Aktuelle Ausgabe - Produktkulturmagazin DE

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(A SEP
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ZU OB
G) E
AIRBUS Eine neue Ära der Luftfahrtgeschichte beginnt CHRISTIE’S Das Traditionsauktionshaus im digitalen
Umbruch LANCASTER zündet die nächste Stufe im Onlinevertrieb HELME HEINE Der Bilderbuchkünstler im
Interview über Neugier und Berufung ALIBABA Der Onlineriese und seine Expansionspläne WARNER BROS.
Der Pionier der Filmindustrie erobert die Vereinigten Arabischen Emirate JOHN LOBB Hinter den Kulissen der
britischen Edelmarke KUKA ROBOTER Maschinen mit Fingerspitzengefühl
EDITORIAL · 3
2 · EDITORIAL
Thomas Lucas-Nülle
Herausgeber
Temel Kahyaoglu
Herausgeber
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
ES IST NICHT
VON
BEDEUTUNG,
LANGSAM DU GEHST,
SOLANGE DU
NICHT
STEHEN BLEIBST.
WIE
Wild und unberechenbar war sie, die Zeit, in der sich unsere Vorfahren, mit Speeren ausgerüstet, aufgemacht haben, immer auf der
Suche nach Nahrung, die einem das Überleben sicherte. Die Spielregeln waren gänzlich einfach: Derjenige, der sich an die Widrigkeiten
der Umgebung am besten anpassen konnte, gewann. Im Grunde hat
sich dieser Evolutionszustand bis heute nicht verändert. Im Gegenteil. In unserer hochmodernen, hochkomplexen und hochtechnologischen Welt geht es nicht selten ums pure Überleben. Vielleicht
sogar mehr denn je. Da frisst das eine Unternehmen das andere,
und wer die beste Technologie vorweisen kann, hat sowieso meistens schon automatisch die Nase ganz weit vorne. Oder, um wieder
die Brücke zu unseren Vorfahren zu schlagen: Der, der die beste Taktik an den Tag legt, gewinnt ihn, den Pitch seines Lebens.
Auf unsere menschlichen Grundzüge bezogen haben wir also in
den vergangenen Jahrtausenden keinen wesentlichen Schritt nach
vorne getan. Warum also nicht mit Gleichgesinnten ein Umfeld
schaffen, in dem man sich wohlfühlt und in dem man gemeinsam
etwas Großes erreichen kann? Wo Authentizität und bahnbrechende Ideen zutage gefördert werden. Sich zusammentun, um die Geschichte komplett neu zu schreiben, das ist es, was gewöhnliche
Unternehmen zu besonderen macht. Sie stellen bestehende Regeln
infrage, definieren sie neu, lassen sich auf Unbekanntes ein und
schaffen damit eine neue Realität und Identität.
Gerade dann, wenn sich der Umschwung breit macht, wenn
Veränderungen mehr als nur disruptiver Natur sind, sollten wir den
kühlen Morgenwind des heranbrausenden Herbstes nicht scheuen.
Denn frische Luft hat noch keinem geschadet, vor allem nicht der
Industrie mit all ihren großen und kleinen Zweigen, die allesamt
zum Wachstum beitragen. So ist das für alle Zeit in Stein gemeißelt, und daran wird es auch in Zukunft nichts zu rütteln geben. Um
Ihnen dafür auch noch den Beweis zu liefern, haben wir für Sie, liebe
Leserinnen und Leser, wieder jede Menge an wunderbarem Material zusammengetragen, das Ausschnitte unseres modernen Lebens
zeigt und das uns gegebenenfalls schneller an unsere gesteckten
Ziele heranführt.
Konfuzius
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
porsche design
Timepieces
1919 DATETIMER ETERNIT Y
Edles Alligatorenleder und gebräuntes
Titan. Zeitlose Eleganz, inspiriert von
Bauhaus Architektur und Design.
Designed in Austria. Swiss Made.
1919 CO LLECTI O N
INSPIRED BY OUR PASSION FOR DESIGN
www.porsche-design.com
INHALT · 15
14 · INHALT
66
TERRY VON BIBRA
AlibabaDeutschlandchef
42
84
RENAUD PAUL-DAUPHIN
CEO der britischen
Edelmarke John Lobb
JOHANN JUNGWIRTH
Der Leiter der Digitalisierungsstrategie bei Volkswagen im Gespräch
Der chinesische
Amazon-Konkurrent
Alibaba hat Deutschland als neues Standbein fest im Blick.
Welche Gründe für
die weite Reise nach
Übersee sprachen und
was man sich von
den ambitionierten
Unternehmenszielen erhofft, erzählt
Deutschlandchef
Terry von Bibra im
Interview.
CHANGES TGOA
Temel Kahyaoglu im Gespräch mit 80
Markus Fuchshofen und Jörg Rewer
zu Content Carousel – die digitale
Wertschöpfungskette
ERFAHRUNGSWERT
On her Way
24
Formgefühl
40
Be Yourself
48
Print feat. Online
52
Lancaster zündet die nächste Stufe
im Onlinevertrieb
Versandhandel als präzises Handwerk verstehen
… just the way you are
Welche Strategiepunkte man für
eine gelungene Kombination auf
dem Zettel haben sollte
Film ab!
58
Kunsttempel
74
Digitale Verbundenheit
88
Hollywoods ganz große Leinwandhelden
Über die Sehnsucht nach dem
Besonderen
Datenmanagement damals und
heute
Badinspirator
Mit Virtual Reality zum eigenen
Traumbad
Wenn alles fließt
74
KEN CITRON
CIO des Londoner
Auktionshauses
Christie’s
Produktdaten und ihr wahres
Potential
Rundumblick
Volle Kontrolle bei der Digitalen
Transformation
On the Go
Mobile Shopping für Fortgeschrittene
Herzentscheidung
Kundenbindung mit Substanz
Verbindungseinheit
So schaffen Sie mehr Flexibilität
für Ihre Daten
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
124
Helme Heine zählt zu den großen Bilderbuchkünstlern der Gegenwart. 1976 begann seine internationale Karriere mit seinem „Elefanteneinmaleins“.
Seitdem folgten viele weitere Erfolgsgeschichten,
für die ihn kleine und große Leseratten auf der
ganzen Welt lieben.
WISSENSWERT
VOICES TGOA
Temel Kahyaoglu im Gespräch mit
Tom Ebling
62
König der Unterhaltung
54
Temel Kahyaoglu im Gespräch mit
Oliver Frömmer
70
Kulturmix
66
Temel Kahyaoglu im Gespräch mit 102
Matthias Kant
Welcome to the Future
84
MENSCHEN
Überflieger
116
Cloud Working
120
I, Robot
140
CEO von Demandware
ProSiebenSat.1 loves to entertain
you
96
CCO von SDZeCOM
100
CEO prirobase imperia
112
136
Kein Elefant im Porzellanladen
Ein Porträt über Bilderbuchkünstler Helme Heine
124
138
Außerhalb der Zeit
154
Milliarden Gedanken eingefasst in
Musik
130
Alibaba-Deutschlandchef Terry
von Bibra über die Expansionspläne des Onlineriesen
Der Anspruch von Volkswagen an
Design und Technologie in Zeiten
Digitaler Transformation
Airbus und Siemens schreiben die
Zukunft der Luftfahrt neu
Businesslösungen für mobile
Teams
Maschinen mit Fingerspitzengefühl
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
16 · INHALT
TRENDS
Sprung ins Abenteuer
20
Der Porsche 911
28
In Stein gemeißelt
32
So weit die Füße tragen
42
Back to the Roots
90
Wo das Gefühl von Freiheit zu
Hause ist
Ein ganz besonderes Lebensgefühl
130
AXEL BOSSE
Der Sänger und Songschreiber
berührt mit seinen Liedern ein
ganzes Land.
Das Wadi Rum Desert Resort in
Jordanien
Schuhhandwerk mit einem Versprechen
Lifestyle abseits gewohnter Konventionen
Regenbogenmädchen
106
Soul Food
146
Designerin Hella Jongerius im
Interview
Gerichte, die glücklich machen
EMPFEHLUNGEN
Der elegante Businesslook
134
Wake me up
152
Gedankenversunken
156
Des Menschen schönes Tun auf
Papier gebracht
RUBRIKEN
54
EDITORIAL
NEWS
MENSCHEN UND MARKEN
BILDNACHWEISE
IMPRESSUM
02
18
162
162
162
„Two and a half Man“ mit Ashton Kutcher in der Hauptrolle hat für viele
TV-Zuschauer in Deutschland mittlerweile Kultstatus erreicht. Damit sicherte sich ProSiebenSat.1 bereits vor Jahren einen echten amerikanischen Serienkracher als Sendeformat. Jetzt will der Konzern auch die Poleposition im
Digital-Geschäft einfahren
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
NEWS · 19
18 · NEWS
TO THE MOON AND BACK
FUNCTIONAL TATTOO
Wissenschaftler am MIT Media Lab und von Microsoft haben eine interaktive metallic Körperkunst entwickelt, mit der
man nicht nur auffällt, sondern auch seine elektronischen
Geräte, egal ob Smartphone oder Laptop, kontrollieren und
bedienen kann. Über die Touchfelder können dank der in
dem Blattgold eingebauten hauchdünnen Leiterbahnen die
Geräte gesteuert werden. Jedes DuoSkin-Tattoos hat dabei
seine eigene Funktion, sei es als Touchpad oder Button. Das
temporäre DuoSkin Tattoo kann einfach zu Hause selbst
aufgeklebt und abgewaschen werden.
Das erste Mal in der Geschichte der Raumfahrt werden sich drei private Unternehmer in den Orbit begeben. Das Spaceflight
Venture Moon Express hat dafür die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Landung auf der Mondoberfläche bekommen. Die gemeinsam Vision der Männer ist es, an der Spitze der kommerziellen Weltraumforschung zu stehen.
Mit ihrem innovativen und skalierbaren Roboter-Raumschiff wollen sie bereits 2017 die erste Fahrt zum Mond antreten.
moonexpress.com
media.mit.edu
SOLANGE DER VORRAT REICHT
Oldtimer sind so angesagt wie noch nie. Die Zahl der H-Kennzeichen in Deutschland steigt kontinuierlich, und der Markt
ist voller Angebote. Nun möchte auch jemand auf den Zug aufsteigen, den man hier auf den ersten Blick nicht vermutet
hätte: der Kaffeeröster Tchibo. In Kooperation mit der Hamburger Firma Westside-Cars bietet das Unternehmen jetzt auch
schicke Auto-Oldies in seinem Sortiment an. Darunter tummeln sich zum Beispiel ein 30 Jahre alter Citroën 2 CV oder ein
Ford Mustang Cabrio von 1966.
tchibo.de
GESCHWIND, WIE DER WIND
Es wäre nicht das erste Mal, dass Amazon mit einer seiner Innovationen Aufsehen erregt. Der E-Commerce-Riese arbeitet
gerade an der Entwicklung und dem Aufbau eines eigenen Air Cargo Netzwerks. So möchte er mehr Kapazität für PrimeKunden schaffen. Vorgestellt wurde jetzt die Amazon One, das erste von 40 geleasten Flugzeugen, mit denen Amazon in den
kommenden Jahren das Transportwesen weiterentwickeln möchte.
amazon.com
SPANNUNG IN DER
MEDIZINFORSCHUNG
Der IT-Gigant Google und das größte britische Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline haben sich zusammengeschlossen, um das moderne Feld der Medizin zu erobern
und chronischen Erkrankungen wie Diabetes den Kampf
anzusagen. Dafür wurde die gemeinsame Firma Galvani
Bioelectronics gegründet, in der eine Heilung mithilfe von
elektronischen Signalen erforscht wird. Mit kleinen Elektrochips können gestörte Impulse, die durch das Nervensystem
fließen, gezielt verändert werden und so zu einer Besserung
oder gar Heilung chronischer Erkrankungen beitragen.
gsk.com
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
AUF HOHER SEE
Das britische Traditionshaus Aston Martin bringt Ende dieses Jahres zusammen mit seinem Partner Quintessence Yachts ein
einzigartiges und exklusives Powerboot auf den Markt: das AM37. Dieses Boot de luxe ist das Ergebnis jahrelanger Forschung und Entwicklung – quasi eine völlig neue Art von Motorboot, denn es ist weder ein Boot, das aussieht wie ein Auto,
noch ein Auto, das wie ein Boot schwimmt. Es ist die perfekte Balance zwischen Design und Technik, Leistung und Komfort,
Luxus und Funktionalität.
quintessenceyachts.com
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
24 · ERFAHRUNGSWERT
ERFAHRUNGSWERT · 25
ON HER WAY
Lancaster zündet die nächste Stufe
im Onlinevertrieb
VON TOBIAS SCHLOTTER
D
ie Namen George Wurz und Dr. Eugène Frezzati sind vielleicht nicht allen
ein Begriff. Die Luxusmarke Lancaster hingegen ist weltweit bekannt. Die
beiden Herren waren die Gründer des Unternehmens, das dieses Jahr seinen
70. Geburtstag feiert. Als die beiden Männer sich zufällig 1946 in Monaco trafen
und sich austauschten, stellten sie fest: Beide träumten von einem Unternehmen,
das erstmals innovative Luxus-Pflegeprodukte entwickelt und vertreibt.
