SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Tandem Mit dem Aufnahmegerät durch Afrika Der Musikethnologe Gerhard Kubik Von Natasa Konopitzky Sendung: Wiederholung: Redaktion: Produktion: Montag, 19. September 2016, um 19.20 Uhr Dienstag, 19. September 2016 um 10.05 Uhr Karin Hutzler SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Tandem sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 1 O-Ton 1, 12“ mit Atmo, KUBIK Welcome ins Verlies. (lacht) Sprecherin: Gerhard Kubik öffnet die Tür zu seiner Arbeitswohnung in Wien. „Cultural Research Institute“ steht auf dem verstaubten Schild. O-Ton 2, 22“ Kubik Die Tür ist fast nicht mehr verschließbar, weil so viel Staub da hinein gekommen ist. (Schloss) Es war mal ein schönes altes Haus […]. Da tropft das Wasser von oben rein. Also wie die bauen, ich weiß es nicht. Hier ist momentan ein See, nicht. Sprecherin: Über der Wohnung wird der Dachboden ausgebaut. Überall stapeln sich Kisten. Vieles ist mit Plastikfolie verhängt. Kaum zu glauben, dass hier eines der weltweit größten Archive afrikanischer Musik ist. O-Ton 3, 23“ Kubik Es sieht hier aus wie 1945 nach einem Bombenangriff. Und daher mussten wir Materialien retten, vom Boden weg sofort in höhere Lagen bringen, zum Beispiel da, da sind Hunderte, Hunderte von Tonbändern. Also das ist alles voll, Aufzeichnungen Malawi usw., auch hier. Sprecherin: 36.000 Aufnahmen auf Tonband, 20.000 Fotos, unzählige Stunden an Filmmaterial. Dazu kommen mehrere Regale voll mit Forschungsprotokollen. O-Ton 4, 45“ Kubik Da sind Original Feldaufzeichnungen, sehen Sie hier. Also wenn wir das Uralte raus nehmen: 1959/60, mit der Schreibmaschine geschrieben, ein paar Notizen gemacht, Mitschriften von Informanten sind dabei. Erste Aufnahme Band fünf, Konzert der blinden Musiker in Saalama Uganda. Das sind die Aufnahmen, die Tonbandaufnahmen gewesen, zusammen mit den Fotos von meiner allerersten Reise, die ich per Anhalter gemacht habe, durch zwölf afrikanische Staaten. Atmo 01 Kassette einlegen O-Ton 5, 6” Kubik Und ich hab zum Beispiel hier ein Stück, es ist so Bluesintensiv. Atmo 02 Kassettenplayer, Spulen 2 O-Ton 6, 25” Kubik Die Aufnahme kam so zustande. Ich bin in Kamerun, in Zentralkamerun. Und wir gingen da sehr ermüdet in der prallen Sonne. Sehr unbesiedelt und so gegen Mittag auf einmal kamen wir zu einem Haus, ein alleinstehendes Haus, und wir hörten seltsame Klänge, ein Gesang. Atmo 03: Kassette Play Atmo 04: Musik Grinding Song (20”, dann unter O-Ton) O-Ton 7, 28“ Kubik Die Frau des Hauses mit ihrem Kind war auf der Veranda. Sie war dabei, Mais zu mahlen oder möglicherweise war es Hirse. Und sie hat einen Mahlstein benutzt. Und in einer rhythmischen Form hat sie gemahlt, und dazu hat sie ein Lied gesungen. Nun, dieses Lied dieser Tikar-Frau hat eine ausgesprochene Bluestonalität. Musik Grinding Song Sprecherin: (auf Musik) Seit den 60er Jahren reist Gerhard Kubik nach Afrika. Er spricht zwei afrikanische Sprachen und spielt mehrere Instrumente. Der 81-jährige Kulturanthropologe hat Lehraufträge an österreichischen und deutschen Universitäten, hält Vorträge und schreibt Bücher über die verschiedensten Themen wie Märchen, kulturelle Tabus, Audiopsychologie und Musiktherapie. O-Ton 8, 25“ Kubik Die Interessenschwerpunkte haben sich bei mir einfach so ergeben, je nach der Umgebung, wo ich war. Ich kann mich erinnern, im Yoruba-Sprachgebiet hab ich mir gedacht, also jetzt bist du in Westafrika. Es