SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Michael Stübgen, CDU, gab heute, 30.09.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Flüchtlings-Referendum in Ungarn“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis. Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 30.09.2016 Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information CDU-Politiker Stübgen: Ungarn nicht zur Aufnahme von Flüchtlingen zwingen Baden-Baden: Der Vorsitzende der deutsch-ungarischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Michael Stübgen, ist dagegen, Länder wie Ungarn zur Aufnahme von Flüchtlingen zu zwingen. Er habe Verständnis für die Angst vieler Ungarn vor unkontrollierter Zuwanderung, sagte der CDU-Politiker im SWR (Südwestrundfunk). Deshalb sei Druck das falsche Mittel, es müsse vielmehr eine einvernehmliche EU-Regelung geben. Solange in der EU keine Verteilstruktur existiere, bei der alle mitmachten, müssten Länder, die guten Willens sind, freiwillig Kontingente von Flüchtlingen aufnehmen, forderte Stübgen. Deutschland tue das bereits – jeden Monat kämen 500 Menschen hierher. Weitere Länder dürften sich daran gerne ein Beispiel nehmen. Der CDU-Politiker ist der Meinung, der geplante, zeitlich begrenzte Verteilmechanismus für 160.000 Flüchtlinge auf Basis der Europäischen Verträge sei zulässig. Endgültig müsse aber demnächst der EuGH darüber entscheiden. Unabhängig von dem anstehenden Gerichtsurteil hält Stübgen es für unabdingbar, eine „solch sensible Frage“ gemeinsam zu lösen; „alle müssen zustimmen und alle müssen mitmachen.“ Wortlaut des Live-Gesprächs: Theis: Viele Ungarn haben Angst, dass zu viele Fremde kommen. Das ist ja ein bisschen auch wie bei uns. Haben Sie dafür Verständnis? Stübgen: Ja, habe ich. Ich bin sehr oft in Ungarn und eine Grundhaltung in der Bevölkerung ist da nicht wesentlich unterschiedlich zur deutschen Bevölkerung. Und zwar haben die Ungarn Bedenken, wenn es zur unkontrollierten Zuwanderung kommt, wie wir sie vor einem Jahr erlebt haben. Das ist kein großer Unterschied zur deutschen Haltung der Bürger, die auch dort große Ängste haben. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Theis: Dass ein Land wie Ungarn den Überblick behalten will, wer alles einreist, das mag ja hingehen. Aber muss Ungarn den Flüchtlingen nicht die Möglichkeit geben, an der Grenze Asyl zu beantragen? Stübgen: Ja, das macht Ungarn auch. Und zwar haben sie ja diese - also da muss man jetzt die serbische Außengrenze, die ungarisch-serbische Außengrenze anschauen, dort sind die Durchgänge, wo Migranten einen Asylantrag stellen können. Nach ungarischen Angaben haben sie in diesem Jahr 24.000 Asylbewerber aufgenommen. Man kann nicht sagen, dass sie dort einfach nur dicht machen. Es gibt diese Möglichkeit. Allerdings, das ist ja die Situation auch in Polen, auch in Kroatien und Slowenien und Tschechien, dass die meisten Migranten nicht dort bleiben wollen, sondern überwiegend lieber nach Deutschland wollen, weil sie wissen, dass die Leistungen bei uns eben deutlich höher sind. Theis: Das mag ja sein, trotzdem scheint es so, dass die Ungarn die Flüchtlinge, die bei ihnen ankommen nicht angemessen behandeln. Amnesty International sagt, Flüchtlinge in den so genannten Transitzonen an der ungarisch-serbischen Grenze werden geschlagen und getreten und von Hunden gejagt. Das kann doch so nicht sein, oder? Stübgen: Nein, wenn das so wäre, dann wäre das auch nicht in Ordnung. Ich kenne diese Behauptung, habe aber keine bestätigten Informationen. Ich weiß auch, dass Organisationen wie Amnesty International und Pro Asyl gelegentlich etwas einseitig darstellen. Dass es Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Migranten gibt, das passiert auch in Deutschland. Hier kommt aber glücklicherweise keiner dazu, zu behaupten es wäre eine systematische Verfolgung von Migranten. Manchmal ist die Reaktion der Polizei unangemessen. Manchmal