Dr. Frezzati hatte als Chemiker bereits für namhafte amerikanische Kosmetikmarken wie Dorothy Gray gearbeitet und brachte somit die Expertise zur Entwicklung
der Produkte mit, wohingegen der Unternehmer Wurz als Geschäftsmann Erfahrung einbrachte. Bei der Namensfindung spielte das Geschehen des gerade beendeten Zweiten Weltkriegs eine entscheidende Rolle: Lancaster hießen die britischen
Bomber, die Wurz 1940 die Flucht aus einem von Nazis besetzten Ort in WestFrankreich ermöglichten. Die damit verbundenen Assoziationen wurden von Begriffen wie Freiheit, Hoffnung, Wiedergeburt geprägt. Somit standen Geschäftsidee
und Markenname fest, und die Erfolge der beiden Revolutionäre ließen nicht lange
auf sich warten.
Heute ist Lancaster weltweit ein Inbegriff für französische Luxusmarken. 1.500
Experten arbeiten daran, unter anderem Elixiere, Fluide, Cremes, Puder und Gele
zu entwickeln, die individuell auf den Hauttyp einer jeden Frau abgestimmt sind.
So innovativ wie die Haut- und Pflegeprodukte ist das Unternehmen auch bei
seiner digitalen Vertriebsstrategie. Vergangenes Jahr stand das Unternehmen vor
der Situation, ein Netz von 800 Vertriebspartnern zu versorgen, dazu die eigenen
Boutiquen und zwei Onlineshops. Der europäische und der amerikanische Shop
arbeiten jeweils mit eigenen Produktkatalogen und Zielen. Hinzu kamen weitere Plattformen wie Critéoe oder Google Shopping. Und für jeden Kanal mussten
und müssen unterschiedliche Informationen exportiert werden. Diese quasi wild
gewachsene Multichannel-Struktur wurde komplett manuell gepflegt und zusammengeführt. Eine sehr mühevolle und zeitraubende Aufgabe, bei der Mitarbeiter
schon stöhnten, sobald es um Aktualisierungen der Produktinformationen ging.
Deshalb formulierte das Unternehmen zwei Hauptziele, die nach dem bisherigen
Handling einer zweiten Revolution gleichkamen: Zum einen sollten die Erstellung
und Gestaltung der Produktdaten auf der Internetseite optimiert werden. Im Fokus standen dabei der zeitliche Aspekt, da Schnelligkeit auch Wettbewerbsfähigkeit bedeutet, wie auch die Verlässlichkeit der Informationen unter anderem für »
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
die zahlreichen Vertriebspartner. Manuelle Eingriffe beim
Datentransfer sollten weitestgehend vermieden werden,
um Fehlerquellen auf das absolute Minimum zu reduzieren.
Dazu zählten fehlerhafte Eingaben, Inkohärenzen sowie fehlende Informationen, die auch aus der dezentralen Lagerung
und Bearbeitung der Informationen resultierten. Das zweite
Ziel war die simultane Aktualisierung aller vom Onlineshop
und vom Onlinemarketing genutzten Kanäle, wobei die speziellen Anforderungen des jeweiligen Kanals eine besondere
Herausforderung darstellten.
Am Anfang des Jubiläumsjahres war die Aufgabe bewältigt – nach nur sechsmonatiger Projektdauer. Die 1.200
Produkte waren sauber katalogisiert und zentral abgelegt.
Pauline Laurent, Leiterin E-Commerce, war verantwortlich für das Projekt und lobt nicht nur das Team, sondern
auch die Software, die vorgeschaltet wurde und die zentrale
Produktdatenverwaltung übernimmt – das Produkt-Informations-Management-System des französischen Software
Start-ups Akeneo aus Nantes: „Dieses System hat die Datenverwaltung unserer Teams wirklich revolutioniert. Das automatisierte Management hat uns schneller und produktiver
gemacht. Die Aktualisierung unseres Produktkatalogs hat
das gesamte Team von fünf Mitarbeitern früher zwei Monate in Anspruch genommen. Hierfür haben wir heute eine
Zeitersparnis von nahezu 80 Prozent, ganz zu schweigen von
den Produktänderungen und -aktualisierungen, die quasi im
Handumdrehen erledigt sind.“
Für Akeneo PIM sprachen mehrere Attribute. Sie passt
ideal zum Magento-Shop, der für beide Webseiten neu aufgesetzt wurde. Gleichzeitig punktet die Open Source-Lösung
mit einer ausgeprägt intuitiven Bedienerführung. Das führte
unter anderem dazu, dass das Team sich die Arbeit mit dem
System sehr schnell aneignete. Dank der Rechteverwaltung
konnten die Aufgaben dann an verschiedene Mitarbeiter
verteilt werden, die zur Katalogerstellung jeweils nur einen
Teil der Eingaben übernehmen und sie nun über zehn Kanäle zentral in das Akeneo PIM einpflegen. Jeder Mitarbeiter kann über die grafische Darstellung des Fortschritts bei
der Erstellung des Katalogs den Grad der Vervollständigung
auf einem Blick erfassen. Einen großen Anteil an der Zeitersparnis bei diesen Prozessen war die genaue Definition von
Merkmalen, Kanälen und Feldern, die das Team im Vorfeld
erstellte. Als Beispiel nennt Pauline Laurent die automatische
Umrechnung der Maßeinheiten für verschiedene Länder.
Während die Eingabe der Daten zehn Kanäle in Anspruch nimmt, benötigt die Ausgabe ebenso viele, um die
Website, die Shops sowie weitere Marketingaktivitäten mit
den relevanten Daten zu füttern. Pauline Laurent ist erleichtert, denn das Suchen nach relevanten Produktdaten hat nun
im 70. Jahr des Bestehens von Lancaster ein Ende. „Wir sind
sicher, dass wir in dieser Konstellation nicht nur Zeit gewinnen. Die interne wie auch die externe Kommunikation im
Marketing und Vertrieb ist heute deutlich entspannter. Jeder
verfügt über dieselben Informationen, jeder weiß, wo er sie
findet, da sie zentral abgelegt sind, und jeder weiß, dass sie
frei von Fehlern und Irrtümern sind. Und falls doch mal ein
Fehler auftaucht, weiß auch jeder im Unternehmen, dass er
zentral behoben werden kann. Das vermittelt ein ungeheures
Vertrauen in die tägliche Arbeit und lässt Raum für neue, innovative Ideen im Onlinemarketing.“
lancaster.com
Hennessy encourages drinking responsibly / www.massvoll-geniessen.de
26 · ERFAHRUNGSWERT
E ACH D RO P O F H E N N E SSY X .O
I S A N O DYS S E Y
DIGITALE TRANSFORMATION
Kurzporträt Akeneo
Nantes, die französische Großstadt an
der Loire-Mündung, ist Heimatstadt
des Start-ups Akeneo, das nun auch
auf dem deutschen Markt immer mehr
Kunden überzeugt. Verantwortlich dafür ist Tobias Schlotter, der seit Januar
dieses Jahres für das Unternehmen den
deutschen Markt bearbeitet und bereits
zahlreiche Solutionpartner gewinnen
konnte. Die Gründer des Unternehmens sind Frédéric de Gombert, Benoit
Jacquement, Nicolas Dupont und Yoav
Kuttner, allesamt sehr erfahrene ECommerce-Spezialisten. Sie sind überzeugt, dass ein benutzerfreundliches
PIM Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches E-Commerce-Geschäft ist.
Deshalb schufen sie die Open SourceLösung Akeneo PIM, von der seit der
Gründung vor vier Jahren mittlerweile über 40.000 Plattformen in mehr als
165 Ländern aufgebaut wurden. Es ist
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
zwar ein Open Source-Projekt, aber
das eigene Entwicklerteam bestimmt,
was darin aufgenommen wird. Das
Prinzip ist in Stein gemeißelt und gilt
sowohl für die „kleine“, kostenlose Variante wie auch für die kostenpflichtige Enterprise Edition. Diese Herangehensweise garantiert, dass sich die
Entwickler voll und ganz auf die Weiterentwicklung des Produktes konzentrieren. Die Lösung will nichts anderes
sein, als das beste und userfreundlichste PIM am Markt. Die positiven Kundenreaktionen sind der unabhängige
Beweis dafür, dass sich das Unternehmen auf dem richtigen Weg befindet.
Ein weiterer Aspekt ist die enorm
schnelle Installationszeit von – je nach
Projekt – zwei bis sechs Monaten.
Akeneo beschäftigt mittlerweile über
60 Mitarbeiter, die in Nantes, Boston in
den USA und Düsseldorf arbeiten. Seit
der Gründung im Jahr 2012 wächst das
Unternehmen kontinuierlich.
akeneo.com
LANCASTER UND AKENEO
Basis der E-Commerce-Strategie von
Lancaster bilden Magento und Akeneo.
Der Marketplace des Unternehmens
bietet bereits einen kostenfreien Magento-Connector, was die essenzielle
Verknüpfung dieser beiden Systeme sehr
einfach machte. Lancaster aktualisiert
und katalogisiert damit 1.200 Produkte
pro Saison für das Multishop-System.
Es werden Daten aus dem ERP, CSV-Dateien, Photo-Dateien und vieles mehr für
alle Anwendungen im E-Commerce und
im E-Marketing importiert und zentral
abgelegt.
C H A P T E R
S P I C Y
I I I
E D G E
DON ’T WAIT TO
E X P E R I E N C E G R E AT N E S S
58 · ERFAHRUNGSWERT
ERFAHRUNGSWERT · 59
FILM AB!
Hollywoods ganz große Leinwandhelden
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
ERFAHRUNGSWERT · 61
60 · ERFAHRUNGSWERT
VON SANDY STRASSER
S
chon viele Generationen sind mit dem blau-goldenen
Logo des amerikanischen Unterhaltungsriesen Warner Brothers aufgewachsen. Das Unternehmen aus
dem kalifornischen Burbank gehört zu den sogenannten
„Majors“, den sechs größten Filmcompanies in den Vereinigten Staaten. Neben ihm sind Columbia Pictures, Walt Disney
Motion Pictures Group, Paramount Pictures, 20th Century
Fox und Universal Studios die Global Player, die um die Gunst
der Zuschauer weltweit buhlen. Jetzt will der Pionier der
Filmindustrie einen entscheidenden Schritt weitergehen und
die Vereinigten Arabischen Emirate erobern.
Die Warner Bros. Entertainment Inc. ist ein vollstufiges,
breit gefächertes Unterhaltungsunternehmen und weltweiter
Marktführer in der Entwicklung, der Produktion, dem Vertrieb, der Lizenzierung und Vermarktung aller Arten von Unterhaltung und der damit verbundenen Geschäftsfelder. Warner Bros. ist wiederum ein Unternehmen des Time Warner
Konzerns, das die Unterhaltungsbranche in allen Bereichen
anführt – vom Spielfilm bis zum Fernsehtitel, von Heimvideos / DVDs, Zeichentrickfilmen, Comicalben, interaktivem
Entertainment und Spielen bis zur Produkt- und Markenlizenzierung, dem internationalen Kino und dem Rundfunk.
Zudem ist es eines der renommiertesten, vielseitigsten und
erfolgreichsten Film- und Fernsehstudios der Welt. Gegründet wurde es am 4. April 1923 von den vier Brüdern Albert,
Sam, Harry und Jack. In den Chroniken der amerikanischen
Filmindustrie sind die Brüder allesamt legendär, insbesondere der extravagante Showman Jack L. Warner. Im Jahr 1927
setzte die Familie mit dem weltweit ersten Tonfilm „The Jazz
Singer“ einen Maßstab an Innovation und Einfluss, der zum
Synonym des Namens Warner Bros. wurde.
Als Pionier aus eigener Kraft haben die Warners von da
an Filme mit Ton unterlegt, den ersten „vierbeinigen Star“
vorgestellt, das Filmmusical wiederbelebt, eine GangsterfilmÄra eingeläutet und eine Vielzahl gesellschaftlich bedeutender Filme produziert, die das nationale Bewusstsein für die
wachsenden Probleme ihrer Zeit weckten. Seit damals haben
die Warner Bros. Studios auf dem Fundament erstklassiger
Unterhaltung und technologischen Weitblicks ein beeindruckendes Vermächtnis von großer Vielfalt zusammengetragen, das 21 Jahre in Folge Rekordzahlen erzielte. Seine
Beständigkeit und sein Erfolg sind das Ergebnis eines stabilen Managements während der gesamten Firmengeschichte,
langfristiger kreativer Beziehungen mit vielen Weltstars und
Top-Produzenten und eines unerschütterlichen Engagements. Heute besteht die Warner Bros. Sammlung aus mehr
als 6.650 Spielfilmen, 40.000 Fernsehtiteln und 14.000 Zeichentrickfilmen, darunter mehr als 1.500 klassische, animierte Kurzfilme.
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
Jetzt will der Pionier der Filmindustrie die Vereinigten Arabischen Emirate erobern und in Abu Dhabi einen
Themenpark eröffnen. Die erste Projektphase von Warner Bros. World
Abu Dhabi soll 2018 starten. Zahlreiche Konstruktionen sind bereits
im Gang und Fahrgeschäfte in der
Produktion. Das Bauprojekt auf Yas
Island, einem der weltweit führenden Standorte für Wirtschaft, Freizeit
und Erholung, beinhaltet zudem das
einzige Hotel der Marke. In der Warner Bros. World Abu Dhabi werden
Geschichten und Charaktere aus dem
Portfolio der Filmstudios wie Batman,
Superman und Wonder Woman oder
auch Zeichentrickfiguren wie Bugs
Bunny, Scooby-Doo oder Tom und
Jerry vereint. Besucher jeden Alters
können dann Städte wie Gotham City
und Metropolis und die Trickfilmwelten von Looney Tunes & Co. leibhaftig
erleben – das alles unter einem einzigen Dach.
