„Die Niedrigzinsen haben nicht nur negative Effekte“

MULTI ASSET
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„Die Niedrigzinsen haben
nicht nur negative Effekte“
INTERVIEW Cash. sprach mit Lucio Soso, Leadmanager des BB Global Macro Fonds
von Bellevue Asset Management, über die erfolgreiche Entwicklung seines Multi-Asset Fonds. Aktuell entdecken immer mehr Anleger den Fonds.
stoffpreise nach einem raschen Anstieg
der Kreditvolumina belasten die Schwellenländer. Dieses Szenario gewichten wir
mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent. Unser drittes Szenario, ebenfalls
mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von
20 Prozent, geht von einer globalen Wirtschaftsflaute aus. Eine mögliche Ursache
dafür könnte eine rapide Abwertung des
chinesischen Yuan sein, die sich negativ
auf das Wachstum in vielen Industrienationen auswirken würde. Die Kreditblase
in China ist gigantisch. So hat sich das
Kreditniveau im Unternehmensbereich
in weniger als zehn Jahren vervierfacht.
Daher könnte eine Wertminderung des
Yuan die heimische Wirtschaft entlasten.
Mit welcher Entwicklung rechnen Sie bei
den Währungen?
Soso: Im Allgemeinen gehen wir keine
großen Währungswetten im Portfolio ein,
denn wir erachten es als schwierig, Währungsentwicklungen zu prognostizieren.
Grundsätzlich sind 90 Prozent unseres
Portfolios gegen Währungsverluste gegenüber dem Euro, der Hauptwährung
des Fonds abgesichert. Unsere aktiven
Wetten machen rund zehn Prozent aus.
Derzeit sind wir short gegenüber dem
chinesischen Yuan. In praktisch allen
unseren Szenarien bleibt die Währung
stabil, was das Verlustrisiko stark begrenzt. Es besteht allerdings die Gefahr,
dass sich aus der Kreditblase in China eine massive Abschwächung der Währung
ergibt. Kurzum, die Regierung könnte
zum Schluss kommen, dass der einfachste Weg zur Normalisierung der chinesischen Wirtschaft in einer Abwertung des
Yuan um 20 bis 30 Prozent besteht.
Wie ist ihr Portfolio derzeit positioniert? Soso: Mit einer Netto-Short-Position von
drei Prozent sind wir in Staatsanleihen
weiterhin vorsichtig positioniert. Nach
dem Brexit-Votum erlebten Staatsanleihen eine starke Rally. Warnsignale unserer Bewertungsindikatoren veranlassten
uns zu einer deutlichen Verringerung
dieser Papiere. Risikoanlagen mit einer
Long-Position in Aktien (28 Prozent) und
Nicht-Staatsanleihen (13 Prozent) stehen
wir jedoch konstruktiv gegenüber. Wir
möchten uns im aktuellen Umfeld nicht
zu aggressiv positionieren, da die Szenarien zwei und drei recht negativ ausfallen.
Deshalb weichen wir auch von unserer
Standard-Asset Allokation von 75 Prozent
Staatsanleihen und 25 Prozent Aktien ab.
Wie kommen Sie auf eine Standardallokation von 75 Prozent Staatsanleihen
und 25 Prozent Aktien für ein gemischtes
Portfolio?
Soso: Die große Herausforderung von
heute ist, dass sich die Zinsen auf historischen Tiefstständen bewegen und irgendwann in der Zukunft steigen werden. Seit
1981 befinden wir uns in einer Phase von
fallenden Zinsen und nur wenige Investoren dürften sich an das Marktverhalten in
Phasen von steigenden Zinsen erinnern.
