SWR2 Tandem

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Tandem
Mit dem Aufnahmegerät durch Afrika
Der Musikethnologe Gerhard Kubik
Von Natasa Konopitzky
Sendung:
Wiederholung:
Redaktion:
Produktion:
Montag, 19. September 2016, um 19.20 Uhr
Dienstag, 19. September 2016 um 10.05 Uhr
Karin Hutzler
SWR 2016
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O-Ton 1, 12“ mit Atmo, KUBIK
Welcome ins Verlies. (lacht)
Sprecherin:
Gerhard Kubik öffnet die Tür zu seiner Arbeitswohnung in Wien. „Cultural Research
Institute“ steht auf dem verstaubten Schild.
O-Ton 2, 22“ Kubik
Die Tür ist fast nicht mehr verschließbar, weil so viel Staub da hinein
gekommen ist. (Schloss) Es war mal ein schönes altes Haus […]. Da tropft das
Wasser von oben rein. Also wie die bauen, ich weiß es nicht. Hier ist momentan
ein See, nicht.
Sprecherin:
Über der Wohnung wird der Dachboden ausgebaut. Überall stapeln sich Kisten.
Vieles ist mit Plastikfolie verhängt. Kaum zu glauben, dass hier eines der weltweit
größten Archive afrikanischer Musik ist.
O-Ton 3, 23“ Kubik
Es sieht hier aus wie 1945 nach einem Bombenangriff. Und daher mussten wir
Materialien retten, vom Boden weg sofort in höhere Lagen bringen, zum
Beispiel da, da sind Hunderte, Hunderte von Tonbändern. Also das ist alles voll,
Aufzeichnungen Malawi usw., auch hier.
Sprecherin:
36.000 Aufnahmen auf Tonband, 20.000 Fotos, unzählige Stunden an Filmmaterial.
Dazu kommen mehrere Regale voll mit Forschungsprotokollen.
O-Ton 4, 45“ Kubik
Da sind Original Feldaufzeichnungen, sehen Sie hier. Also wenn wir das Uralte
raus nehmen: 1959/60, mit der Schreibmaschine geschrieben, ein paar Notizen
gemacht, Mitschriften von Informanten sind dabei. Erste Aufnahme Band fünf,
Konzert der blinden Musiker in Saalama Uganda. Das sind die Aufnahmen, die
Tonbandaufnahmen gewesen, zusammen mit den Fotos von meiner allerersten
Reise, die ich per Anhalter gemacht habe, durch zwölf afrikanische Staaten.
Atmo 01 Kassette einlegen
O-Ton 5, 6” Kubik
Und ich hab zum Beispiel hier ein Stück, es ist so Bluesintensiv.
Atmo 02 Kassettenplayer, Spulen
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O-Ton 6, 25” Kubik
Die Aufnahme kam so zustande. Ich bin in Kamerun, in Zentralkamerun. Und
wir gingen da sehr ermüdet in der prallen Sonne. Sehr unbesiedelt und so
gegen Mittag auf einmal kamen wir zu einem Haus, ein alleinstehendes Haus,
und wir hörten seltsame Klänge, ein Gesang.
Atmo 03: Kassette Play
Atmo 04: Musik Grinding Song (20”, dann unter O-Ton)
O-Ton 7, 28“ Kubik
Die Frau des Hauses mit ihrem Kind war auf der Veranda. Sie war dabei, Mais
zu mahlen oder möglicherweise war es Hirse. Und sie hat einen Mahlstein
benutzt. Und in einer rhythmischen Form hat sie gemahlt, und dazu hat sie ein
Lied gesungen. Nun, dieses Lied dieser Tikar-Frau hat eine ausgesprochene
Bluestonalität.
Musik Grinding Song
Sprecherin: (auf Musik)
Seit den 60er Jahren reist Gerhard Kubik nach Afrika. Er spricht zwei afrikanische
Sprachen und spielt mehrere Instrumente. Der 81-jährige Kulturanthropologe hat
Lehraufträge an österreichischen und deutschen Universitäten, hält Vorträge und
schreibt Bücher über die verschiedensten Themen wie Märchen, kulturelle Tabus,
Audiopsychologie und Musiktherapie.
