LE (A SEP US R ZU OB G) E AIRBUS Eine neue Ära der Luftfahrtgeschichte beginnt CHRISTIE’S Das Traditionsauktionshaus im digitalen Umbruch LANCASTER zündet die nächste Stufe im Onlinevertrieb HELME HEINE Der Bilderbuchkünstler im Interview über Neugier und Berufung ALIBABA Der Onlineriese und seine Expansionspläne WARNER BROS. Der Pionier der Filmindustrie erobert die Vereinigten Arabischen Emirate JOHN LOBB Hinter den Kulissen der britischen Edelmarke KUKA ROBOTER Maschinen mit Fingerspitzengefühl EDITORIAL · 3 2 · EDITORIAL Thomas Lucas-Nülle Herausgeber Temel Kahyaoglu Herausgeber PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN ES IST NICHT VON BEDEUTUNG, LANGSAM DU GEHST, SOLANGE DU NICHT STEHEN BLEIBST. WIE Wild und unberechenbar war sie, die Zeit, in der sich unsere Vorfahren, mit Speeren ausgerüstet, aufgemacht haben, immer auf der Suche nach Nahrung, die einem das Überleben sicherte. Die Spielregeln waren gänzlich einfach: Derjenige, der sich an die Widrigkeiten der Umgebung am besten anpassen konnte, gewann. Im Grunde hat sich dieser Evolutionszustand bis heute nicht verändert. Im Gegenteil. In unserer hochmodernen, hochkomplexen und hochtechnologischen Welt geht es nicht selten ums pure Überleben. Vielleicht sogar mehr denn je. Da frisst das eine Unternehmen das andere, und wer die beste Technologie vorweisen kann, hat sowieso meistens schon automatisch die Nase ganz weit vorne. Oder, um wieder die Brücke zu unseren Vorfahren zu schlagen: Der, der die beste Taktik an den Tag legt, gewinnt ihn, den Pitch seines Lebens. Auf unsere menschlichen Grundzüge bezogen haben wir also in den vergangenen Jahrtausenden keinen wesentlichen Schritt nach vorne getan. Warum also nicht mit Gleichgesinnten ein Umfeld schaffen, in dem man sich wohlfühlt und in dem man gemeinsam etwas Großes erreichen kann? Wo Authentizität und bahnbrechende Ideen zutage gefördert werden. Sich zusammentun, um die Geschichte komplett neu zu schreiben, das ist es, was gewöhnliche Unternehmen zu besonderen macht. Sie stellen bestehende Regeln infrage, definieren sie neu, lassen sich auf Unbekanntes ein und schaffen damit eine neue Realität und Identität. Gerade dann, wenn sich der Umschwung breit macht, wenn Veränderungen mehr als nur disruptiver Natur sind, sollten wir den kühlen Morgenwind des heranbrausenden Herbstes nicht scheuen. Denn frische Luft hat noch keinem geschadet, vor allem nicht der Industrie mit all ihren großen und kleinen Zweigen, die allesamt zum Wachstum beitragen. So ist das für alle Zeit in Stein gemeißelt, und daran wird es auch in Zukunft nichts zu rütteln geben. Um Ihnen dafür auch noch den Beweis zu liefern, haben wir für Sie, liebe Leserinnen und Leser, wieder jede Menge an wunderbarem Material zusammengetragen, das Ausschnitte unseres modernen Lebens zeigt und das uns gegebenenfalls schneller an unsere gesteckten Ziele heranführt. Konfuzius PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN porsche design Timepieces 1919 DATETIMER ETERNIT Y Edles Alligatorenleder und gebräuntes Titan. Zeitlose Eleganz, inspiriert von Bauhaus Architektur und Design. Designed in Austria. Swiss Made. 1919 CO LLECTI O N INSPIRED BY OUR PASSION FOR DESIGN www.porsche-design.com INHALT · 15 14 · INHALT 66 TERRY VON BIBRA AlibabaDeutschlandchef 42 84 RENAUD PAUL-DAUPHIN CEO der britischen Edelmarke John Lobb JOHANN JUNGWIRTH Der Leiter der Digitalisierungsstrategie bei Volkswagen im Gespräch Der chinesische Amazon-Konkurrent Alibaba hat Deutschland als neues Standbein fest im Blick. Welche Gründe für die weite Reise nach Übersee sprachen und was man sich von den ambitionierten Unternehmenszielen erhofft, erzählt Deutschlandchef Terry von Bibra im Interview. CHANGES TGOA Temel Kahyaoglu im Gespräch mit 80 Markus Fuchshofen und Jörg Rewer zu Content Carousel – die digitale Wertschöpfungskette ERFAHRUNGSWERT On her Way 24 Formgefühl 40 Be Yourself 48 Print feat. Online 52 Lancaster zündet die nächste Stufe im Onlinevertrieb Versandhandel als präzises Handwerk verstehen … just the way you are Welche Strategiepunkte man für eine gelungene Kombination auf dem Zettel haben sollte Film ab! 58 Kunsttempel 74 Digitale Verbundenheit 88 Hollywoods ganz große Leinwandhelden Über die Sehnsucht nach dem Besonderen Datenmanagement damals und heute Badinspirator Mit Virtual Reality zum eigenen Traumbad Wenn alles fließt 74 KEN CITRON CIO des Londoner Auktionshauses Christie’s Produktdaten und ihr wahres Potential Rundumblick Volle Kontrolle bei der Digitalen Transformation On the Go Mobile Shopping für Fortgeschrittene Herzentscheidung Kundenbindung mit Substanz Verbindungseinheit So schaffen Sie mehr Flexibilität für Ihre Daten PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 124 Helme Heine zählt zu den großen Bilderbuchkünstlern der Gegenwart. 1976 begann seine internationale Karriere mit seinem „Elefanteneinmaleins“. Seitdem folgten viele weitere Erfolgsgeschichten, für die ihn kleine und große Leseratten auf der ganzen Welt lieben. WISSENSWERT VOICES TGOA Temel Kahyaoglu im Gespräch mit Tom Ebling 62 König der Unterhaltung 54 Temel Kahyaoglu im Gespräch mit Oliver Frömmer 70 Kulturmix 66 Temel Kahyaoglu im Gespräch mit 102 Matthias Kant Welcome to the Future 84 MENSCHEN Überflieger 116 Cloud Working 120 I, Robot 140 CEO von Demandware ProSiebenSat.1 loves to entertain you 96 CCO von SDZeCOM 100 CEO prirobase imperia 112 136 Kein Elefant im Porzellanladen Ein Porträt über Bilderbuchkünstler Helme Heine 124 138 Außerhalb der Zeit 154 Milliarden Gedanken eingefasst in Musik 130 Alibaba-Deutschlandchef Terry von Bibra über die Expansionspläne des Onlineriesen Der Anspruch von Volkswagen an Design und Technologie in Zeiten Digitaler Transformation Airbus und Siemens schreiben die Zukunft der Luftfahrt neu Businesslösungen für mobile Teams Maschinen mit Fingerspitzengefühl PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 16 · INHALT TRENDS Sprung ins Abenteuer 20 Der Porsche 911 28 In Stein gemeißelt 32 So weit die Füße tragen 42 Back to the Roots 90 Wo das Gefühl von Freiheit zu Hause ist Ein ganz besonderes Lebensgefühl 130 AXEL BOSSE Der Sänger und Songschreiber berührt mit seinen Liedern ein ganzes Land. Das Wadi Rum Desert Resort in Jordanien Schuhhandwerk mit einem Versprechen Lifestyle abseits gewohnter Konventionen Regenbogenmädchen 106 Soul Food 146 Designerin Hella Jongerius im Interview Gerichte, die glücklich machen EMPFEHLUNGEN Der elegante Businesslook 134 Wake me up 152 Gedankenversunken 156 Des Menschen schönes Tun auf Papier gebracht RUBRIKEN 54 EDITORIAL NEWS MENSCHEN UND MARKEN BILDNACHWEISE IMPRESSUM 02 18 162 162 162 „Two and a half Man“ mit Ashton Kutcher in der Hauptrolle hat für viele TV-Zuschauer in Deutschland mittlerweile Kultstatus erreicht. Damit sicherte sich ProSiebenSat.1 bereits vor Jahren einen echten amerikanischen Serienkracher als Sendeformat. Jetzt will der Konzern auch die Poleposition im Digital-Geschäft einfahren PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN NEWS · 19 18 · NEWS TO THE MOON AND BACK FUNCTIONAL TATTOO Wissenschaftler am MIT Media Lab und von Microsoft haben eine interaktive metallic Körperkunst entwickelt, mit der man nicht nur auffällt, sondern auch seine elektronischen Geräte, egal ob Smartphone oder Laptop, kontrollieren und bedienen kann. Über die Touchfelder können dank der in dem Blattgold eingebauten hauchdünnen Leiterbahnen die Geräte gesteuert werden. Jedes DuoSkin-Tattoos hat dabei seine eigene Funktion, sei es als Touchpad oder Button. Das temporäre DuoSkin Tattoo kann einfach zu Hause selbst aufgeklebt und abgewaschen werden. Das erste Mal in der Geschichte der Raumfahrt werden sich drei private Unternehmer in den Orbit begeben. Das Spaceflight Venture Moon Express hat dafür die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Landung auf der Mondoberfläche bekommen. Die gemeinsam Vision der Männer ist es, an der Spitze der kommerziellen Weltraumforschung zu stehen. Mit ihrem innovativen und skalierbaren Roboter-Raumschiff wollen sie bereits 2017 die erste Fahrt zum Mond antreten. moonexpress.com media.mit.edu SOLANGE DER VORRAT REICHT Oldtimer sind so angesagt wie noch nie. Die Zahl der H-Kennzeichen in Deutschland steigt kontinuierlich, und der Markt ist voller Angebote. Nun möchte auch jemand auf den Zug aufsteigen, den man hier auf den ersten Blick nicht vermutet hätte: der Kaffeeröster Tchibo. In Kooperation mit der Hamburger Firma Westside-Cars bietet das Unternehmen jetzt auch schicke Auto-Oldies in seinem Sortiment an. Darunter tummeln sich zum Beispiel ein 30 Jahre alter Citroën 2 CV oder ein Ford Mustang Cabrio von 1966. tchibo.de GESCHWIND, WIE DER WIND Es wäre nicht das erste Mal, dass Amazon mit einer seiner Innovationen Aufsehen erregt. Der E-Commerce-Riese arbeitet gerade an der Entwicklung und dem Aufbau eines eigenen Air Cargo Netzwerks. So möchte er mehr Kapazität für PrimeKunden schaffen. Vorgestellt wurde jetzt die Amazon One, das erste von 40 geleasten Flugzeugen, mit denen Amazon in den kommenden Jahren das Transportwesen weiterentwickeln möchte. amazon.com SPANNUNG IN DER MEDIZINFORSCHUNG Der IT-Gigant Google und das größte britische Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline haben sich zusammengeschlossen, um das moderne Feld der Medizin zu erobern und chronischen Erkrankungen wie Diabetes den Kampf anzusagen. Dafür wurde die gemeinsame Firma Galvani Bioelectronics gegründet, in der eine Heilung mithilfe von elektronischen Signalen erforscht wird. Mit kleinen Elektrochips können gestörte Impulse, die durch das Nervensystem fließen, gezielt verändert werden und so zu einer Besserung oder gar Heilung chronischer Erkrankungen beitragen. gsk.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN AUF HOHER SEE Das britische Traditionshaus Aston Martin bringt Ende dieses Jahres zusammen mit seinem Partner Quintessence Yachts ein einzigartiges und exklusives Powerboot auf den Markt: das AM37. Dieses Boot de luxe ist das Ergebnis jahrelanger Forschung und Entwicklung – quasi eine völlig neue Art von Motorboot, denn es ist weder ein Boot, das aussieht wie ein Auto, noch ein Auto, das wie ein Boot schwimmt. Es ist die perfekte Balance zwischen Design und Technik, Leistung und Komfort, Luxus und Funktionalität. quintessenceyachts.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 24 · ERFAHRUNGSWERT ERFAHRUNGSWERT · 25 ON HER WAY Lancaster zündet die nächste Stufe im Onlinevertrieb VON TOBIAS SCHLOTTER D ie Namen George Wurz und Dr. Eugène Frezzati sind vielleicht nicht allen ein Begriff. Die Luxusmarke Lancaster hingegen ist weltweit bekannt. Die beiden Herren waren die Gründer des Unternehmens, das dieses Jahr seinen 70. Geburtstag feiert. Als die beiden Männer sich zufällig 1946 in Monaco trafen und sich austauschten, stellten sie fest: Beide träumten von einem Unternehmen, das erstmals innovative Luxus-Pflegeprodukte entwickelt und vertreibt. Dr. Frezzati hatte als Chemiker bereits für namhafte amerikanische Kosmetikmarken wie Dorothy Gray gearbeitet und brachte somit die Expertise zur Entwicklung der Produkte mit, wohingegen der Unternehmer Wurz als Geschäftsmann Erfahrung einbrachte. Bei der Namensfindung spielte das Geschehen des gerade beendeten Zweiten Weltkriegs eine entscheidende Rolle: Lancaster hießen die britischen Bomber, die Wurz 1940 die Flucht aus einem von Nazis besetzten Ort in WestFrankreich ermöglichten. Die damit verbundenen Assoziationen wurden von Begriffen wie Freiheit, Hoffnung, Wiedergeburt geprägt. Somit standen Geschäftsidee und Markenname fest, und die Erfolge der beiden Revolutionäre ließen nicht lange auf sich warten. Heute ist Lancaster weltweit ein Inbegriff für französische Luxusmarken. 