sind doch so viele Leute von hier deportiert worden in alle Teile von Amerika. Ist da irgendein Indiz? Und ich hab schon allerlei entdeckt. Atmo 05: Kassettenplayer Stop Atmo 03: Kassette Play Atmo 06: Musik Garaya O-Ton 9, 34” Kubik Das ist eine Aufnahme aus Nordostnigeria, die ich im Jahr 1963 gemacht habe von einem Wanderer, von einem Händler, der […] ganz im Nordosten von Nigeria, Gebiet heute von Boko Haram, da kann man gar nicht mehr hin, der dort gewandert ist, um seine Waren zu verkaufen und dann setzte er sich an den Straßenrand und spielte die Laute, zweisaitige Laute Garaya. Musik Garaya hoch 3 O-Ton 10, 29“ Kubik Die Leute sind ja gewandert mit den Instrumenten. Und von Zeit zu Zeit spielte man, und das beflügelte auch den Schritt. Heute würden sie wahrscheinlich mit einem Mobiltelefon wandern und da hinein starren. Und vor 20 Jahren mit einem Kassettenplayer oder so. Aber früher man hat Musik gemacht, man ist aktiv gewesen, nicht nur Konsument. Musik Garaya hoch Atmo 05: Kassettenplayer Stop O-Ton 11, 1„15“ Kubik Ich war damals in Nigeria, also 1963/64 mit einem Fahrrad unterwegs, mit Hilfsmotor. Das war eine französische Produktion, das hieß Solex. Und ich bin also da gefahren über Stock und Stein. Ich habe mich an keine Grenzen gehalten. Bin also aus Nigeria nach Kamerun hinüber ohne Passkontrolle. Später wurde ich dann belästigt von der Polizei usw. Also die fanden keinen Stempel in dem Pass. Es war ja immer so, dass ich quartierlos war. Ich bin ja einfach mit dem Fahrrad gefahren, bis die Sonne untergegangen ist, und dann stand ich da einfach. Und wenn es ein Dorf gab, bat ich um eine Unterkunft. Die Leute boten mir sofort eine kleine Hütte an. Freiwillig kamen Leute jeder Altersgruppe und sagten: wir würden auch ganz gerne ein Lied singen, kannst du das aufnehmen usf., nicht. Atmo 02 Kassettenplayer, Spulen Atmo 03: Kassette Play Atmo 07: Musik Nyangy Panpipes (20” hoch, dann unter O-Ton) O-Ton 12, 31” Kubik Das ist der so genannte Nyanga Panpfeiffentanz, aufgenommen im SambesiTal in Malawi. Diese Hooping-Technik, abwechselnd blasen und Vokalton hervorgebracht,… ist ja auch in die Vereinigten Staaten verpflanzt worden. Inzwischen ist der Panpfeifentanz zwar nicht verschwunden, aber sehr selten geworden. Musik Nyangy Panpipes hoch Atmo 05: Kassettenplayer Stop O-Ton 13, 40” Kubik Bevor ich zu Jazz komme, ist etwas ganz Anderes zu besprechen. Wie bin ich überhaupt zu einer wissenschaftlichen Arbeit gekommen? Sie werden sehen, wenn Sie hier lesen – was soll denn das sein? (singt Bombenalarm) Sonntag, 10. September 1944. Fünf Minuten vor halb elf Uhr, Angriff eine Stunde sieben Minuten. Da fing ich an, ich war noch nicht neun Jahre alt, da begann eigentlich meine Wissenschaft. 4 Sprecherin: Gerhard Kubik führte genau Buch über alle Bombenangriffe der Alliierten auf Wien und Umgebung. So konnte er seine Angst kontrollieren. Er verzeichnete den Sirenenalarm und die Zahl der Toten und Verletzten. Nach dem Krieg begann er, Prosa zu schreiben. O-Ton 14, 40“ Kubik Es gibt von mir einen Roman, den ich schrieb, als ich genau 13 Jahre alt war. Ich verbrachte sehr sehr lange Zeit oft ganz allein […] und schloss mich ein und schrieb an meinem Roman. Ich habe mich dann auch selbst bezwungen, denn nach einiger Zeit war ich müde und sagte, ach ich hab heute keine Ideen. Aber ich habe mich dann gezwungen jeden Tag, einige Zeilen da in dem Roman weiterzuspinnen. Ich hab gelernt: Ziele