokalen Markt, ggf. unter Einbindung supranationaler Förderbanken wie etwa der EBRD. Wie die im türkischen Windenergiemarkt als Projektfinanzierer aktiven ausländischen Banken auf die aktuellen Entwicklungen reagieren, bleibt abzuwarten. Mit einer gewissen erhöhten Zurückhaltung bei neuen Finanzierungen sollte hier zunächst gerechnet werden. Etwaige Friktionen als Folge der aktuellen politischen Entwicklung im Land sollten also insgesamt wesentlich lokal begrenzte Effekte haben. Die nationale Energiestrategie der Regierung ist hiervon jedenfalls nicht tangiert. Insofern gehen wir davon aus, dass die Entwicklung neuer Windenergieprojekte lediglich einer vorübergehenden Verunsicherung ausgesetzt sein und perspektivisch in die von der Regierung gewünschten Ausbaudimensionen wachsen wird. Marktprognose in MW Marktprognose in MW Zubau Bestand 804 3.762 956 4.718 1.000 5.718 2014 2015 2016e 2017e 1.500 7.218 2018e 2.000 9.218 2019e 2.000 11.218 2020e 2.000 13.218 2025e k.A. 20.000 Installierte Windenergieanlagenkapazität in MW 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 Ø Wachstumsraten Bestand 2010 - 2015 28,8% 2015 - 2020e 22,9% 2020 - 2025e 8,6% 0 2012 2013 2014 2015 2016e 2017e 2018e 2019e 2020e ……. 2025e Quelle: EWEA, eigene Prognose HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 73 2.2 Fördersysteme im Überblick Zugang zum Fördersystem Andere Frankreich Quoten-/ Zertifikatesystem Kapitel 2.1.1 Marktprämie Land Deutschland Feste Einspeisevergütung Abschließend werden die in den vorangegangenen Kapiteln vorgestellten Länder und deren dominierende Fördersysteme für eine schnelle Referenz tabellarisch zusammengefasst: Anmerkungen Gültig ab 1.1.2017; Übergangsfrist bis 31.12.2018 für bereits genehmigte Anlagen unter altem Recht Onshore Offshore X X Tender Tender 2.1.2 Onshore Offshore X X Tender Tender Details sind noch durch eine Verordnung zu regeln; 18-monatige Übergangsfrist für bereits genehmigte Anlagen unter altem Recht Großbritannien 2.1.3 Onshore Offshore X X Tender Tender Ab 1.4.2017 keine Onshore-Förderung mehr Irland 2.1.4 Onshore Belgien 2.1.5 Onshore Offshore X X Gesetzlich Tender Niederlande 2.1.6 Onshore Offshore X X Tender Tender Dänemark 2.1.7 Onshore Offshore X X Gesetzlich Gesetzliche Neuregelung der Onshore-Förderung Tender steht noch aus Finnland 2.1.8 Onshore Offshore X X Gesetzlich Gesetzliche Neuregelung der Onshore-Förderung Gesetzlich ist in Vorbereitung Schweden 2.1.9 Onshore X Gesetzlich Norwegen 2.1.10 Onshore X Gesetzlich Polen 2.1.11 Onshore Offshore X X Estland 2.1.12 Onshore X Lettland 2.1.12 Onshore Litauen 2.1.12 Onshore X Tender Aktuelles Ausbauziel ist bereits ausgeschöpft Italien 2.1.13 Onshore Offshore X X Tender Tender Gültig bis 31.12.2016 Spanien 2.1.14 Onshore X Portugal 2.1.15 Onshore Rumänien 2.1.16 Onshore Türkei 2.1.17 Onshore Offshore X Gesetzlich Ende 2015 ausgelaufen; Gesetzesnovelle in Vorbereitung Tender Tender Gesetzlich Gesetzliche Neuregelung ist in Vorbereitung X Gesetzlich Förderung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt X X Gesetzlich Derzeit nur Förderung von Kleinanlagen X X X Quelle: EU-Kommission (www.res-legal.com), nationale Ministerien; Stand per 15.8.2016 SEITE 74 Tender Gesetzlich Gesetzlich Gültig ab 29.4.2016 Gesetzlich 3 Marktprognose Vor dem Hintergrund des erwarteten Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums in den Schwellen- und Entwicklungsländern ist in den kommenden Jahren von einer weiteren Zunahme des weltweiten Energieverbrauchs auszugehen. So erwartet die Energy Information Agency (EIA) bis zum Jahr 