Seine Hoheit Mohamed Khalifa Al
Mubarak, der Vorsitzende von Miral,
sagt über das Projekt: „Es ist unglaublich spannend, bekannt geben zu dürfen, dass wir die Kultmarke Warner
Bros. nach Yas Island bringen. Mirals
Investitionen in den Themenpark
Warner Bros. World Abu Dhabi liegen
bei schätzungsweise einer Milliarde
US-Dollar – ein Meilenstein in den
Bemühungen des Emirats, Abu Dhabi weltweit bekannt zu machen und
zu einem der international führenden
Urlaubsreiseziele auszubauen. Indem
wir die globale, regionale und lokale
Nachfrage nach erstklassigen Reisezielen für Vergnügungsreisen decken
– unterstützt von einer ebenfalls erstklassigen Reise- und Tourismus-Infrastruktur – können wir, wie geplant,
unsere Besucherzahlen steigern und
die Anziehungskraft der VAE als ein
wahrhaft internationales Reiseziel erhöhen, das für Einheimische und Urlaubsreisende gleichermaßen attraktiv
ist. Miral steht bei dieser Entwicklung
mit einer ganzen Reihe von maßgeblichen und spannenden aktuellen Projekten im Mittelpunkt.“
Kevin Tsujihara, Vorsitzender
und CEO von Warner Bros. Entertainment, äußerte sich so zur Zusammenarbeit: „Warner Bros. unterhält seit
über 90 Jahren das Publikum mit den
beliebtesten Charakteren und Fran-
chisen der Welt. In Zusammenarbeit mit unseren Partnern
bei Miral bringen wir dieses Fachwissen nach Yas Island, an
eines der weltweit beliebtesten Reiseziele für Vergnügungsreisen, und schaffen so ein durchgehend interaktives, innovatives und einzigartiges Erlebnis, das es Fans jeden Alters
ermöglicht, die interessantesten Aspekte von Warner Bros.
in einem Umfeld zu erleben, in das man völlig eintauchen
kann.“
warnerbros.com
DIGITALE TRANSFORMATION
Kurzporträt Adstream
Auch Adstream steht für Qualität als
globaler und innovativer Anbieter für
Digital Asset Management- (DAM-)
Lösungen und Dienstleistungen für
die Auslieferung von Marketing Assets. Damit ist Adstream der ideale
Partner von Unternehmen und Agenturen für die Kreation, Optimierung,
Speicherung und weltweite Distribution. Durch ausgefeilte Analysetools
versetzen die Experten vor Ort ihre
Kunden in die Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Adstream
Platform ist das erste ganzheitliche
Cloud-basierte DAM, das mit Broadcastern, Verlagen und digitalen Plattformen einen nahtlosen Workflow
abbildet. Die Stärken im Bereich Video
inklusive Social Media-Anbindung
zeichnen die Lösung besonders aus.
Sie vereint klassisches Projekt- und
Kampagnenmanagement mit der Steuerung, Auslieferung und Archivierung
von Marketing Assets. Dadurch steigert Adstream die Effizienz der Workflows seiner Kunden, beschleunigt die
Erstellung und Abstimmung von Kampagnen und reduziert die Time-toMarket. Die Kontrolle der Assets über
alle Kanäle hinweg verbessert die Markenkonsistenz. Durch
die Auswertung aller Maßnahmen und Abläufe erhöht das
Unternehmen die erforderliche Transparenz und reduziert
nachhaltig die Kosten seiner Kunden. Adstream wurde 2001
in Australien gegründet und war Vorreiter bei der digitalen
Auslieferung von Spots zu Broadcastern. Mittlerweile sind
sie der führende Dienstleister und digital an über 40.000 Verlage, TV-Sender, VOD-Plattformen und Onlineportale angeschlossen und liefern an diese jährlich zwei Millionen Assets
aus. Bereits mehr als 5.000 weltweit agierende Unternehmen
vertrauen dem Dienstleister ihre 26 Millionen Marketing Assets an. Dazu gehören 70 Prozent der führenden Brands und
internationalen Top-Agenturnetzwerke. Weltweit betreuen
42 Niederlassungen Kunden in 125 Ländern.
adstream.com
WARNER BROS. UND ADSTREAM
Um bei Warner Bros. den Überblick über mehr als 30.000 Videos
und 28 Terabyte Material in 65 Ländern zu behalten, wurde es
notwendig, ein globales Digital Asset Management (DAM) einzuführen und in das bestehende Marketing Ecosystem einzubinden. Die Adstream Platform hat genau diese Anforderungen
erfüllt und nachweislich – je nach Region – zwischen 30 und 70
Prozent an Kosten und Aufwand bei der Bereitstellung, Transkodierung und Auslieferung von Daten, zum Beispiel Trailer,
reduziert.
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
66 · WISSENSWERT
WISSENSWERT · 67
KULTURMIX
Alibaba-Deutschlandchef Terry von Bibra über
die Expansionspläne des Onlineriesen
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
WISSENSWERT · 69
68 · WISSENSWERT
VON SANDY STRASSER
D
er chinesische Onlinehändler Alibaba ist in Deutschland angekommen. Angesichts der starken Nachfrage
nach internationalen Marken in China, ist zwischen
den großen Playern dort ein regelrechter Wettlauf um den
Zugang zu der begehrten Ware entbrannt. Was Alibaba mit
seinem neuen Standbein hierzulande erreichen möchte, dazu
haben wir mit Deutschlandchef Terry von Bibra gesprochen.
Herr von Bibra, was ist das Geschäftsmodell von Alibaba?
Welche Zielgruppe haben Sie?
Alibaba ist ein breit aufgestelltes Handelsunternehmen
mit einem großen Angebot an Plattformen und Dienstleistungen für verschiedene Zielgruppen: B2B-, B2C- und C2CPlattformen sowie Cloud- und Financial-Services. Unser Ziel
ist es, Geschäfte überall auf der Welt einfacher zu machen,
und dabei planen wir bei Alibaba sehr langfristig. Der Import globaler Waren, die Förderung des E-Commerce in
Chinas ländlichen Regionen und die Entwicklung der großen Städte Chinas sind die drei Fokusbereiche für Alibaba
für das Jahr 2016.
Das Unternehmen wurde 1999 von Jack Ma in China gegründet und optimiert den Alltag seiner Kunden mit dem
Ziel, den Zugang zu Produkten, Dienstleistungen und Erfahrungen immer und überall zu ermöglichen. Dazu zählen
zahlreiche Plattformen beispielsweise von Shopping (Taobao) über Finanzen (Alipay) bis zu Reisen (Alitrip).
Welche Strategie verfolgen Sie im Hinblick auf den neu gegründeten deutschen Alibaba-Ableger? Worauf liegt Ihr
Fokus?
Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, welche der vielen
Alibaba Services für deutsche Unternehmen interessant sind:
zum Beispiel der grenzüberschreitende Verkauf nach China
über TMall Global, die IT-Lösung Alibaba Cloud oder unser
Bezahlsystem Alipay. Der Fokus des Teams in München liegt
zunächst darauf, deutsche Qualitätsmarken zu chinesischen
Konsumenten zu bringen, da die Nachfrage nach „Made in
Germany“-Produkten sehr hoch ist. Der rasant wachsende
chinesische Markt ist ziemlich kompliziert und die AlibabaGruppe sehr komplex. Das Team ist daher sehr stark darauf
ausgerichtet, diese Komplexität zu reduzieren, um Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz für
eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Manche von diesen Unternehmen verkaufen schon in China, aber nicht über uns.
Andere haben noch gar nichts mit China zu tun, überlegen
aber, diesen Schritt zu gehen. Oder sie arbeiten in China mit
uns auf einer Plattform zusammen und wollen in andere
Bereiche expandieren. Wir schaffen für diese Unternehmen eine bessere Übersicht der B-to-B-, B-to-C- und Cto-C-Plattformen sowie Cloud- und Financial-Services von
Alibaba.
Mit wie viel Personalaufwand planen Sie, um sich in
Deutschland entsprechend positionieren zu können?
Wir geben keine Mitarbeiterzahlen bekannt, aber momentan ist es noch überschaubar. Im November vergangenen
Jahres war ich der einzige Mitarbeiter. Wir sehen uns als eine
Art Start-up mit einem großen Konzern und einem riesigen
Datenschatz im Hintergrund. Die große Herausforderung
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
ist, wie wir es trotzdem schaffen, mit
Hunderten kleinen und mittelständischen Firmen zu kooperieren.
Sie sagen, Sie rechnen auch in den
kommenden Jahren mit einer steigenden Nachfrage nach deutschen Produkten in China. Was ist dort besonders begehrt?
Besonders begehrt sind alltägliche Konsumprodukte, die für Familien
und ihr Wohlbefinden interessant sind.
Babynahrung ist die absolute Nummer
eins, danach folgen Nahrungsergänzungsmittel sowie Beauty- und Gesundheitsprodukte. Aber auch Elektronik und Technik gehören zu den
Topsellern aus Deutschland.
Weshalb sind deutsche Marken dort
ein Garant für Absatz?
Während aus Frankreich und Italien Mode und Luxusartikel bestellt
werden, sind es aus Deutschland vor
allem Lebensmittel, Drogeriewaren
und Nahrungsergänzungsmittel. Das
Interesse der kaufkräftigen, wachsenden chinesischen Mittelschicht an
deutschen Produkten ist sehr groß,
denn Deutschland steht nach wie vor
für Qualität. Dies gilt vor allem bei
Produkten, die mit dem Familienleben
in Zusammenhang stehen. Alibaba will
deshalb sein Sortiment an deutschen
Produkten erheblich ausbauen, da bei
den Kunden in China „Made in Germany“ nach wie vor als kaufentscheidendes Qualitätssiegel gilt. Babyprodukte sind die beliebteste Kategorie,
aber auch für Kleidung, Töpfe, alles,
was dem Wohlbefinden der Familie
dient, greifen die dortigen Verbraucher
tief in die Tasche. Die Produkte müssen authentisch und in Deutschland
hergestellt worden sein. Chinesen wollen keine deutsche Ware, die in China
produziert wurde.
Welche Rolle spielt das Thema
E-Commerce in China? Welche Sprache spricht der dortige Markt?
Der E-Commerce in China wächst
rasant und verfügt über ein enormes
Potential – vor allem, da noch nicht
alle ländlichen Regionen Chinas über
einen Internetanschluss verfügen. Bis
zum Jahre 2020 wird sich das Land
zum größten Markt für online verfügbare Importprodukte entwickeln.
Von der Bezahlung bis hin zum Social
Shopping – die chinesischen Verbraucher verlassen sich auf ihre mobilen
Geräte und erwarten, dass die Marken,
mit denen sie sich beschäftigen, eine
nahtlose mobile Erfahrung ermöglichen. Das E-Commerce-Wachstum
in China hat die gesamte chinesische
Wirtschaft verändert. 2010 betrugen
die Online-Transaktionen nur drei
Prozent des gesamten privaten Konsums. Seitdem hat sich die Zahl der
chinesischen Onlineshopper auf 410
Millionen fast verdreifacht. Momentan
konzentriert sich E-Commerce auf ein
bis drei Topstädte, aber das ändert sich
schnell. In China verfügt erst die Hälfte
der gesamten Bevölkerung über einen
Internetzugang, doch die Hälfte davon,
das entspricht 361 Millionen, nutzt den
Zugang bereits zum Onlineshopping.
Welche signifikanten Unterschiede
lassen sich zum europäischen beziehungsweise amerikanischen E-Commerce feststellen?
Neben den offensichtlichen Kulturunterschieden fallen mir besonders
die Produktbeschreibungen in Onlineshops ins Auge. Diese sehen in China
im Vergleich zu amerikanischen und
europäischen Produktseiten gänzlich
unterschiedlich aus. Während wir
übersichtlich gestaltete Seiten mit einigen hervorstechenden Produktdetails
schätzen, verlangen Chinesen nach
so vielen Angaben wie möglich. Eine
Produktvorstellung auf TMall enthält
daher nicht nur zahlreiche Bilder des
Produkts, sondern oft auch eine komplette Auflistung aller Inhaltsstoffe bis
hin zu Bildern, die den Herstellungsprozess dokumentieren. Chinesische
Konsumenten wollen sich auf diese
Weise ausführlich über die Qualität
des Produktes informieren und sichergehen, die Original-Ware zu kaufen.
Ihr Unternehmen hat heute über 400
Millionen aktive Nutzer aus dem
B2B- und Retail-Umfeld. Etwa 30
Millionen Pakete verschicken Sie täglich in die ganze Welt. Welche gigantische Prozesskette verbirgt sich dahinter, um das Rad ständig in Bewegung
zu halten? Worin liegen die speziellen
Herausforderungen?