durchzusetzen, mich nicht ablenken zu lassen. Ein Vorteil bis heute, nicht. Atmo 08 Musik Charlie Parker – If I should lose you (frei bis 35”) O-Ton 15, 30“ Kubik Jetzt kommen wir zu dem zweiten Teil, zu Jazz. Als die Amis kamen, war das zum Teil ein Vorbild für uns Kinder. Die Amis kamen mit dem Zug rein gefahren und ihre Beine hingen beim Fenster raus, das hat uns schon beeindruckt. Mein Glück, unser Glück war, wir waren in der amerikanischen Besatzungszone. Jazz jede Menge, bis zu Modern Jazz, bis Charlie Parker, Stanley Getz. Musik Charlie Parker – If I should lose you langsam hoch bei 2„30“ bis Ende O-Ton 16, 45“ Kubik (Denn ich müsste noch erzählen,) meine Mutter war Bankbeamtin. Am allerliebsten hätte sie mich gesehen als Abteilungsleiter in derselben Bank, wo sie beschäftigt war. (lacht) Das sind so Wunschvorstellungen. Nach dem Abitur ging es ganz übel zu. Ich kam bei einer Firma unter. Die ganze Arbeit war, eine Kartei zu überwachen und ein paar Eintragungen zu machen den ganzen Tag. Ich wurde sehr schnell krank. Man könnte sagen Konversionsneurose. Ich wollte meiner Mutter nicht sagen, das mach ich nicht mehr weiter, nein, ich wurde krank. Sprecherin: Gerhard Kubik gab seine Arbeit bei der Bank auf. Er spielte Klarinette in einer New Orleans Jazz Band, begann Afrikanistik zu studieren und gründete mit Mitte zwanzig seine erste eigene Band. O-Ton 17, 49“ Kubik Die Band existierte bis zum Jahr 1959, unmittelbar nachdem wir den ersten 5 Preis gemacht hatten beim Jazzfestival 1959 in Wien. Und dann auf einmal erklärte der Posaunist, er würde nicht mehr […] spielen, ganz plötzlich. Er wollte sich verheiraten und so weiter und wollte aussteigen. Das war der Todesstoß gegen die Band und auch der Anlass dazu, dass ich mich anderen Dingen zuwandte. // Ich hatte Bücher gelesen, die auf die afrikanischen Wurzeln von Jazz eingegangen waren, dadurch kam das Thema Afrika in den Vordergrund. Atmo 09 Musik Ndyegulira Ekadde O-Ton 18, 42“ Kubik Ja also ich bin abgefahren am 7. Oktober 1959. Nach dem zweiten Weltkrieg wir jungen Leute sind ja alle mit Autostopp gefahren. Per Anhalter ohne zu bezahlen. Ich sagte, ich werde das auf Afrika übertragen. Das war nicht ganz so leicht. Also in Ägypten hat nicht sehr gut funktioniert, und im Sudan überhaupt nicht. Keine Chance, da gab es keine Autos, da gabs manchmal einen Lastwagen und zehn Tage warten. Und ich habe mich dann auf dem Wasserweg, auf dem Nil, fortbewegt. Musik Ndyegulira Ekadde O-Ton 19, 45“ Kubik Und als ich in Uganda ankam, ich hab mich gemeldet beim Uganda Museum. Ich wusste, dass ein solches Museum bestand und bin einem Hofmusiker vorgestellt worden, Evaristo Muyinda. Ich konnte mich kaum mit ihm verständigen, denn sein Englisch war sehr gering, und Luganda hatte ich noch nicht studiert und sagte: Ich möchte ganz gerne Musik lernen. […] Ich wollte Harfe lernen. Und Evaristo Muyinda sagt: Neenee, also mit Harfe fangen wir nicht an, das ist ungünstig. Ich beginne meinen Lehrbetrieb mit Leuten, die bei mir lernen wollen, mit dem Xylophon. Sprecherin: Damals war Gerhard Kubik 25 Jahre alt. Seitdem lässt ihn Afrika nicht mehr los. Er verbringt jedes Jahr mehrere Monate dort. In den letzten Jahren vor allem in Malawi. Atmo 10 Musik One string bass O-Ton 20, 13” Malamussi Hello, my name is Moya Malamussi. I‟m from Malawi. At the moment I am here in Austria, I‟m with the band here to play our music. Musik One string bass Sprecherin: Der Musiker und