Impressionen von der September-SVV

Impressionen von der September-SVV
Erschöpft, aber nicht unglücklich verließen wir Stadtverordneten gestern gegen 22.00
Uhr den Rathaussaal. Wie immer waren nach der Sommerpause viele Vorlagen
abzuarbeiten; den meisten konnte von allen Fraktionen dank einer
konsensorientierten Vorarbeit in den Ausschüssen mit großer Mehrheit zugestimmt
werden. Funktioniert hatte offenbar auch die Konsensbildung zwischen Personalrat
und Verwaltung zum Personalvertretungskonzept, das diesmal nicht, wie im
vergangenen Jahr, bei der Mehrheit der Stadtverordneten durchfiel, weil es zu
intransparent, zu wenig vorausschauend war. Die Personalratsvorsitzende Claudia
Sellin-Stieger resümierte: "Ihre Ablehnung in der SVV voriges Jahr hat einen
konstruktiven Dialog mit der Verwaltung in Gang gesetzt und zu dem vorliegenden
Ergebnis geführt. Dafür sei Ihnen gedankt."
Die Diskussionsschwerpunkte lagen, wie zu erwarten, bei den Vorlagen 260 – zur
Entwicklung des Packhofgeländes – und 255 – zur Aufstellung eines neuen
Bebauungsplans für die Industriebrache in der Neuendorfer Straße. Während das
Thema Packhof auch diesmal viele Gäste aus der Bürgerinitiative auf den Plan
gerufen hatte, fand die Kehrtwendung in Sachen "Sondergebiet großflächiger
Einzelhandel Neuendorfer Straße" recht unspektakulär statt.
Mit 24 Ja-, 16 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen wurde die Vorbereitung eines
Bauleitverfahrens und die Aushandlung aller erforderlichen Verträge zur Entwicklung
des Packhofgeländes beschlossen. Die Bedenken der Bürgerinitiative und eines Teils
der Stadtverordneten sollen, so das Trostpflaster, in den nun folgenden Schritten der
Realisierung des Projekts berücksichtigt werden. DIE LINKE hat sich gegen diesen
Beschluss positioniert, und zwar nicht, weil sie die Bebauung grundsätzlich
blockieren will, sondern weil sie frühere Bebauungsabsichten, wie sie z. B. in dem
"moderierten Strukturkonzept" von 2012 festgehalten sind, nicht genügend
berücksichtigt findet und weil sie der Meinung ist, dass zuerst weitere Schritte zur
Lösung der offensichtlichen Verkehrsprobleme diskutiert werden müssen, und zwar
in einem breiten bürgerschaftlichen Dialog. Dies für einen "Schaufensterbeschluss"
zu halten, wie Dirk Stieger von der neu gegründeten Fraktion "Bürger für Bürger"
einschätzt, ist ungehörig. Da drängt sich im Gegenzug doch glatt die Frage auf, ob
"BüfüBü" denn wirklich das Wohl der Bürger im Auge haben, wenn sie sich in
Sachen Packhof so kritiklos auf die Seite der Verwaltung stellen. Überhaupt glitt die
Diskussion passagenweise ins Ideologische ab, etwa wenn Ralf Weniger (CDU) der
"SED-Nachfolgepartei" die Berechtigung absprechen wollte, mehr Demokratie in der
Meinungsbildung zu verlangen. Der Vorwurf war ausgerechnet an die Adresse von
René Kretzschmar gerichtet, der zu SED-Zeiten noch ein Kind war. Und dies
ausgerechnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft vieler jetziger CDU-Mitglieder
in der damaligen SED oder einer ihrer "Blockflöten". Dagegen lässt sich mit einer
Frage wie der von Frau Dr. Didczuneit-Sandhop (CDU) sehr viel anfangen: Ob denn
die Bürgerinitiative auch mit bedenken würde, dass der Auto- und
Parkplatzsuchverkehr in der Altstadt beständig zugenommen habe und schon jetzt für
die Anwohner schwer erträglich sei?
Was lange währt, wird endlich gut? Jedenfalls soll die Industriebrache (ehemalige
Stärkefabrik) in der Neuendorfer Straße nach 8 Jahren Hickhack nun doch mit dem
Segen der Verwaltung als "Wohngebiet und Sondergebiet großflächiger Einzelhandel"
entwickelt werden. Vorher wurde der Mehrheitswille des SVV jahrelang mit dem
Argument für nichtig erklärt, dass sich das Vorhaben nicht mit dem
Einzelhandelskonzept vertrage. Die jetzige Begründung, dass andere Kaufhallen
dicht gemacht haben und ein Supermarkt unweit von REWE – plus Sahnehäubchen
Wohnbebauung – nun angebracht sei, vermag nicht so recht zu überzeugen. Als
LINKE haben wir Jahr um Jahr für einen EDEKA-Frischemarkt an dieser Stelle
gekämpft, auch, als der Kampf schon aussichtslos schien. Dass plötzlich alles
möglich sein soll, hinterlässt zumindest einen schalen Beigeschmack. Trotzdem
haben wir der Vorlage zugestimmt.
Ein Wort noch zum Tagesordnungspunkt 5, Bericht der Oberbürgermeisterin über
wichtige Gemeindeangelegenheiten: Besonders ausführlich ging Dr. Tiemann auch
diesmal auf Sportereignisse und -erfolge ein, die mit der Stadt Brandenburg verknüpft
sind. Wer mag sich nicht über das gute Abschneiden von Ronja Fini Sturm bei
Olympia oder Martina Willing bei den Paralympics freuen? Ich hätte mir nur
gewünscht, dass auch das Brandenburger Theater und sein derzeit ungewisses
Schicksal einer Erwähnung wert gewesen wäre.
Dr. Uta Sändig
Stadtverordnete, Fraktion DIE LINKE