Alibaba arbeitet mit Big Data und
koordiniert alle Prozesse der verschiedenen Plattformen und Dienstleistun-
gen darüber. Unser Fokus ist dabei, der Enabler zu sein. Im
Logistikbereich arbeiten wir mit unterschiedlichen Partnern
zusammen. In China ist Cainiao der Logistikdienstleister
von Alibaba: Cainiao ist eine Art Algorithmus für Logistik,
der uns Transparenz über unsere Partner und die Prozesse
verschafft. Dafür ist es nicht nötig, dass wir selbst Assets besitzen. Seit März dieses Jahres ist zum Beispiel die HermesGruppe mit ihrer Tochtergesellschaft Border-Guru offizieller
Vertragspartner von Alibaba. Cainiao und Hermes führen
die gesamte Logistikkette – die Ware wird am Lager des
Händlers in Deutschland abgeholt und – wie es im Fachjargon heißt – bis zur letzten Meile in der Volksrepublik ausgeliefert.
Weshalb hinkt Europa mit seinem Einkaufsverhalten hier
bislang noch weit hinterher? Was muss seitens der Unternehmen getan werden, um online mehr Traffic zu generieren?
China ist weit von der physischen Einkaufsinfrastruktur,
die Konsumenten in Europa kennen, entfernt. In chinesischen Metropolen sind zahlreiche Einkaufszentren zu finden, doch ländliche Gegenden sind hingegen fast gar nicht
erschlossen. China und Europa haben deshalb unterschiedliche Traditionen in ihrem Einkaufsverhalten entwickelt. Daher ist der E-Commerce in China so erfolgreich. Dank des
Internets haben chinesische Konsumenten heute in ländlichen Gebieten den gleichen Zugang zu Marken und Produkten wie die Einwohner der großen Städte.
Was möchten Sie persönlich mit Alibaba in den nächsten
fünf Jahren erreichen und inwieweit hilft Ihnen dabei Ihre
langjährige Expertise bei Amazon und Yahoo?
Der Maßstab, an dem wir gemessen werden, ist, ob es uns
gelingt, Vertrauen zu schaffen. In China basiert unser Erfolg
auf Vertrauen, das große und kleine Firmen, Konsumenten
und die Regierung in uns setzen. Ähnliches Vertrauen müssen wir in Deutschland aufbauen und haben das mit Firmen
wie Metro, Henkel, Beiersdorf, Nestlé, die auf TMall Global
Produkte in China verkaufen, schon unter Beweis gestellt.
alibaba.com
TERRY VON BIBRA
Terry von Bibra ist gebürtiger Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Der ehemalige Chef des Onlineanbieters karstadt.de steht
seit November vergangenen Jahres an der Spitze des neu gegründeten deutschen Alibaba-Ablegers. Der Manager kennt
die deutsche Handelslandschaft wie nur wenige. Vor seinem
Engagement bei Karstadt war er als Strategiechef für Amazon
Europa und Deutschlandchef von Yahoo tätig.
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
WISSENSWERT · 85
84 · WISSENSWERT
WELCOME TO
THE FUTURE
Der Anspruch von Volkswagen an Design und
Technologie in Zeiten Digitaler Transformation
VON SANDY STRASSER
D
er Volkswagen Konzern hat auf dem Genfer Automobilsalon Anfang des
Jahres klare Signale für die Mobilität der Zukunft gesetzt. Vor allem mit
der Digitalisierung erhofft man sich unter anderem neue Geschäftsfelder
und Umsatzpotentiale. Für den Konzern rückt die Digitale Transformation deshalb
ganz nach oben auf der Agenda. Wir haben den Leiter der Digitalisierungsstrategie
Johann Jungwirth zum Gespräch gebeten.
Herr Jungwirth, wie verbinden Sie aktuell die automobile mit der digitalen Welt?
Wir als Automobilindustrie befinden uns in der größten Disruptionsphase
der Geschichte, und diese findet in drei Dimensionen statt. Da ist zum einen der
Wandel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb, daneben der Wandel vom
Mensch als Fahrer hin zum selbstfahrenden Automobil und die dritte Dimension
des Wandels führt vom Ownership-Zeitalter zur Shared Mobility. Das alles findet gerade gleichzeitig und auch orthogonal zueinander statt. Wir als Volkswagen
Konzern entwickeln uns außerdem parallel von einer Hardware-Organisation zu
einem integrierten Hardware-, Software- und Services-Konzern.
Woher nehmen Sie das softwarespezifische Know-how, um bestehende Technologien in diesem Segment zu verbessern?
Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Wir haben selber eine große SoftwareMannschaft im Haus. Davon arbeiten allein 11.000 Mitarbeiter in der IT. Wir
gehen aber auch dorthin, wo unsere Experten leben. In München beispielsweise
haben wir unser Data Lab mit dem Fokus auf Machine Learning und Artificial Intelligence-Algorithmen und in Berlin unser Digital Lab mit dem Fokus auf CloudSoftware und App-Entwicklung. Und natürlich sind wir auch im Silicon Valley und
in China präsent.
Welche Strategie haben Sie, um die Autorevolution dementsprechend signifikant
voranzutreiben?
Wir treiben die Entwicklung unseres eigenen Systems zum Autonomen Fahren voran. Das wird das Herzstück des Automobils im 21. Jahrhundert. Wir werden unsere Fahrzeuge in Zukunft um das selbstfahrende System herumbauen, so
wie man sie nach der ersten Erfindung des Automobils um den Motor herumgebaut hat. Wir können auf Basis des selbstfahrenden Systems komplett neue Fahrzeugkonzepte entwickeln. Dazu gehören die autonomen Fahrzeugflotten, welche
in den Städten die Menschen und Waren von A nach B transportieren. Das wiederum führt zu einer Erhöhung der sozialen Mobilität und zur Demokratisierung
von Mobilität. So können wir auch blinden, kranken und alten Menschen sowie
Kindern individuelle Fortbewegung bieten. Außerdem wird es ganz neue Ownership-Fahrzeuge geben, die mit vollkommen neuem Interieur ausgestattet sind. Die »
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WISSENSWERT · 87
86 · WISSENSWERT
Fahrzeuge der Zukunft sind dann Lounge, Wellnessraum,
Büro und Kino in einem. Es ist also sehr viel möglich, und
entsprechend spannend ist die Zukunft, die vor uns liegt.
Auch den Bereich Design wollen Sie stärker mit dem Thema Digitalisierung verzahnen. Dazu haben Sie Anfang des
Jahres drei neue „Volkswagen Group Future Center“ angekündigt. Wo sind diese geplant und welche konkreten Ziele
verfolgen Sie damit?
Das erste Volkswagen Group Future Center Europe ist
in Potsdam, das Future Center Asia entsteht gerade in Peking, und das Future Center California wird aktuell in Kalifornien im Silicon Valley aufgebaut. Die konkreten Ziele und
Aufgaben sind es, Design und Digitalisierung zusammenzubringen. Wir arbeiten vor allem daran Interieur-, Exterieursowie User Experience-Design und Engineering zusammenbringen, um die Entwicklung, Konzeption und das Design
der Fahrzeuge der Zukunft positiv zu beeinflussen. Mit der
Entwicklung neuer Fahrzeugkonzepte entstehen so vollkommen neue Architekturen. Gerade im Bereich Interieur ist es
außerdem extrem wichtig, dass wir das Thema Innenarchitektur und Möbeldesign mitberücksichtigen, so wie wir es
heute auch schon von unserem Zuhause kennen. Vom Reihenhaus bis hin zur Luxusvilla gibt es tolle Möglichkeiten,
und so wird es in Zukunft auch im Automobilsektor sein.
Wir werden noch viel mehr Spielraum und damit Individualismus bieten können.
Wie und in welcher Form stellen Sie Ihr gesamtes Konzerndesign auf das digitale Zeitalter um?
Das entsteht in den Future Centern, wo Design- und
Digitalisierungsexperten zusammen an den Fahrzeugen von
morgen arbeiten. Natürlich in sehr enger Zusammenarbeit
mit den Designbereichen der einzelnen Marken. Wie vorhin erwähnt, ist für uns dabei das Thema User ExperienceDesign von großer Relevanz, also wirklich Design-Thinking
und Human Centricity, die während des Entwicklungsprozesses und entlang der gesamten Wertschöpfungskette stattfinden. Wir wollen bei der Konzeption und dem Design
unserer zukünftigen Produkte und Services ganz klar die
Kunden beziehungsweise den Menschen in den Mittelpunkt
stellen.
Innerhalb welchen Zeitraums wollen Sie diese Pläne umsetzen?
Die ersten großen Schritte werden Sie in den kommenden drei bis fünf Jahren sehen. Dann erwarte ich auch die
ersten selbstfahrenden Fahrzeuge auf den Straßen. Es wird
eine exponentielle Entwicklung sein, die global stattfindet
über viele Regionen hinweg.
Welche neuen Geschäftsfelder und Umsatzpotentiale eröffnen sich dadurch für Volkswagen?
Vor allem die Shared Mobility mit den neuen Mobilitätson-demand-Fahrzeugen oder Transportation-as-a-ServiceFahrzeugen, die ohne Lenkrad und Pedalerie Menschen
einfach und individuell von A nach B bringen, ist ein Riesen-Profit-Pool. Das ist ein Markt, den es bisher noch nicht
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gibt. Natürlich ist es sehr bequem, via
Smartphone Mobilität quasi zu buchen und innerhalb von wenigen Minuten abgeholt zu werden. Es ist viel
sicherer, und es ermöglicht körperlich
eingeschränkten oder alten Menschen
sowie Kindern individuelle Mobilität.
Ich freue mich darauf, gerade diesen
Zielgruppen bald schon mehr Freiheit
zu ermöglichen. Das gesamte ServiceThema spielt eine zentrale Rolle. Hier
entstehen ganz viele Möglichkeiten für
Umsatz und Profite durch neue Geschäftsfelder. Wir haben daher im Rahmen unserer Together-Strategie 2025
entschieden, die enge Zusammenarbeit
mit all unseren Marken noch stärker
zu forcieren. Dazu werden wir in der
Hauptstadt ein neues Unternehmen
gründen, welches sich konkret auf
neue Mobilitätslösungen fokussiert.
Was bedeutet Ihre Ausrichtung auf
Design und Digitalisierung im Hinblick auf etablierte Techniken und
Geschäftsmodelle?
Die fortschreitende Digitalisierung lenkt unseren Blick auf die ideale User Experience. Wir wollen neue
Lösungen schaffen, die die Kunden
wirklich lieben, weil sie auf den Menschen zugeschnitten sind. Mit sehr viel
Intelligenz, mit prädiktiven Algorithmen und einem entsprechenden Ökosystem, sodass man sich wirklich von
Fahrzeug zu Fahrzeug bewegen kann
und dabei seine Präferenzen und Einstellungen auf Basis der individuellen
Kunden-ID mitnimmt. Die gesamte
User Experience – angefangen von der
persönlichen Sitzeinstellung, über die
Temperaturregelung bis hin zur Ambientebeleuchtung und dem Podcast,
welcher an der gleichen Stelle weitergespielt wird wie im eigenen Auto, wenn
man in ein anderes Fahrzeug wie zum
Beispiel einen Mietwagen von uns einsteigt. Dieses Kundenprofil wird immer reichhaltiger und ist selbstlernend,
das Fahrzeug zu einem guten Freund
der mich kennt, und die Schwelle bezüglich eines Wechsels zu einer Marke
außerhalb unseres Hauses damit immer höher. So ähnlich wie wir es von
Smartphone-Ökosystemen kennen. Es
ist wirklich schwer, von einem AppleÖkosystem zu Windows zu wechseln.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang „Industrie 4.0“ für Sie?
Industrie 4.0 ist eine der sechs Säulen der Digitalisierung. Wir haben zum
einen die Digitalisierung von Produkten und Services, die Digitalisierung in
Richtung Smart Mobility sowie Kunde
und Handel und dann die Digitalisierung im Bereich Business 4.0 und der
User Experience. Ein breites Feld, in
dem sich noch viel tun wird, vor allem im Hinblick auf neue Prozesse in
der Produktion wie 3-D- und 4-DDruckverfahren oder in Bezug auf die
komplette Vernetzung von Maschinen
sowie der Vernetzung von Mensch und
Maschine. Alles wieder sehr stark auf
neuen Algorithmen basierend, die wiederum auf Basis von Machine Learning
und künstlicher Intelligenz angelegt
sind.
Welche produktionsbedingten Veränderungen ergeben sich dadurch für
bestehende Strukturen und Prozesse?
Wie gesagt, das Thema Industrie
4.0 ist ein großer Pfeiler. Gerade die
digitalen Prozesse, prädiktive Instandhaltung bis hin zur autonomen Selbstoptimierung von Maschinen sowie
Artificial Intelligence-basierte Prozesse
und selbstlernende Algorithmen führen zu einer sehr großen Optimierung
der Strukturen und Prozesse, welche
in Summe sehr positive Auswirkungen
haben werden und absolut erstrebenswert sind.
Neben Ihrer Digitalisierungsstrategie
haben Sie eine Offensive für autonomes Fahren auf den Weg gebracht.
Welche Inhalte kommen hier zum
Tragen, und wie werden Sie sich hier
in den kommenden Jahren positionieren?
Autonomes Fahren ist neben dem
Wandel in Richtung Elektromobilität
und Shared Mobility oder Mobilität auf
Knopfdruck das Thema der Zukunft.
