SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 12.09.1956: John Deere übernimmt Lanz in Mannheim Von Eberhard Reuß Sendung: 12.09.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autor: 12. September 1956. Zur Morgenschicht hängt in den Lanz-Werken eine Mitteilung am Schwarzen Brett. Den Arbeitern wird lapidar die Übernahme der Heinrich Lanz AG Mannheim durch den US-Konzern John Deere verkündet. O-Ton Werbefilm John Deere 1956: „Diese Verbindung von Lanz mit John Deere bedeutet für Sie doppelte Sicherheit.“ Autor: Heißt es damals auch in einem eigens produzierten Werbefilm. Ein Jahr später gibt es bei Lanz rund 1.000 Beschäftigte weniger. Und die 8 000 verbliebenen Arbeitnehmer bangen um ihre Zukunft als Anhängsel von John Deere. Konzernhistoriker Hans Christian Quick vom John Deere-Archiv in Mannheim: O-Ton Hans Christian Quick: „Es war für viele in Deutschland natürlich auch ein Kulturschock, dass eine solche Traditionsmarke jetzt von den Besatzern quasi geschluckt wird. Kaum 10 Jahre zuvor lag man sich in den Schützengräben in den Ardennen gegenüber.“ Autor: Mit James D. Wormely übernimmt ein US-Manager die Leitung des Mannheimer Werks. „Wir arbeiten nur noch für die Banken“ – geht ein Raunen durchs Werk. O-Ton Geräusch - Bulldog: Autor: Das ist der Lanz-Bulldog – in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Revolution. Der Einzylinder-Rohölschlepper mechanisierte die Landwirtschaft. Doch die Mannheimer Ingenieure hielten bis weit in die 50er Jahre hinein stur an ihrem Einzylinder-Zweitakter fest. O-Ton Werbefilm Lanz 1954: „Bei den Bulldog-Typen 12 – 16 PS steht wiederum der bewährte 2-TaktDieselschlepper im Vordergrund. Man ist in Mannheim bewusst bei diesem Verbrennungssystem geblieben, da man in ihm den für die schwere und harte Landarbeit geeigneten Schleppermotor erkannt hat.“ Autor: Und das, obwohl damals weltweit längst moderne 4-Zylinder und 6-ZylinderTraktoren gebaut werden. Erläutert Hans-Christian Quick: O-Ton Hans Christian Quick: „Lanz hatte damals große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zum einen hatte man sich sehr in dieses 1-Zylinder-2-Takt-Konzept verbissen, das nicht mehr zeitgemäß war, und das Werk war zum großen Teil zerstört. Es fehlte dadurch auch Geld für Neuentwicklungen. Und so bot es sich denn eben an, sich einen starken Partner zu suchen, den man eben mit der Firma John Deere gefunden hat.“ 1 John Deere-Werbefilm 1956: John Deere ist das drittgrößte Schlepper- und Landmaschinenwerk der Welt. Das Bauprogramm von John Deere umfasst sämtliche Landwirtschaftlichen Maschinen. Alle Maschinen und Geräte die in den Agrarländern der Erde eingesetzt werden können.“ Autor: Für die alteingesessenen Lanz-Mitarbeiter wie für die Kundschaft war die Übernahme durch John Deere keine „Hochzeit im Himmel“. Schon der Großvater von Karl-Heinz Berg schaffte bei Lanz in Mannheim. Auch Vater Berg fing bei Lanz an, und Sohn Karl-Heinz Berg erlebte schon im Landschulheim hautnah die Folgen der Fusion zu John Deere. O-Ton Karl-Heinz Berg: „Wir haben einen älteren Bauern gefragt, ob er uns mit raufnimmt um ein bisschen Heu zu wenden. Und ich hab voller Stolz erzählt, dass mein Vater bei John Deere arbeitet und der hat angefangen zu schimpfen: Ach, Zollschrauben und alles so umständlich jetzt, bei Lanz war das alles besser. Ich bin nach Hause, habe meinem Vater angeguckt und habe gefragt: Wo arbeitest du? Später 72 habe ich hier angefangen und dann war alles selbstverständlich.“ Autor: Aber da war man fast zwei Jahrzehnte nach der amerikanisch-deutschen Fusion aus dem Gröbsten heraus. Denn inzwischen hatte John Deere dank der Übernahme von Lanz in Mannheim die Märkte in Europa erobert, wurde zum größten Landmaschinenkonzern der Welt. Und ist das bis heute geblieben. Und mit Markwart von Pentz als Mannheimer Werksleiter sitzt inzwischen sogar ein Deutscher ganz oben an der Konzernspitze. O-Ton Markwart von Pentz: „Wir neigen als Deutsche ja manchmal zum Perfektionismus und die Amerikaner zum Pragmatismus, aber wenn man die beiden Dinge zusammen führt, haben wir brillante, auf den Kunden zugeschnittene Lösungen aus dieser Kombination der Kulturen hervorgebracht.“ 2
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