O-Ton 8, 25“ Kubik
Die Interessenschwerpunkte haben sich bei mir einfach so ergeben, je nach der
Umgebung, wo ich war. Ich kann mich erinnern, im Yoruba-Sprachgebiet hab
ich mir gedacht, also jetzt bist du in Westafrika. Es sind doch so viele Leute von
hier deportiert worden in alle Teile von Amerika. Ist da irgendein Indiz? Und ich
hab schon allerlei entdeckt.
Atmo 05: Kassettenplayer Stop
Atmo 03: Kassette Play
Atmo 06: Musik Garaya
O-Ton 9, 34” Kubik
Das ist eine Aufnahme aus Nordostnigeria, die ich im Jahr 1963 gemacht habe
von einem Wanderer, von einem Händler, der […] ganz im Nordosten von
Nigeria, Gebiet heute von Boko Haram, da kann man gar nicht mehr hin, der
dort gewandert ist, um seine Waren zu verkaufen und dann setzte er sich an
den Straßenrand und spielte die Laute, zweisaitige Laute Garaya.
Musik Garaya hoch
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O-Ton 10, 29“ Kubik
Die Leute sind ja gewandert mit den Instrumenten. Und von Zeit zu Zeit spielte
man, und das beflügelte auch den Schritt. Heute würden sie wahrscheinlich mit
einem Mobiltelefon wandern und da hinein starren. Und vor 20 Jahren mit
einem Kassettenplayer oder so. Aber früher man hat Musik gemacht, man ist
aktiv gewesen, nicht nur Konsument.
Musik Garaya hoch
Atmo 05: Kassettenplayer Stop
O-Ton 11, 1„15“ Kubik
Ich war damals in Nigeria, also 1963/64 mit einem Fahrrad unterwegs, mit
Hilfsmotor. Das war eine französische Produktion, das hieß Solex. Und ich bin
also da gefahren über Stock und Stein. Ich habe mich an keine Grenzen
gehalten. Bin also aus Nigeria nach Kamerun hinüber ohne Passkontrolle.
Später wurde ich dann belästigt von der Polizei usw. Also die fanden keinen
Stempel in dem Pass. Es war ja immer so, dass ich quartierlos war. Ich bin ja
einfach mit dem Fahrrad gefahren, bis die Sonne untergegangen ist, und dann
stand ich da einfach. Und wenn es ein Dorf gab, bat ich um eine Unterkunft. Die
Leute boten mir sofort eine kleine Hütte an. Freiwillig kamen Leute jeder
Altersgruppe und sagten: wir würden auch ganz gerne ein Lied singen, kannst
du das aufnehmen usf., nicht.
Atmo 02 Kassettenplayer, Spulen
Atmo 03: Kassette Play
Atmo 07: Musik Nyangy Panpipes (20” hoch, dann unter O-Ton)
O-Ton 12, 31” Kubik
Das ist der so genannte Nyanga Panpfeiffentanz, aufgenommen im SambesiTal in Malawi. Diese Hooping-Technik, abwechselnd blasen und Vokalton
hervorgebracht,… ist ja auch in die Vereinigten Staaten verpflanzt worden.
Inzwischen ist der Panpfeifentanz zwar nicht verschwunden, aber sehr selten
geworden.
Musik Nyangy Panpipes hoch
Atmo 05: Kassettenplayer Stop
O-Ton 13, 40” Kubik
Bevor ich zu Jazz komme, ist etwas ganz Anderes zu besprechen. Wie bin ich
überhaupt zu einer wissenschaftlichen Arbeit gekommen? Sie werden sehen,
wenn Sie hier lesen – was soll denn das sein? (singt Bombenalarm) Sonntag,
10. September 1944. Fünf Minuten vor halb elf Uhr, Angriff eine Stunde sieben
Minuten. Da fing ich an, ich war noch nicht neun Jahre alt, da begann eigentlich
meine Wissenschaft.
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Sprecherin:
Gerhard Kubik führte genau Buch über alle Bombenangriffe der Alliierten auf Wien
und Umgebung. So konnte er seine Angst kontrollieren. Er verzeichnete den
Sirenenalarm und die Zahl der Toten und Verletzten.
Nach dem Krieg begann er, Prosa zu schreiben.
O-Ton 14, 40“ Kubik
Es gibt von mir einen Roman, den ich schrieb, als ich genau 13 Jahre alt war.