1.500 Experten arbeiten daran, unter anderem Elixiere, Fluide, Cremes, Puder und Gele zu entwickeln, die individuell auf den Hauttyp einer jeden Frau abgestimmt sind. So innovativ wie die Haut- und Pflegeprodukte ist das Unternehmen auch bei seiner digitalen Vertriebsstrategie. Vergangenes Jahr stand das Unternehmen vor der Situation, ein Netz von 800 Vertriebspartnern zu versorgen, dazu die eigenen Boutiquen und zwei Onlineshops. Der europäische und der amerikanische Shop arbeiten jeweils mit eigenen Produktkatalogen und Zielen. Hinzu kamen weitere Plattformen wie Critéoe oder Google Shopping. Und für jeden Kanal mussten und müssen unterschiedliche Informationen exportiert werden. Diese quasi wild gewachsene Multichannel-Struktur wurde komplett manuell gepflegt und zusammengeführt. Eine sehr mühevolle und zeitraubende Aufgabe, bei der Mitarbeiter schon stöhnten, sobald es um Aktualisierungen der Produktinformationen ging. Deshalb formulierte das Unternehmen zwei Hauptziele, die nach dem bisherigen Handling einer zweiten Revolution gleichkamen: Zum einen sollten die Erstellung und Gestaltung der Produktdaten auf der Internetseite optimiert werden. Im Fokus standen dabei der zeitliche Aspekt, da Schnelligkeit auch Wettbewerbsfähigkeit bedeutet, wie auch die Verlässlichkeit der Informationen unter anderem für » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN die zahlreichen Vertriebspartner. Manuelle Eingriffe beim Datentransfer sollten weitestgehend vermieden werden, um Fehlerquellen auf das absolute Minimum zu reduzieren. Dazu zählten fehlerhafte Eingaben, Inkohärenzen sowie fehlende Informationen, die auch aus der dezentralen Lagerung und Bearbeitung der Informationen resultierten. Das zweite Ziel war die simultane Aktualisierung aller vom Onlineshop und vom Onlinemarketing genutzten Kanäle, wobei die speziellen Anforderungen des jeweiligen Kanals eine besondere Herausforderung darstellten. Am Anfang des Jubiläumsjahres war die Aufgabe bewältigt – nach nur sechsmonatiger Projektdauer. Die 1.200 Produkte waren sauber katalogisiert und zentral abgelegt. Pauline Laurent, Leiterin E-Commerce, war verantwortlich für das Projekt und lobt nicht nur das Team, sondern auch die Software, die vorgeschaltet wurde und die zentrale Produktdatenverwaltung übernimmt – das Produkt-Informations-Management-System des französischen Software Start-ups Akeneo aus Nantes: „Dieses System hat die Datenverwaltung unserer Teams wirklich revolutioniert. Das automatisierte Management hat uns schneller und produktiver gemacht. Die Aktualisierung unseres Produktkatalogs hat das gesamte Team von fünf Mitarbeitern früher zwei Monate in Anspruch genommen. Hierfür haben wir heute eine Zeitersparnis von nahezu 80 Prozent, ganz zu schweigen von den Produktänderungen und -aktualisierungen, die quasi im Handumdrehen erledigt sind.“ Für Akeneo PIM sprachen mehrere Attribute. Sie passt ideal zum Magento-Shop, der für beide Webseiten neu aufgesetzt wurde. Gleichzeitig punktet die Open Source-Lösung mit einer ausgeprägt intuitiven Bedienerführung. Das führte unter anderem dazu, dass das Team sich die Arbeit mit dem System sehr schnell aneignete. Dank der Rechteverwaltung konnten die Aufgaben dann an verschiedene Mitarbeiter verteilt werden, die zur Katalogerstellung jeweils nur einen Teil der Eingaben übernehmen und sie nun über zehn Kanäle zentral in das Akeneo PIM einpflegen. Jeder Mitarbeiter kann über die grafische Darstellung des Fortschritts bei der Erstellung des Katalogs den Grad der Vervollständigung auf einem Blick erfassen. Einen großen Anteil an der Zeitersparnis bei diesen Prozessen war die genaue Definition von Merkmalen, Kanälen und Feldern, die das Team im Vorfeld erstellte. Als Beispiel nennt Pauline Laurent die automatische Umrechnung der Maßeinheiten für verschiedene Länder. Während die Eingabe der Daten zehn Kanäle in Anspruch nimmt, benötigt die Ausgabe ebenso viele, um die Website, die Shops sowie weitere Marketingaktivitäten mit den relevanten Daten zu füttern. Pauline Laurent ist erleichtert, denn das Suchen nach relevanten Produktdaten hat nun im 70. Jahr des Bestehens von Lancaster ein Ende. „Wir sind sicher, dass wir in dieser Konstellation nicht nur Zeit gewinnen. Die interne wie auch die externe Kommunikation im Marketing und Vertrieb ist heute deutlich entspannter. Jeder verfügt über dieselben Informationen, jeder weiß, wo er sie findet, da sie zentral abgelegt sind, und jeder weiß, dass sie frei von Fehlern und Irrtümern sind. Und falls doch mal ein Fehler auftaucht, weiß auch jeder im Unternehmen, dass er zentral behoben werden kann. Das vermittelt ein ungeheures Vertrauen in die tägliche Arbeit und lässt Raum für neue, innovative Ideen im Onlinemarketing.“ lancaster.com Hennessy encourages drinking responsibly / www.massvoll-geniessen.de 26 · ERFAHRUNGSWERT E ACH D RO P O F H E N N E SSY X .O I S A N O DYS S E Y DIGITALE TRANSFORMATION Kurzporträt Akeneo Nantes, die französische Großstadt an der Loire-Mündung, ist Heimatstadt des Start-ups Akeneo, das nun auch auf dem deutschen Markt immer mehr Kunden überzeugt. Verantwortlich dafür ist Tobias Schlotter, der seit Januar dieses Jahres für das Unternehmen den deutschen Markt bearbeitet und bereits zahlreiche Solutionpartner gewinnen konnte. Die Gründer des Unternehmens sind Frédéric de Gombert, Benoit Jacquement, Nicolas Dupont und Yoav Kuttner, allesamt sehr erfahrene ECommerce-Spezialisten. Sie sind überzeugt, dass ein benutzerfreundliches PIM Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches E-Commerce-Geschäft ist. Deshalb schufen sie die Open SourceLösung Akeneo PIM, von der seit der Gründung vor vier Jahren mittlerweile über 40.000 Plattformen in mehr als 165 Ländern aufgebaut wurden. Es ist PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN zwar ein Open Source-Projekt, aber das eigene Entwicklerteam bestimmt, was darin aufgenommen wird. Das Prinzip ist in Stein gemeißelt und gilt sowohl für die „kleine“, kostenlose Variante wie auch für die kostenpflichtige Enterprise Edition. Diese Herangehensweise garantiert, dass sich die Entwickler voll und ganz auf die Weiterentwicklung des Produktes konzentrieren. Die Lösung will nichts anderes sein, als das beste und userfreundlichste PIM am Markt. Die positiven Kundenreaktionen sind der unabhängige Beweis dafür, dass sich das Unternehmen auf dem richtigen Weg befindet. Ein weiterer Aspekt ist die enorm schnelle Installationszeit von – je nach Projekt – zwei bis sechs Monaten. Akeneo beschäftigt mittlerweile über 60 Mitarbeiter, die in Nantes, Boston in den USA und Düsseldorf arbeiten. Seit der Gründung im Jahr 2012 wächst das Unternehmen kontinuierlich. akeneo.com LANCASTER UND AKENEO Basis der E-Commerce-Strategie von Lancaster bilden Magento und Akeneo. Der Marketplace des Unternehmens bietet bereits einen kostenfreien Magento-Connector, was die essenzielle Verknüpfung dieser beiden Systeme sehr einfach machte. Lancaster aktualisiert und katalogisiert damit 1.200 Produkte pro Saison für das Multishop-System. Es werden Daten aus dem ERP, CSV-Dateien, Photo-Dateien und vieles mehr für alle Anwendungen im E-Commerce und im E-Marketing importiert und zentral abgelegt. C H A P T E R S P I C Y I I I E D G E DON ’T WAIT TO E X P E R I E N C E G R E AT N E S S 58 · ERFAHRUNGSWERT ERFAHRUNGSWERT · 59 FILM AB! Hollywoods ganz große Leinwandhelden PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN ERFAHRUNGSWERT · 61 60 · ERFAHRUNGSWERT VON SANDY STRASSER S chon viele Generationen sind mit dem blau-goldenen Logo des amerikanischen Unterhaltungsriesen Warner Brothers aufgewachsen. Das Unternehmen aus dem kalifornischen Burbank gehört zu den sogenannten „Majors“, den sechs größten Filmcompanies in den Vereinigten Staaten. Neben ihm sind Columbia Pictures, Walt Disney Motion Pictures Group, Paramount Pictures, 20th Century Fox und Universal Studios die Global Player, die um die Gunst der Zuschauer weltweit buhlen. Jetzt will der Pionier der Filmindustrie einen entscheidenden Schritt weitergehen und die Vereinigten Arabischen Emirate erobern. Die Warner Bros. Entertainment Inc. ist ein vollstufiges, breit gefächertes Unterhaltungsunternehmen und weltweiter Marktführer in der Entwicklung, der Produktion, dem Vertrieb, der Lizenzierung und Vermarktung aller Arten von Unterhaltung und der damit verbundenen Geschäftsfelder. Warner Bros. ist wiederum ein Unternehmen des Time Warner Konzerns, das die Unterhaltungsbranche in allen Bereichen anführt – vom Spielfilm bis zum Fernsehtitel, von Heimvideos / DVDs, Zeichentrickfilmen, Comicalben, interaktivem Entertainment und Spielen bis zur Produkt- und Markenlizenzierung, dem internationalen Kino und dem Rundfunk. Zudem ist es eines der renommiertesten, vielseitigsten und erfolgreichsten Film- und Fernsehstudios der Welt. Gegründet wurde es am 4. April 1923 von den vier Brüdern Albert, Sam, Harry und Jack. In den Chroniken der amerikanischen Filmindustrie sind die Brüder allesamt legendär, insbesondere der extravagante Showman Jack L. Warner. Im Jahr 1927 setzte die Familie mit dem weltweit ersten Tonfilm „The Jazz Singer“ einen Maßstab an Innovation und Einfluss, der zum Synonym des Namens Warner Bros. wurde. Als Pionier aus eigener Kraft haben die Warners von da an Filme mit Ton unterlegt, den ersten „vierbeinigen Star“ vorgestellt, das Filmmusical wiederbelebt, eine GangsterfilmÄra eingeläutet und eine Vielzahl gesellschaftlich bedeutender Filme produziert, die das nationale Bewusstsein für die wachsenden Probleme ihrer Zeit weckten. Seit damals haben die Warner Bros. Studios auf dem Fundament erstklassiger Unterhaltung und technologischen Weitblicks ein beeindruckendes Vermächtnis von großer Vielfalt zusammengetragen, das 21 Jahre in Folge Rekordzahlen erzielte. Seine Beständigkeit und sein Erfolg sind das Ergebnis eines stabilen Managements während der gesamten Firmengeschichte, langfristiger kreativer Beziehungen mit vielen Weltstars und Top-Produzenten und eines unerschütterlichen Engagements. Heute besteht die Warner Bros. Sammlung aus mehr als 6.650 Spielfilmen, 40.000 Fernsehtiteln und 14.000 Zeichentrickfilmen, darunter mehr als 1.500 klassische, animierte Kurzfilme. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN Jetzt will der Pionier der Filmindustrie die Vereinigten Arabischen Emirate erobern und in Abu Dhabi einen Themenpark eröffnen. Die erste Projektphase von Warner Bros. World Abu Dhabi soll 2018 starten. Zahlreiche Konstruktionen sind bereits im Gang und Fahrgeschäfte in der Produktion. Das Bauprojekt auf Yas Island, einem der weltweit führenden Standorte für Wirtschaft, Freizeit und Erholung, beinhaltet zudem das einzige Hotel der Marke. In der Warner Bros. World Abu Dhabi werden Geschichten und Charaktere aus dem Portfolio der Filmstudios wie Batman, Superman und Wonder Woman oder auch Zeichentrickfiguren wie Bugs Bunny, Scooby-Doo oder Tom und Jerry vereint. Besucher jeden Alters können dann Städte wie Gotham City und Metropolis und die Trickfilmwelten von Looney Tunes & Co. leibhaftig erleben – das alles unter einem einzigen Dach. Seine Hoheit Mohamed Khalifa Al Mubarak, der Vorsitzende von Miral, sagt über das Projekt: „Es ist unglaublich spannend, bekannt geben zu dürfen, dass wir die Kultmarke Warner Bros. nach Yas Island bringen. Mirals Investitionen in den Themenpark Warner Bros. World Abu Dhabi liegen bei schätzungsweise einer Milliarde US-Dollar – ein Meilenstein in den Bemühungen des Emirats, Abu Dhabi weltweit bekannt zu machen und zu einem der international führenden Urlaubsreiseziele auszubauen. Indem wir die globale, regionale und lokale Nachfrage nach erstklassigen Reisezielen für Vergnügungsreisen decken – unterstützt von einer ebenfalls erstklassigen Reise- und Tourismus-Infrastruktur – können wir, wie geplant, unsere Besucherzahlen steigern und die Anziehungskraft der VAE als ein wahrhaft internationales Reiseziel erhöhen, das für Einheimische und Urlaubsreisende gleichermaßen attraktiv ist. Miral steht bei dieser Entwicklung mit einer ganzen Reihe von maßgeblichen und spannenden aktuellen Projekten im Mittelpunkt.