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Gottesdienst am 18. Sonntag nach Trinitatis
25. September 2016 um 9.30 Uhr Kreuzkirche und um 11.00 Uhr in der
Jubilate-Kirche mit Begrüßung der neuen Konfis und Finissage der
„Unterwasserwelten“
Pastorin Dr. Kirstin Faupel-Drevs
1. Lesung, 2. Mose 20:
Die Zehn Gebote
201 Und Gott redete alle diese Worte:
2 Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft,
geführt habe. 3 Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
4 Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis** machen, weder von dem, was
oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im
Wasser unter der Erde ist:** 5 Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der
HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins
dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, 6 aber Barmherzigkeit
erweist an vielen tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
Evangelium, Mk 12,28-34
Die Frage nach dem höchsten Gebot
28 Und es trat zu ihm einer von den Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie
sie miteinander stritten. Und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er
ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? 29 Jesus aber antwortete ihm: Das
höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und
du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele,
von ganzem Gemüt** und von allen deinen Kräften**« (5.Mose 6,4-5). 31 Das andre
ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose 19,18). Es
ist kein anderes Gebot größer als diese.
32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Meister, du hast wahrhaftig recht geredet!
Er ist nur einer, und ist kein anderer außer ihm; 33 und ihn lieben von ganzem
Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie
sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 34 Als Jesus aber
sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich
Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
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Liebe Gemeinde
Am vergangenen Wochenende war ich wegen einer Familienfeier in Fritzlar; das
liegt in Hessen. In der Mitte des schönen kleinen Fachwerkstädtchens liegt ein
imposanter Dom, und ganz unten in seiner Krypta findet sich die Darstellung der
Dreifaltigkeit, genannt „Der Gnadenthron“. Eine Abbildung der Steinskulptur ist
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halten Sie in Händen. Was stellt sie dar? Der mittelalterliche Mensch konnte Bilder
lesen wie ein theologisches Buch und erkannte sofort, worum es ging: Die drei
Personen der Trinität, Vater – Sohn – Heiliger Geist in eins gesehen. Die große
sitzende Gestalt soll Gott der Schöpfer sein, in seinem Schoß trägt er das Kreuz
Christi und daneben die Taube als Symbol für den Heiligen Geist. Das Gesicht von
Gott-Vater ist zugleich das Gesicht Christi, daran zu erkennen, dass im
Heiligenschein ein Kreuz zu sehen ist. Gott selbst ist ja nicht darstellbar.
Auf viele Menschen heute wirkt das Bild vermutlich befremdlich. Ist die Darstellung
nicht allzu „anthropomorph“, also mehr menschlich als göttlich? Ist Gott nun einer
oder sind es drei? Kann man/darf man Gott überhaupt in ein Bild bringen??? Das ist
eine wesentliche Frage, die die Religionen beschäftigt. Und so haben wir es eben
auch in der alttestamentlichen Lesung gehört. Da heißt es ganz klar: „Du sollst dir
kein Bildnis machen!“ Nicht von den lebendigen Dingen, erst recht nicht von Gott.
„Du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“ Das Bilderverbot hängt eng
zusammen mit dem Götzenverbot. Anders als die Götter der Babylonier und später
der Griechen, die als Statuen verehrt wurden, war der Gott Israels undarstellbar,
weil lebendig, allmächtig, immer unterwegs und nicht zu reduzieren auf ein Bild.
Das Bilderverbot: den Juden ist nicht nur jede Form von Gottesdarstellung fremd,
sondern auch der Name Gottes ist ihnen so heilig, das sie vermeiden, ihn
auszusprechen. Statt von „Jahwe“ reden sie lieber vom „Lebendigen“ oder von
„Adonaj“. Der Name Gottes soll unter keinen Umständen missbraucht werden.
Auch wenn ich keine Jüdin bin, zucke ich doch immer wieder zusammen,
wenn Leute, auch viele Jugendliche, ohne nachzudenken „O, mein Gott!“ sagen,
dann doch lieber „O, du liebe Güte!“, aber das nur nebenbei.
Gott ist heilig, nicht darstellbar, und darum gibt es in Synagogen bestenfalls
auch nur Bilder vom Symbol der Thora, oder von Pflanzen und Tieren. Ganz ähnlich
übrigens wie in der Moschee. Auch der Islam lehnt jede Form der Abbildung ab
(darum auch der Streit um die Mohammed-Karikaturen). Stattdessen gibt es
unzählige Formen von Ornamenten, Mosaiken und verschlungenen Schriftzeichen.