2040 im Vergleich zum Basisjahr 2012 einen Anstieg des weltweiten Gesamtenergieverbrauchs um durchschnittlich 1,4% pro Jahr, wobei der durchschnittliche jährliche Zuwachs in den OECD-Ländern auf 0,6% p.a. und in den Nicht-OECD-Ländern auf 1,9% p.a. veranschlagt wird. Getrieben von den internationalen Bemühungen zur Begrenzung der Erderwärmung ist dabei mit einer zunehmenden Substitution fossiler Energieträger durch Erneuerbare Energien zu rechnen. Vorreiter wird hier die Elektrizitätserzeugung sein. Doch die Welt braucht nicht nur einen höheren Anteil an CO2-freien „sauberen Strom“, sondern insgesamt erheblich mehr Strom. Denn neben einer Erhöhung der Energieeffizienz (d.h. eine Senkung des Energieverbrauchs) liegt der Schlüssel zum Klimaschutz insbesondere auch in einer CO2-freien „Elektrifizierung“ auf den Feldern der Gebäudeheizung und -kühlung und des Verkehrs. Entsprechend geht die EIA in ihren Prognosen bis 2040 von einer mit 1,9% p.a. überdurchschnittlich stark steigenden Stromnachfrage aus. Die Energieerzeugung aus Erneuerbaren Energiequellen soll dabei weltweit bis zum Jahr 2040 um 2,9% p.a. zunehmen. Neben ökologischen Aspekten befördern erfreulicherweise auch wirtschaftliche Aspekte den Ausbau der Windenergie. Langfristig wird die Stromerzeugung durch Windkraft günstiger, während fossile Energieträger perspektivisch angesichts begrenzter Ressourcen unter steigenden Brennstoffkosten leiden werden. Wir gehen davon aus, dass der Windenergiemarkt regional noch weiter an Breite gewinnen wird. Weitere Länder werden erstmals WEA-Installationen aufweisen, in vielen anderen werden nennenswerte Volumina erreicht. Deutschland wird in den nächsten Jahren – trotz einer engeren Zubausteuerung seitens der Politik - absehbar europäischer Spitzenreiter bleiben. Hierbei werden das Repowering an bereits mit älteren WEA bebauten Standorten sowie die Offshore-Windkraft eine wichtigere Rolle spielen. In Europa rechnen wir in diesem Jahr mit einem Zubau von 12,1 GW, was einem Rückgang um 1,7 GW im Vergleich zum Vorjahreswert entspricht und vollständig auf eine geringere Anschlussleistung von Offshore-Windparks zurückgeführt werden kann. Für das Jahr 2020 erwarten wir dann eine Steigerung auf 16,3 GW. Im Fünfjahres-Ausblick errechnet sich daraus ein durchschnittliches jährliches Bestandswachstum von 8,1%. Im Langfristszenario ergibt sich basisbedingt ein Rückgang des Wachstumstempos auf 6,1% p.a. Die erwartete Zubauentwicklung in den größeren Windenergiemärkten in Europa ist in der nachfolgenden Grafik zusammengefasst. Prognose der jährlich neu installierten Windleistung in Europa, in GW 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 2014 Deutschland Irland 2015 2016e Frankreich Schweden 2017e Niederlande Finnland 2018e Belgien Norwegen 2019e 2020e Großbritannien Europa sonstige Quelle: EWEA, HSH Nordbank AG HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 75 Außerhalb Europas wird der Kapazitätszubau nach Einschätzung des GWEC in den nächsten Jahren in allen Regionen ebenfalls zulegen. So beziffert der Welt-Dachverband der Windenergiebranche den Zubau nach 63 GW in 2015 für das laufende Jahr auf 64 GW und prognostiziert für das Jahr 2020 eine weitere Zunahme auf dann 79,5 GW an neu installierten Anlagen. Hierbei unterstellt das GWEC, dass sich die positive Marktentwicklung in den beiden weltweit größten Märkten (China und USA) friktionsfrei fortsetzt. In 2020 soll der weltweit installierte Anlagenbestand von 432,9 GW per Ende 2015 auf 792,1 GW gestiegen sein. Für Europa ist das GWEC in 2016 und 2017 etwas optimistischer