Zwischendurch Erinnern Sie sich? In den Achtziger- und Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, als der französische Staatspräsident noch François Mitterrand hieß, mochte man es in konservativen französischen Kreisen gar nicht gern, wenn unverkrampfte Landsleute Anglizismen in ihren Wortschatz aufnahmen. Französisch sei Weltsprache genug und überhaupt viel zu schön, um durch ausländische Sprach elemente verhunzt zu werden, hieß es damals. Und diese Parole wirkt bis heute nach. So heißt der von aller Welt Computer genannte Computer in Frankreich bis heute »Ordinateur«. Und wer online ist, ist ganz und gar nicht ordinär online, sondern vornehm »en ligne«. Früher, als mein Haar noch lang und das Gedachte meist kurz war, hab’ ich über derlei sprachlichen Nationalstolz nur den Kopf geschüt- Ich geh’ mich mal eben enablen »Muss denn wirklich jede Popelsveranstaltung ein Event sein? Ein cooler Anglizismus macht ein unbedeutendes Ereignis nicht interessanter.« telt. Heute jedoch sieht die Sache anders aus. Anglizismen, so sie ein erträgliches Maß überschreiten, gehen mir mehr und mehr auf den Geist. Dabei hab’ ich gar nichts gegen die englische Sprache und den dazugehörigen Landesteil des Vereinigten Königreichs. Einer der Gründe: Die lustigen Windsors und ihr spleeniges Volk haben öfter als andere einen hohen Unterhaltungswert. Das allein ist schon Grund genug, sie lieb zu haben (siehe auch: englischer Humor). Wenn aber primagute deutsche Begriffe in Serie eingeenglischt werden, ist bei mir inzwischen der Ofen aus. Warum etwa ist jede Popelsveranstaltung ein Event? Warum eine stinknormale Kneipe eine Event Location? Weshalb heißen intelligente Logistiklösungen im Jahr 2016 Smart Logistics? Und wieso ist eine digitale Fabrik eine Digital Factory? Damit wir auch im Ausland und von Ausländern verstanden werden? Einverstanden. Das ist ein guter Grund in einer globalisierten Wirtschaft. Aber sonst? Bedarf es denn auch hierzulande in wirklich so vielen Fällen eines vermeintlich coolen Begriffs aus cool Britannia? Den Vogel schießt eine Wortschöpfung ab, die ich zum ersten Mal im zurückliegenden Sommer gehört habe: der Enabler. O-Ton Deutsche Messe im Zusammenhang mit der Cemat, einem wirklich wichtigen Branchentreffen: »Intelligente Intralogistik ist das Rückgrat und der Enabler von Industrie 4.0.« Enwhat? Ach so, intelligente Intralogistik versetzt den Nutzer in die Lage, Industrie 4.0 zu verwirklichen. Ja, wenn das so ist: erfolgreiches Enablen! Da sind dann auch die Briten mit von der Partie. Brexit hin, Pfundschwäche her. In eigener Sache Kurz vor Drucklegung erreichte uns die traurige Nachricht, dass unser Kollege Hans-Martin Piazza vom FM-Logistikmagazin verstorben ist. Farewell Martin, wir werden dich vermissen. Michael Weilacher [email protected] 48 www.logistik-journal.de | September 2016
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