Wie steht es mit dem Bilderverbot im Christentum?
Hier liegt die Sache anders. Auch wenn Gott selbst nicht oder nur selten in einem
Bild auftaucht, so gibt es doch unendlich viele Darstellungen von Heiligen und
biblischen Gestalten. Die Kunstgeschichte ist gar nicht denkbar ohne all die
Skulpturen, Bilder, Altäre, Miniaturen, auf denen sie dargestellt sind. Woran liegt
das?
Es hat zu tun mit dem christlichen Glauben an die Inkarnation, die
Menschwerdung Gottes. Es ist einer unserer zentralen Glaubensinhalte, dass Gott
nicht in der unsichtbaren Ferne geblieben ist, sondern den Menschen so nah wie
möglich kommen wollte, so nahe, dass er selbst Mensch geworden ist in Jesus von
Nazareth. Und dieser Jesus soll von den Menschen auch gefunden und erkannt
werden – was wäre Weihnachten ohne die Heilige Familie?
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Aber das war nicht immer so. In der Alten Kirche haben sie erbittert um die Bilder
gestritten. Die einen (Ikonoklasten) lehnten jede Form der Darstellung von Christus
und den Heiligen ab: „Ihr dürft nicht das Geschöpf statt des Schöpfers verehren!!!
Das ist Gotteslästerung. So steht es in der Bibel!“. Die anderen (Idolatren) hielten
dagegen: „Aber Gott ist doch ein Mensch geworden. In Jesus und Maria konnte man
ihn sehen und anfassen. Das wollen wir auch. Wir lieben die Bilder!“
Wie ist der Streit beendet worden? Was war die Lösung? Um ehrlich zu sein:
sie streiten immer noch, aber zum Glück inzwischen viel friedlicher. Sonst gäbe es
nicht die verschiedenen Konfessionen, die christlichen Familien, bei denen die einen
ihre Wände am liebsten ganz kahl lassen, höchstens mit einem Kreuz geschmückt –
das ist reformierte Tradition, und etwas üppiger (wie hier in unserem Kirchenraum)
ist es bei uns Evanglisch-Lutherischen; in den katholischen Kirchen gibt es viel mehr
Bilder und Seitenaltäre, früher sogar bunt bemalte Wände, Glasfenster, und vieles
mehr. Und dann gibt es noch die Kirchen des Ostens mit ihren Ikonostasen – ganzen
Bilderwänden, und die besonders heiligen Ikonen – meistens auf der einen Seite
Jesus, auf der anderen Maria – werden sogar geküßt und die Gläubigen zünden
unzählige Kerzen zum Zeichen ihrer Verehrung an. Sie sind diejenigen, die die
Bilder am meisten lieben, den – so glauben sie - im Abbild wird das Urbild, Gott
selbst, verehrt.
Soweit unser kleiner Ausflug in die Kunst- und Kulturgeschichte. Ich finde das
äußerst spannend, gerade in einer Welt wie unserer, die bildersüchtig ist wie kaum
ein Zeitalter vorher. 100e TV-Programme, Facebook, Twitter, Magazine, Poster,
Werbewände, IPHone, Smartphone, Millionen Photos runterladen, selbermachen,
viel zu viele, um sie noch auszudrucken wie früher und in Photoalben zu kleben.
Und jeder will am liebsten selbst mit in diesen Stream rein, wenn schon nicht als
Model oder als Vip, so doch bitte über youtube, Reality-Shows, Instagram, facebookBiografie, die von so vielen wie möglich geklickt werden sollen. Wer die meisten
Klicks oder „Likes“ hat, ist am beliebtesten. Wer nicht, wird zum Losser.
Ich möchte behaupten, dass heute die meisten Mobbingfälle in der Schule
deswegen geschehen, weil Jugendliche entweder nicht das richtige Smartphone
haben oder in Kleidung und Outfit nicht mithalten können. Wer nicht mitmacht im
Bilderkult, gehört nicht dazu.
