Dachdecker, die mit Drohnen arbeiten - FDP

Bonner Rundschau vom 21. Sept. 2016 Seite 26 (Rhein-Sieg-Kreis)
Dachdecker, die mit Drohnen arbeiten
Vom Einzug der Technik ins Handwerk - Andreas Pinkwart zu Gast bei Alanus
ALFTER. Für den Wahl-Witterschlicker
Professor Dr. Andreas Pinkwart war es ein
Heimspiel: Der ehemalige Vize-Ministerpräsident und Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie
des Landes Nordrhein-Westfalen, der seit
2011 als Rektor die HHL Leipzig Graduate
School of Management und Lehrstuhlinhaber für Innovationsmanagement und
Entrepreneurship in Leipzig leitet, sprach
an der Alanus Hochschule in Alfter über
die Digitalisierung des Wirtschaftslebens,
das auch vor dem Handwerk nicht Halt
macht. ‚Handwerk 4.0" hieß sein Thema
im Rahmen der „Liberalen Woche der
FDP Rhein-Sieg. Rund 50 Zuhörer und
Parteifreunde folgten dem interessanten
Vortrag.
Hinter dem Kürzel 4.0 stecke die „Fabrik
der Zukunft", erklärte Pinkwart zu Beginn.
Die fortschreitende Digitalisierung fordere
traditionelle Handwerksunternehmen immer mehr heraus, ganz gleich, ob Einzelunternehmer, kleiner Familienbetrieb oder
Unternehmen mit mehreren Hundert Mitarbeitern. Schon jetzt gehe der Trend zum
„Smart Home'; das möge noch futuristisch
klingen, sei aber nicht mehr weit weg.
Künftig werde man verstärkt mit dem
Smartphone Funktionen im oder außer
Haus steuern können, die Kunden erwarten von den Handwerkern, dass sie diese
Techniken einbauen und warten können.
Viele Arbeitsschritte werden nach und
nach entfallen, so Pinkwart. Kaum ein
Handwerker nehme heute noch Aufmaß
mit dem Zollstock, und schon jetzt gibt es
Dachdecker, die mit Drohnen arbeiten,
bevor sie überhaupt das Dach besteigen.
Doch auch klassische Bürotätigkeiten von
der Angebots- bis zur Rechnungstellung
erfolgten längst per E-Mail oder über soziale Netzwerke.
Umdenken müssten Handwerksbetriebe
auch bei der Kundenwerbung. ‚Die eigentliche Stärke des Handwerkers war die
Ortsnähe, er kannte seine Kunden, man
war in Vereinen aktiv, gut vernetzt." Die
Betriebe müssten aufpassen, dass sie
sich nicht vom Kunden entfernen, große
Konzerne körnten durch die Sammlung
der Kundendaten viel gezielter und individueller Käufer ansprechen.
Mit der Digitalisierung einhergehen auch
die Ausbildungsinhalte, die mit den
schnell fortschreitenden Technologien jedoch längst nicht Schritt hielten. Hier
müsse sich noch viel ändern. Gleichzeitig
könnten Handwerksberufe durch den Einsatz modernster Technologien wieder
‚hochattraktiv" werden, so Pinkwart und
dem Fachkräftemangel entgegenwirken:
‚Denken wir Handwerk 4.0 richtig, bekommen wir auch wieder junge, motivierte
Leute in den Beruf."
Mit eindrucksvollen Zahlen wartete Peter
Panzer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln,
auf. Längst sei die Digitalisierung bei den
33 000 Mitgliedsbetrieben mit ihren 160
000 Beschäftigen angekommen, wie eine
aktuelle Umfrage zeige. 84 Prozent nutzten das Internet, 91 Prozent kommunizierten. per E-Mail und 61Prozent verfügen
über eigene Internetauftritte. Vieles sei
längst normal geworden, so Panzer, auch
in der Ausbildung die Onlinefortbildung.
So würden theoretische Prüfungsinhalte
in vielen Bereichen längst per Internet abgefragt. Und die Nachfrage ist da: ‚Vor
acht Jahren boten wir erstmals Onlinekurse an, damals waren es noch Ladenhüter."
Als ‚absoluten Heilsbringer". sieht Kreishandwerksmeister Thomas Radermacher
aus Meckenheim die Digitalisierung aber
nicht: ‚Meine Kunden wünschen sich nach
wie vor die persönliche Ansprache von
Mensch zu Mensch. Die gesunde Mischung zwischen moderner Technik und
persönlicher Kommunikation macht es
aus."
Bei der anschließenden Diskussion stellte
sich heraus, wie fit bereits viele der anwesenden Zuhörer in Sachen Digitalisierung
sind. Zahlreiche Gäste sind auch selber
Handwerker.
Ein Unternehmer brachte dies wie folgt
auf den Punkt: „Früher haben wir gelötet,
heute wird programmiert." Gleichzeitig
übte er Kritik an der Bundesregierung,
den Ausbau der digitalen Infrastruktur in
Deutschland nicht schnell genug voranzutreiben: „Versuche ich, in Holland zu programmieren und die Daten zu versenden,
geht das blitzschnell. Aber wehe, wenn
man in Ruppichteroth wohnt."
Dem pflichtete. auch Ex-Minister Andreas
Pinkwart bei: „Bei diesem Thema hinken
wir in Deutschland noch sehr zurück".
(fes)