| 42 LAND & LEUTE Drei Generationen arbeiten auf dem Anrather Spargelhof zusammen. Auf dem Bild ist nur ein Teil der Familie zu sehen (v.l.n.r.): Helene Heintges, Dr. Michael Heintges mit Ehefrau Dr. Sabine Braun und dem jüngsten Sohn Klaas. Rheinische Hofgeschichten Mit Herzblut zum Erfolg gann auf 2 Morgen im Nebenerwerb mit dem Spargelanbau. Von Kamp-Lintfort aus fuhr er dafür damals immer nach Willich – rund 40 km entfernt. Als sich die Gelegenheit bot, in Anrath Pachtflächen zu übernehmen, fällten die Heintges die Entscheidung, komplett in die Landwirtschaft zu gehen. Mangels Hofstelle kamen sie in den ersten Jahren etwa 3,5 km entfernt bei seinem Cousin unter. 2008 kauften sie am jetzigen Standort die Halle eines ehemaligen Hühnerbetriebes und etwa 1 ha Land. Bereits ein Jahr später starteten sie mit dem Spargelverkauf. Inzwischen bewirtschaftet Michael Heintges mit seiner Familie 50 ha Fläche in Kooperation mit zwei weiteren Betrieben. Davon sind etwa 4 bis 5 ha Spargel – hälftig Grün- und Bleichspargel. Sie bauen Frühkartoffeln und Verarbeitungs-Kartoffeln an, welche auch im eigenen Betrieb vorgekeimt werden, dazu Getreide, Zuckerrüben und Mais. Familie Heintges-Braun hat sich mit dem Anrather Spargelhof auf Grünspargel spezialisiert Im Hofladen gibt es alle Produkte, die zum Spargel passen, wie Frühkartoffeln, Schinken, Saucen, Wein und dazu Rezepte. Michael Heintges fährt zu seinen Spargelflächen. Nur wenige werden zum Ende der Spargelsaison noch beerntet. „Jetzt ist die Zeit, um nach Schädlingen zu schauen und wie der Bestand steht, denn das entscheidet über den Ertrag im kommenden Jahr“, erklärt er. Der promovierte Landwirt lebt seinen Traum. Der 45-Jährige wollte immer schon Landwirt werden. Es fasziniert ihn, etwas zu pflanzen, wachsen zu sehen und zu ernten. Einziges Problem – kein eigener Hof. Den hat er inzwischen. Gemeinsam mit seiner Ehefrau bewirtschaftet er seit fünf Jahren einen Spargel-Betrieb in Willich-Anrath und das obwohl beide nicht aus der Landwirtschaft stammen. ▶ Über Umwege zum eigenen Hof Eingeschlagen hat Heintges erst einen ganz anderen Weg. Nach dem Realschulabschluss machte er eine kaufmännische Ausbildung bei der Post, er war im Innendienst und auch Briefzusteller. „Von Beginn an war mir aber klar, ich mache die Ausbildung und mehr nicht“, sagt Heintges heute. Seit frühester Jugend hatte er seinem Onkel in der Landwirtschaft geholfen. Das war sein großer Wunsch. Während seiner Zeit bei der Post machte er das Abitur an der Abendschule nach und begann anschließend das Landwirtschaftsstudium in Bonn. Begeistert waren seine Eltern nicht. Michael Heintges setzte seinen Kopf durch. Als er 1996 mit dem Studium fertig wurde, blieb er an der Uni für eine Promotion am Landtechnik-Institut. Danach arbeitete er sieben Jahre lang für eine Saatgutfirma in Vertrieb und Entwicklung. Erst für Deutschland, Österreich und die Schweiz zuständig, war er später weltweit aktiv. Zeit für die Familie blieb damals wenig und noch etwas passte ihm nicht: „Warum soll ich anderen Tipps und Anbauempfehlungen geben – das kann ich genauso gut für mich selbst tun.“ Er be- Diese Grünspargelanlage ist erst ein Jahr alt. Wie alle anderen auch ist sie zum Schutz vor Feldhasen und Kaninchen eingezäunt. Michael Heintges kontrolliert auf Schädlinge. Einfach ist das Wirtschaften nicht. Obwohl das Betriebsleiterwohnhaus inzwischen an der Halle steht, ist die Fahrerei zu den Flächen nicht weniger geworden. Am Betrieb selbst gibt es keine Spargelfläche. Die erste Spargelfläche ist Luftlinie 600 m weit weg – das macht eine Fahrtstrecke von 1,5 km. Die meisten der Felder der Familie Heintges liegen zwischen 8 und 15 km entfernt rund um den Ort verteilt. Überhaupt ist die Flächensituation das große Problem für den Betrieb. In den vergangenen Jahren hat Heintges massiv Pachtfläche durch Verkäufe verloren. „Wir hatten immer wieder Existenzängste“, sagt er LZ 26 · 2013 | LAND & LEUTE 43 Zum Ende der Spargelsaison werden nur noch wenige Spargelflächen beerntet. nachdenklich. „Denn wir sind ein junger Betrieb im Aufbau, da sind Mittel knapp, da hilft das Vorkaufsrecht wenig.