“ Kevin Tsujihara, Vorsitzender und CEO von Warner Bros. Entertainment, äußerte sich so zur Zusammenarbeit: „Warner Bros. unterhält seit über 90 Jahren das Publikum mit den beliebtesten Charakteren und Fran- chisen der Welt. In Zusammenarbeit mit unseren Partnern bei Miral bringen wir dieses Fachwissen nach Yas Island, an eines der weltweit beliebtesten Reiseziele für Vergnügungsreisen, und schaffen so ein durchgehend interaktives, innovatives und einzigartiges Erlebnis, das es Fans jeden Alters ermöglicht, die interessantesten Aspekte von Warner Bros. in einem Umfeld zu erleben, in das man völlig eintauchen kann.“ warnerbros.com DIGITALE TRANSFORMATION Kurzporträt Adstream Auch Adstream steht für Qualität als globaler und innovativer Anbieter für Digital Asset Management- (DAM-) Lösungen und Dienstleistungen für die Auslieferung von Marketing Assets. Damit ist Adstream der ideale Partner von Unternehmen und Agenturen für die Kreation, Optimierung, Speicherung und weltweite Distribution. Durch ausgefeilte Analysetools versetzen die Experten vor Ort ihre Kunden in die Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Adstream Platform ist das erste ganzheitliche Cloud-basierte DAM, das mit Broadcastern, Verlagen und digitalen Plattformen einen nahtlosen Workflow abbildet. Die Stärken im Bereich Video inklusive Social Media-Anbindung zeichnen die Lösung besonders aus. Sie vereint klassisches Projekt- und Kampagnenmanagement mit der Steuerung, Auslieferung und Archivierung von Marketing Assets. Dadurch steigert Adstream die Effizienz der Workflows seiner Kunden, beschleunigt die Erstellung und Abstimmung von Kampagnen und reduziert die Time-toMarket. Die Kontrolle der Assets über alle Kanäle hinweg verbessert die Markenkonsistenz. Durch die Auswertung aller Maßnahmen und Abläufe erhöht das Unternehmen die erforderliche Transparenz und reduziert nachhaltig die Kosten seiner Kunden. Adstream wurde 2001 in Australien gegründet und war Vorreiter bei der digitalen Auslieferung von Spots zu Broadcastern. Mittlerweile sind sie der führende Dienstleister und digital an über 40.000 Verlage, TV-Sender, VOD-Plattformen und Onlineportale angeschlossen und liefern an diese jährlich zwei Millionen Assets aus. Bereits mehr als 5.000 weltweit agierende Unternehmen vertrauen dem Dienstleister ihre 26 Millionen Marketing Assets an. Dazu gehören 70 Prozent der führenden Brands und internationalen Top-Agenturnetzwerke. Weltweit betreuen 42 Niederlassungen Kunden in 125 Ländern. adstream.com WARNER BROS. UND ADSTREAM Um bei Warner Bros. den Überblick über mehr als 30.000 Videos und 28 Terabyte Material in 65 Ländern zu behalten, wurde es notwendig, ein globales Digital Asset Management (DAM) einzuführen und in das bestehende Marketing Ecosystem einzubinden. Die Adstream Platform hat genau diese Anforderungen erfüllt und nachweislich – je nach Region – zwischen 30 und 70 Prozent an Kosten und Aufwand bei der Bereitstellung, Transkodierung und Auslieferung von Daten, zum Beispiel Trailer, reduziert. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 66 · WISSENSWERT WISSENSWERT · 67 KULTURMIX Alibaba-Deutschlandchef Terry von Bibra über die Expansionspläne des Onlineriesen PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 69 68 · WISSENSWERT VON SANDY STRASSER D er chinesische Onlinehändler Alibaba ist in Deutschland angekommen. Angesichts der starken Nachfrage nach internationalen Marken in China, ist zwischen den großen Playern dort ein regelrechter Wettlauf um den Zugang zu der begehrten Ware entbrannt. Was Alibaba mit seinem neuen Standbein hierzulande erreichen möchte, dazu haben wir mit Deutschlandchef Terry von Bibra gesprochen. Herr von Bibra, was ist das Geschäftsmodell von Alibaba? Welche Zielgruppe haben Sie? Alibaba ist ein breit aufgestelltes Handelsunternehmen mit einem großen Angebot an Plattformen und Dienstleistungen für verschiedene Zielgruppen: B2B-, B2C- und C2CPlattformen sowie Cloud- und Financial-Services. Unser Ziel ist es, Geschäfte überall auf der Welt einfacher zu machen, und dabei planen wir bei Alibaba sehr langfristig. Der Import globaler Waren, die Förderung des E-Commerce in Chinas ländlichen Regionen und die Entwicklung der großen Städte Chinas sind die drei Fokusbereiche für Alibaba für das Jahr 2016. Das Unternehmen wurde 1999 von Jack Ma in China gegründet und optimiert den Alltag seiner Kunden mit dem Ziel, den Zugang zu Produkten, Dienstleistungen und Erfahrungen immer und überall zu ermöglichen. Dazu zählen zahlreiche Plattformen beispielsweise von Shopping (Taobao) über Finanzen (Alipay) bis zu Reisen (Alitrip). Welche Strategie verfolgen Sie im Hinblick auf den neu gegründeten deutschen Alibaba-Ableger? Worauf liegt Ihr Fokus? Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, welche der vielen Alibaba Services für deutsche Unternehmen interessant sind: zum Beispiel der grenzüberschreitende Verkauf nach China über TMall Global, die IT-Lösung Alibaba Cloud oder unser Bezahlsystem Alipay. Der Fokus des Teams in München liegt zunächst darauf, deutsche Qualitätsmarken zu chinesischen Konsumenten zu bringen, da die Nachfrage nach „Made in Germany“-Produkten sehr hoch ist. Der rasant wachsende chinesische Markt ist ziemlich kompliziert und die AlibabaGruppe sehr komplex. Das Team ist daher sehr stark darauf ausgerichtet, diese Komplexität zu reduzieren, um Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Manche von diesen Unternehmen verkaufen schon in China, aber nicht über uns. Andere haben noch gar nichts mit China zu tun, überlegen aber, diesen Schritt zu gehen. Oder sie arbeiten in China mit uns auf einer Plattform zusammen und wollen in andere Bereiche expandieren. Wir schaffen für diese Unternehmen eine bessere Übersicht der B-to-B-, B-to-C- und Cto-C-Plattformen sowie Cloud- und Financial-Services von Alibaba. Mit wie viel Personalaufwand planen Sie, um sich in Deutschland entsprechend positionieren zu können? Wir geben keine Mitarbeiterzahlen bekannt, aber momentan ist es noch überschaubar. Im November vergangenen Jahres war ich der einzige Mitarbeiter. Wir sehen uns als eine Art Start-up mit einem großen Konzern und einem riesigen Datenschatz im Hintergrund. Die große Herausforderung PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN ist, wie wir es trotzdem schaffen, mit Hunderten kleinen und mittelständischen Firmen zu kooperieren. Sie sagen, Sie rechnen auch in den kommenden Jahren mit einer steigenden Nachfrage nach deutschen Produkten in China. Was ist dort besonders begehrt? Besonders begehrt sind alltägliche Konsumprodukte, die für Familien und ihr Wohlbefinden interessant sind. Babynahrung ist die absolute Nummer eins, danach folgen Nahrungsergänzungsmittel sowie Beauty- und Gesundheitsprodukte. Aber auch Elektronik und Technik gehören zu den Topsellern aus Deutschland. Weshalb sind deutsche Marken dort ein Garant für Absatz? Während aus Frankreich und Italien Mode und Luxusartikel bestellt werden, sind es aus Deutschland vor allem Lebensmittel, Drogeriewaren und Nahrungsergänzungsmittel. Das Interesse der kaufkräftigen, wachsenden chinesischen Mittelschicht an deutschen Produkten ist sehr groß, denn Deutschland steht nach wie vor für Qualität. Dies gilt vor allem bei Produkten, die mit dem Familienleben in Zusammenhang stehen. Alibaba will deshalb sein Sortiment an deutschen Produkten erheblich ausbauen, da bei den Kunden in China „Made in Germany“ nach wie vor als kaufentscheidendes Qualitätssiegel gilt. Babyprodukte sind die beliebteste Kategorie, aber auch für Kleidung, Töpfe, alles, was dem Wohlbefinden der Familie dient, greifen die dortigen Verbraucher tief in die Tasche. Die Produkte müssen authentisch und in Deutschland hergestellt worden sein. Chinesen wollen keine deutsche Ware, die in China produziert wurde. Welche Rolle spielt das Thema E-Commerce in China? Welche Sprache spricht der dortige Markt? Der E-Commerce in China wächst rasant und verfügt über ein enormes Potential – vor allem, da noch nicht alle ländlichen Regionen Chinas über einen Internetanschluss verfügen. Bis zum Jahre 2020 wird sich das Land zum größten Markt für online verfügbare Importprodukte entwickeln. Von der Bezahlung bis hin zum Social Shopping – die chinesischen Verbraucher verlassen sich auf ihre mobilen Geräte und erwarten, dass die Marken, mit denen sie sich beschäftigen, eine nahtlose mobile Erfahrung ermöglichen. Das E-Commerce-Wachstum in China hat die gesamte chinesische Wirtschaft verändert. 2010 betrugen die Online-Transaktionen nur drei Prozent des gesamten privaten Konsums. Seitdem hat sich die Zahl der chinesischen Onlineshopper auf 410 Millionen fast verdreifacht. Momentan konzentriert sich E-Commerce auf ein bis drei Topstädte, aber das ändert sich schnell. In China verfügt erst die Hälfte der gesamten Bevölkerung über einen Internetzugang, doch die Hälfte davon, das entspricht 361 Millionen, nutzt den Zugang bereits zum Onlineshopping. Welche signifikanten Unterschiede lassen sich zum europäischen beziehungsweise amerikanischen E-Commerce feststellen? Neben den offensichtlichen Kulturunterschieden fallen mir besonders die Produktbeschreibungen in Onlineshops ins Auge. Diese sehen in China im Vergleich zu amerikanischen und europäischen Produktseiten gänzlich unterschiedlich aus. Während wir übersichtlich gestaltete Seiten mit einigen hervorstechenden Produktdetails schätzen, verlangen Chinesen nach so vielen Angaben wie möglich. Eine Produktvorstellung auf TMall enthält daher nicht nur zahlreiche Bilder des Produkts, sondern oft auch eine komplette Auflistung aller Inhaltsstoffe bis hin zu Bildern, die den Herstellungsprozess dokumentieren. Chinesische Konsumenten wollen sich auf diese Weise ausführlich über die Qualität des Produktes informieren und sichergehen, die Original-Ware zu kaufen. Ihr Unternehmen hat heute über 400 Millionen aktive Nutzer aus dem B2B- und Retail-Umfeld. Etwa 30 Millionen Pakete verschicken Sie täglich in die ganze Welt. Welche gigantische Prozesskette verbirgt sich dahinter, um das Rad ständig in Bewegung zu halten? Worin liegen die speziellen Herausforderungen? Alibaba arbeitet mit Big Data und koordiniert alle Prozesse der verschiedenen Plattformen und Dienstleistun- gen darüber. Unser Fokus ist dabei, der Enabler zu sein. Im Logistikbereich arbeiten wir mit unterschiedlichen Partnern zusammen. In China ist Cainiao der Logistikdienstleister von Alibaba: Cainiao ist eine Art Algorithmus für Logistik, der uns Transparenz über unsere Partner und die Prozesse verschafft. Dafür ist es nicht nötig, dass wir selbst Assets besitzen. Seit März dieses Jahres ist zum Beispiel die HermesGruppe mit ihrer Tochtergesellschaft Border-Guru offizieller Vertragspartner von Alibaba. Cainiao und Hermes führen die gesamte Logistikkette – die Ware wird am Lager des Händlers in Deutschland abgeholt und – wie es im Fachjargon heißt – bis