geht auch die Provokation, die Gewalt, von Migranten aus. Also, wie gesagt, ich kann dazu nichts sagen, weil ich keine bestätigten Informationen habe. Ich kenne Erstaufnahmeeinrichtungen in Ungarn, die habe ich im vorigen Jahr besucht. Ich kenne die Art und Weise des Durchgangs an der Außengrenze, und die genügt den Anforderungen der UNFlüchtlingskonvention. Theis: Der ungarische Ministerpräsident Orbán schlägt vor, große Flüchtlingslager außerhalb der EU zu schaffen, von der EU zu finanzieren und zu überwachen. Halten Sie das für eine gute Idee? Stübgen: Ja, das ist ja eine Orientierung, die in Wien alle Staats- und Regierungschefs am vergangenen Wochenende getroffen haben. Das ist eine Position der Bundeskanzlerin, auch des Bundesinnenministers, dass wir versuchen müssen, die starke Migration so zu organisieren, dass wir zum Beispiel auch Auffanglager außerhalb der Europäischen Union machen, in denen dort die Erstaufnahme organisiert werden kann, die erkennungsdienstliche Behandlung, und dann eine Verteilung in Europa. Dieser Punkt ist allerdings in der Europäischen Union noch sehr umstritten. Theis: Ja, das ist genau die Frage. Dann sind immer mehr Menschen in diesen Lagern, die müssen irgendwohin, so wie jetzt schon in Griechenland und Italien. Und was machen wir dann mit denen? Stübgen: Zunächst ist es ja so, dass von den Migranten, die nach Europa wollen, also deutlich unter 50 Prozent - das ist jetzt immer unterschiedlich - wirklich auch Flüchtlinge sind. Also Flüchtlinge, denen wir auf jeden Fall Schutz gewähren müssen und auch wollen. Da gibt es überhaupt keine Frage. Und es geht weiterhin auch darum, dass man das natürlich separiert. Wir werden es in Europa nicht schaffen, jeden aufzunehmen, der hierherkommt, weil er besser leben will, hofft besser leben zu können als in seiner Heimat. Theis: Aber um die Menschen geht’s… Stübgen: Das ist zwar ein verständlicher Wunsch … Theis: Aber um die Menschen geht es ja gar nicht. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Stübgen: Aber das wird nicht funktionieren. Theis: Ja, wir müssen ja erst mal die verteilen, die tatsächlich auch ein Anrecht haben hier zu sein und zu bleiben. Was ist mit denen? Stübgen: Ja gut, also Deutschland hat da im letzten Jahr, glaube ich, seine Pflicht sehr stark erfüllt, und das ist jetzt gerade die offene Frage, weil diese Verteilung der 160.000 stockt. Ungarn, aber auch andere Länder klagen ja gegen diese Verfahrensweise. Es ist nicht ganz sicher, wie das im Europäischen Gerichtshof ausgeht. Ich bin der Überzeugung, wir müssen schlussendlich hier zu einer Regelung kommen. Im Moment ist es so, dass ja mindestens Deutschland sich bereiterklärt hat, jetzt 500 im Monat von diesem 160.000-Kontigent aufzunehmen, ein Jahr lang, dann 6.000. Wir müssen, solange es da keine einvernehmliche Regelung gibt, so arbeiten, dass „Good-Will-Länder“ dort vorangehen, da könnte es auch noch ein paar geben wie Deutschland, die erst mal aufnehmen. Ich bin aber sicher, wir müssen zu einer Verteil-Struktur kommen. Theis: Und die andern könnte man, die anderen Länder wie Ungarn oder Polen, könnte man am Ende dazu zwingen? Stübgen: Ich glaube, das wird mit Zwingen nicht funktionieren. Es geht ja bei dem Referendum in Ungarn darum, dass, da bin ich relativ sicher, wie die Bürger entscheiden werden, dass die EU das nicht gegen den Willen des ungarischen Parlaments, also des ungarischen Souveräns machen darf. Ob das geht, wird der EuGH irgendwann in den nächsten Monaten entscheiden. Nach meiner Lesart ist diese 160.000-Quote, diese beschränkten Bedingungen, auch zeitlich befristet, sind die nach den europäischen Verträgen möglich. Aber ich glaube, letztlich ist es egal. Solch eine sensible Frage muss die EU gemeinsam lösen. Das heißt, es müssen alle zustimmen und dort alle mitmachen. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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