Anthropologe Moya Malamussi zupft an einem selbstgebauten 6 Bass. Eine Saite ist auf eine große Teebox aus Aluminium gespannt. Ein Instrument, das bei „Kwela“, dem südafrikanischen Jazz eingesetzt wird. Musik One string bass O-Ton 21, 18” Malamussi und Kubik […] We call it one string bechikundu bass in our language. So this instrument came out with Kwela music, which we are going to play for you now. // It‟s not very comfortable, but you are most welcome to have a seat here. Atmo 11 Musik Probenbeginn Sprecherin: Probenbeginn der „Donald Kachamba Kwela Heritage Jazzband“: Moya Malamussi am Bass, ein weiterer Musiker aus Malawi an der Flöte und Gerhard Kubik an der Klarinette. Gesprochen wird Chichewa, eine der Landessprachen Malawis. O-Ton 22, 17“ Malamussi und Kubik Moya und Kubik sprechen Chichewa. Atmo 12 Musik Sinjonyo Capetown (frei bis 35”) O-Ton 23, 45” Kubik We know each other almost since childhood. I mean, first I came to know Dr. Malamussi, when he was still a boy in 1967. A little boy Moya, he played in a Kwela Band, a Kwela band that was very famous, the Kachamba Brothers Band. Myself I started to perform in the band of Donald Kachamba in 1973. And since 1973 (we have been together performing,) we toured 33 countries of the world. Übersetzer: Ich habe Moya Malamussi 1967 kennengelernt, da war er noch ein kleiner Junge. Er hat in der Kwela Band Kachamba Brothers gespielt. Ich bin zu dieser berühmten Band 1973 gestoßen. Seitdem haben wir in 33 Ländern zusammen gespielt. Atmo 13 Musik Find my Name (mit Gespräch) bis ca. 43“ frei, dann unter Text Sprecherin: In den 80er Jahren unternahmen Gerhard Kubik und Moya Malamussi auch 7 gemeinsame Feldforschungen. Moya studierte in Wien Ethnologie. Heute unterrichtet er an der Sigmund Freud Uni Wien und an der Universität Wien, ebenso wie Gerhard Kubik. O-Ton 24, 30” Malamussi You know, Gerhard Kubik is a person, who likes to work. He works from morning until night. He has really done quite a lot in his time and he has published many, many things and […] I believe his mind is like a dictionary. At his age he is still… he doesn't drink, he doesn't smoke but he likes working. (lacht) Übersetzer: Gerhard Kubik arbeitet von früh bis spät. Er hat viel publiziert. Er ist ein wandelndes Lexikon. Trotz seines Alters macht er noch viel. Er trinkt nicht, er raucht nicht, aber er arbeitet gern. O-Ton 25, 25” Malamussi We are together always. What he is doing I am also doing the same thing. When he wants to do something, we‟re discussing first. So, we are growing up together. Now I could say he is a family member. He took all my children to educate them here. Some they already got their masters. So, he's part of our family. Übersetzer: Wir verbringen viel Zeit miteinander. Wir machen das Gleiche. Wenn er etwas plant, spricht er zuerst mit mir darüber. Er ist ein Familienmitglied. Er hat meine Kinder in Wien ausbilden lassen. Er gehört zu uns. Sprecherin: Seit vielen Jahren nehmen Gerhard Kubik und Moya Malamussi in Afrika Musik und Geschichten auf: Ein alter Mann erzählt seinen elf Frauen ein Märchen. Atmo 14 Musik Kulemela kothamangila (30“ frei, dann unter O-Ton) O-Ton 26, 32” Kubik Diese Märchen sind ja Chantefables, in dem Sinne, als die Märchenerzählung immer unterbrochen wird von einem Lied, das an dramatischen Stellen des Märchens vorkommt. Außerdem ist die Organisation ja auch so, die Zuhörer des Märchens müssen auch antworten. Hier in der Aufnahme