Aus meiner Sicht haben wir durch die
eigene Entwicklung des selbstfahrenden Systems eine Riesenchance, große
Fortschritte zu machen und uns sehr
innovativ und stark zu positionieren.
Es ist sehr wichtig, dass wir bei diesem Thema ganz vorne
mit dabei sind, weil das selbstfahrende System zum Herzstück des Automobils und letztendlich zur Neuerfindung
des Automobils und der Mobilität massiv beitragen wird. Ich
sehe das System auf der gleichen Ebene wie die Erfindung
der Dampfmaschine oder der Eisenbahn, der Elektrizität,
des Automobils oder dem Computer. Es wird definitiv eine
weitere Kernerfindung sein, die die Gesellschaft positiv verändern und welche die Menschheit insgesamt stark voranbringen und letztendlich zur Demokratisierung vom Transportwesen und der Mobilität beitragen wird.
Welche Vorteile sehen Sie für Volkswagen im Hinblick auf
die Mobilität der Zukunft im Vergleich zur Konkurrenz?
Ob Pkw, Lkw, Busse oder Nutzfahrzeuge – wir decken
alle Anwendungsgebiete ab. Das ist schon mal ein sehr großer Wettbewerbsvorteil. Zum anderen haben wir zwölf extrem starke Marken im Konzern. Von Seat über Skoda, VW,
Audi, Porsche, Bentley, Bugatti, Lamborghini und genauso
Ducati, Scania und MAN. Die Hardware beherrschen wir
perfekt. Das haben wir über Jahrzehnte optimiert, und jetzt
agieren wir bei der Software und bei den Services mit genau
der gleichen Liebe zum Detail und gehen mit dem gleichen
Fokus ran. Natürlich brauchen wir für Software, Services,
Artifical Intelligence, Algorithmen, Analytics, für neue Sensorik und die Entwicklung des selbstfahrenden Systems neue
Kompetenzen. Aber in Summe überwiegt der sehr große
Vorteil, dass wir die Hardware bereits beherrschen und perfektioniert haben. Dementsprechend blicke ich sehr positiv
und optimistisch in die Zukunft.
volkswagenag.com
JOHANN JUNGWIRTH
Johann Jungwirth ist seit dem 1. November vergangenen Jahres
Leiter des neu geschaffenen Fachbereichs Digitalisierungsstrategie des Volkswagen Konzerns. Jungwirth kommt vom amerikanischen IT-Unternehmen Apple und berichtet direkt an den
Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen Aktiengesellschaft,
Matthias Müller. Mit dem neuen Ressort und der Berufung
Jungwirths verstärkt sich Volkswagen nachhaltig auf dem für
die Automobilindustrie wichtigen Zukunftsfeld Digitalisierung.
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
90 · TRENDS
TRENDS · 91
BACK TO THE ROOTS
Lifestyle abseits gewohnter Konventionen
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
TRENDS · 93
92 · TRENDS
VON ANJA FAHS
S
ie sind die modernen Hippies, Erben der Beatniks, sie folgen den Künstlern der Lost Generation, den viktorianischen Entdeckern oder den Dichtern
der Romantik. Genau wie sie lassen die sogenannten „Gypsetter“ die Einschränkungen unserer heutigen gesellschaftlichen Konventionen hinter sich und
sind auf der Suche nach den Plätzen, wo das Wasser blau und tief, das Land ursprünglich und der Strand noch einsam ist. Sie richten ihr Leben eher auf Kreativität und Kunst aus als auf Geld und Luxus. Gypsetter trifft man nicht in pompösen
Fünf-Sterne-Hotels – sondern beim Surfen in Montauk, in einem kleinen Dorf auf
den Küstenklippen Cornwalls oder in einem Tipi auf Ibiza.
Gypsetter sind eine wachsende Gruppe von Künstlern, Musikern, Mode-Designern, Surfern, Models und Bonvivants, die ein halbnomadisches, unkonventionelles Leben führen. Sie leben und arbeiten rund um den Globus, getrieben von
Fernweh und der Suche nach Sinn und Erfüllung für ihr Leben. Es sind Menschen,
die eine neue Lebenseinstellung gefunden haben. Sie pflegen das freie und nomadische Dasein von Zigeunern und kombinieren es mit der Raffinesse und globalen
Präsenz des internationalen Jetsets.
Julia Chaplin ist Autorin und Journalistin und arbeitete unter anderem für die
New York Times, Vogue, ELLE und Wallpaper. Auf ihren zahlreichen Reisen besuchte sie viele der typischen Jetsetter-Plätze, die alle mehr oder weniger gleich waren. Sie begann, ein Stückchen weiter zu schauen, noch um die nächste Ecke zu gehen oder stets eine Bucht weiter den Strand entlang zu schlendern. Dort entdeckte
sie immer wieder eine ähnliche Art von Menschen, die bereits vor ihr dort waren
– und das nicht rein zufällig. Es waren Künstler oder Surfer, die ganz bewusst nicht
nach Saint-Tropez gehen, sondern etwas anderes im Leben suchen als die glitzernde Jetset-Aufmerksamkeit. Dies fand Julia nicht nur in einem Land oder in einer
Stadt, sondern erkannte es als Bewegung auf der ganzen Welt. Sie lernte viele dieser
Menschen kennen, darunter typische Celebrity Gypsetter wie Jade Jagger, Damien
Hirst, Alice Temperley oder Nicolas Malleville, und erfand den Begriff „Gypset“ –
eine Verschmelzung der englischen Wörter „Gypsy“ und „Jetset“.
Inzwischen hat Julia Chaplin drei Bücher veröffentlicht, in denen sie Einblick
gibt in das unkonventionelle Leben der Gypsetter. In „Gypset Style“ erzählt Julia
Chaplin, wie ihr dieses Lebensgefühl praktisch in die Wiege gelegt wurde, denn
sie war schon mit ihren Eltern ständig auf Reisen. Sie geht den Anfängen dieses
Konzepts auf die Spur, die sich bereits in den späten Sechzigerjahren finden lassen, als das Reisen auf dem sogenannte Hippie Trail – der Überlandroute zwischen
Europa und Asien – immer populärer wurde, und Backpacker genauso wie reiche
Kids dem spirituellen Ruf nach Indien und Südostasien folgten. Sie erzählt Anekdoten über ihre Begegnungen mit typischen Gypsettern und beschreibt, wie schon
der frühe Hippie-Stil der Sechziger- und Siebzigerjahre die Mode beeinflusste und
wie man sich kleidet, wenn man diesen Lebensstil verfolgt. „Gypset Travel“ stellt
die bevorzugten Reiseziele abseits des Massentourismus vor, und „Gypset Living“
entführt den Leser in einige ihrer Häuser und kreativen Wohnstätten. Wir wollen
von Julia wissen, was genau diesen Lifestyle ausmacht. »
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
TRENDS · 95
94 · TRENDS
Julia, erzähl uns bitte, wie du den Gypset-Trend entdeckt
hast.
Ich reiste als Journalistin viele Jahre rund um den Globus. Irgendwann langweilten mich diese typischen JetsetEvents wie die Filmfestspiele in Cannes oder die Oscars in
Los Angeles. Also begann ich, nach etwas anderem zu suchen. Etwas, was darüber hinausgeht. Bald erkannte ich ein
Muster bei Menschen, die alle gemeinsam nach etwas mehr
Seele und Bedeutung in ihrem Leben suchten. Ich erfand den
Begriff „Gypset“, und seitdem nenne ich diese Bewegung so.
Woher kommen die Gypsetter?
Sie kommen aus der ganzen Welt. Typischerweise aus
den USA, England, Frankreich, Deutschland, Brasilien oder
auch Australien.
Was charakterisiert einen typischen Gypsetter?
Das sind Menschen, die vor allem spontan sind, abenteuerlustig, stilvoll und sehr bewusst leben.
Welche bekannten Persönlichkeiten gibt es?
Ich würde sagen, das sind auf jeden Fall Kate Moss, Kate
Hudson oder auch David de Rothschild.
Wer war der erste Gypsetter, den du selbst getroffen hast?
Das war ich selbst. Ich wuchs bei meinen Hippie-Eltern
in einem VW Bus auf, mit dem wir die Welt bereisten.
Ist die Gypset-Bewegung inzwischen zum richtigen Trend
geworden? Oder glaubst du, dass es eher eine persönliche
Lebenseinstellung ist, die jeder für sich selbst finden muss?
Ich denke, Gypset ist sehr in Mode gekommen, denn
dieses Dasein ist eng mit der Festival-Kultur verbunden, so
beispielsweise mit „Coachella“ oder „Burning Man“, dazu
gehören auch Yoga und ein bewusster Lebensstil, Umweltschutz und nachhaltige Produkte und Fashion. Alles Dinge,
die im Trend liegen, und immer mehr Menschen bereichern
damit ihr Leben.
Würdest du sagen, dass diese Leute im Allgemeinen gebildeter und weltoffener sind als andere Menschen?
Auf jeden Fall sind sie sehr weltoffen.
Dieser Lifestyle hört sich fast an wie ein lebenslanger Urlaub: Man reist als freier Nomade um die Welt, oft ohne die
typischen sozialen Zwänge et cetera, doch nicht jeder kann
sich das leisten. Wie verdienen Gypsetter ihr Geld? Welche
Berufe üben sie aus, denn ganz bestimmt haben sie keinen
nine-to-five Büro-Job.
Gypsetter sind meist Freelancer oder Unternehmer mit
ihrem selbstbestimmten Tagesablauf. Viele arbeiten sehr
hart, während sie als Mode-Designer, Fotografen, GrafikDesigner, Hightech-Innovatoren, Künstler oder Profi-Surfer
um die Welt reisen. Sie machen keinen Urlaub irgendwo – sie
leben und wohnen immer dort, wo sie gerade sind.
Wie lässt sich das mit unserer sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung vereinen? Was ist mit Freunden und
der Familie, ihre Kinder, die zur Schule gehen müssen?
Sie nehmen die Kinder einfach mit! Ich reise beispielsweise immer im Winter nach Mexico und nehme meine
sechs Jahre alte Tochter mit. Sie geht dann dort in eine bilinguale Schule
Normalerweise sind die typischen Jetset-Spots die großen
internationalen Filmfestspiele, Biennalen oder Reiseziele
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wie Saint-Tropez im Sommer und
Saint-Barths im Winter. Aber Gypsetter meide diese Plätze. Warum?
Das ist ganz einfach, da ist es ihnen viel zu kommerziell. Gypsetter
suchen nach mehr als nur „Sehen und
Gesehen werden“ und meiden meist
Ziele und Events, die für kommerzielle Zwecke von Unternehmen geradezu
geflutet werden. Sie suchen nach Plätzen, die ursprünglicher sind, noch eine
Seele haben und wo man sich wieder
erden kann.
Welche Gypsetter-Destinationen gibt
es in Europa?
Das wären beispielsweise Cornwall
im äußersten Südwesten Englands.
Oder auch Guéthary in Aquitanien,
Frankreich, am Golf von Biskaya. Auch
die Balearen sind ein Ziel, vor allem
Ibiza ist eine typischen Gypsetter-Insel,
genauso wie die Äolischen Inseln im
Tyrrhenischen Meer nördlich vor Sizilien. Wunderschöne Plätze, die aber
nicht überlaufen sind und wo man ursprüngliche Regionen abseits der Ziele
des Massentourismus findet.
Was ist als Gypsetterin dein LieblingsReiseziel?
Auf jeden Fall José Ignacio. Ein
sehr kleiner Ort an der Atlantikküste
von Uruguay. Es liegt einige Kilometer küstenaufwärts von Punta del Este.
Und auch die Insel Lamu vor der Küste
Kenias. Sie ist nur ungefähr sechs mal
zehn Kilometer groß, und Lamu Town
ist Teil des UNESCO Welterbes. Autos sind auf Lamu verboten, der ganze Transport und Verkehr werden mit
Eseln abgewickelt.
Nicht nur der Lifestyle und die Reiseziele der Gypsetter sind etwas Besonderes, auch die Fashion und der Style
sind anders. Was trage ich, wenn ich
so sein möchte?
Auf jeden Fall keine sichtbaren
Designerlogos. Die typische GypsetterMode ist ein Mix aus einfacher, bequemer Kleidung und ethnischer Fashion.
Dazu Hippie-Schmuck oder auch Tuniken oder Kaftans, die auf Reisen gekauft und regional hergestellt wurden.
Und Gypsetter gehen barfuß, wann
immer es möglich ist.
gypset.com
assouline.com
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
124 · MENSCHEN
MENSCHEN · 125
KEIN ELEFANT IM
PORZELLANLADEN
Ein Porträt über Bilderbuchkünstler Helme Heine
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MENSCHEN · 127
126 · MENSCHEN
VON SANDY STRASSER
B
ehutsamkeit und Einfühlungsvermögen sind die Markenzeichen von Bilderbuchkünstler Helme Heine. Der
75-Jährige zählt zu den ganz Großen seiner Zunft.