Ich verbrachte sehr sehr lange Zeit oft ganz allein […] und schloss mich ein und
schrieb an meinem Roman. Ich habe mich dann auch selbst bezwungen, denn
nach einiger Zeit war ich müde und sagte, ach ich hab heute keine Ideen. Aber
ich habe mich dann gezwungen jeden Tag, einige Zeilen da in dem Roman
weiterzuspinnen. Ich hab gelernt: Ziele durchzusetzen, mich nicht ablenken zu
lassen. Ein Vorteil bis heute, nicht.
Atmo 08 Musik Charlie Parker – If I should lose you (frei bis 35”)
O-Ton 15, 30“ Kubik
Jetzt kommen wir zu dem zweiten Teil, zu Jazz. Als die Amis kamen, war das
zum Teil ein Vorbild für uns Kinder. Die Amis kamen mit dem Zug rein gefahren
und ihre Beine hingen beim Fenster raus, das hat uns schon beeindruckt. Mein
Glück, unser Glück war, wir waren in der amerikanischen Besatzungszone.
Jazz jede Menge, bis zu Modern Jazz, bis Charlie Parker, Stanley Getz.
Musik Charlie Parker – If I should lose you langsam hoch bei 2„30“ bis Ende
O-Ton 16, 45“ Kubik
(Denn ich müsste noch erzählen,) meine Mutter war Bankbeamtin. Am
allerliebsten hätte sie mich gesehen als Abteilungsleiter in derselben Bank, wo
sie beschäftigt war. (lacht) Das sind so Wunschvorstellungen. Nach dem Abitur
ging es ganz übel zu. Ich kam bei einer Firma unter. Die ganze Arbeit war, eine
Kartei zu überwachen und ein paar Eintragungen zu machen den ganzen Tag.
Ich wurde sehr schnell krank. Man könnte sagen Konversionsneurose. Ich
wollte meiner Mutter nicht sagen, das mach ich nicht mehr weiter, nein, ich
wurde krank.
Sprecherin:
Gerhard Kubik gab seine Arbeit bei der Bank auf. Er spielte Klarinette in einer New
Orleans Jazz Band, begann Afrikanistik zu studieren und gründete mit Mitte zwanzig
seine erste eigene Band.
O-Ton 17, 49“ Kubik
Die Band existierte bis zum Jahr 1959, unmittelbar nachdem wir den ersten
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Preis gemacht hatten beim Jazzfestival 1959 in Wien. Und dann auf einmal
erklärte der Posaunist, er würde nicht mehr […] spielen, ganz plötzlich. Er wollte
sich verheiraten und so weiter und wollte aussteigen. Das war der Todesstoß
gegen die Band und auch der Anlass dazu, dass ich mich anderen Dingen
zuwandte. // Ich hatte Bücher gelesen, die auf die afrikanischen Wurzeln von
Jazz eingegangen waren, dadurch kam das Thema Afrika in den Vordergrund.
Atmo 09 Musik Ndyegulira Ekadde
O-Ton 18, 42“ Kubik
Ja also ich bin abgefahren am 7. Oktober 1959. Nach dem zweiten Weltkrieg
wir jungen Leute sind ja alle mit Autostopp gefahren. Per Anhalter ohne zu
bezahlen. Ich sagte, ich werde das auf Afrika übertragen. Das war nicht ganz so
leicht. Also in Ägypten hat nicht sehr gut funktioniert, und im Sudan überhaupt
nicht. Keine Chance, da gab es keine Autos, da gabs manchmal einen
Lastwagen und zehn Tage warten. Und ich habe mich dann auf dem
Wasserweg, auf dem Nil, fortbewegt.
Musik Ndyegulira Ekadde
O-Ton 19, 45“ Kubik
Und als ich in Uganda ankam, ich hab mich gemeldet beim Uganda Museum.
Ich wusste, dass ein solches Museum bestand und bin einem Hofmusiker
vorgestellt worden, Evaristo Muyinda. Ich konnte mich kaum mit ihm
verständigen, denn sein Englisch war sehr gering, und Luganda hatte ich noch
nicht studiert und sagte: Ich möchte ganz gerne Musik lernen. […] Ich wollte
Harfe lernen. Und Evaristo Muyinda sagt: Neenee, also mit Harfe fangen wir
nicht an, das ist ungünstig. Ich beginne meinen Lehrbetrieb mit Leuten, die bei
mir lernen wollen, mit dem Xylophon.
