Es zählt der „Faktor Mensch“ - FDP

General-Anzeiger vom 21. September 2016 Seite 18 (Vorgebirge)
Es zählt der „Faktor Mensch“
Die linksrheinischen FDP-Ortsverbände luden zur Expertenrunde zum
Thema „Handwerk 4.0“
VON SONJA WEBER
ALFTER. Mit der ,,virtuellen Brille" auf
der Nase sitzt der Handwerksmeister in
seinem Büro. Gründlich begutachtet er
die Baustelle in Haus XY und gibt seinen
Mitarbeitern vor Ort Anweisungen für die
nächsten Arbeitsschritte, während er
gleichzeitig die benötigten Materialien
per Internet bestellt.
Wer glaubt, dieses Szenario sei weit entfernte Zukunftsmusik, der könnte sich
täuschen. Denn technisch ist dieses Zeit
und Geld sparende Verfahren bereits
möglich.
Im Zeitalter der Digitalisierung verändern
sich auch für das Handwerk grundlegende Prozesse in rasanter Geschwindigkeit. Die linksrheinischen FDP-Ortsverbände Alfter, Bornheim, Meckenheim,
Rheinbach, Swisttal und Wachtberg nahmen dies zum Anlass, mit einer Expertenrunde auf dem Campus II der Alfterer
Alanus Hochschule über das Schwerpunktthema der diesjährigen Internationalen Handwerksmesse „Handwerk 4.0"
zu diskutieren.
Der Einladung gefolgt waren Andreas
Pinkwart, Rektor der Leipzig Graduate
School of Management und ehemaliger
Minister für Innovation, Wissenschaft,
Forschung und Technologie des Landes
Nordrhein-Westfalen, sowie Thomas Radermacher, Kreishandwerksmeister aus
Meckenheim, und Peter Panzer, stellvertretender
Hauptgeschäftsführer der
Handwerkskammer zu Köln.
In welchen Bereichen ist die Digitalisierung für das Handwerk relevant und welche Rolle spielt dabei die digitale Infrastruktur? Wie kann modernste Technik
sinnvoll genutzt werden und wo stößt sie
an ihre Grenzen? Kann man das
Handwerk durch digitale Aufrüstung für
junge Menschen wieder attraktiver ma-
chen und müssen Schul- und Ausbildungsinhalte dieser Entwicklung mehr
entsprechen? „Unbedingt", lautete Pinkwarts Antwort auf diese letzte Frage, die
auch den Zuhörern unter den Nägeln
brannte. „Die Technik schreitet unglaublich schnell fort - und die Bildungspolitik
hinkt dramatisch hinterher." Gleiches
gelte für den Breitbandausbau „Wenn wir
unsere führende Position nicht verlieren
wollen, müssen wir hier investieren", forderte er ebenso wie die beiden Vertreter
des Handwerks.
In der Handwerksausbildung habe Digitalisierung etwa mit Online-Vorlesungenund Gesellenprüfungen bereits Einzug
gehalten, berichtete Peter Panzer von
der Handwerkskammer zu Köln. 61 Prozent der Mitgliedsbetriebe in der Handwerkskammer besitzen laut einer Umfrage bereits einen eigenen Internetauftritt. „Es gibt aber immer noch kleine Betriebe, die ganz gut ohne das Internet
auskommen“, meinte Thomas Radermacher. In welchem Maße man die moderne Technik nutze könne, sei sehr unterschiedlich. ,,Es gibt kaum eine Branche, die inhomogener ist als das Handwerk", meinte der Kreishandwerksmeister mit Blick auf die 150 Handwerksberufe in Deutschland.
Während Andreas Pinkwart für die Industrie die „individualisierte Massenfertigung" hervorhob und feststellte, dass
große Unternehmen durch das Sammeln
von Daten ihre Kunden mittlerweile besser kennen als der Betrieb nebenan, betonte Radermacher, dass die Technik
den „Faktor Mensch" im Handwerk nicht
ersetzen könne. Hier sei eine gute Mischung gefragt. „Kunden schätzen weiterhin die persönliche Ansprache."