Doch er entwirft nicht nur Illustrationen, er erfindet gleich
auch noch die Geschichten dazu. Darunter echte Kinderbuchklassiker wie „Freunde“ mit den drei Helden Franz von Hahn,
Johnny Mauser und dem dicken Waldemar oder das „Elefanteneinmaleins“. Sie alle haben ihn international bekannt gemacht. Sein Erfolg münzt zu einem großen Teil darauf, dass
er eine Sprache spricht, die Kinder verstehen. Und: Seine
Geschichten sind witzig und beinhalten oftmals ein gewisses Maß an Ironie. Doch immer nur so viel, dass es für seine
kleinen Leser auch verdaulich ist. Helme Heine beobachtet
seine Umwelt stets mit unbändiger Neugier und einer stillen
Leidenschaft. Wahrscheinlich fliegen ihm deshalb seit Jahrzehnten die Herzen kleiner, aber auch großer Leseratten auf
der ganzen Welt zu.
Helme, wann haben Sie mit dem Schreiben und Zeichnen
angefangen? Woher haben Sie dieses wunderbare Talent?
Zum Schreiben bin ich erst in Afrika gekommen. Dieser Kontinent hat ja eine wundervolle Erzähltradition. Man
sitzt abends gemütlich am Feuer und erzählt sich gegenseitig
Geschichten. In den Sechzigerjahren gab es noch kein TV in
Johannesburg, und so veranstaltete ich jeden Donnerstag ein
Haus der offenen Tür. Jeder durfte kommen, aber er musste
dafür als Geschenk eine Geschichte mitbringen und frei erzählen. Es konnte eine selbst erdachte oder eine erlebte sein,
aber er durfte sie nicht vorlesen, sondern musste sie mit eigenen Worten wiedergeben. Die Länge sollte außerdem zwischen zehn und 15 Minuten betragen.
Zum Malen bin ich durch das Theater und das politischliterarische Kabarett „Sauerkraut“ gekommen. Einer musste
ja die Plakate und Theaterhefte entwerfen. Ich habe mich also
hingesetzt und die Bilder gezeichnet, die in meinem Kopf
darauf warteten, abgebildet zu werden. Es hat mich und viele
meiner Freunde überrascht.
Sie sehen sich selbst als Übersetzer von komplizierten Dingen. Was denken Sie, weshalb verlieren die meisten von uns
mit dem Erwachsenwerden gleichzeitig das Gefühl dafür,
Dinge einfach und ehrlich zu formulieren?
Wir üben uns zu wenig in der Kunst des Erzählens und
des Zuhörens. Stattdessen werden wir Tag und Nacht mit Bildern und Musik berieselt. In dieser virtuellen Sintflut drohen
wir zu ertrinken, sprachlos zu werden.
Viele Ihrer Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt. Wie
müssen Geschichten sein, damit sie gehaltvoll sind und
gleichzeitig Spaß machen, sich damit zu beschäftigen?
Sie müssen elementare Geschichten erzählen in einer
verständlichen, klaren Sprache. Wenn man über die Liebe
schreibt, sollte man den Tod nicht vergessen. Und wenn Sie
ein politisches Kinderbuch schreiben wollen, dann interes-
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
siert die Kleinen nicht die Tagespolitik
in der Welt, von der sie sowieso keine
Ahnung haben. Aber wenn die Geschichte von gerecht und ungerecht
handelt, begreift es jeder.
Wie gelingt es Ihnen, Kinder und Erwachsene gleichermaßen mit Ihren
Erzählungen zu begeistern?
Ich finde es schrecklich, wenn Bücher für ein bestimmtes Lebensalter
geschaffen werden. Dieses Buch ist für
Drei- bis Fünfjährige, das nächste für
Kinder von sieben bis zehn Jahren, jenes ist Jugendprogramm, dieses gehört
zur Frauenliteratur und so weiter. Ich
bin sicher, dass Tania Blixen oder Jane
Austen alles andere als erfreut gewesen
wären, so eingestuft zu werden. Oder
denken Sie nur an Tom Sawyer. Ist das
ein Kinder- oder Jugendbuch? Nein,
es ist Weltliteratur! Wir sollten anspruchsvoller sein in der Thematik und
der Sprache und allen Lesern mehr zutrauen.
Wie wichtig ist es Ihrer Meinung
nach, dass Kinder auch heute noch
mit Büchern aufwachsen? Wie wertvoll ist der frühe Umgang mit dem geschriebenen Wort für ihre persönliche
Entwicklung?
Vor 500 Jahren hat Gutenberg der
Welt die Buchdruckerkunst, die Vervielfältigung der Wörter geschenkt.
Heute erleben wir einen Paradigmenwechsel. Das Internet verdrängt das
Wort. Wir betreten eine Welt der Bilder. Wir selbst werden wortloser. Hinzu kommt, dass unsere Welt immer
uniformer wird. Kinder leben immer
stärker in einer genormten virtuellen
Welt. Aber sie brauchen Bücher. Bücher sind Individualisten, wollen erobert werden. Tausend Leute können
das gleiche Buch lesen, aber jeder Einzelne schafft individuelle Bilder, einzigartige Charaktere in seinem Kopf.
Welche Eigenschaften sind für einen
Kinderbuchautor unabdingbar?
Er muss schreiben und malen können. Wilhelm Busch, Beatrice Potter,
Maurice Sendak und Tomi Ungerer
beispielsweise sind der Beweis dafür. »
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MENSCHEN · 129
128 · MENSCHEN
Dabei haben Autor und Maler unterschiedliche Temperamente. Der Autor braucht Zeit, um Bilder, Landschaften
und Personen mit vielen Worten auf vielen Buchseiten zu
beschreiben. Das Bild ist spontan. Es braucht keine Übersetzung in eine andere Sprache. Man schaut es an, und schon
ist alles klar. Hinzu kommt, dass jeder Autor die Welt mit
eigenen Augen sieht und beschreibt, und wenn sein Werk
verfilmt oder illustriert wird, ist er meist enttäuscht, weil er
die handelnden Personen völlig anders gesehen hat. Autor
und Maler scheinen demnach unterschiedliche Hirnhälften
zu bewohnen. Da ist es besser, wenn beide im selben Kopf
zu Hause sind.
Ihnen geht es bei Ihrer Arbeit vor allem darum, das Große
im Kleinen zu schaffen. Was meinen Sie damit?
Es ist auffallend, dass die meisten Kunstwerke heutzutage, ob Installationen, Skulpturen oder Bildformate, immer
größer und größer werden. Man hat das Gefühl, sie werden
nur noch für das Museum geschaffen. William Faulkner hat
einst in seiner Literatur-Nobelpreisrede das Gedicht als die
vollkommenste Form der Literatur gepriesen. Es ist kürzer
als Roman oder Kurzgeschichte, schafft aber trotzdem eine
ungeheure Tiefe und Deutung. Ich mag das kleine Bilderbuch, das kein Buch mit Bildern ist, sondern eine inszenierte
Geschichte, dessen Text auf einer einzigen Seite Platz hat.
Gibt es eine Persönlichkeit, von der Sie sagen, dass Sie deren Schaffen besonders inspiriert?
Wilhelm Busch. Seine Zeichnungen und vor allem seine
Sprache sind wunderbarerweise jung und frisch geblieben.
Busch wurde 1832 geboren, also im Todesjahr von Goethe.
Busch wirkt zeitlos. Als Maler hingegen schätze ich Egon
Schiele. In der Politik habe ich Nelson Mandela bewundert.
Sie sind nicht nur ein brillanter Zeichner, sondern auch
ein extrem kreativer Kopf. Wie bewahren Sie die Frische,
in Ihrem Kopf immer wieder etwas Neues zum Leben zu
erwecken?
Der Geist bleibt jung, wenn man ihn täglich gebraucht.
Ich fordere ihn, indem ich neben meiner eigenen täglichen
schöpferischen Tätigkeit immer wieder Gedichte auswendig
lerne. Ich könnte mir natürlich auch Gedichtbände kaufen,
oder sie auf dem Computer abrufen. Aber ich will sie in meinem Kopf bei mir haben, sie besitzen, damit sich meine eigene Sprache an ihnen schleifen kann.
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Welche Impulse benötigen Sie für Ihr kreatives Arbeiten?
Das Wasser inspiriert mich. Egal, ob es ein See, ein Fluss
oder ein Meer ist. Meinen Lebenstraum habe ich mir in Neuseeland erfüllt, wo ich seit 25 Jahren lebe. Mein Studio liegt
direkt an der Steilküste des Pazifiks. Mithilfe eines Bootsbauers habe ich es errichtet, weil kein Bauunternehmer mein
geschwungenes Zeltdach verwirklichen wollte oder konnte.
Und wenn mir die Ideen doch mal kurzzeitig ausgehen, gehe
ich segeln und angele mir einen Fisch.
Ein Ende Ihrer Bilderbuch-Karriere, wie Sie Ihr Leben nennen, ist für Sie undenkbar. Sind Sie jemals ohne Zeichenstift unterwegs?
Ich besitze kein Handy. Ich brauche zwei freie Hände,
um mit der einen den Notizblock und mit der anderen einen Zeichenstift zu halten. Mit diesen beiden altmodischen
Requisiten erobere ich die Welt, notiere Sätze, Ideen, Gesichter, Bauten, Landschaften. Ich besitze auch keine Kamera. Ich
habe ein visuelles Gedächtnis und kann vieles in meiner eigenen Hirn-Cloud abspeichern.
Sie leben seit 25 Jahren am Meer in Neuseeland. In Ihrer
Freizeit erobern Sie gerne den Pazifik und angeln für den
eigenen Kochtopf. Wie würde der Titel lauten, würden Sie
Ihr eigenes Leben in einer Geschichte zu Papier bringen?
Lebenskünstler. Mit dem Untertitel: Der Versuch, sich
immer wieder neu zu erfinden.
helmeheine.de
HELME HEINE
Helme Heine stammt aus Berlin. Er studierte Betriebswirtschaft
und Kunst, reiste viel und wanderte nach Südafrika aus. Er war
Bühnenbildner und Regisseur mit eigenem Kabarett. 1976 entstand das erste Bilderbuch, kein weiter Sprung von der Bühne,
findet er: Bilderbücher sind inszenierte Geschichten. Er kehrte
für zwölf Jahre nach Deutschland zurück, ehe er 1990 mit seiner
Frau Gisela von Radowitz nach Russell in Neuseeland auswanderte. Kinder und Enkel leben in Europa.
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
WISSENSWERT · 141
140 · WISSENSWERT
I, ROBOT
Maschinen mit Fingerspitzengefühl
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PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
WISSENSWERT · 143
142 · WISSENSWERT
VON SANDY STRASSER
D
ie Robotertechnik ist weltweit auf dem Vormarsch.
Unternehmen wie Google und Facebook beispielsweise wetteifern um die technische Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz. Die Kuka Roboter GmbH ist
einer der international führenden Anbieter von Robotik sowie Anlagen- und Systemtechnik und Pionier in Industrie 4.0.
Die Internationalisierung und das Vorantreiben ihrer Innovationsfähigkeit in allen Geschäftsbereichen ist für das Unternehmen das Maß aller Dinge, damit Mensch und Maschine
künftig noch enger „Hand in Hand“ arbeiten können.
Herr Lampa, Robotik oder auch künstliche Intelligenz legen zusammen mit einer komplett vernetzten Welt den
Grundstein für eine neue Revolution, deren Ansätze wir
bereits heute in unserem Alltag spüren können. In welchen
Industriesegmenten kommen derzeit weltweit die meisten
Roboter zum Einsatz und weshalb?
Die Automobilindustrie ist in Sachen Automation und
Robotik traditionell ein Vorreiter, und das setzt sich auch in
der Industrie 4.0 fort. Die Automationslösungen in dieser
Branche sind absoluter State of the Art und nehmen auch
bei Aspekten wie Mensch-Roboter-Kollaboration eine klare
Führungsrolle ein. Davon abgesehen ist der Elektroniksektor einer unserer wichtigsten Märkte, wo hochwertige und
zuverlässige Roboter dringend gebraucht werden, um die
ständig steigende Nachfrage nach immer neuen Produkten
zu befriedigen. So eine extrem hohe Nachfrage führt zu immer schnelleren Entwicklungszyklen und immer kürzeren
Produktlebensdauern, was von den Herstellern hocheffiziente Prozesse erfordert. Diese müssen gestützt sein durch
Automation und IT-Vernetzung, um den Herstellern die
nötige Flexibilität und Leistungsfähigkeit zu ermöglichen.
Bei gleichzeitig steigenden Lohnkosten auch in Asien ist Automation zudem ein langfristig signifikanter Faktor dabei,
Kosten zu sparen.
Welche Märkte sind momentan in Sachen Automatisierung
noch relativ dünn besiedelt, aber dennoch stetig auf dem
Vormarsch, sodass man künftig auch hier mit hoher Nachfrage rechnen kann?
Generell gibt es in der General Industry zu viele Beispiele von Segmenten und Unternehmen, die bisher wenig
bis keinen Kontakt zur Robotik hatten, um diese namentlich
aufzuzählen.
Wir sind überzeugt, dass in nahezu allen Märkten und
Industriesegmenten die Nachfrage nach Automation in Zukunft nachhaltig steigen wird. Die Entwicklungen im Zuge
von Industrie 4.0 und die Konsequenzen für die Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sind
einfach nicht mehr rückgängig zu machen und werden immer spürbarer. Und schön ist dabei, dass viele Länder, die
bisher nicht zu den Pionieren in Sachen Industrie und Hochtechnologie gezählt haben, mittlerweile aufschließen.
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Welche Länder sind im Bereich Robotics führend? Was
zeichnet deren Kernkompetenzen aus?