Sprecherin:
Damals war Gerhard Kubik 25 Jahre alt. Seitdem lässt ihn Afrika nicht mehr los. Er
verbringt jedes Jahr mehrere Monate dort. In den letzten Jahren vor allem in Malawi.
Atmo 10 Musik One string bass
O-Ton 20, 13” Malamussi
Hello, my name is Moya Malamussi. I‟m from Malawi. At the moment I am here
in Austria, I‟m with the band here to play our music.
Musik One string bass
Sprecherin:
Der Musiker und Anthropologe Moya Malamussi zupft an einem selbstgebauten
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Bass. Eine Saite ist auf eine große Teebox aus Aluminium gespannt. Ein Instrument,
das bei „Kwela“, dem südafrikanischen Jazz eingesetzt wird.
Musik One string bass
O-Ton 21, 18” Malamussi und Kubik
[…] We call it one string bechikundu bass in our language. So this instrument
came out with Kwela music, which we are going to play for you now. // It‟s not
very comfortable, but you are most welcome to have a seat here.
Atmo 11 Musik Probenbeginn
Sprecherin:
Probenbeginn der „Donald Kachamba Kwela Heritage Jazzband“: Moya Malamussi
am Bass, ein weiterer Musiker aus Malawi an der Flöte und Gerhard Kubik an der
Klarinette. Gesprochen wird Chichewa, eine der Landessprachen Malawis.
O-Ton 22, 17“ Malamussi und Kubik
Moya und Kubik sprechen Chichewa.
Atmo 12 Musik Sinjonyo Capetown (frei bis 35”)
O-Ton 23, 45” Kubik
We know each other almost since childhood. I mean, first I came to know Dr.
Malamussi, when he was still a boy in 1967. A little boy Moya, he played in a
Kwela Band, a Kwela band that was very famous, the Kachamba Brothers
Band. Myself I started to perform in the band of Donald Kachamba in 1973. And
since 1973 (we have been together performing,) we toured 33 countries of the
world.
Übersetzer: Ich habe Moya Malamussi 1967 kennengelernt, da war er noch ein
kleiner Junge. Er hat in der Kwela Band Kachamba Brothers gespielt. Ich bin zu
dieser berühmten Band 1973 gestoßen. Seitdem haben wir in 33 Ländern
zusammen gespielt.
Atmo 13 Musik Find my Name (mit Gespräch) bis ca. 43“ frei, dann unter Text
Sprecherin:
In den 80er Jahren unternahmen Gerhard Kubik und Moya Malamussi auch
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gemeinsame Feldforschungen. Moya studierte in Wien Ethnologie. Heute unterrichtet
er an der Sigmund Freud Uni Wien und an der Universität Wien, ebenso wie Gerhard
Kubik.
O-Ton 24, 30” Malamussi
You know, Gerhard Kubik is a person, who likes to work. He works from
morning until night. He has really done quite a lot in his time and he has
published many, many things and […] I believe his mind is like a dictionary. At
his age he is still… he doesn't drink, he doesn't smoke but he likes working.
(lacht)
Übersetzer: Gerhard Kubik arbeitet von früh bis spät. Er hat viel publiziert. Er
ist ein wandelndes Lexikon. Trotz seines Alters macht er noch viel. Er trinkt
nicht, er raucht nicht, aber er arbeitet gern.
O-Ton 25, 25” Malamussi
We are together always. What he is doing I am also doing the same thing.
When he wants to do something, we‟re discussing first. So, we are growing up
together. Now I could say he is a family member. He took all my children to
educate them here. Some they already got their masters. So, he's part of our
family.
Übersetzer: Wir verbringen viel Zeit miteinander. Wir machen das Gleiche.
Wenn er etwas plant, spricht er zuerst mit mir darüber. Er ist ein Familienmitglied. Er hat meine Kinder in Wien ausbilden lassen. Er gehört zu uns.
Sprecherin:
Seit vielen Jahren nehmen Gerhard Kubik und Moya Malamussi in Afrika Musik und
Geschichten auf: Ein alter Mann erzählt seinen elf Frauen ein Märchen.