zur letzten Meile in der Volksrepublik ausgeliefert. Weshalb hinkt Europa mit seinem Einkaufsverhalten hier bislang noch weit hinterher? Was muss seitens der Unternehmen getan werden, um online mehr Traffic zu generieren? China ist weit von der physischen Einkaufsinfrastruktur, die Konsumenten in Europa kennen, entfernt. In chinesischen Metropolen sind zahlreiche Einkaufszentren zu finden, doch ländliche Gegenden sind hingegen fast gar nicht erschlossen. China und Europa haben deshalb unterschiedliche Traditionen in ihrem Einkaufsverhalten entwickelt. Daher ist der E-Commerce in China so erfolgreich. Dank des Internets haben chinesische Konsumenten heute in ländlichen Gebieten den gleichen Zugang zu Marken und Produkten wie die Einwohner der großen Städte. Was möchten Sie persönlich mit Alibaba in den nächsten fünf Jahren erreichen und inwieweit hilft Ihnen dabei Ihre langjährige Expertise bei Amazon und Yahoo? Der Maßstab, an dem wir gemessen werden, ist, ob es uns gelingt, Vertrauen zu schaffen. In China basiert unser Erfolg auf Vertrauen, das große und kleine Firmen, Konsumenten und die Regierung in uns setzen. Ähnliches Vertrauen müssen wir in Deutschland aufbauen und haben das mit Firmen wie Metro, Henkel, Beiersdorf, Nestlé, die auf TMall Global Produkte in China verkaufen, schon unter Beweis gestellt. alibaba.com TERRY VON BIBRA Terry von Bibra ist gebürtiger Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Der ehemalige Chef des Onlineanbieters karstadt.de steht seit November vergangenen Jahres an der Spitze des neu gegründeten deutschen Alibaba-Ablegers. Der Manager kennt die deutsche Handelslandschaft wie nur wenige. Vor seinem Engagement bei Karstadt war er als Strategiechef für Amazon Europa und Deutschlandchef von Yahoo tätig. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 85 84 · WISSENSWERT WELCOME TO THE FUTURE Der Anspruch von Volkswagen an Design und Technologie in Zeiten Digitaler Transformation VON SANDY STRASSER D er Volkswagen Konzern hat auf dem Genfer Automobilsalon Anfang des Jahres klare Signale für die Mobilität der Zukunft gesetzt. Vor allem mit der Digitalisierung erhofft man sich unter anderem neue Geschäftsfelder und Umsatzpotentiale. Für den Konzern rückt die Digitale Transformation deshalb ganz nach oben auf der Agenda. Wir haben den Leiter der Digitalisierungsstrategie Johann Jungwirth zum Gespräch gebeten. Herr Jungwirth, wie verbinden Sie aktuell die automobile mit der digitalen Welt? Wir als Automobilindustrie befinden uns in der größten Disruptionsphase der Geschichte, und diese findet in drei Dimensionen statt. Da ist zum einen der Wandel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb, daneben der Wandel vom Mensch als Fahrer hin zum selbstfahrenden Automobil und die dritte Dimension des Wandels führt vom Ownership-Zeitalter zur Shared Mobility. Das alles findet gerade gleichzeitig und auch orthogonal zueinander statt. Wir als Volkswagen Konzern entwickeln uns außerdem parallel von einer Hardware-Organisation zu einem integrierten Hardware-, Software- und Services-Konzern. Woher nehmen Sie das softwarespezifische Know-how, um bestehende Technologien in diesem Segment zu verbessern? Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Wir haben selber eine große SoftwareMannschaft im Haus. Davon arbeiten allein 11.000 Mitarbeiter in der IT. Wir gehen aber auch dorthin, wo unsere Experten leben. In München beispielsweise haben wir unser Data Lab mit dem Fokus auf Machine Learning und Artificial Intelligence-Algorithmen und in Berlin unser Digital Lab mit dem Fokus auf CloudSoftware und App-Entwicklung. Und natürlich sind wir auch im Silicon Valley und in China präsent. Welche Strategie haben Sie, um die Autorevolution dementsprechend signifikant voranzutreiben? Wir treiben die Entwicklung unseres eigenen Systems zum Autonomen Fahren voran. Das wird das Herzstück des Automobils im 21. Jahrhundert. Wir werden unsere Fahrzeuge in Zukunft um das selbstfahrende System herumbauen, so wie man sie nach der ersten Erfindung des Automobils um den Motor herumgebaut hat. Wir können auf Basis des selbstfahrenden Systems komplett neue Fahrzeugkonzepte entwickeln. Dazu gehören die autonomen Fahrzeugflotten, welche in den Städten die Menschen und Waren von A nach B transportieren. Das wiederum führt zu einer Erhöhung der sozialen Mobilität und zur Demokratisierung von Mobilität. So können wir auch blinden, kranken und alten Menschen sowie Kindern individuelle Fortbewegung bieten. Außerdem wird es ganz neue Ownership-Fahrzeuge geben, die mit vollkommen neuem Interieur ausgestattet sind. Die » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 87 86 · WISSENSWERT Fahrzeuge der Zukunft sind dann Lounge, Wellnessraum, Büro und Kino in einem. Es ist also sehr viel möglich, und entsprechend spannend ist die Zukunft, die vor uns liegt. Auch den Bereich Design wollen Sie stärker mit dem Thema Digitalisierung verzahnen. Dazu haben Sie Anfang des Jahres drei neue „Volkswagen Group Future Center“ angekündigt. Wo sind diese geplant und welche konkreten Ziele verfolgen Sie damit? Das erste Volkswagen Group Future Center Europe ist in Potsdam, das Future Center Asia entsteht gerade in Peking, und das Future Center California wird aktuell in Kalifornien im Silicon Valley aufgebaut. Die konkreten Ziele und Aufgaben sind es, Design und Digitalisierung zusammenzubringen. Wir arbeiten vor allem daran Interieur-, Exterieursowie User Experience-Design und Engineering zusammenbringen, um die Entwicklung, Konzeption und das Design der Fahrzeuge der Zukunft positiv zu beeinflussen. Mit der Entwicklung neuer Fahrzeugkonzepte entstehen so vollkommen neue Architekturen. Gerade im Bereich Interieur ist es außerdem extrem wichtig, dass wir das Thema Innenarchitektur und Möbeldesign mitberücksichtigen, so wie wir es heute auch schon von unserem Zuhause kennen. Vom Reihenhaus bis hin zur Luxusvilla gibt es tolle Möglichkeiten, und so wird es in Zukunft auch im Automobilsektor sein. Wir werden noch viel mehr Spielraum und damit Individualismus bieten können. Wie und in welcher Form stellen Sie Ihr gesamtes Konzerndesign auf das digitale Zeitalter um? Das entsteht in den Future Centern, wo Design- und Digitalisierungsexperten zusammen an den Fahrzeugen von morgen arbeiten. Natürlich in sehr enger Zusammenarbeit mit den Designbereichen der einzelnen Marken. Wie vorhin erwähnt, ist für uns dabei das Thema User ExperienceDesign von großer Relevanz, also wirklich Design-Thinking und Human Centricity, die während des Entwicklungsprozesses und entlang der gesamten Wertschöpfungskette stattfinden. Wir wollen bei der Konzeption und dem Design unserer zukünftigen Produkte und Services ganz klar die Kunden beziehungsweise den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Innerhalb welchen Zeitraums wollen Sie diese Pläne umsetzen? Die ersten großen Schritte werden Sie in den kommenden drei bis fünf Jahren sehen. Dann erwarte ich auch die ersten selbstfahrenden Fahrzeuge auf den Straßen. Es wird eine exponentielle Entwicklung sein, die global stattfindet über viele Regionen hinweg. Welche neuen Geschäftsfelder und Umsatzpotentiale eröffnen sich dadurch für Volkswagen? Vor allem die Shared Mobility mit den neuen Mobilitätson-demand-Fahrzeugen oder Transportation-as-a-ServiceFahrzeugen, die ohne Lenkrad und Pedalerie Menschen einfach und individuell von A nach B bringen, ist ein Riesen-Profit-Pool. Das ist ein Markt, den es bisher noch nicht PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN gibt. Natürlich ist es sehr bequem, via Smartphone Mobilität quasi zu buchen und innerhalb von wenigen Minuten abgeholt zu werden. Es ist viel sicherer, und es ermöglicht körperlich eingeschränkten oder alten Menschen sowie Kindern individuelle Mobilität. Ich freue mich darauf, gerade diesen Zielgruppen bald schon mehr Freiheit zu ermöglichen. Das gesamte ServiceThema spielt eine zentrale Rolle. Hier entstehen ganz viele Möglichkeiten für Umsatz und Profite durch neue Geschäftsfelder. Wir haben daher im Rahmen unserer Together-Strategie 2025 entschieden, die enge Zusammenarbeit mit all unseren Marken noch stärker zu forcieren. Dazu werden wir in der Hauptstadt ein neues Unternehmen gründen, welches sich konkret auf neue Mobilitätslösungen fokussiert. Was bedeutet Ihre Ausrichtung auf Design und Digitalisierung im Hinblick auf etablierte Techniken und Geschäftsmodelle? Die fortschreitende Digitalisierung lenkt unseren Blick auf die ideale User Experience. Wir wollen neue Lösungen schaffen, die die Kunden wirklich lieben, weil sie auf den Menschen zugeschnitten sind. Mit sehr viel Intelligenz, mit prädiktiven Algorithmen und einem entsprechenden Ökosystem, sodass man sich wirklich von Fahrzeug zu Fahrzeug bewegen kann und dabei seine Präferenzen und Einstellungen auf Basis der individuellen Kunden-ID mitnimmt. Die gesamte User Experience – angefangen von der persönlichen Sitzeinstellung, über die Temperaturregelung bis hin zur Ambientebeleuchtung und dem Podcast, welcher an der gleichen Stelle weitergespielt wird wie im eigenen Auto, wenn man in ein anderes Fahrzeug wie zum Beispiel einen Mietwagen von uns einsteigt. Dieses Kundenprofil wird immer reichhaltiger und ist selbstlernend, das Fahrzeug zu einem guten Freund der mich kennt, und die Schwelle bezüglich eines Wechsels zu einer Marke außerhalb unseres Hauses damit immer höher. So ähnlich wie wir es von Smartphone-Ökosystemen kennen. Es ist wirklich schwer, von einem AppleÖkosystem zu Windows zu wechseln. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang „Industrie 4.0“ für Sie? Industrie 4.0 ist eine der sechs Säulen der Digitalisierung. Wir haben zum einen die Digitalisierung von Produkten und Services, die Digitalisierung in Richtung Smart Mobility sowie Kunde und Handel und dann die Digitalisierung im Bereich Business 4.0 und der User Experience. Ein breites Feld, in dem sich noch viel tun wird, vor allem im Hinblick auf neue Prozesse in der Produktion wie 3-D- und 4-DDruckverfahren oder in Bezug auf die komplette Vernetzung von Maschinen sowie der Vernetzung von Mensch und Maschine. Alles wieder sehr stark auf neuen Algorithmen basierend, die wiederum auf Basis von Machine Learning und künstlicher Intelligenz angelegt sind. Welche produktionsbedingten Veränderungen ergeben sich dadurch für bestehende Strukturen und Prozesse? Wie gesagt, das Thema Industrie 4.0 ist ein großer Pfeiler. Gerade die digitalen Prozesse, prädiktive Instandhaltung bis hin zur autonomen Selbstoptimierung von Maschinen sowie Artificial Intelligence-basierte Prozesse und selbstlernende Algorithmen führen zu einer sehr großen Optimierung der Strukturen und Prozesse, welche in Summe sehr positive Auswirkungen haben werden und absolut erstrebenswert sind. Neben Ihrer Digitalisierungsstrategie haben Sie eine Offensive für autonomes Fahren auf den Weg gebracht. Welche Inhalte kommen hier zum Tragen, und wie werden Sie sich hier in den kommenden Jahren positionieren? Autonomes Fahren ist neben dem Wandel in Richtung Elektromobilität und Shared Mobility oder Mobilität auf Knopfdruck das Thema der Zukunft. Aus meiner Sicht haben wir durch die eigene Entwicklung des selbstfahrenden Systems eine Riesenchance, große Fortschritte zu machen und uns sehr innovativ und stark zu positionieren. Es ist sehr wichtig, dass wir bei diesem Thema ganz vorne mit dabei sind, weil das selbstfahrende System zum Herzstück des Automobils und letztendlich zur Neuerfindung des Automobils und der Mobilität massiv beitragen wird. Ich sehe das System auf der gleichen Ebene