Wenn wir von der Zahl installierter Roboter ausgehen,
dann sind die asiatischen Länder, darunter vor allem China,
Japan und Südkorea, nach wie vor ganz weit vorne, dicht gefolgt aber von den USA und Deutschland. Gemein ist diesen
Ländern der Fokus auf Hochtechnologie, wo sie seit jeher
eine Vorreiterrolle einnehmen. China ist da die Ausnahme
von der Regel, wobei das Land in der jüngeren Vergangenheit zugleich die größten Sprünge gemacht hat und zu den
bisherigen Pionieren aufschließt. Die Produktion hochwertiger technologischer Güter in zumeist hoher Stückzahl hat es
schon weit vor der Industrie 4.0 nahegelegt, die Fertigungsprozesse zu automatisieren.
Was machen Roboter im Rahmen von Industrie 4.0 so
wertvoll? Welche Schlüsselrolle spielen sie?
Charakteristisch für Industrie 4.0 ist die Vernetzung von automatisierten Prozessen mit der IT-Welt. Der
Roboter als flexibles Produktionselement wird dabei in der
Lage sein, Daten in der Produktion zu sammeln und diese
mit den IT-Systemen auszutauschen. Produktionsabläufe
werden dadurch noch effizienter, und die Systeme können
schnell auf individualisierte Kundenwünsche reagieren. Die
Fabrik der Zukunft ist aus der Sicht von Kuka eine „smart
Factory“, keine „dark Factory“, und mit neuen Robotersystemen, die sensitiv und mobil und dadurch in der Lage
sind, mit dem Menschen Hand in Hand zu arbeiten, ergeben sich völlig neue Möglichkeiten in der Produktion.
Der Zugewinn an Flexibilität und Effizienz, der aus dieser
Digitalisierung und Automation resultiert, garantiert
Wettbewerbsfähigkeit sowie den Erhalt der Arbeitsplätze,
die durch roboterbasierte Automation ergonomischer werden.
2014 legten Sie mit dem LBR iiwa den Grundstein für eine
völlig neue Beziehung zwischen Mensch und Maschine im
industriellen Umfeld. Was macht diesen Roboter so einzigartig?
Der Leichtbauroboter LBR iiwa (intelligent industrial
work assistant) ist feinfühlig, nachgiebig, präzise, flexibel
und mit seiner Mechanik und Antriebstechnik für den industriellen Einsatz ausgestattet. Mit ihm können feinfühlige
und komplexe Montageaufgaben automatisiert werden, bei
denen der Einsatz von Robotern bisher nicht möglich war.
Zum Beispiel eröffnet er neue Anwendungsfelder in der Service- und Medizinrobotik. Zudem ist der Leichtbauroboter
für die Zusammenarbeit mit dem Menschen prädestiniert.
Er agiert als „dritte Hand“ des Bedieners und kann direkt
und ohne Schutzzaun mit dem Menschen gemeinsam arbeiten. In all seinen sieben Achsen hat der LBR iiwa Gelenkmomentsensoren, die auf geringste Kräfte von außen reagieren.
Das ist weltweit einzigartig und garantiert einen sicheren
Kollisionsschutz.
Als Komponente einer Smart Factory ist der LBR iiwa dank
seiner sensitiven Technik in der Lage, von seinen menschlichen Kollegen zu lernen. Was steckt hinter dieser Technologie?
Ein ausgefeiltes System von Sensoren ermöglicht es dem
LBR iiwa, nicht nur programmierte Abläufe immer wieder
gleich abzuspulen, sondern auf seine Außenwelt in vielerlei Hinsicht zu reagieren. Einerseits kann er so Kollisionen
mit Menschen vermeiden und bei bereits programmierten
Aufgaben selbstständig Einbaupositionen oder nicht exakt
vorgelegte Einbaukomponenten finden. Andererseits ermöglichen die Momentsensoren es auch im Kontext neuer Auf-
gaben, den Roboter einfach durch das Führen per Hand zu
steuern und zu programmieren. Und das schnell und einfach
ohne Programmierkenntnisse.
Wie wird sich die Zusammenarbeit zwischen Mensch und
Roboter in Zukunft weiter verändern?
Ganz einfach, sie wird immer weiter zunehmen. Produktion bedeutet heute oft noch Vollautomatisierung, bei
der der Mensch im Wesentlichen bei der Planung und Instandhaltung flexibler Automatisierungslösungen eine Rolle
spielt, nicht aber in der Produktion selbst. In vielen Fällen
ist aber ein gleitender Automatisierungsgrad sinnvoll. Ein
Teil der Aufgabe wird dabei von flexiblen Industrierobotern »
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
144 · WISSENSWERT
erbracht, ein anderer Teil vom Menschen. Mensch und Roboter arbeiten Hand in Hand. Zur direkten Zusammenarbeit
von Mensch und Roboter, also der MRK, kommt es vor allem
in Bereichen, die heute noch nicht oder kaum automatisiert
sind. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Motoren- und Getriebemontage sowie die Endmontage im Automobilbau, wo der
LBR iiwa bereits im Serienbetrieb tätig ist. Das Potential für
Mensch-Roboter-Kollaboration ist aber in zahllosen weiteren Branchen und Anwendungsumfeldern enorm groß, und
man hat gerade erst damit begonnen, es zu nutzen.
Welche Chancen ergeben sich durch diese besondere Form
der Teamarbeit?
Der Mehrwert der Mensch-Roboter-Kollaboration ist,
dass der Werker in direkter Zusammenarbeit mit dem Roboter arbeitet. Das führt zu Verdichtung von Fläche, Materialzuführung ohne Anlagenstopp, verbesserte Zugänglichkeit,
flexiblere Zellenkonzepte, Programmieren durch Vormachen, sinnvolle Aufteilung von kognitiven Aufgaben (auf den
Mensch) und repetitiven Aufgaben (auf den Roboter).
Wie werden nachrückende Generationen mit dem Thema
Robotics umgehen?
Der Begriff „Digital Natives“ prägt eine Generation,
die ganz selbstverständlich in und mit der digitalen Welt
aufwächst. Analog dazu sehen wir eine Entwicklung in der
Robotik. Während heute Roboter vorwiegend in der industriellen Fertigung zum Einsatz kommen, werden sie in den
kommenden Jahren sukzessive alle anderen Lebensbereiche
erobern – und dazu führen, dass zukünftige Generationen als
sogenannte „Robotic Natives“ heranwachsen, umgeben von
verschiedensten Arten von Automatisierungstechnologien
und Systemen.
Wie treiben Sie die Internationalisierung und Innovationsfähigkeit Ihres Unternehmens weiter voran, gerade auch
im Hinblick auf das Übernahmeangebot des chinesischen
Haushaltswarenhersteller Midea, das Sie kürzlich erreicht
hat? Welche konkreten Ziele haben Sie im Blick?
Wir wollen die Welt zu Kuka bringen – und Kuka in die
Welt. Die General Industry wächst sehr stark, und das vor allem außerhalb Deutschlands. Dazu muss man nur den Elektronikmarkt betrachten, der ein enormes Wachstumspotential für die Automatisierung bietet, das größtenteils in Asien
stattfindet. Die Fokussierung auf die General Industry geht
Hand in Hand mit der verstärkten Internationalisierung.
Welche generelle Relevanz hat der asiatische Markt für
Kuka?
Deutschland ist und bleibt ein wichtiger Markt für roboterbasierte Automatisierungslösungen – nicht zuletzt natürlich, weil wir hier zu Hause sind. Aber wir sehen auch,
dass die großen Wachstumsmärkte der Zukunft außerhalb
Deutschlands und Europas liegen. Deswegen fokussieren
wir uns vor allem auf den asiatischen Raum und dort insbesondere auf China, das Land, das auch laut der International
Federation of Robotics (IFR) der größte und am schnellsten
wachsende Markt für Industrieroboter
ist. Wir wollen in China weiter wachsen und von dem AutomatisierungsTrend profitieren.
Welche sonstigen Weichen gilt es heute zu stellen für die intelligente, vernetzte Welt von morgen, vor allem,
um den Anschluss an große Industrienationen nicht zu verlieren?
Durch die fortschreitende Digitalisierung wird die Generation von morgen zum Teil in Berufen arbeiten, die es
heute noch gar nicht gibt. Daher bedarf
es auf allen Ebenen einer regelmäßigen
Überarbeitung der Tätigkeiten und
Ausbildung, um die Anforderungen
an die sich radikal verändernde Praxis anzupassen. Denn die Arbeitswelt
von morgen wird nicht mehr dieselbe
sein: Denken Sie nur daran, wie Sie
erst vor ein paar Jahren ihr Flugticket
am Schalter bestellt haben und es heute
per Smartphone anfordern. Im Rahmen solcher Entwicklungen werden
neue Jobs entstehen.
kuka.com
STEFAN LAMPA
Stefan Lampa ist seit 2015 Vorsitzender
der Geschäftsführung der Kuka Roboter
GmbH und seit über 25 Jahren im Roboter-Geschäft tätig. Durch Positionen
in Europa, Asien und Mittel- und Nordamerika hat er internationale Erfahrungen in allen für Kuka wichtigen Automationsmärkten gesammelt. Davor war er
unter anderem als Global Product Group
Manager for Robots & Applications bei
ABB tätig.
MAN MUSS JA NICHT ALLES KÖNNEN.
ABER MAN MUSS WISSEN, WEN MAN FRAGEN KANN.
www.Laudert.de
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146 · TRENDS
TRENDS · 147
SOUL FOOD
Gerichte, die glücklich machen
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PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
TRENDS · 149
148 · TRENDS
VON ANJA FAHS
D
ie Tage werden langsam wieder kürzer, die Abende sind bereits kühl, und
die Sonne hat immer mehr Mühe, den morgendlichen Nebel zu vertreiben.
Der Herbst steht vor der Tür, und wir freuen uns auf gemütliche Stunden zu
Hause und gemeinsames Kochen mit Freunden und der Familie. Die beste Zeit für
Soul Food — das schmeckt gut und tut gut.
„Essen hält Leib und Seele zusammen“, sagt ein altes Sprichwort, und genau das ist
Soul Food. Essen, das glücklich macht und uns ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
Diese Gerichte schmecken wunderbar und sorgen für ein zufriedenes und gutes
Bauchgefühl. Egal, ob es sich dabei um leckere Pasta mit einer langsam eingekochten Bolognese Sauce oder deftige Suppen, gehaltvolle Eintöpfe oder zarte Schmorgerichte handelt.
„Wohlgefühl kann so viele Dinge bedeuten, erst recht, wenn man es aufs Essen überträgt. Wohlfühl-Küche – Seelenfutter, Nervennahrung, Trostessen, wie
immer man es nennen möchte – ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Es geht
um Gerüche, Klänge und Aromen. Es geht um Gerichte, die zu einer bestimmten
Zeit genau den Nerv treffen und die Fähigkeit besitzen, Gefühle und Stimmungen
auszulösen, Erinnerungen zu wecken oder neue zu schaffen […]“, sagt Star Koch
Jamie Oliver, der ein extra Kochbuch zum Thema Soul Food veröffentlicht hat.
Aus diesem Trend ist längst eine Bewegung geworden. Typische Soul FoodGerichte sind beispielsweise immer auf Street Food-Märkten oder den angesagten Food-Festivals zu finden. Egal, ob stundenlang gegarte Ochsenbäckchen, eine
würzige Paella, Spareribs oder der jetzt voll im Trend liegende Smoker-Hit: Pulled
Pork. Kaum ein anderes Gericht ist jüngst so populär geworden wie dieser GrillKlassiker aus den USA. Dabei wird eine Schweineschulter oder ein Schweinenacken zuerst über 24 Stunden mariniert und dann bei gerade mal 80 bis 100 Grad
stundenlang im Grill-Smoker oder im Backofen gegart, bis das Fleisch zart zerfällt
und mit einer Gabel „zerpflückt“ werden kann. Das Ganze wird mit einer würzigen
Barbecue Sauce vermischt und traditionell mit Kohlsalat serviert.
In den USA findet sich auch der Ursprung des sogenannten Soul Food. Denn
hier stand dieses Essen schon immer für nahrhafte, einfache Gerichte. Nicht immer kalorienarm, aber eben etwas für die Seele. Es geht auf viele Rezepte des amerikanischen Südens zurück, vor allem aus der Sklavenzeit. Denn Soul Food ist eine
Weiterentwicklung der Essgewohnheiten der Afroamerikaner, die in früheren
Jahrhunderten auf den Plantagen des Südens arbeiten mussten. Sie verfügten im
Prinzip nur über die Lebensmittel, die ihre Besitzer ihnen zukommen ließen – magere Portionen von Mais, Bohnen und Reis, dazu die Fleischstücke, die in den Herrenhäusern selbst verschmäht wurden, wie Schweinefüße, -ohren, -nacken oder
Innereien. Einige afrikanische Gemüsesorten hatten die Sklavenhändler ebenfalls
mitgebracht. So wurden Erdnüsse, Okraschoten, Süßkartoffeln, Auberginen, Bananen damals nur für die Schwarzen angebaut, heute sind sie praktisch fester Bestandteil der Küchen auf der ganzen Welt. »
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN
150 · TRENDS
Die Sättigungsgrundlage dieser Gerichte bilden vor allem Mais, Weizen, Reis und
Kartoffeln. Auch die typischen Gewürze der amerikanischen Soul Food-Küche
verweisen auf die afrikanischen Wurzeln. So sind beispielsweise Cayennepfeffer,
Muskatnuss, Piment, Zimt, Gewürznelken, Sesam, Thymian und Essig vertreten.