Atmo 14 Musik Kulemela kothamangila (30“ frei, dann unter O-Ton)
O-Ton 26, 32” Kubik
Diese Märchen sind ja Chantefables, in dem Sinne, als die Märchenerzählung
immer unterbrochen wird von einem Lied, das an dramatischen Stellen des
Märchens vorkommt. Außerdem ist die Organisation ja auch so, die Zuhörer
des Märchens müssen auch antworten. Hier in der Aufnahme sagen sie: … Wir
sind alle beisammen, wir sind alle beisammen.
Musik Kulemela kothamangila hoch
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O-Ton 27, 24” Malamussi
When it was hot, people could say: okay, today we are going to sleep outside.
So all the houses nearby come together to sleep; and then you could hear from
one corner a story begins and the others they reply and then they listen. And
then another one tells a story, another tells a story until they fall asleep.
Übersetzer: An heißen Tagen haben die Menschen früher draußen geschlafen.
In einer Ecke hat dann jemand eine Geschichte erzählt, die nächste Geschichte
kam aus einer anderen Ecke. Die Leute haben sich Geschichten erzählt, bis
alle eingeschlafen waren.
Sprecherin:
Moya Malamussi gründete in Malawi das Oral Literature Research Programme.
Seine Schwester arbeitete auch mit.
O-Ton 28, 19” Malamussi
My sister, Lydia Malamussi, who was married to Kubik, she said we should also
start to record stories here in our village, because all of these old ladies are
dying away. So they will die away with their stories.
Übersetzer: Meine Schwester Lydia war mit Kubik verheiratet. Sie sagte, wir
sollen in unserem Dorf Geschichten aufnehmen, bevor die alten Frauen sterben
und mit ihnen die Geschichten verschwinden.
O-Ton 29, 36“ Kubik
Sie ist 1982 zum ersten Mal hierhergekommen, und dann waren wir einige
Monate hier, und dann war ich wieder einige Monate in Malawi. Das ging so
wunderbar, bis sie ganz plötzlich im Jahr 1989 [...] Wie das passiert ist, ist mir
auch ein großes Rätsel. Im Jahr 1989 am 26. November ist sie verstorben.
Sprecherin:
Gerhard Kubik war damals in Portugal. Seine Frau und er wollten gemeinsam
Weihnachten in Wien verbringen.
O-Ton 30, 48“ Kubik
Als ich in Portugal war, hörte ich auf einmal die Nachricht, sie hatte Fieber, aber
es sei nicht sehr schlimm. Es ist wahrscheinlich eine Malaria tertiana, die ist ja
nicht [gefährlich] lebensgefährlich. Und als das Fieber nicht wegging, haben sie
vielleicht alle einen großen Fehler gemacht. Sie sind in ein lokales Spital
gefahren, und ich weiß, dass dort irgendwas Böses passiert ist. Es kamen
nurses vorbei und gaben ihr plötzlich eine Spritze. Und eine halbe Stunde nach
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dieser Spritze, auf einmal setzte sie sich auf: Was ist? Und im Moment fiel sie
um und war tot.
Sprecherin:
Gerhard Kubik vermutet, dass seine Frau eine Penicillin-Spritze bekommen hatte
und an einem Penicillin-Schock starb. Ärzte waren damals keine im Spital.
O-Ton 31, 48“ Kubik
Für die nächsten drei, vier Jahre war ich kaum fähig zu irgendetwas. Wir hatten
Glück, Moya und ich, dass wir ein Forschungsprojekt für Namibia bekamen.
Moya Malamussi hatte seinen Sohn, und er hat gesagt: Warum nehmen wir den
Kleinen nicht gleich mit? Und wir haben also den Fünfjährigen mitgenommen.
Das war ein eigenartiges Team: Zwei Männer und ein Junge. Stadtbekannt
waren wir in Windhoek. Diese Art und Weise, wie das Kind spielt und einfach
wie es da lebt, hat mich aus meiner Depression raus geholt.
Sprecherin:
Jochana, der mittlerweile erwachsene Sohn von Moya Malamussi lebt in Wien, so
wie auch zwei der Töchter. Gerhard Kubik ist wie ein zweiter Vater für sie.
O-Ton 32, 26“ Monica
Ich heiße Monica Malamussi, ich bin die Nichte vom Gerhard Kubik, bin 30
Jahre alt und bin seit 1997 hier in Österreich. Er hat mich mit elf und meinen
Bruder mit neun Jahren hierher geholt. Und wir waren noch sehr klein und er
hat uns großgezogen, also großteils. Mein Vater war auch teilweise da, aber er
war meistens immer da.