als unsere Marktprognose, während wir in den Jahren 2018 bis 2020 einen vergleichsweise stärkeren Zubau erwarten. In unsere Prognosen sind verschiedene Faktoren eingeflossen. Wir haben uns primär auf die Vorhersagen für die einzelnen Märkte konzentriert und länderindividuelle Ziele sowie die nationalen Entwicklungspläne innerhalb der EU berücksichtigt. Dabei wurden insbesondere die erwartete Entwicklung des Strombedarfs, Förderbedingungen und rechtliche Stabilität sowie natürliche Gegebenheiten berücksichtigt. Soweit Datenmaterial über geplante Projekte vorhanden war, ist dieses in die Prognoserechnung, die wir „Windmodell“ nennen, eingeflossen. Ausgewiesen werden jeweils die Nettozubauvolumina, d.h. in Ländern mit größeren Repowering-Aktivitäten wie Dänemark und Deutschland, kann der Bruttozubau deutlich vom Nettozubau abweichen. Das „Windmodell“ Bestand 2013 Netto-Zubau 2014 2015 2016e Bestand Wachstum p.a. 2017e 2018e 2019e 2020e 2020e 2025e 2015-20e 2020-25e Belgien 1.666 1.959 2.229 250 365 854 200 936 4.834 6.300 16,7% 5,4% Dänemark 4.807 4.887 5.070 100 100 100 250 750 6.370 7.600 4,7% 3,6% 34.250 39.128 44.947 3.892 3.174 3.492 3.350 3.250 62.105 76.300 6,7% 4,2% 280 303 303 100 50 50 50 50 603 1.600 14,8% 21,6% Deutschland Estland Finnland 449 631 1.005 800 800 150 150 150 3.055 4.000 24,9% 5,5% Frankreich 8.243 9.285 10.358 1.500 1.500 1.786 1.928 2.710 19.782 29.420 13,8% 8,3% Großbritannien 10.711 12.633 13.603 1.300 1.340 2.696 2.250 700 21.889 26.200 10,0% 3,7% Irland 2.049 2.272 2.486 300 240 260 280 300 3.866 5.600 9,2% 7,7% Italien 8.558 8.663 8.958 200 700 800 800 600 12.058 17.400 6,1% 7,6% 62 62 62 0 0 0 0 0 62 100 0,0% 10,0% Lettland Litauen Niederlande Norwegen Polen 279 280 424 120 0 50 100 100 794 1.800 13,4% 17,8% 2.713 2.852 3.431 860 740 500 500 1.900 7.931 11.900 18,2% 8,5% 771 811 856 50 250 400 600 900 3.056 4.100 29,0% 6,1% 3.390 3.834 4.978 200 250 250 200 200 6.078 8.400 4,1% 6,7% Portugal 4.731 4.947 5.079 100 100 100 100 100 5.579 6.100 1,9% 1,8% Rumänien 2.773 3.244 3.244 0 0 0 0 0 3.244 4.200 0,0% 5,3% 8,2% Schweden Spanien Türkei Sonstige* Total Europa 4.470 5.425 6.029 740 700 700 600 600 9.369 13.900 9,2% 22.959 22.975 23.008 20 200 300 400 400 24.328 26.300 1,1% 1,6% 2.958 3.762 4.718 1.000 1.500 2.000 2.000 2.000 13.218 20.000 22,9% 8,6% 5.752 6.544 7.160 600 600 600 700 652 10.312 22.230 7,6% 16,6% 121.871 134.497 147.948 12.132 12.609 15.088 14.458 16.298 218.533 293.450 8,1% 6,1% Quelle: EWEA, HSH Nordbank AG SEITE 76 Abkürzungsverzeichnis AKWAtomkraftwerk ARA Hafenregion Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen AWEA American Wind Energy Association BWEA British Wind Energy Association BWE Bundesverband WindEnergie e.V. CCS Carbon Dioxide Capture & Storage CFD Contract for Difference CO2Kohlenstoffdioxid CREG Commission de Régulation de L’Electricité et du Gaz (Belgien) CSP Concentrated Solar Power CSPE Contribution au Service Public de l’Électricité DCENR Department of Communications, Energy and Natural Resources (Irland) DECC Department of Energy & Climate Change (Großbritannien) DKK Dänische Krone EBRD Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EE Erneuerbare Energien EEA Europäische Umweltagentur EEGErneuerbare-Energien-Gesetz EIA Energy Information Agency, eine Behörde des US-Energieministeriums EPR European Pressurized Water Reactor ESM Europäischer Stabilitätsmechanismus EU Europäische Union EWEA European Wind Energy Association GBP Britisches Pfund GW Gigawatt = 1,000 MW = 1,000,000 kW = 1,000,000,000 Watt GWhGigawattstunde GWEC Global Wind