wie die Erfindung der Dampfmaschine oder der Eisenbahn, der Elektrizität, des Automobils oder dem Computer. Es wird definitiv eine weitere Kernerfindung sein, die die Gesellschaft positiv verändern und welche die Menschheit insgesamt stark voranbringen und letztendlich zur Demokratisierung vom Transportwesen und der Mobilität beitragen wird. Welche Vorteile sehen Sie für Volkswagen im Hinblick auf die Mobilität der Zukunft im Vergleich zur Konkurrenz? Ob Pkw, Lkw, Busse oder Nutzfahrzeuge – wir decken alle Anwendungsgebiete ab. Das ist schon mal ein sehr großer Wettbewerbsvorteil. Zum anderen haben wir zwölf extrem starke Marken im Konzern. Von Seat über Skoda, VW, Audi, Porsche, Bentley, Bugatti, Lamborghini und genauso Ducati, Scania und MAN. Die Hardware beherrschen wir perfekt. Das haben wir über Jahrzehnte optimiert, und jetzt agieren wir bei der Software und bei den Services mit genau der gleichen Liebe zum Detail und gehen mit dem gleichen Fokus ran. Natürlich brauchen wir für Software, Services, Artifical Intelligence, Algorithmen, Analytics, für neue Sensorik und die Entwicklung des selbstfahrenden Systems neue Kompetenzen. Aber in Summe überwiegt der sehr große Vorteil, dass wir die Hardware bereits beherrschen und perfektioniert haben. Dementsprechend blicke ich sehr positiv und optimistisch in die Zukunft. volkswagenag.com JOHANN JUNGWIRTH Johann Jungwirth ist seit dem 1. November vergangenen Jahres Leiter des neu geschaffenen Fachbereichs Digitalisierungsstrategie des Volkswagen Konzerns. Jungwirth kommt vom amerikanischen IT-Unternehmen Apple und berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen Aktiengesellschaft, Matthias Müller. Mit dem neuen Ressort und der Berufung Jungwirths verstärkt sich Volkswagen nachhaltig auf dem für die Automobilindustrie wichtigen Zukunftsfeld Digitalisierung. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 90 · TRENDS TRENDS · 91 BACK TO THE ROOTS Lifestyle abseits gewohnter Konventionen PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN TRENDS · 93 92 · TRENDS VON ANJA FAHS S ie sind die modernen Hippies, Erben der Beatniks, sie folgen den Künstlern der Lost Generation, den viktorianischen Entdeckern oder den Dichtern der Romantik. Genau wie sie lassen die sogenannten „Gypsetter“ die Einschränkungen unserer heutigen gesellschaftlichen Konventionen hinter sich und sind auf der Suche nach den Plätzen, wo das Wasser blau und tief, das Land ursprünglich und der Strand noch einsam ist. Sie richten ihr Leben eher auf Kreativität und Kunst aus als auf Geld und Luxus. Gypsetter trifft man nicht in pompösen Fünf-Sterne-Hotels – sondern beim Surfen in Montauk, in einem kleinen Dorf auf den Küstenklippen Cornwalls oder in einem Tipi auf Ibiza. Gypsetter sind eine wachsende Gruppe von Künstlern, Musikern, Mode-Designern, Surfern, Models und Bonvivants, die ein halbnomadisches, unkonventionelles Leben führen. Sie leben und arbeiten rund um den Globus, getrieben von Fernweh und der Suche nach Sinn und Erfüllung für ihr Leben. Es sind Menschen, die eine neue Lebenseinstellung gefunden haben. Sie pflegen das freie und nomadische Dasein von Zigeunern und kombinieren es mit der Raffinesse und globalen Präsenz des internationalen Jetsets. Julia Chaplin ist Autorin und Journalistin und arbeitete unter anderem für die New York Times, Vogue, ELLE und Wallpaper. Auf ihren zahlreichen Reisen besuchte sie viele der typischen Jetsetter-Plätze, die alle mehr oder weniger gleich waren. Sie begann, ein Stückchen weiter zu schauen, noch um die nächste Ecke zu gehen oder stets eine Bucht weiter den Strand entlang zu schlendern. Dort entdeckte sie immer wieder eine ähnliche Art von Menschen, die bereits vor ihr dort waren – und das nicht rein zufällig. Es waren Künstler oder Surfer, die ganz bewusst nicht nach Saint-Tropez gehen, sondern etwas anderes im Leben suchen als die glitzernde Jetset-Aufmerksamkeit. Dies fand Julia nicht nur in einem Land oder in einer Stadt, sondern erkannte es als Bewegung auf der ganzen Welt. Sie lernte viele dieser Menschen kennen, darunter typische Celebrity Gypsetter wie Jade Jagger, Damien Hirst, Alice Temperley oder Nicolas Malleville, und erfand den Begriff „Gypset“ – eine Verschmelzung der englischen Wörter „Gypsy“ und „Jetset“. Inzwischen hat Julia Chaplin drei Bücher veröffentlicht, in denen sie Einblick gibt in das unkonventionelle Leben der Gypsetter. In „Gypset Style“ erzählt Julia Chaplin, wie ihr dieses Lebensgefühl praktisch in die Wiege gelegt wurde, denn sie war schon mit ihren Eltern ständig auf Reisen. Sie geht den Anfängen dieses Konzepts auf die Spur, die sich bereits in den späten Sechzigerjahren finden lassen, als das Reisen auf dem sogenannte Hippie Trail – der Überlandroute zwischen Europa und Asien – immer populärer wurde, und Backpacker genauso wie reiche Kids dem spirituellen Ruf nach Indien und Südostasien folgten. Sie erzählt Anekdoten über ihre Begegnungen mit typischen Gypsettern und beschreibt, wie schon der frühe Hippie-Stil der Sechziger- und Siebzigerjahre die Mode beeinflusste und wie man sich kleidet, wenn man diesen Lebensstil verfolgt. „Gypset Travel“ stellt die bevorzugten Reiseziele abseits des Massentourismus vor, und „Gypset Living“ entführt den Leser in einige ihrer Häuser und kreativen Wohnstätten. Wir wollen von Julia wissen, was genau diesen Lifestyle ausmacht. » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN TRENDS · 95 94 · TRENDS Julia, erzähl uns bitte, wie du den Gypset-Trend entdeckt hast. Ich reiste als Journalistin viele Jahre rund um den Globus. Irgendwann langweilten mich diese typischen JetsetEvents wie die Filmfestspiele in Cannes oder die Oscars in Los Angeles. Also begann ich, nach etwas anderem zu suchen. Etwas, was darüber hinausgeht. Bald erkannte ich ein Muster bei Menschen, die alle gemeinsam nach etwas mehr Seele und Bedeutung in ihrem Leben suchten. Ich erfand den Begriff „Gypset“, und seitdem nenne ich diese Bewegung so. Woher kommen die Gypsetter? Sie kommen aus der ganzen Welt. Typischerweise aus den USA, England, Frankreich, Deutschland, Brasilien oder auch Australien. Was charakterisiert einen typischen Gypsetter? Das sind Menschen, die vor allem spontan sind, abenteuerlustig, stilvoll und sehr bewusst leben. Welche bekannten Persönlichkeiten gibt es? Ich würde sagen, das sind auf jeden Fall Kate Moss, Kate Hudson oder auch David de Rothschild. Wer war der erste Gypsetter, den du selbst getroffen hast? Das war ich selbst. Ich wuchs bei meinen Hippie-Eltern in einem VW Bus auf, mit dem wir die Welt bereisten. Ist die Gypset-Bewegung inzwischen zum richtigen Trend geworden? Oder glaubst du, dass es eher eine persönliche Lebenseinstellung ist, die jeder für sich selbst finden muss? Ich denke, Gypset ist sehr in Mode gekommen, denn dieses Dasein ist eng mit der Festival-Kultur verbunden, so beispielsweise mit „Coachella“ oder „Burning Man“, dazu gehören auch Yoga und ein bewusster Lebensstil, Umweltschutz und nachhaltige Produkte und Fashion. Alles Dinge, die im Trend liegen, und immer mehr Menschen bereichern damit ihr Leben. Würdest du sagen, dass diese Leute im Allgemeinen gebildeter und weltoffener sind als andere Menschen? Auf jeden Fall sind sie sehr weltoffen. Dieser Lifestyle hört sich fast an wie ein lebenslanger Urlaub: Man reist als freier Nomade um die Welt, oft ohne die typischen sozialen Zwänge et cetera, doch nicht jeder kann sich das leisten. Wie verdienen Gypsetter ihr Geld? Welche Berufe üben sie aus, denn ganz bestimmt haben sie keinen nine-to-five Büro-Job. Gypsetter sind meist Freelancer oder Unternehmer mit ihrem selbstbestimmten Tagesablauf. Viele arbeiten sehr hart, während sie als Mode-Designer, Fotografen, GrafikDesigner, Hightech-Innovatoren, Künstler oder Profi-Surfer um die Welt reisen. Sie machen keinen Urlaub irgendwo – sie leben und wohnen immer dort, wo sie gerade sind. Wie lässt sich das mit unserer sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung vereinen? Was ist mit Freunden und der Familie, ihre Kinder, die zur Schule gehen müssen? Sie nehmen die Kinder einfach mit! Ich reise beispielsweise immer im Winter nach Mexico und nehme meine sechs Jahre alte Tochter mit. Sie geht dann dort in eine bilinguale Schule Normalerweise sind die typischen Jetset-Spots die großen internationalen Filmfestspiele, Biennalen oder Reiseziele PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN wie Saint-Tropez im Sommer und Saint-Barths im Winter. Aber Gypsetter meide diese Plätze. Warum? Das ist ganz einfach, da ist es ihnen viel zu kommerziell. Gypsetter suchen nach mehr als nur „Sehen und Gesehen werden“ und meiden meist Ziele und Events, die für kommerzielle Zwecke von Unternehmen geradezu geflutet werden. Sie suchen nach Plätzen, die ursprünglicher sind, noch eine Seele haben und wo man sich wieder erden kann. Welche Gypsetter-Destinationen gibt es in Europa? Das wären beispielsweise Cornwall im äußersten Südwesten Englands. Oder auch Guéthary in Aquitanien, Frankreich, am Golf von Biskaya. Auch die Balearen sind ein Ziel, vor allem Ibiza ist eine typischen Gypsetter-Insel, genauso wie die Äolischen Inseln im Tyrrhenischen Meer nördlich vor Sizilien. Wunderschöne Plätze, die aber nicht überlaufen sind und wo man ursprüngliche Regionen abseits der Ziele des Massentourismus findet. Was ist als Gypsetterin dein LieblingsReiseziel? Auf jeden Fall José Ignacio. Ein sehr kleiner Ort an der Atlantikküste von Uruguay. Es liegt einige Kilometer küstenaufwärts von Punta del Este. Und auch die Insel Lamu vor der Küste Kenias. Sie ist nur ungefähr sechs mal zehn Kilometer groß, und Lamu Town ist Teil des UNESCO Welterbes. Autos sind auf Lamu verboten, der ganze Transport und Verkehr werden mit Eseln abgewickelt. Nicht nur der Lifestyle und die Reiseziele der Gypsetter sind etwas Besonderes, auch die Fashion und der Style sind anders. Was trage ich, wenn ich so sein möchte? Auf jeden Fall keine sichtbaren Designerlogos. Die typische GypsetterMode ist ein Mix aus einfacher, bequemer Kleidung und ethnischer Fashion. Dazu Hippie-Schmuck oder auch Tuniken oder Kaftans, die auf Reisen gekauft und regional hergestellt wurden. Und Gypsetter gehen barfuß, wann immer es möglich ist. gypset.com assouline.