O-Ton 33, 23” Daina
My name is Daina Malamussi. I‟m 27 years old. I started my Bachelor in winter
semester 2014. (I will proceed until I get my Bachelor.) He is somebody we
depend on and he depends on us. We take him as very close family member.
Übersetzerin: Ich bin 27 Jahre alt und studiere seit 2014 in Wien. Gerhard
Kubik ist ein Teil unserer Familie. (Wir stehen uns sehr nahe.)
O-Ton 34, 31” Monica
Wenn es ein Forschungsprojekt gibt, dann sind wir alle mit dabei, und wir tun
alle mitarbeiten. Und ich möchte nur sagen, die Forschungsmethode habe ich
bei Gerhard Kubik gelernt, die ich anwende. So habe ich bei ihm gelernt, wie
man aufs Feld geht und wie man mit den Leuten umgeht. […] Von 2008, 2009
habe ich für meine Diplomarbeit selbständig da geforscht.
O-Ton 35, 26” Daina
I was just after my high school, and my father decided to give me something to
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work. And then he sent me somewhere like 50 kilometers from my home. It was
a village and he just gave me recorders and some money and he said: you just
go into the villages and find out the fairy tales from old people.
Übersetzerin: Als ich die Schule abgeschlossen hatte, schickte mich mein
Vater los, um Aufnahmen in Dörfern zu machen. Er gab mir ein Aufnahmegerät
und etwas Geld und sagte: Lass dir von alten Menschen Märchen erzählen.
Atmo/ Musik:
Sprecherin:
Gerhard Kubik hat viele seiner Aufnahmen dem Phonogrammarchiv in Wien zur
Verfügung gestellt. Das Filminstitut in Karlsruhe digitalisiert zurzeit die 8mm und
16mm-Filme. Die gesamten Archivbestände aufzuarbeiten würde Generationen
dauern. Monica Malamussi macht einen Anfang.
O-Ton 36, 31“ Monica
Jetzt aktuell mache ich mein Doktoratsstudium in Afrikawissenschaften […]. Es
gibt sehr viele Aufzeichnungen, die nicht ausgewertet sind. Und ich habe mir
jetzt vorgenommen, für mein Doktoratsvorhaben einige Sachen, die von ihm
und von meinem Vater auch erforscht wurden, also die gesammelt wurden,
irgendwie auch auszuwerten. [Ich bin dankbar, dass das gemacht wurde.]
Atmo 15 Musik Mokotuk
O-Ton 37, 1„27“ Kubik
Also eine ganz besondere Aufnahme, die ich gemacht habe im Jahr 1969 auf
meiner Reise nach Kamerun. Wir hatten vor am Fluss zu tanzen, um die Mami
Wata, die Fee zu rufen. Das haben wir also gemacht um Mitternacht. In ganz
Westafrika ist die Mami-Wata-Mythe verbreitet. Und sehr viele Musiker gehen
also eine Beziehung zu diesem spirituellen Wesen ein. Und wir wollten uns ja
nur amüsieren, wir wollten keine Beziehung eingehen, aber das ist der Anfang
der Geschichte. Dann kam eine weitere Geschichte. Es stellte sich heraus,
dass man regelmäßig Musik macht im Wasser. Und wir sind zu demselben
Fluss dann am nächsten Tag zurückgegangen mit einer Gruppe von Frauen
und Mädchen, und die haben also im Wasser Trommelspiel, ohne Trommel, nur
durch explosionsartige Verwendung des Wassers. Ich war also zu allen
möglichen Späßen und Abenteuern bereit. In gewissem Sinne war das ganz
günstig, weil das hat ermöglicht, ganz ungewöhnliche Aufnahmen zu machen.
Musik Mokotuk
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O-Ton 38, 33“ Kubik
Das ist eine Aufnahme, die mir […] sehr ans Herz geht. Die meisten dieser
Aufnahmen könnten nicht wieder gemacht werden. […] Es ist weg, diese ganze
Musik. Da hatten wir Glück, dass eben Mitte des 20. Jahrhunderts, dass ich da
als junger Ethnologe da dran war und diese Chance ausnützte, um
unvergessliche Aufnahmen zu machen.
Musik Mokotuk frei stehen lassen
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