sagen sie: … Wir sind alle beisammen, wir sind alle beisammen. Musik Kulemela kothamangila hoch 8 O-Ton 27, 24” Malamussi When it was hot, people could say: okay, today we are going to sleep outside. So all the houses nearby come together to sleep; and then you could hear from one corner a story begins and the others they reply and then they listen. And then another one tells a story, another tells a story until they fall asleep. Übersetzer: An heißen Tagen haben die Menschen früher draußen geschlafen. In einer Ecke hat dann jemand eine Geschichte erzählt, die nächste Geschichte kam aus einer anderen Ecke. Die Leute haben sich Geschichten erzählt, bis alle eingeschlafen waren. Sprecherin: Moya Malamussi gründete in Malawi das Oral Literature Research Programme. Seine Schwester arbeitete auch mit. O-Ton 28, 19” Malamussi My sister, Lydia Malamussi, who was married to Kubik, she said we should also start to record stories here in our village, because all of these old ladies are dying away. So they will die away with their stories. Übersetzer: Meine Schwester Lydia war mit Kubik verheiratet. Sie sagte, wir sollen in unserem Dorf Geschichten aufnehmen, bevor die alten Frauen sterben und mit ihnen die Geschichten verschwinden. O-Ton 29, 36“ Kubik Sie ist 1982 zum ersten Mal hierhergekommen, und dann waren wir einige Monate hier, und dann war ich wieder einige Monate in Malawi. Das ging so wunderbar, bis sie ganz plötzlich im Jahr 1989 [...] Wie das passiert ist, ist mir auch ein großes Rätsel. Im Jahr 1989 am 26. November ist sie verstorben. Sprecherin: Gerhard Kubik war damals in Portugal. Seine Frau und er wollten gemeinsam Weihnachten in Wien verbringen. O-Ton 30, 48“ Kubik Als ich in Portugal war, hörte ich auf einmal die Nachricht, sie hatte Fieber, aber es sei nicht sehr schlimm. Es ist wahrscheinlich eine Malaria tertiana, die ist ja nicht [gefährlich] lebensgefährlich. Und als das Fieber nicht wegging, haben sie vielleicht alle einen großen Fehler gemacht. Sie sind in ein lokales Spital gefahren, und ich weiß, dass dort irgendwas Böses passiert ist. Es kamen nurses vorbei und gaben ihr plötzlich eine Spritze. Und eine halbe Stunde nach 9 dieser Spritze, auf einmal setzte sie sich auf: Was ist? Und im Moment fiel sie um und war tot. Sprecherin: Gerhard Kubik vermutet, dass seine Frau eine Penicillin-Spritze bekommen hatte und an einem Penicillin-Schock starb. Ärzte waren damals keine im Spital. O-Ton 31, 48“ Kubik Für die nächsten drei, vier Jahre war ich kaum fähig zu irgendetwas. Wir hatten Glück, Moya und ich, dass wir ein Forschungsprojekt für Namibia bekamen. Moya Malamussi hatte seinen Sohn, und er hat gesagt: Warum nehmen wir den Kleinen nicht gleich mit? Und wir haben also den Fünfjährigen mitgenommen. Das war ein eigenartiges Team: Zwei Männer und ein Junge. Stadtbekannt waren wir in Windhoek. Diese Art und Weise, wie das Kind spielt und einfach wie es da lebt, hat mich aus meiner Depression raus geholt. Sprecherin: Jochana, der mittlerweile erwachsene Sohn von Moya Malamussi lebt in Wien, so wie auch zwei der Töchter. Gerhard Kubik ist wie ein zweiter Vater für sie. O-Ton 32, 26“ Monica Ich heiße Monica Malamussi, ich bin die Nichte vom Gerhard Kubik, bin 30 Jahre alt und bin seit 1997 hier in Österreich. Er hat mich mit elf und meinen Bruder mit neun Jahren hierher geholt. Und wir waren noch sehr klein und er hat uns großgezogen, also großteils. Mein Vater war auch teilweise