Beliebte Gemüse sind neben Bohnen und Erbsen verschiedene Kohlsorten, Kürbis
und Speiserüben, auch Zwiebeln finden häufig Verwendung.
In den Sechzigerjahren wurde Soul Food sogar Bestandteil der ethnischen
Identität von Afroamerikanern in den Vereinigten Staaten, und die ersten entsprechenden Restaurants wurden eröffnet. Dies muss man im Zusammenhang mit der
von Martin Luther King angestoßenen Bürgerrechtsbewegung sehen, genauso wie
mit dem Aufkommen der Black Muslims und dem dadurch gestärkten Selbstbewusstsein dieser ethnischen Gruppe. Gerichte und Rezepte dieser Art sind aber
auch in Europa und auf der ganzen Welt ähnlich gekocht worden, natürlich immer
unter Verwendung der regionalen Zutaten. Heute zählen viele Klassiker unserer
Küche zu dieser Art von Gerichten – auch bei den Süßspeisen. Kein Wunder, ist
doch Schokolade unser Seelentröster Nummer eins – genauso wie luftige Soufflés
oder Flans, duftender Milchreis, Griespudding oder eine wunderbar zart schmelzende Polenta mit Zimt.
Aber Soul Food ist nichts für die schnelle Küche. Hier braucht alles Zeit und
Hingabe. Es ist das absolute Gegenteil von Fast Food. Der italienische Journalist
und Soziologe Carlo Petrini war schon immer ein Gegner des schnellen industriellen Essens und des modernen Fast Food. „Ich möchte die Geschichte einer Speise
kennen. Ich möchte wissen, woher die Nahrung kommt. Ich stelle mir gerne die
Hände derer vor, die das, was ich esse, angebaut, verarbeitet und gekocht haben“,
sagt Petrini. Er gründete bereits 1986 in der norditalienischen Kleinstadt Bra einen
Verein, der sich für den Erhalt der Esskultur einsetzt. Er tritt für gutes Essen, kulinarischen Genuss und vor allem ein moderates Lebenstempo ein. Er nannte darum
seinen Verein „Slow Food“. Heute ist aus dem kleinen Verein in Bra eine internationale Bewegung geworden. Nach über drei Jahrzehnten zählt der – seit 1989 auch
internationale – Verein über 100.000 Mitglieder verteilt auf 1.500 lokalen Gruppen.
Nationale Vereine gibt es in Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, Italien, Japan, der Schweiz und den USA.
Aus der ursprünglichen Slow Food-Idee wuchs bald die Einsicht, dass auch die
bäuerliche Landwirtschaft, das Lebensmittelhandwerk und eine gesunde Umwelt
für eine gute, saubere und faire Esskultur unerlässlich sind. „Essen bedeutet Genuss, Bewusstsein und Verantwortung“, sagt Carlo Petrini. Somit vertritt die Slow
Food-Bewegung die Auffassung, dass wir dreimal am Tag, nämlich bei jeder Mahlzeit, mit dem was wir essen Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen
treffen. Unser Essen ist untrennbar mit Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur,
Wissen, Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt verknüpft. Millionen von Menschen weltweit setzen sich in diesem Netzwerk aus Überzeugung und Leidenschaft
für gutes Essen ein.
slowfood.de
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EMPFEHLUNGEN · 153
152 · EMPFEHLUNGEN
WAKE ME UP
VON NADINE PELZER
S
ich schon beim Aufwachen großartig fühlen – und das
jeden Tag. Das wär’s. Was sich wie ein Traum anhört,
soll tatsächlich auch in der Realität funktionieren.
Das zumindest versprechen zwei Kalifornische Tüftler mit
ihrem Kickstarter-Projekt „Sense“. Das kleine, kugelige Gadget soll nicht nur unseren Schlaf verbessern, es kann sogar
analysieren, welche Auswirkungen die Umgebung unseres
Schlafzimmers auf unsere nächtliche Erholung hat und warum wir vielleicht schlechter schlafen, als wir uns das wünschen.
Unsere innere Uhr ist von Natur aus so programmiert, dass
sie unserem Körper hilft zu entscheiden, wann es an der Zeit
ist, einzuschlafen und wieder aufzuwachen. Ablenkungen
des natürlichen Rhythmus wie beispielsweise laute Autos
oder ein Anruf mitten in der Nacht, der uns aus dem Tiefschlaf reißt, können die Ursache dafür sein, dass wir uns
beim Aufstehen manchmal wie gerädert fühlen und eine
Weile brauchen, um in Schwung zu kommen. Sense, ein stylischer Ball voller Sensoren, will das ändern.
Das clevere Gadget besteht aus insgesamt drei Komponenten: aus der eigentlichen Kugel, die quasi die Zentrale ist
und sämtliche Sensoren beinhaltet, aus dem Sensor Sleep
Pill, den man an sein Kissen klippt, und aus der App für iOS
oder Android. Im Gegensatz zu üblichen Weckern analysiert
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Sense mit seinem Smart Alarm unseren Schlafzyklus, um zu sehen, wann
wir uns in einer Leichtschlafphase
befinden. Er weckt uns zu der für uns
optimalen Zeit auf und ermöglicht so
einen guten Start in den Tag. Alles, was
man dafür tun muss, ist, den Alarm zu
stellen und sich dabei für eine von 15
verfügbaren Melodien zu entscheiden.
Über den eingebauten Lautsprecher
kann Sense außerdem Geräusche abspielen, die beim Einschlafen helfen
sollen. Durch das Überwachen der
Umgebung hinsichtlich Temperatur,
Feuchtigkeit, Licht und Feinstaub sowie die Erkennung unseres Schlafes
anhand unserer nächtlichen Bewegungen erhält man zudem einen guten Gesamtüberblick über alle Faktoren, die
eine wichtige Rolle spielen in Sachen
gesunder Schlaf. Erhältlich ist der intelligente Sleep Tracker in den Farben
Schwarz und Weiß für 149 Euro.
hello.is
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162
MENSCHEN UND MARKEN
MENSCHEN
A
Austen, Jane
126
B
Bezos, Jeff
Bibra von, Terry
Bosse, Axel
Busch, Wilhelm
71
67-69
132, 133
126, 129
C
Chaplin, Julia
Christie, James
Citron, Ken
93, 94
75-78
30
30
E
Enders, Tom
118
F
Frezzati, Eugène Dr.
24
G
Giers, Gordon
Goodyear, Charles
Goethe
Gutenberg
J
Jagger, Jade
Jongerius, Hella
Jungwirth, Johann
142, 144
M
Ma, Jack
Malleville, Nicolas
Mandela, Nelson
McQueen, Steve
Moss, Kate
Mubarak Al, Mohamed
Khalifa
68
93
129
Warner, Harry
Warner, Jack
Warner, Sam
Webber, Mark
Wegner, Christian Dr.
Wurz, George
60
60
60
30
56, 57
24
30
75, 94
60
MARKEN
75
D
Dean, James
Dempsey, Patrick
H
Heine, Helme
Hirst, Damien
Hudson, Kate
L
Lampa, Stefan
48
44
129
N
Nadler, Til
48
O
Oliver, Jamie
Oppenheim, Chad
148
34, 38
P
Paul-Dauphin, Renaud
Picasso
Porsche, Ferry
Porsche, Ferdinand Alex.
R
Redlefsen, Hans
Rothschild de, David
44
113
30
30
48
94
126
125, 126, 129
93
94
93
107, 108, 111
85, 87
K
Karajan von, Herbert
Kaeser, Joe
Kerber, Angelique
King, Martin Luther
Kutcher, Ashton
30
S
Sawyer, Tom
Schiele, Egon
Schusler, Joey
Sendak, Maurice
Sting
T
Temperley, Alice
Tsujihara, Kevin
U
Ungerer, Tom
126
30
57
W
Wall, Niall
Warner, Albert
144
117, 118
67-69
56, 87
87
64, 71, 123, 137
B
BASF
Beiersdorf
Bentley
BOSCH
Box
bonprix
Bugatti
Burda
57
103
69
87
103
122, 123
22, 23
126
133
93
61
C
Christie’s
Closed
Condè Nast
G
General Electric
General Motors
Google
GoPro
46, 88, 142
122
78
24, 56, 88, 89, 142
64, 78
H
Harrods
Hearst UK
Henkel
Hermès
46
78
69
44-46
I
IBM
IKEA
ING-DiBa
Instagram
123
111
87
78
75, 76, 78
48, 51
46
J
John Lobb
44-46
K
KLM
Kohl’s
Kuka Roboter
108, 111
78
142, 144
D
Deutsche Bank
Dorothy Gray
Ducati
122, 123
87
24, 26
51
51
78
24
87
93
O
Oppenheim Architecture
Otto Group
P
Pinterest
Porsche
Procter & Gamble
ProSiebenSat.1
R
REWE
Ron Herman
69
56
93
34, 38
81
64
28, 30, 87
122
55-57
78
51
S
Selfridges
Siemens
Solid Hommes
Swiss Re
Symantec
T
TAKKT AG
Tesla
Time Warner
U
Uber
United Arrows
51
117, 118
134
78
123
40
137
60
41
51
88
78
126
E
ELLE
L
Lamborghini
Lancaster
Lane Crawford
Le Bon Marché
LinkedIn
M
MAN
McCann
Metro
Microsoft
Migros
Miral
Mr Porter
N
Nestlé
Netflix
New York Times
103
80, 81, 83
129
118
150
A
ABB
Airbus
Alibaba
Apple
Audi
Amazon
Axel Springer
F
Facebook
87
78
V
Vitra
Vogue
Volkswagen
78, 110, 111
93
85, 87, 94
69
123
78
60
46, 134, 135
60
W
Walmart
Warner Brothers
Y
Yahoo
40
60,61
69
IMPRESSUM
Daily Work in seiner schönsten Form. Das Produktkulturmagazin wird liebevoll kreiert von:
HERAUSGEBER
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ÜBERSETZUNG
Arne Biesma, Marita Knoedge,
Nora Manthey, Christopher Mayhew
DESIGN, LAYOUT & SATZ
Ilona Sandrock
Sabine Stahl
ONLINE & SOCIAL MEDIA
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TITEL
Helme Heine
REDAKTION
Simon Berger, Arne Biesma, Anja Fahs,
Matthias Hohensee, Jeroen Junte, Temel Kahyaoglu,
Nicole Kidd, Thomas Lucas-Nülle, Nora Manthey,
Patricica Philbin, Claudia Pelzer, Nadine Pelzer,
Dr. Stefan Pollak, Ilona Sandrock, Sabine Stahl,
Sandy Strasser
DRUCKEREI
raff media group gmbh
REDAKTIONSLEITUNG
Sandy Strasser
UNSERE BÜROS
Frankfurt Bureau: Anja Fahs
Berlin Bureau: Claudia Pelzer
Paris Bureau: Patricia Philbin
Amsterdam Bureau: Arne Biesma, Jeroen Junte
Rom Bureau: Dr. Stefan Pollak
London Bureau: Nora Manthey
Silicon Valley Bureau: Matthias Hohensee
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Erscheinungstermin nächste Ausgabe:
November 2016
BILDNACHWEIS
S. 14 Alibaba; S. © John Lobb; S. 14 Volkswagen Group; S. 18 © Christie’s Images Limited 2016; S. 15
Helme Heine; S. 16 Universal; S. © Warner Bros. Entertainment Inc.; S. 18 Moon Express; S.18 SPL/
g. Focus; S. 19 DuoSkin photo by Jimmy Day; S. 19 © Quintessence Yachts; S. 20-21, 22-23 Photo by
Joey Schusler; S. 24-25 www.lancaster.com; S. 28-29, 31 Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG; S. 32-33, 35, 36-37
Luxigon; S. 42-43 Ben Benoliel for John Lobb; S. 45 © John Lobb; S. 49, 50 © Closed; S. 52-53 JoKMedia/Getty Images; S. 54 © Warner Bros. Entertainment Inc.; S. 58-59 Hulton Archive/Freier Fotograf/
Getty Images; S. 66 Fotosearch/Getty Images; S. 74-75, 77 © Christie’s Images Limited 2016; S. 84-85
Volkswagen Group; S. 89 Peter Dazeley/Getty Images; S. 90-91, 92, 95 ©Brian Hodges; S. 96-97 3D
Image Design/Getty Images; S. 100-101 Astronaut Images/Getty Images; S. 106-107 ©Markus Jans, S.
110-111 ©Vitra photo by Marc Eggimann; S. 112-113 Courtney Keating/Getty Images; S. 120-121 Anthony
Harvie/Getty Images; S. 124-125 Helme Heine, Elefanteneinmaleins © 2012 Beltz & Gelberg in der
Verlagsgruppe Beltz Weinheim Basel, S. 127 Helme Heine, S. 128 Helme Heine, Elefanteneinmaleins
© 2012 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz Weinheim Basel; S. 130-131 Universal; S. 134-135
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140-141 Matthias Zentner, S. 143 KUKA Roboter GmbH; S. 146-147 Westend61/Getty Images; S. 149
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11. Jahrgang / 4x jährlich
ISSN 1865-1305
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