Dabei geht es, das ist uns allen theoretisch klar, nicht nur um Bilder, sondern um den
guten und fairen, schlicht menschlichen Umgang miteinander. Das Bilderverbot – so
kann man in diesem Zusammenhang gut ergänzen – bezieht sich ja nicht nur auf
Gott, sondern auch auf den Menschen: Du sollst dir kein Bild von deinem Freund
oder deiner Freundin oder von deinem Partner machen. Wenn du nur dein Bild vom
anderen im Kopf hast, dann wirst du ihm nicht gerecht. Du kannst ihn oder sie
nämlich nicht sehen, wie er oder sie wirklich ist, sondern du siehst nur dich selbst.
Gottesbild und Menschenbild – das gehört ebenso zusammen wie Gottesliebe und
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die Liebe zum Nächsten –Und so heißt es in der Botschaft Jesu:
Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und du
sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem
Gemüt** und von allen deinen Kräften**« (5.Mose 6,4-5). 31 Das andre ist dies: »Du sollst
deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als
diese.
Das ist der Kern der Botschaft – und interessanterweise sind sich Juden und Christen
und Muslime darin wieder ganz einig. „Wer bei Gott eintaucht, taucht beim
Menschen wieder auf“ (Paul M. Zulehner)
Es gibt ein zentrales Bildgeschehen, in dem wir das immer wieder erfahren: im
Abendmahl. Wenn wir Brot und Wein oder wie hier Traubensaft miteinander teilen,
dann bilden wir gemeinsam den „Leib Christi“ ab. Wenn sich Gottes Liebe in Jesus
gezeigt hat, wenn wir uns im Schmecken der Gaben ganz konkret erinnern an seine
Botschaft des Friedens und der Vergebung, wenn wir sie sogar so verinnerlichen,
dass sie uns in „Leib und Blut übergeht“, dann sind wir selbst ein Bild von Gott, in
einer lebendigen Gemeinschaft, hier und jetzt in der Kirche.
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, dieses besondere Bild ist uns in
dieser Gemeinde so wichtig, dass wir alle zum Abendmahl einladen. Ihr dürft und
sollt also kommen, nicht erst bei Eurer Konfirmation, sondern heute schon. Wir alle
sind Teil der Familie Gottes und darum gemeinsam ein Bild des Heiligen.
Braucht es dann noch Bilder über dieses Zentralbild hinaus? Ich bitte jetzt, das
andere Bild anzuschauen. Es ist eins der letzten Aquarelle von Heinz Bartel, gemalt
am 14.4.2010, nicht lange, bevor die Krankheit ihm den Pinsel aus der Hand nahm.
Im Alter von 58 Jahren musste er mit seiner Alzheimer-Demenz-Erkrankung
fertigwerden.
„Unterwasserwolken“ heißt der Titel der Ausstellung, die bis heute im
Gemeindehaus zu sehen ist. Heute ist Finissage, darum noch einmal ein Blick auf
eines seiner Bilder.
Anders als beim „Gnadenstuhle“ ist dieses hier völlig abstrakt. Im Original ist
es in Blau- und Rottönen gehalten, es ist eins meiner Lieblingsbilder. Auch bei
diesem Bild handelt es sich in meinen Augen um eine Art von Gottes-Darstellung.
Warum?
Heinz Bartel hat in verschiedenen Stadien seiner Krankheit gemalt, am Anfang
bisweilen noch gegenständlich und mit erklärenden Worten als Beigaben, um
auszudrücken was er wollte. Je mehr ihm jedoch Sprache und Gedächtnis
abhandenkam, umso mehr wurden die Farben zu seinem Lebensausdruck. Über sie
konnte er zeigen, was er fühlte, was in ihm vorging. Das Bild ist – auch künstlerisch
gesehen – von einer Leichtigkeit und Schönheit, die wie ein Kontrapunkt zu seinem
schweren Krankheitsverlauf wirkt. Ein Ausblick in eine ganz eigene Welt, die uns
eigentlich verborgen ist.
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Eine Ahnung von Gottes Ewigkeit, die hier aufleuchtet? Haben wir als Gottes
Ebenbilder nicht alle auch ein wenig von seiner schöpferischen Kraft mitbekommen?
Ich denke, dass das so ist. Ich denke, dass Gott überall zu finden ist, wenn wir ihn
nur suchen. Ihr, liebe Konfis, wollt euch auf Gottessuche machen. Ich wünsche euch,
dass Gott sich euch in vielen Gestalten zeigt: In den Bildern und Geschichten, in
guten Erfahrungen in eurer Gruppe und in den Gesichtern, die euch freundlich
anschauen und mit denen ihr einander anseht. Heute und morgen und alle Tage. So
sei es, Amen.
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