“ In diesem Jahr haben die Heintges aber das erste Mal das Gefühl, dass es der richtige Weg ist. „Man soll ja nicht immer nur jammern“, sagt Ehefrau Dr. Sabine Braun und lacht. Die 42-jährige Tierärztin hat ihren Beruf ihrem Mann zuliebe hinten angestellt. ▶ Kunden schätzen Qualität und Transparenz Wein und Erdbeeren. Diese Idee kommt an. Der Hofverkauf macht derzeit ein Viertel der Vermarktung aus. „Wir sind ja noch im Aufbau und machen auch kaum Werbung“, erklärt die HofladenBetreiberin und ihr Mann fügt stolz hinzu: „Die beste Werbung geht sowieso über das Produkt. Dieses Jahr kamen viele Kunden, die berichteten, uns wurde gesagt: Fahrt zum Anrather Spargelhof, dort gibt es leckeren Spargel.“ Trotz des späten und zögerlichen Starts der diesjährigen Spargelsaison und der niedrigeren Erträge sind die Heintges zufrieden. „Klar hätte es unter dem Strich mehr sein können“, sagt Michael Heintges, „aber es war akzeptabel und wir hatten gute Qualität, konnten kontinuierlich liefern und hatten in der Vermarktung keinen Preisdruck.“ Und was fast genauso wichtig ist, keinen Hagelschaden, das hätte beim Grünspargel einen Totalausfall bedeutet. Unterstützt werden die beiden von Michael Heintges Eltern, sie kümmern sich mit um die Aufbereitung und den Verkauf des Spargels. Ohne sie würde es nicht gehen. Dazu kommen Saisonarbeitskräfte aus Polen. Durch den Saisonbetrieb bleibt auch etwas mehr Zeit für die Familie und anderes: Michael Heintges engagiert sich als Ortslandwirt, in Fachausschüssen des RLV und im Vorstand der Rheinischen Erzeugergemeinschaft Kartoffeln. Und seine Frau plant schon für die Zeit, wenn ihr kleiner Sohn Klaas in den Kindergarten kommt. Sie macht eine Weiterbildung im Bereich Osteopathie für Hunde und Beide waren sich einig, dass sie nur einen Saisonbetrieb machen würden. Tierhaltung kam nicht in Frage. Sie suchten sich eine Nische und fanden sie mit Grünspargel. Schnell mussten sie aber erkennen, dass es der weiße Spargel ist, der die Kunden anzieht. Deshalb begannen sie auch mit dem Anbau von Bleichspargel. Parallel bauten sie die Vermarktung auf. Das ist der Part von Sabine Braun. Neben den beiden zehn und zwei Jahre alten Söhnen kümmert sie sich um den Hofladen und um weitere Abnehmer. Sie koordiniert, wer wie viel Spargel bekommen kann, spricht neue potenzielle Abnehmer an und bringt den Spargel dann auch selbst zu Wiederverkäufern und Restaurants ins Ruhrgebiet, nach Kamp-Lintfort, Düsseldorf und Krefeld. Im eigenen Hofladen verkaufen die Heintges zusätzlich zum Spargel alles das, was man für eine „Mahlzeit“ braucht, also Kartoffeln, Saucen, Schinken vom Metzger aus dem Ort, Käse, LZ 26 · 2013 Katzen. „Das war immer schon mein Faible“, lächelt die Tierärztin. ▶ Den Betrieb familiär stemmen Natürlich wurden sie und ihr Mann gerade zu Beginn auch von den Berufskollegen kritisch beäugt. „Viele Betriebe hören auf – ihr fangt an … das kam öfters“, erinnert sich der Agraringenieur. Aber er hat die Einstellung: Alles was man mit Herzblut macht, ist auf Dauer auch eine Erfolgsgeschichte. „Man braucht aber einen langen Atem“, setzt er direkt dazu. „Denn gerade am Anfang macht man Fehler und die kosten Geld.“ Der Spargel ist keine einfache Kultur – die Heintges haben einiges an Lehrgeld bezahlt. Aber auch vieles richtig gemacht: Die Kunden kommen gerne zum Anrather Spargelhof. Natürlich wegen der guten Spargel-Qualität, aber auch wegen ihrer Philosophie: „Wir sind ein offener Betrieb – bei uns können die Kunden alles anschauen“, sagt Michael Heintges. Und wie sieht die Zukunft aus? Das ist bei einem Pachtbetrieb nicht vorherzusehen. Aber der Betriebsleiter weiß auch: „Bei einem Betrieb, der sich nicht entwickelt, da ist etwas falsch.“ Für Familie Heintges-Braun ist aber auch klar: „Wir wollen nicht der größte Spargelbetrieb hier werden, wir wollen es familiär noch stemmen können.“ Geplant ist, dass alle Investitionen abgeschlossen sind, wenn das Paar im Rentenalter ist. Sie wollen ihren Söhnen eine freie Berufswahl ermöglichen, das was sie selbst auch hatten. Kirsten Engel Michael Heintges Eltern oder Saisonarbeitskräfte übernehmen die Aufbereitung des Spargels, also das Waschen, Schneiden, Sortieren und Verpacken. Die alte Halle hat Familie Heintges umgebaut. Sie bietet jetzt Platz für den Hofverkauf, die Aufbereitung und Kühlung des Spargels, aber auch für Räume der Saisonarbeitskräfte und Maschinen. Eine gute Investition: Vor drei Jahren hat die Familie eine Spargelschälmaschine gekauft. Fotos: Kirsten Engel.
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