Allerdings gibt es eine Periode in nicht
allzu ferner Vergangenheit, nämlich zwischen 1945 und 1981, als die Zinsen über
mehr als 30 Jahre graduell angestiegen
sind. Wir konnten für diesen Zeitraum
historische Datenreihen ausfindig machen und haben diese danach untersucht,
welche Anlagestrategien am besten funktionierten. Das Ergebnis präsentierte eine überraschend einfache Lösung: Das
Portfolio mit dem höchsten Sharpe Ratio
wäre ein neutrales Portfolio bestehend aus
75 Prozent Staatsanleihen und 25 Prozent
Aktien gewesen. Dieses Portfolio scheint
ebenfalls das beste Sharpe Ratio zu ergeben, wenn die Zinsen stabil bleiben oder
fallen. Es gibt lediglich ein Szenario, in
welchem dieses neutrale Portfolio nicht
funktioniert, nämlich dann wenn die Zinsen schnell und stark ansteigen, wovon
wir jedoch nicht ausgehen. Mit anderen
Worten, die weit verbreitete Meinung,
wonach sich Investoren in Zeiten von steigenden Zinsen von Anleihen – und dann
Lucio Soso, Bellevue Asset Management AG: „Wir sehen derzeit ganz klar Momentum
beim Fondsvolumen. Ende Juli wurde die Marke von 200 Millionen Euro überschritten.“
FOTO: BELLEVUE ASSET MANAGEMENT AG
Herr Soso, wir erleben ein turbulentes
Börsenjahr. Wie hat sich Ihr BB Global
Macro Fonds bisher gemeistert?
Soso: Wir sind sehr zufrieden mit der
bisherigen Entwicklung. Per Ende Juli
liegen wir mit fast 4,5 Prozent im Plus
bei einer Volatilität von 5,3 Prozent per
annum. Damit sind wir auf Kurs. Unser
Ziel ist eine unabhängig vom Marktumfeld positive und konsistente Rendite von
rund 5,0 bis 7,0 Prozent pro Jahr. Dies
bei einer annualisierten Volatilität von
ebenfalls 5,0 bis 7,0 Prozent.
Macht sich dieser Erfolg auch auf der
Nachfrageseite bemerkbar?
Soso: Absolut. Wir sehen derzeit ganz
klar Momentum beim Fondsvolumen.
Der Fonds besitzt nun einen Track Record von über fünf Jahren, was uns sehr
optimistisch stimmt, dass die Nachfrage
weiter steigt. So haben wir im Juli die
Marke von 200 Millionen Euro Assets
under Management überschritten.
Kommen wir auf die Finanzmärkte zu
sprechen. Wie wird sich aus Ihrer Sicht
die Weltwirtschaft entwickeln?
Soso: Die Märkte vorherzusagen erachten wir als sehr schwierig. Wir versuchen deshalb die Faktoren, welche die
Märkte bewegen, zu verstehen und leiten
daraus in der Regel drei Zukunftsszenarien mit unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit ab. In unserem derzeitigen
Hauptszenario mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 60 Prozent gehen wir
von steigenden Aktienmärkten und Renditen von Staatsanleihen in einem durch
langsames weltweites Wirtschaftswachstum geprägten Umfeld aus.
Das hört sich durchaus optimistisch an. Wie
sieht es mit den anderen Szenarien aus?
Soso: In unserem zweiten Szenario gehen
wir davon aus, dass die Ausbreitung von
Schuldenproblemen in den Schwellenländern nach wie vor Anlass zur Besorgnis
gibt. Rückläufiges Wirtschaftswachstum,
Währungsabwertungen und fallende Roh-
vor allem von langfristigen Anleihen –
verabschieden sollten, ist nicht unbedingt
zutreffend. Und dies ist der Grund, dass
wir einen 75/25-Prozent-Mix als neutrales Portfolio halten. Darüber hinaus
hielten wir für uns fest, dass die kurzfristigen Zinsen möglicherweise noch länger
künstlich tief gehalten werden, sodass die
Fremdkapitalaufnahme (Leverage) weiterhin künstlich sehr günstig ist. Leverage
kann dann gefährlich werden, wenn ein
hoher Anteil davon auf einem illiquiden
Portfolio gehalten wird. Unsere Anlagestrategie indessen ist sehr liquide, sodass
ein gemässigter Leverage
Wie unterscheidet sich Ihr Managementansatz von anderen Produkten auf dem Markt?