da, aber er war meistens immer da. O-Ton 33, 23” Daina My name is Daina Malamussi. I‟m 27 years old. I started my Bachelor in winter semester 2014. (I will proceed until I get my Bachelor.) He is somebody we depend on and he depends on us. We take him as very close family member. Übersetzerin: Ich bin 27 Jahre alt und studiere seit 2014 in Wien. Gerhard Kubik ist ein Teil unserer Familie. (Wir stehen uns sehr nahe.) O-Ton 34, 31” Monica Wenn es ein Forschungsprojekt gibt, dann sind wir alle mit dabei, und wir tun alle mitarbeiten. Und ich möchte nur sagen, die Forschungsmethode habe ich bei Gerhard Kubik gelernt, die ich anwende. So habe ich bei ihm gelernt, wie man aufs Feld geht und wie man mit den Leuten umgeht. […] Von 2008, 2009 habe ich für meine Diplomarbeit selbständig da geforscht. O-Ton 35, 26” Daina I was just after my high school, and my father decided to give me something to 10 work. And then he sent me somewhere like 50 kilometers from my home. It was a village and he just gave me recorders and some money and he said: you just go into the villages and find out the fairy tales from old people. Übersetzerin: Als ich die Schule abgeschlossen hatte, schickte mich mein Vater los, um Aufnahmen in Dörfern zu machen. Er gab mir ein Aufnahmegerät und etwas Geld und sagte: Lass dir von alten Menschen Märchen erzählen. Atmo/ Musik: Sprecherin: Gerhard Kubik hat viele seiner Aufnahmen dem Phonogrammarchiv in Wien zur Verfügung gestellt. Das Filminstitut in Karlsruhe digitalisiert zurzeit die 8mm und 16mm-Filme. Die gesamten Archivbestände aufzuarbeiten würde Generationen dauern. Monica Malamussi macht einen Anfang. O-Ton 36, 31“ Monica Jetzt aktuell mache ich mein Doktoratsstudium in Afrikawissenschaften […]. Es gibt sehr viele Aufzeichnungen, die nicht ausgewertet sind. Und ich habe mir jetzt vorgenommen, für mein Doktoratsvorhaben einige Sachen, die von ihm und von meinem Vater auch erforscht wurden, also die gesammelt wurden, irgendwie auch auszuwerten. [Ich bin dankbar, dass das gemacht wurde.] Atmo 15 Musik Mokotuk O-Ton 37, 1„27“ Kubik Also eine ganz besondere Aufnahme, die ich gemacht habe im Jahr 1969 auf meiner Reise nach Kamerun. Wir hatten vor am Fluss zu tanzen, um die Mami Wata, die Fee zu rufen. Das haben wir also gemacht um Mitternacht. In ganz Westafrika ist die Mami-Wata-Mythe verbreitet. Und sehr viele Musiker gehen also eine Beziehung zu diesem spirituellen Wesen ein. Und wir wollten uns ja nur amüsieren, wir wollten keine Beziehung eingehen, aber das ist der Anfang der Geschichte. Dann kam eine weitere Geschichte. Es stellte sich heraus, dass man regelmäßig Musik macht im Wasser. Und wir sind zu demselben Fluss dann am nächsten Tag zurückgegangen mit einer Gruppe von Frauen und Mädchen, und die haben also im Wasser Trommelspiel, ohne Trommel, nur durch explosionsartige Verwendung des Wassers. Ich war also zu allen möglichen Späßen und Abenteuern bereit. In gewissem Sinne war das ganz günstig, weil das hat ermöglicht, ganz ungewöhnliche Aufnahmen zu machen. Musik Mokotuk 11 O-Ton 38, 33“ Kubik Das ist eine Aufnahme, die mir […] sehr ans Herz geht. Die meisten dieser Aufnahmen könnten nicht wieder gemacht werden. […] Es ist weg, diese ganze Musik. Da hatten wir Glück, dass eben Mitte des 20. Jahrhunderts, dass ich da als junger Ethnologe da dran war und diese Chance ausnützte, um unvergessliche Aufnahmen zu machen. Musik Mokotuk frei stehen lassen 12
© Copyright 2025 ExpyDoc