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 124 · MENSCHEN MENSCHEN · 125 KEIN ELEFANT IM PORZELLANLADEN Ein Porträt über Bilderbuchkünstler Helme Heine PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN MENSCHEN · 127 126 · MENSCHEN VON SANDY STRASSER B ehutsamkeit und Einfühlungsvermögen sind die Markenzeichen von Bilderbuchkünstler Helme Heine. Der 75-Jährige zählt zu den ganz Großen seiner Zunft. Doch er entwirft nicht nur Illustrationen, er erfindet gleich auch noch die Geschichten dazu. Darunter echte Kinderbuchklassiker wie „Freunde“ mit den drei Helden Franz von Hahn, Johnny Mauser und dem dicken Waldemar oder das „Elefanteneinmaleins“. Sie alle haben ihn international bekannt gemacht. Sein Erfolg münzt zu einem großen Teil darauf, dass er eine Sprache spricht, die Kinder verstehen. Und: Seine Geschichten sind witzig und beinhalten oftmals ein gewisses Maß an Ironie. Doch immer nur so viel, dass es für seine kleinen Leser auch verdaulich ist. Helme Heine beobachtet seine Umwelt stets mit unbändiger Neugier und einer stillen Leidenschaft. Wahrscheinlich fliegen ihm deshalb seit Jahrzehnten die Herzen kleiner, aber auch großer Leseratten auf der ganzen Welt zu. Helme, wann haben Sie mit dem Schreiben und Zeichnen angefangen? Woher haben Sie dieses wunderbare Talent? Zum Schreiben bin ich erst in Afrika gekommen. Dieser Kontinent hat ja eine wundervolle Erzähltradition. Man sitzt abends gemütlich am Feuer und erzählt sich gegenseitig Geschichten. In den Sechzigerjahren gab es noch kein TV in Johannesburg, und so veranstaltete ich jeden Donnerstag ein Haus der offenen Tür. Jeder durfte kommen, aber er musste dafür als Geschenk eine Geschichte mitbringen und frei erzählen. Es konnte eine selbst erdachte oder eine erlebte sein, aber er durfte sie nicht vorlesen, sondern musste sie mit eigenen Worten wiedergeben. Die Länge sollte außerdem zwischen zehn und 15 Minuten betragen. Zum Malen bin ich durch das Theater und das politischliterarische Kabarett „Sauerkraut“ gekommen. Einer musste ja die Plakate und Theaterhefte entwerfen. Ich habe mich also hingesetzt und die Bilder gezeichnet, die in meinem Kopf darauf warteten, abgebildet zu werden. Es hat mich und viele meiner Freunde überrascht. Sie sehen sich selbst als Übersetzer von komplizierten Dingen. Was denken Sie, weshalb verlieren die meisten von uns mit dem Erwachsenwerden gleichzeitig das Gefühl dafür, Dinge einfach und ehrlich zu formulieren? Wir üben uns zu wenig in der Kunst des Erzählens und des Zuhörens. Stattdessen werden wir Tag und Nacht mit Bildern und Musik berieselt. In dieser virtuellen Sintflut drohen wir zu ertrinken, sprachlos zu werden. Viele Ihrer Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt. Wie müssen Geschichten sein, damit sie gehaltvoll sind und gleichzeitig Spaß machen, sich damit zu beschäftigen? Sie müssen elementare Geschichten erzählen in einer verständlichen, klaren Sprache. Wenn man über die Liebe schreibt, sollte man den Tod nicht vergessen. Und wenn Sie ein politisches Kinderbuch schreiben wollen, dann interes- PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN siert die Kleinen nicht die Tagespolitik in der Welt, von der sie sowieso keine Ahnung haben. Aber wenn die Geschichte von gerecht und ungerecht handelt, begreift es jeder. Wie gelingt es Ihnen, Kinder und Erwachsene gleichermaßen mit Ihren Erzählungen zu begeistern? Ich finde es schrecklich, wenn Bücher für ein bestimmtes Lebensalter geschaffen werden. Dieses Buch ist für Drei- bis Fünfjährige, das nächste für Kinder von sieben bis zehn Jahren, jenes ist Jugendprogramm, dieses gehört zur Frauenliteratur und so weiter. Ich bin sicher, dass Tania Blixen oder Jane Austen alles andere als erfreut gewesen wären, so eingestuft zu werden. Oder denken Sie nur an Tom Sawyer. Ist das ein Kinder- oder Jugendbuch? Nein, es ist Weltliteratur! Wir sollten anspruchsvoller sein in der Thematik und der Sprache und allen Lesern mehr zutrauen. Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, dass Kinder auch heute noch mit Büchern aufwachsen? Wie wertvoll ist der frühe Umgang mit dem geschriebenen Wort für ihre persönliche Entwicklung? Vor 500 Jahren hat Gutenberg der Welt die Buchdruckerkunst, die Vervielfältigung der Wörter geschenkt. Heute erleben wir einen Paradigmenwechsel. Das Internet verdrängt das Wort. Wir betreten eine Welt der Bilder. Wir selbst werden wortloser. Hinzu kommt, dass unsere Welt immer uniformer wird. Kinder leben immer stärker in einer genormten virtuellen Welt. Aber sie brauchen Bücher. Bücher sind Individualisten, wollen erobert werden. Tausend Leute können das gleiche Buch lesen, aber jeder Einzelne schafft individuelle Bilder, einzigartige Charaktere in seinem Kopf. Welche Eigenschaften sind für einen Kinderbuchautor unabdingbar? Er muss schreiben und malen können. Wilhelm Busch, Beatrice Potter, Maurice Sendak und Tomi Ungerer beispielsweise sind der Beweis dafür. » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN MENSCHEN · 129 128 · MENSCHEN Dabei haben Autor und Maler unterschiedliche Temperamente. Der Autor braucht Zeit, um Bilder, Landschaften und Personen mit vielen Worten auf vielen Buchseiten zu beschreiben. Das Bild ist spontan. Es braucht keine Übersetzung in eine andere Sprache. Man schaut es an, und schon ist alles klar. Hinzu kommt, dass jeder Autor die Welt mit eigenen Augen sieht und beschreibt, und wenn sein Werk verfilmt oder illustriert wird, ist er meist enttäuscht, weil er die handelnden Personen völlig anders gesehen hat. Autor und Maler scheinen demnach unterschiedliche Hirnhälften zu bewohnen. Da ist es besser, wenn beide im selben Kopf zu Hause sind. Ihnen geht es bei Ihrer Arbeit vor allem darum, das Große im Kleinen zu schaffen. Was meinen Sie damit? Es ist auffallend, dass die meisten Kunstwerke heutzutage, ob Installationen, Skulpturen oder Bildformate, immer größer und größer werden. Man hat das Gefühl, sie werden nur noch für das Museum geschaffen. William Faulkner hat einst in seiner Literatur-Nobelpreisrede das Gedicht als die vollkommenste Form der Literatur gepriesen. Es ist kürzer als Roman oder Kurzgeschichte, schafft aber trotzdem eine ungeheure Tiefe und Deutung. Ich mag das kleine Bilderbuch, das kein Buch mit Bildern ist, sondern eine inszenierte Geschichte, dessen Text auf einer einzigen Seite Platz hat. Gibt es eine Persönlichkeit, von der Sie sagen, dass Sie deren Schaffen besonders inspiriert? Wilhelm Busch. Seine Zeichnungen und vor allem seine Sprache sind wunderbarerweise jung und frisch geblieben. Busch wurde 1832 geboren, also im Todesjahr von Goethe. Busch wirkt zeitlos. Als Maler hingegen schätze ich Egon Schiele. In der Politik habe ich Nelson Mandela bewundert. Sie sind nicht nur ein brillanter Zeichner, sondern auch ein extrem kreativer Kopf. Wie bewahren Sie die Frische, in Ihrem Kopf immer wieder etwas Neues zum Leben zu erwecken? Der Geist bleibt jung, wenn man ihn täglich gebraucht. Ich fordere ihn, indem ich neben meiner eigenen täglichen schöpferischen Tätigkeit immer wieder Gedichte auswendig lerne. Ich könnte mir natürlich auch Gedichtbände kaufen, oder sie auf dem Computer abrufen. Aber ich will sie in meinem Kopf bei mir haben, sie besitzen, damit sich meine eigene Sprache an ihnen schleifen kann. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN Welche Impulse benötigen Sie für Ihr kreatives Arbeiten? Das Wasser inspiriert mich. Egal, ob es ein See, ein Fluss oder ein Meer ist. Meinen Lebenstraum habe ich mir in Neuseeland erfüllt, wo ich seit 25 Jahren lebe. Mein Studio liegt direkt an der Steilküste des Pazifiks. Mithilfe eines Bootsbauers habe ich es errichtet, weil kein Bauunternehmer mein geschwungenes Zeltdach verwirklichen wollte oder konnte. Und wenn mir die Ideen doch mal kurzzeitig ausgehen, gehe ich segeln und angele mir einen Fisch. Ein Ende Ihrer Bilderbuch-Karriere, wie Sie Ihr Leben nennen, ist für Sie undenkbar. Sind Sie jemals ohne Zeichenstift unterwegs? Ich besitze kein Handy. Ich brauche zwei freie Hände, um mit der einen den Notizblock und mit der anderen einen Zeichenstift zu halten. Mit diesen beiden altmodischen Requisiten erobere ich die Welt, notiere Sätze, Ideen, Gesichter, Bauten, Landschaften. Ich besitze auch keine Kamera. Ich habe ein visuelles Gedächtnis und kann vieles in meiner eigenen Hirn-Cloud abspeichern. Sie leben seit 25 Jahren am Meer in Neuseeland. In Ihrer Freizeit erobern Sie gerne den Pazifik und angeln für den eigenen Kochtopf. Wie würde der Titel lauten, würden Sie Ihr eigenes Leben in einer Geschichte zu Papier bringen? Lebenskünstler. Mit dem Untertitel: Der Versuch, sich immer wieder neu zu erfinden. helmeheine.de HELME HEINE Helme Heine stammt aus Berlin. Er studierte Betriebswirtschaft und Kunst, reiste viel und wanderte nach Südafrika aus. Er war Bühnenbildner und Regisseur mit eigenem Kabarett. 1976 entstand das erste Bilderbuch, kein weiter Sprung von der Bühne, findet er: Bilderbücher sind inszenierte Geschichten. Er kehrte für zwölf Jahre nach Deutschland zurück, ehe er 1990 mit seiner Frau Gisela von Radowitz nach Russell in Neuseeland auswanderte. Kinder und Enkel leben in Europa. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 141 140 · WISSENSWERT I, ROBOT Maschinen mit Fingerspitzengefühl PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 143 142 · WISSENSWERT VON SANDY STRASSER D ie Robotertechnik ist weltweit auf dem Vormarsch. Unternehmen wie Google und Facebook beispielsweise wetteifern um die technische Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz. Die Kuka Roboter GmbH ist einer der international führenden Anbieter von Robotik sowie Anlagen- und Systemtechnik und Pionier in Industrie 4.0. Die Internationalisierung und das Vorantreiben ihrer Innovationsfähigkeit in allen Geschäftsbereichen ist für das Unternehmen das Maß aller Dinge, damit Mensch und Maschine künftig noch enger „Hand in Hand“ arbeiten können. Herr Lampa, Robotik oder auch künstliche Intelligenz legen zusammen mit einer komplett vernetzten Welt den Grundstein für eine neue Revolution, deren Ansätze wir bereits heute in unserem Alltag spüren können. In welchen Industriesegmenten kommen derzeit weltweit die meisten Roboter zum Einsatz und weshalb? Die Automobilindustrie ist in Sachen Automation und Robotik traditionell ein Vorreiter, und das setzt sich auch in der Industrie 4.0 fort. Die Automationslösungen in dieser Branche sind absoluter State of the Art und nehmen auch bei Aspekten wie Mensch-Roboter-Kollaboration eine klare Führungsrolle ein. Davon abgesehen ist der Elektroniksektor einer unserer wichtigsten Märkte, wo hochwertige und zuverlässige Roboter dringend gebraucht werden, um die ständig steigende Nachfrage nach immer neuen Produkten zu befriedigen. So eine extrem hohe Nachfrage führt zu immer schnelleren Entwicklungszyklen und immer kürzeren Produktlebensdauern, was von den Herstellern hocheffiziente Prozesse erfordert. Diese müssen gestützt sein durch Automation und IT-Vernetzung, um den Herstellern die nötige Flexibilität und Leistungsfähigkeit zu ermöglichen. Bei gleichzeitig steigenden Lohnkosten auch in Asien ist Automation zudem ein langfristig signifikanter Faktor dabei, Kosten zu sparen. Welche Märkte sind momentan in Sachen Automatisierung noch relativ dünn besiedelt, aber dennoch stetig auf dem Vormarsch, sodass man künftig auch hier mit hoher Nachfrage rechnen kann? Generell gibt es in der General Industry zu viele Beispiele von Segmenten und Unternehmen, die bisher wenig bis keinen Kontakt zur Robotik hatten, um diese namentlich aufzuzählen. Wir sind überzeugt, dass in nahezu allen Märkten und Industriesegmenten die Nachfrage nach Automation in Zukunft nachhaltig steigen wird. Die Entwicklungen im Zuge von Industrie 4.0 und die Konsequenzen für die Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sind einfach nicht mehr rückgängig zu machen und werden immer spürbarer. Und schön ist dabei, dass viele Länder, die bisher nicht zu den Pionieren in Sachen Industrie und Hochtechnologie gezählt haben, mittlerweile aufschließen. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN Welche Länder sind im Bereich Robotics führend? Was zeichnet deren Kernkompetenzen aus? Wenn wir von der Zahl installierter Roboter ausgehen, dann sind die asiatischen Länder, darunter vor allem China, Japan und Südkorea, nach wie vor ganz weit vorne, dicht gefolgt aber von den USA und Deutschland. Gemein ist diesen Ländern der Fokus auf Hochtechnologie, wo sie seit jeher eine Vorreiterrolle einnehmen. China ist da die Ausnahme von der Regel, wobei das Land in der jüngeren Vergangenheit zugleich die größten Sprünge gemacht hat und zu den bisherigen Pionieren aufschließt. Die Produktion hochwertiger technologischer Güter in zumeist hoher Stückzahl hat es schon weit vor der Industrie 4.0 nahegelegt, die Fertigungsprozesse zu automatisieren. Was machen Roboter im Rahmen von Industrie 4.0 so wertvoll? Welche Schlüsselrolle spielen sie? Charakteristisch für Industrie 4.0 ist die Vernetzung von automatisierten Prozessen mit der IT-Welt. Der Roboter als flexibles Produktionselement wird dabei in der Lage sein, Daten in der Produktion zu sammeln und diese mit den IT-Systemen auszutauschen. Produktionsabläufe werden dadurch noch effizienter, und die Systeme können schnell auf individualisierte Kundenwünsche reagieren. Die Fabrik der Zukunft ist aus der Sicht von Kuka eine „smart Factory“, keine „dark Factory“, und mit neuen Robotersystemen, die sensitiv und mobil und dadurch in der Lage sind, mit dem Menschen Hand in Hand zu arbeiten, ergeben sich völlig neue Möglichkeiten in der Produktion. Der Zugewinn an Flexibilität und Effizienz, der aus dieser Digitalisierung und Automation resultiert, garantiert Wettbewerbsfähigkeit sowie den Erhalt der Arbeitsplätze, die durch roboterbasierte Automation ergonomischer werden. 2014 legten Sie mit dem LBR iiwa den Grundstein für eine völlig neue Beziehung zwischen Mensch und Maschine im industriellen Umfeld. Was macht diesen Roboter so einzigartig? Der Leichtbauroboter LBR iiwa (intelligent industrial work assistant) ist feinfühlig, nachgiebig, präzise, flexibel und mit seiner Mechanik und Antriebstechnik für den industriellen Einsatz ausgestattet. Mit ihm können feinfühlige und komplexe Montageaufgaben automatisiert werden, bei denen der Einsatz von Robotern bisher nicht möglich war. Zum Beispiel eröffnet er neue Anwendungsfelder in der Service- und Medizinrobotik. Zudem ist der Leichtbauroboter für die Zusammenarbeit mit dem Menschen prädestiniert. Er agiert als „dritte Hand“ des Bedieners und kann direkt und ohne Schutzzaun mit dem Menschen gemeinsam arbeiten. In all seinen sieben Achsen hat der LBR iiwa Gelenkmomentsensoren, die auf geringste Kräfte von außen reagieren. Das ist weltweit einzigartig und garantiert einen sicheren Kollisionsschutz. Als Komponente einer Smart Factory ist der LBR iiwa dank seiner sensitiven Technik in der Lage, von seinen menschlichen Kollegen zu lernen. Was steckt hinter dieser Technologie? Ein ausgefeiltes System von Sensoren ermöglicht es dem LBR iiwa, nicht nur programmierte Abläufe immer wieder gleich abzuspulen, sondern auf seine Außenwelt in vielerlei Hinsicht zu reagieren. Einerseits kann er so Kollisionen mit Menschen vermeiden und bei bereits programmierten Aufgaben selbstständig Einbaupositionen oder nicht exakt vorgelegte Einbaukomponenten finden. Andererseits ermöglichen die Momentsensoren es auch im Kontext neuer Auf- gaben, den Roboter einfach durch das Führen per Hand zu steuern und zu programmieren. Und das schnell und einfach ohne Programmierkenntnisse. Wie wird sich die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter in Zukunft weiter verändern? Ganz einfach, sie wird immer weiter zunehmen. Produktion bedeutet heute oft noch Vollautomatisierung, bei der der Mensch im Wesentlichen bei der Planung und Instandhaltung flexibler Automatisierungslösungen eine Rolle spielt, nicht aber in der Produktion selbst. In vielen Fällen ist aber ein gleitender Automatisierungsgrad sinnvoll. Ein Teil der Aufgabe wird dabei von flexiblen Industrierobotern » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 144 · WISSENSWERT erbracht, ein anderer Teil vom Menschen. Mensch und Roboter arbeiten Hand in Hand. Zur direkten Zusammenarbeit von Mensch und Roboter, also der MRK, kommt es vor allem in Bereichen, die heute noch nicht oder kaum automatisiert sind. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Motoren- und Getriebemontage sowie die Endmontage im Automobilbau, wo der LBR iiwa bereits im Serienbetrieb tätig ist. Das Potential für Mensch-Roboter-Kollaboration ist aber in zahllosen weiteren Branchen und Anwendungsumfeldern enorm groß, und man hat gerade erst damit begonnen, es zu nutzen. Welche Chancen ergeben sich durch diese besondere Form der Teamarbeit? Der Mehrwert der Mensch-Roboter-Kollaboration ist, dass der Werker in direkter Zusammenarbeit mit dem Roboter arbeitet. Das führt zu Verdichtung von Fläche, Materialzuführung ohne Anlagenstopp, verbesserte Zugänglichkeit, flexiblere Zellenkonzepte, Programmieren durch Vormachen, sinnvolle Aufteilung von kognitiven Aufgaben (auf den Mensch) und repetitiven Aufgaben (auf den Roboter). Wie werden nachrückende Generationen mit dem Thema Robotics umgehen? Der Begriff „Digital Natives“ prägt eine Generation, die ganz selbstverständlich in und mit der digitalen Welt aufwächst. Analog dazu sehen wir eine Entwicklung in der Robotik. Während heute Roboter vorwiegend in der industriellen Fertigung zum Einsatz kommen, werden sie in den kommenden Jahren sukzessive alle anderen Lebensbereiche erobern – und dazu führen, dass zukünftige Generationen als sogenannte „Robotic Natives“ heranwachsen, umgeben von verschiedensten Arten von Automatisierungstechnologien und Systemen. Wie treiben Sie die Internationalisierung und Innovationsfähigkeit Ihres Unternehmens weiter voran, gerade auch im Hinblick auf das Übernahmeangebot des chinesischen Haushaltswarenhersteller Midea, das Sie kürzlich erreicht hat? Welche konkreten Ziele haben Sie im Blick? Wir wollen die Welt zu Kuka bringen – und Kuka in die Welt. Die General Industry wächst sehr stark, und das vor allem außerhalb Deutschlands. Dazu muss man nur den Elektronikmarkt betrachten, der ein enormes Wachstumspotential für die Automatisierung bietet, das größtenteils in Asien stattfindet. Die Fokussierung auf die General Industry geht Hand in Hand mit der verstärkten Internationalisierung. Welche generelle Relevanz hat der asiatische Markt für Kuka? Deutschland ist und bleibt ein wichtiger Markt für roboterbasierte Automatisierungslösungen – nicht zuletzt natürlich, weil wir hier zu Hause sind. Aber wir sehen auch, dass die großen Wachstumsmärkte der Zukunft außerhalb Deutschlands und Europas liegen. Deswegen fokussieren wir uns vor allem auf den asiatischen Raum und dort insbesondere auf China, das Land, das auch laut der International Federation of Robotics (IFR) der größte und am schnellsten wachsende Markt für Industrieroboter ist. Wir wollen in China weiter wachsen und von dem AutomatisierungsTrend profitieren. Welche sonstigen Weichen gilt es heute zu stellen für die intelligente, vernetzte Welt von morgen, vor allem, um den Anschluss an große Industrienationen nicht zu verlieren? Durch die fortschreitende Digitalisierung wird die Generation von morgen zum Teil in Berufen arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt. Daher bedarf es auf allen Ebenen einer regelmäßigen Überarbeitung der Tätigkeiten und Ausbildung, um die Anforderungen an die sich radikal verändernde Praxis anzupassen. Denn die Arbeitswelt von morgen wird nicht mehr dieselbe sein: Denken Sie nur daran, wie Sie erst vor ein paar Jahren ihr Flugticket am Schalter bestellt haben und es heute per Smartphone anfordern. Im Rahmen solcher Entwicklungen werden neue Jobs entstehen. kuka.com STEFAN LAMPA Stefan Lampa ist seit 2015 Vorsitzender der Geschäftsführung der Kuka Roboter GmbH und seit über 25 Jahren im Roboter-Geschäft tätig. Durch Positionen in Europa, Asien und Mittel- und Nordamerika hat er internationale Erfahrungen in allen für Kuka wichtigen Automationsmärkten gesammelt. Davor war er unter anderem als Global Product Group Manager for Robots & Applications bei ABB tätig. MAN MUSS JA NICHT ALLES KÖNNEN. ABER MAN MUSS WISSEN, WEN MAN FRAGEN KANN. www.Laudert.de PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 146 · TRENDS TRENDS · 147 SOUL FOOD Gerichte, die glücklich machen PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN TRENDS · 149 148 · TRENDS VON ANJA FAHS D ie Tage werden langsam wieder kürzer, die Abende sind bereits kühl, und die Sonne hat immer mehr Mühe, den morgendlichen Nebel zu vertreiben. Der Herbst steht vor der Tür, und wir freuen uns auf gemütliche Stunden zu Hause und gemeinsames Kochen mit Freunden und der Familie. Die beste Zeit für Soul Food — das schmeckt gut und tut gut. „Essen hält Leib und Seele zusammen“, sagt ein altes Sprichwort, und genau das ist Soul Food. Essen, das glücklich macht und uns ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Diese Gerichte schmecken wunderbar und sorgen für ein zufriedenes und gutes Bauchgefühl. Egal, ob es sich dabei um leckere Pasta mit einer langsam eingekochten Bolognese Sauce oder deftige Suppen, gehaltvolle Eintöpfe oder zarte Schmorgerichte handelt. „Wohlgefühl kann so viele Dinge bedeuten, erst recht, wenn man es aufs Essen überträgt. Wohlfühl-Küche – Seelenfutter, Nervennahrung, Trostessen, wie immer man es nennen möchte – ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Es geht um Gerüche, Klänge und Aromen. Es geht um Gerichte, die zu einer bestimmten Zeit genau den Nerv treffen und die Fähigkeit besitzen, Gefühle und Stimmungen auszulösen, Erinnerungen zu wecken oder neue zu schaffen […]“, sagt Star Koch Jamie Oliver, der ein extra Kochbuch zum Thema Soul Food veröffentlicht hat. Aus diesem Trend ist längst eine Bewegung geworden. Typische Soul FoodGerichte sind beispielsweise immer auf Street Food-Märkten oder den angesagten Food-Festivals zu finden. Egal, ob stundenlang gegarte Ochsenbäckchen, eine würzige Paella, Spareribs oder der jetzt voll im Trend liegende Smoker-Hit: Pulled Pork. Kaum ein anderes Gericht ist jüngst so populär geworden wie dieser GrillKlassiker aus den USA. Dabei wird eine Schweineschulter oder ein Schweinenacken zuerst über 24 Stunden mariniert und dann bei gerade mal 80 bis 100 Grad stundenlang im Grill-Smoker oder im Backofen gegart, bis das Fleisch zart zerfällt und mit einer Gabel „zerpflückt“ werden kann. Das Ganze wird mit einer würzigen Barbecue Sauce vermischt und traditionell mit Kohlsalat serviert. In den USA findet sich auch der Ursprung des sogenannten Soul Food. Denn hier stand dieses Essen schon immer für nahrhafte, einfache Gerichte. Nicht immer kalorienarm, aber eben etwas für die Seele. Es geht auf viele Rezepte des amerikanischen Südens zurück, vor allem aus der Sklavenzeit. Denn Soul Food ist eine Weiterentwicklung der Essgewohnheiten der Afroamerikaner, die in früheren Jahrhunderten auf den Plantagen des Südens arbeiten mussten. Sie verfügten im Prinzip nur über die Lebensmittel, die ihre Besitzer ihnen zukommen ließen – magere Portionen von Mais, Bohnen und Reis, dazu die Fleischstücke, die in den Herrenhäusern selbst verschmäht wurden, wie Schweinefüße, -ohren, -nacken oder Innereien. Einige afrikanische Gemüsesorten hatten die Sklavenhändler ebenfalls mitgebracht. So wurden Erdnüsse, Okraschoten, Süßkartoffeln, Auberginen, Bananen damals nur für die Schwarzen angebaut, heute sind sie praktisch fester Bestandteil der Küchen auf der ganzen Welt. » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 150 · TRENDS Die Sättigungsgrundlage dieser Gerichte bilden vor allem Mais, Weizen, Reis und Kartoffeln. Auch die typischen Gewürze der amerikanischen Soul Food-Küche verweisen auf die afrikanischen Wurzeln. So sind beispielsweise Cayennepfeffer, Muskatnuss, Piment, Zimt, Gewürznelken, Sesam, Thymian und Essig vertreten. Beliebte Gemüse sind neben Bohnen und Erbsen verschiedene Kohlsorten, Kürbis und Speiserüben, auch Zwiebeln finden häufig Verwendung. In den Sechzigerjahren wurde Soul Food sogar Bestandteil der ethnischen Identität von Afroamerikanern in den Vereinigten Staaten, und die ersten entsprechenden Restaurants wurden eröffnet. Dies muss man im Zusammenhang mit der von Martin Luther King angestoßenen Bürgerrechtsbewegung sehen, genauso wie mit dem