Energy Council IEA Internationale Energieagentur IWEA Irish Wind Energy Association kW Kilowatt = 1,000 Watt kWhKilowattstunde LCoE Levelized Cost of Energy MW Megawatt = 1,000 kW = 1,000,000 Watt MWhMegawattstunde NCC National Control Commission for Prices and Energy (Litauen) NVE Norges Vassdrags- og Energidirektorat (Norwegen) p.a. per annum = pro Jahr PPA Power Purchase Agreement PSO Public Service Obligation REFIT Renewable Energy Feed-in Tariff REN21 Renewable Energy Policy Networkfor the 21st Century RO Renewables Obligations ROC Renewables Obligation Certificate SDE Stimulering Duurzame Energieproductie TRL Türkische Lira TW Terawatt = 1,000 GW = 1,000,000 MW = 1,000,000,000 kW TWhTerawattstunde UNEP United Nations Environment Programme VREG Vlaamse Regulator van de Elektriciteits- en Gasmarkt (Belgien) CWaPE Commission Wallonne Pour L’Energie (Belgien) WEAWindenergieanlage HSH NORDBANK.DE BRANCHENSTUDIE WINDEnERGIE September 2016 seite 77 IMPRESSUM HERAUSGEBER / Redaktion und Ansprechpartner HSH NORDBANK AG HAMBURG: Gerhart-Hauptmann-Platz 50, 20095 Hamburg, Telefon 040 3333-0, Fax 040 3333-34001 KIEL: Martensdamm 6, 24103 Kiel, Telefon 0431 900-01, Fax 0431 900-34002 www.hsh-nordbank.de Unternehmenskunden Lars Quandel Leiter Energie & Versorger [email protected] Tel.: 040 3333-14035 Inka Klinger Teamleiterin Vertrieb Deutschland [email protected] Tel.: 040 3333-11343 Nils Driemeyer Teamleiter Vertrieb Europa [email protected] Tel.: 040 3333-11182 Autor Volker Brokelmann, CFA, CEFA [email protected] Tel.: 040 3333-12249 Disclaimer Die in dieser Studie enthaltenen Marktinformationen sind von der HSH Nordbank AG zu allgemeinen Informationszwecken erstellt worden und ausschließlich zur Information bestimmt. Sie ersetzen weder eigene Marktrecherchen noch sonstige rechtliche, steuerliche oder finanzielle Information oder Beratung. Es handelt sich hierbei nicht um eine Kauf- oder Verkaufsaufforderung. Die HSH Nordbank AG weist darauf hin, dass die dargestellten Marktinformationen nur für Personen mit eigener wirtschaftlicher Erfahrung, die die Risiken und Chancen des/der hier dargestellten Marktes/Märkte abschätzen können und sich umfassend aus verschiedenen Quellen informieren, bestimmt sind. Jeder Nutzer dieser Studie muss sich sein eigenes Urteil darüber bilden, ob die hier präsentierten Daten und Ergebnisse für die von ihm gewählte Verwendung geeignet sind und seinen Ansprüchen genügen. Die in dieser Studie enthaltenen Aussagen und Angaben basieren auf Informationen, die die HSH Nordbank AG gründlich recherchiert, sorgfältig und gewissenhaft ausgewählt hat bzw. aus allgemein zugänglichen, von der HSH Nordbank AG nicht überprüfbaren Quellen, die sie für verlässlich erachten, bezogen hat. Die HSH Nordbank AG hält die verwendeten Quellen zwar für verlässlich, konnte deren Zuverlässigkeit jedoch nicht mit letzter Gewissheit überprüfen. Die einzelnen Informationen aus diesen Quellen konnten nur auf Plausibilität überprüft werden, eine Kontrolle der sachlichen Richtigkeit fand nicht statt. Zudem enthält diese Studie Schätzungen und Prognosen, die auf zahlreichen Annahmen und subjektiven Bewertungen der HSH Nordbank AG als auch anderer Quellen beruhen und lediglich unverbindliche Auffassungen über Märkte und Produkte zum Zeitpunkt der Herausgabe darstellen. Trotz sorgfältiger Bearbeitung übernehmen die HSH Nordbank AG und ihre Mitarbeiter und Organe keine Gewähr für Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der bereitgestellten Informationen und Prognosen. 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