Soso: Um ambitionierte Renditeziele zu
erreichen, gehen wir in unserer BB Global
Macro Strategie vom Ansatz eines Mischfonds aus. Ein klassisches konzentriertes
Mischportfolio aus Aktien und Renten ist
in der Regel jedoch anfällig für steigende
Zinsen. Wir können deshalb unser Portfolio breit aufstellen und weltweit in sämtliche liquide Anlageklassen investieren.
Hierzu gehören Aktien – besonders in
Form von Aktienindizes – und Anleihen,
aber auch Rohstoffe und Währungen. Zur
Bewirtschaftung des Fonds können auch
Short-Strategien umgesetzt und Leverage
in einem begrenzten Umfang eingegangen werden. Die Ausrichtung des Portfolios an einer klassischen Benchmark
entfällt dadurch.
Wie schaffen Sie es, angesichts der Vielzahl an Assetklassen die Risiken im Griff
zu behalten?
Soso: Das Risikomanagement ist integraler Bestandteil und Impulsgeber des
Anlageprozesses. Hierfür hat Bellevue
eine eigene Risikomanagement-Software
entwickelt, welche verschiedene quantitative Modelle kombiniert. Das Portfolio
Management Team hält aktiv Ausschau
nach Anlageideen, welche einem spezi-
fischen Risikoprofil entsprechen und die
innerhalb des Risikomodells simuliert
werden, um deren Interaktion mit dem
bestehenden Portfolio zu bestimmen.
Wie gehen Sie bei der Auswahl von Einzelpositionen vor?
Soso: Eine der zentralen Herausforderungen bei globalen Investments in mehrere
Anlageklassen besteht in der Größe des
Anlageuniversums. Unser Anlageprozess
startet mit der Analyse des Wirtschaftszyklus in den verschiedenen Regionen
der Welt. Auf Grundlage der Analyseergebnisse formulieren wir drei Anlageszenarien. Im zweiten Schritt suchen wir
Anlageideen, die unter den Szenarien mit
der größten Eintrittswahrscheinlichkeit
eine positive Performance bieten. Bei der
Evaluation bedienen wir uns mehrerer
quantitativer Modelle, die wir im Laufe
der letzten 20 Jahre entwickelt haben.
Dank dieser Modelle können wir fundierte Entscheidungen über Aktien aus
mehr als 50 Ländern und Bondmärkten in
über zehn Währungen treffen. Der dritte
Schritt besteht in der Konstruktion des
Portfolios. Dies geschieht mit Hilfe unserer firmeneigenen „Risk Engine“, einem
für das Risikomanagement konzipierten
Tool, das das Gesamtrisiko des Portfolios
und die Risikoauswirkung jeder einzelnen Position analysiert. Auf diese Weise
können wir die passende Größe für jede
Position bestimmen.
Stichwort Leverage – was hat es damit
auf sich?
Soso: Die Niedrigzinsen haben nicht
nur negative Effekte für Anleger. Beim
aktuell rekordtiefen Niveau können wir
günstig ein begrenztes Leverage von typischerweise 20-50 Prozent aufbauen, um
so eine Extrarendite von ein bis zwei Prozent pro Jahr zu erwirtschaften.
Welche Rolle spielt das Eingehen von
Short-Positionen in Ihrer Strategie?
Soso: Die diversen QE-Programme der
Notenbanken führen weiterhin zu einer
großzügigen Liquiditätsversorgung der
Finanzmärkte und zu einem entsprechenden Anlagebedarf. Wir implementierten deshalb über die vergangen drei
Jahre kaum Short Positionen im Portfolio. Sollten die Zinssätze in Zukunft
jedoch schneller als erwartet steigen,
so haben wir jederzeit die Möglichkeit,
das Portfolio vor Marktkorrekturen zu
schützen.
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Das Gespräch führte
Tim Rademacher, Cash.