Aufkommen der Black Muslims und dem dadurch gestärkten Selbstbewusstsein dieser ethnischen Gruppe. Gerichte und Rezepte dieser Art sind aber auch in Europa und auf der ganzen Welt ähnlich gekocht worden, natürlich immer unter Verwendung der regionalen Zutaten. Heute zählen viele Klassiker unserer Küche zu dieser Art von Gerichten – auch bei den Süßspeisen. Kein Wunder, ist doch Schokolade unser Seelentröster Nummer eins – genauso wie luftige Soufflés oder Flans, duftender Milchreis, Griespudding oder eine wunderbar zart schmelzende Polenta mit Zimt. Aber Soul Food ist nichts für die schnelle Küche. Hier braucht alles Zeit und Hingabe. Es ist das absolute Gegenteil von Fast Food. Der italienische Journalist und Soziologe Carlo Petrini war schon immer ein Gegner des schnellen industriellen Essens und des modernen Fast Food. „Ich möchte die Geschichte einer Speise kennen. Ich möchte wissen, woher die Nahrung kommt. Ich stelle mir gerne die Hände derer vor, die das, was ich esse, angebaut, verarbeitet und gekocht haben“, sagt Petrini. Er gründete bereits 1986 in der norditalienischen Kleinstadt Bra einen Verein, der sich für den Erhalt der Esskultur einsetzt. Er tritt für gutes Essen, kulinarischen Genuss und vor allem ein moderates Lebenstempo ein. Er nannte darum seinen Verein „Slow Food“. Heute ist aus dem kleinen Verein in Bra eine internationale Bewegung geworden. Nach über drei Jahrzehnten zählt der – seit 1989 auch internationale – Verein über 100.000 Mitglieder verteilt auf 1.500 lokalen Gruppen. Nationale Vereine gibt es in Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, Italien, Japan, der Schweiz und den USA. Aus der ursprünglichen Slow Food-Idee wuchs bald die Einsicht, dass auch die bäuerliche Landwirtschaft, das Lebensmittelhandwerk und eine gesunde Umwelt für eine gute, saubere und faire Esskultur unerlässlich sind. „Essen bedeutet Genuss, Bewusstsein und Verantwortung“, sagt Carlo Petrini. Somit vertritt die Slow Food-Bewegung die Auffassung, dass wir dreimal am Tag, nämlich bei jeder Mahlzeit, mit dem was wir essen Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen treffen. Unser Essen ist untrennbar mit Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Wissen, Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt verknüpft. Millionen von Menschen weltweit setzen sich in diesem Netzwerk aus Überzeugung und Leidenschaft für gutes Essen ein. slowfood.de PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN EMPFEHLUNGEN · 153 152 · EMPFEHLUNGEN WAKE ME UP VON NADINE PELZER S ich schon beim Aufwachen großartig fühlen – und das jeden Tag. Das wär’s. Was sich wie ein Traum anhört, soll tatsächlich auch in der Realität funktionieren. Das zumindest versprechen zwei Kalifornische Tüftler mit ihrem Kickstarter-Projekt „Sense“. Das kleine, kugelige Gadget soll nicht nur unseren Schlaf verbessern, es kann sogar analysieren, welche Auswirkungen die Umgebung unseres Schlafzimmers auf unsere nächtliche Erholung hat und warum wir vielleicht schlechter schlafen, als wir uns das wünschen. Unsere innere Uhr ist von Natur aus so programmiert, dass sie unserem Körper hilft zu entscheiden, wann es an der Zeit ist, einzuschlafen und wieder aufzuwachen. Ablenkungen des natürlichen Rhythmus wie beispielsweise laute Autos oder ein Anruf mitten in der Nacht, der uns aus dem Tiefschlaf reißt, können die Ursache dafür sein, dass wir uns beim Aufstehen manchmal wie gerädert fühlen und eine Weile brauchen, um in Schwung zu kommen. Sense, ein stylischer Ball voller Sensoren, will das ändern. Das clevere Gadget besteht aus insgesamt drei Komponenten: aus der eigentlichen Kugel, die quasi die Zentrale ist und sämtliche Sensoren beinhaltet, aus dem Sensor Sleep Pill, den man an sein Kissen klippt, und aus der App für iOS oder Android. Im Gegensatz zu üblichen Weckern analysiert PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN Sense mit seinem Smart Alarm unseren Schlafzyklus, um zu sehen, wann wir uns in einer Leichtschlafphase befinden. Er weckt uns zu der für uns optimalen Zeit auf und ermöglicht so einen guten Start in den Tag. Alles, was man dafür tun muss, ist, den Alarm zu stellen und sich dabei für eine von 15 verfügbaren Melodien zu entscheiden. Über den eingebauten Lautsprecher kann Sense außerdem Geräusche abspielen, die beim Einschlafen helfen sollen. Durch das Überwachen der Umgebung hinsichtlich Temperatur, Feuchtigkeit, Licht und Feinstaub sowie die Erkennung unseres Schlafes anhand unserer nächtlichen Bewegungen erhält man zudem einen guten Gesamtüberblick über alle Faktoren, die eine wichtige Rolle spielen in Sachen gesunder Schlaf. Erhältlich ist der intelligente Sleep Tracker in den Farben Schwarz und Weiß für 149 Euro. hello.is PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 162 MENSCHEN UND MARKEN MENSCHEN A Austen, Jane 126 B Bezos, Jeff Bibra von, Terry Bosse, Axel Busch, Wilhelm 71 67-69 132, 133 126, 129 C Chaplin, Julia Christie, James Citron, Ken 93, 94 75-78 30 30 E Enders, Tom 118 F Frezzati, Eugène Dr. 24 G Giers, Gordon Goodyear, Charles Goethe Gutenberg J Jagger, Jade Jongerius, Hella Jungwirth, Johann 142, 144 M Ma, Jack Malleville, Nicolas Mandela, Nelson McQueen, Steve Moss, Kate Mubarak Al, Mohamed Khalifa 68 93 129 Warner, Harry Warner, Jack Warner, Sam Webber, Mark Wegner, Christian Dr. Wurz, George 60 60 60 30 56, 57 24 30 75, 94 60 MARKEN 75 D Dean, James Dempsey, Patrick H Heine, Helme Hirst, Damien Hudson, Kate L Lampa, Stefan 48 44 129 N Nadler, Til 48 O Oliver, Jamie Oppenheim, Chad 148 34, 38 P Paul-Dauphin, Renaud Picasso Porsche, Ferry Porsche, Ferdinand Alex. R Redlefsen, Hans Rothschild de, David 44 113 30 30 48 94 126 125, 126, 129 93 94 93 107, 108, 111 85, 87 K Karajan von, Herbert Kaeser, Joe Kerber, Angelique King, Martin Luther Kutcher, Ashton 30 S Sawyer, Tom Schiele, Egon Schusler, Joey Sendak, Maurice Sting T Temperley, Alice Tsujihara, Kevin U Ungerer, Tom 126 30 57 W Wall, Niall Warner, Albert 144 117, 118 67-69 56, 87 87 64, 71, 123, 137 B BASF Beiersdorf Bentley BOSCH Box bonprix Bugatti Burda 57 103 69 87 103 122, 123 22, 23 126 133 93 61 C Christie’s Closed Condè Nast G General Electric General Motors Google GoPro 46, 88, 142 122 78 24, 56, 88, 89, 142 64, 78 H Harrods Hearst UK Henkel Hermès 46 78 69 44-46 I IBM IKEA ING-DiBa Instagram 123 111 87 78 75, 76, 78 48, 51 46 J John Lobb 44-46 K KLM Kohl’s Kuka Roboter 108, 111 78 142, 144 D Deutsche Bank Dorothy Gray Ducati 122, 123 87 24, 26 51 51 78 24 87 93 O Oppenheim Architecture Otto Group P Pinterest Porsche Procter & Gamble ProSiebenSat.1 R REWE Ron Herman 69 56 93 34, 38 81 64 28, 30, 87 122 55-57 78 51 S Selfridges Siemens Solid Hommes Swiss Re Symantec T TAKKT AG Tesla Time Warner U Uber United Arrows 51 117, 118 134 78 123 40 137 60 41 51 88 78 126 E ELLE L Lamborghini Lancaster Lane Crawford Le Bon Marché LinkedIn M MAN McCann Metro Microsoft Migros Miral Mr Porter N Nestlé Netflix New York Times 103 80, 81, 83 129 118 150 A ABB Airbus Alibaba Apple Audi Amazon Axel Springer F Facebook 87 78 V Vitra Vogue Volkswagen 78, 110, 111 93 85, 87, 94 69 123 78 60 46, 134, 135 60 W Walmart Warner Brothers Y Yahoo 40 60,61 69 IMPRESSUM Daily Work in seiner schönsten Form. Das Produktkulturmagazin wird liebevoll kreiert von: HERAUSGEBER Thomas Lucas-Nülle ANZEIGEN [email protected] HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR Temel Kahyaoglu KREATIVDIREKTOR Ilona Sandrock VERLAG The Group of Analysts GmbH Uferpromenade 5 · 88709 Meersburg Tel.: +49 (0) 7532 - 49435 - 0 Fax: +49 (0) 7532 - 49435 - 10 www.produktkulturmagazin.de info@ produktkulturmagazin.de ÜBERSETZUNG Arne Biesma, Marita Knoedge, Nora Manthey, Christopher Mayhew DESIGN, LAYOUT & SATZ Ilona Sandrock Sabine Stahl ONLINE & SOCIAL MEDIA Nadine Pelzer TITEL Helme Heine REDAKTION Simon Berger, Arne Biesma, Anja Fahs, Matthias Hohensee, Jeroen Junte, Temel Kahyaoglu, Nicole Kidd, Thomas Lucas-Nülle, Nora Manthey, Patricica Philbin, Claudia Pelzer, Nadine Pelzer, Dr. Stefan Pollak, Ilona Sandrock, Sabine Stahl, Sandy Strasser DRUCKEREI raff media group gmbh REDAKTIONSLEITUNG Sandy Strasser UNSERE BÜROS Frankfurt Bureau: Anja Fahs Berlin Bureau: Claudia Pelzer Paris Bureau: Patricia Philbin Amsterdam Bureau: Arne Biesma, Jeroen Junte Rom Bureau: Dr. Stefan Pollak London Bureau: Nora Manthey Silicon Valley Bureau: Matthias Hohensee San Francisco Bureau: Nicole Kidd PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN HOLEN SIE SICH IHR PERSÖNLICHES PKM Einzelverkauf: 6,90 EUR inkl. Versandkosten und MwSt. innerhalb Deutschlands. Jahresabonnement mit vier Ausgaben: 24,- EUR inkl. MwSt. und Versandkosten innerhalb Deutschlands. Erscheinungstermin nächste Ausgabe: November 2016 BILDNACHWEIS S. 14 Alibaba; S. © John Lobb; S. 14 Volkswagen Group; S. 18 © Christie’s Images Limited 2016; S. 15 Helme Heine; S. 16 Universal; S. © Warner Bros. Entertainment Inc.; S. 18 Moon Express; S.18 SPL/ g. Focus; S. 19 DuoSkin photo by Jimmy Day; S. 19 © Quintessence Yachts; S. 20-21, 22-23 Photo by Joey Schusler; S. 24-25 www.lancaster.com; S. 28-29, 31 Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG; S. 32-33, 35, 36-37 Luxigon; S. 42-43 Ben Benoliel for John Lobb; S. 45 © John Lobb; S. 49, 50 © Closed; S. 52-53 JoKMedia/Getty Images; S. 54 © Warner Bros. Entertainment Inc.; S. 58-59 Hulton Archive/Freier Fotograf/ Getty Images; S. 66 Fotosearch/Getty Images; S. 74-75, 77 © Christie’s Images Limited 2016; S. 84-85 Volkswagen Group; S. 89 Peter Dazeley/Getty Images; S. 90-91, 92, 95 ©Brian Hodges; S. 96-97 3D Image Design/Getty Images; S. 100-101 Astronaut Images/Getty Images; S. 106-107 ©Markus Jans, S. 110-111 ©Vitra photo by Marc Eggimann; S. 112-113 Courtney Keating/Getty Images; S. 120-121 Anthony Harvie/Getty Images; S. 124-125 Helme Heine, Elefanteneinmaleins © 2012 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz Weinheim Basel, S. 127 Helme Heine, S. 128 Helme Heine, Elefanteneinmaleins © 2012 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz Weinheim Basel; S. 130-131 Universal; S. 134-135 MR PORTER.COM; S. 136-137 Eva Katalin Kondoros/Getty Images; S. 138 Jutta Kuss/Getty Images; S. 140-141 Matthias Zentner, S. 143 KUKA Roboter GmbH; S. 146-147 Westend61/Getty Images; S. 149 Photo by Olenka Kotyk; S. 152-153 Hello lnc.; S. 155 PM Images/Getty Images; S. 158 Neil Leifer, GOAT/ TASCHEN, S. 158 Picture Press/Robert Lebeck/STERN, S. 158 © Money People Politics by Marco Grob, to be published by teNeues in September 2016, www.teneues.com, MICHAEL DOUGLAS, Actor, Studio, New York City, 2013; S. 159 CHINA, 1974-83, Photo © 2014 Thomas Hoepker/Magnum, S. 159 Photo by James Silverman Image Courtesy of Gestalten; S. 160-161 © Profiles by Marc Hom, to be published by teNeues in September 2016, www.teneues.com, Johnny Depp and Tim Burton ERSCHEINUNGSWEISE 11. Jahrgang / 4x jährlich ISSN 1865-1305 Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen.Die in dieser Ausgabe veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt und liegen jeweils in der Verantwortung des betreffenden Autors. Alle Rechte sind vorbehalten. Kein Teil dieser Ausgabe darf (abgesehen von Ausnahmefällen § 53, 54 UrhG, die unter den darin genannten Voraussetzungen zur Vergütung verpflichten) ohne eine schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenweiterverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Herausgebers gestattet. Alle Angaben erfolgen nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr. Eine Haftung wird nicht übernommen.
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