LE (A SEPR US O ZU BE G) Deutschland 6,90 € PAUL BOCUSE Die Galionsfigur der Haute Cuisine im Interview WMF Wegweisende Technologiekonzepte für jeden Geschmack FESTO Die Evolution der Interaktion AXALTA bringt Farbe in die Industrie IBM und die Meilensteine künstlicher Intelligenz LEVI’S Denim Looks mit Nachhaltigkeitsfaktor INSTAGRAM Unsere Welt im Bilderrausch SAMSUNG Willkommen im digitalen Modezeitalter EDITORIAL · 3 2 · EDITORIAL Thomas Lucas-Nülle Herausgeber Temel Kahyaoglu Herausgeber PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WEG, VORAUS ZUKUNFTZUSAGEN, DER BESTE DIE Wir stellen uns täglich den unterschiedlichsten Herausforderungen. Manche nehmen wir bewusst an, und andere wiederum schleichen sich einfach so in unser Leben, ohne dass wir es merken. So unterschiedlich die Aufgaben sind, die es zu lösen gilt, so unterschiedlich sind deren Auswirkungen auf unser eigenes Ich und unser Umfeld. Was geschieht, wenn ich nach rechts gehe? Was erwartet mich hinter der nächsten Biegung, wenn ich mich für den linken Weg entscheide? Alles kann passieren – immer! Und egal, welche Marschrichtung es am Ende wird, sie spiegelt immer auch ein Stück unseres eigenen Charakters wider. Herausforderungen halten die Welt in Bewegung. Sie sind der Antrieb, aus dem heraus große Dinge geschaffen werden. Dabei haben wir es selbst in der Hand, wie wir den uns gestellten Aufgaben begegnen, mit welcher Haltung und Überzeugung wir sie begrüßen. Doch klar ist: Herausforderungen fordern uns. Sie wollen beachtet werden. Sie versuchen stets, etwas aus uns herauszukitzeln, von dem wir unter Umständen noch nicht einmal wissen, dass es tief in uns schlummert. Geben wir diesem fremden Geist also zumindest eine Chance, um zu verstehen, was er uns sagen will. Vielleicht offenbaren sich mit ihm neue Sichtweisen. Perspektiven, die wir ohne Hui Buh niemals entdeckt hätten. Deshalb sollten wir offen sein und offen bleiben für alles, was kommt. Überall tummeln sich Berge, die nur darauf warten, erklommen zu werden. Und bei vielen Aufstiegen ist sogar noch jemand an unserer Seite, der uns seine Hand entgegenstreckt und sagt: „Ich helfe dir.“ So verwandelt sich die anfangs mit Schleier bedeckte Herausforderung in ein gemeinsames und buntes Abenteuer, das man – im Nachgang betrachtet – nicht mehr missen möchte und das die Augen und das Herz zum Strahlen gebracht hat. Und wer hat schon etwas gegen eine Farbexplosion in unserer oft so tristen Welt? Für Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten jede Herausforderung angenommen und einen lebendigen Strauß an Geschichten gepflückt. Informative Geschichten, Geschichten mit besonderem Tiefgang und Geschichten, die ermutigen, sich aufzumachen, um neue Welten zu erobern. Es ist wie so oft im Leben: Es lohnt sich, genau hinzusehen. IST, SIE ZU GESTALTEN. Willy Brandt PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN SHOP AT STRELLSON.COM porsche design Timepieces 911 GT3 RS Kraftstoffverbrauch [ in l/100 km ]: innerorts 19,2 · außerorts 8,9 · kombiniert 12,7; CO2-Emission: kombiniert 296 g/km S P O R T L I C H E P E R F O R M A N C E I N T I TA N Porsche Design – Men’s Designer Sportswear und Accessories für den Global Business Traveller. www.porsche-design.com CHRONOTIMER SERIES 1 DEEP BLUE Polierter Titanchronograph mit dunkelblauen Akzenten. Eine Fusion von Eleganz und Sportlichkeit. Designed in Austria. Swiss Made. INHALT · 15 14 · INHALT 110 JANINA KUGEL Vorständin Siemens AG Janina Kugel ist seit vergangenem Jahr Mitglied des Vorstands bei der Siemens AG und verantwortlich für das Ressort Human Resources. Wir haben die Powerfrau zum ausführlichen Gespräch zum Thema digitaler Wandel, Diversity und Horizontal Leadership gebeten. ERFAHRUNGSWERT Wegbegleiter 30 Waterlove 42 Lieferketten im Fluss 58 Attraktiver Omnichannel 64 Evolution der Interaktion 82 Auf der Suche nach der perfekten Tasche Denim Looks mit Nachhaltigkeitsfaktor So gehen dem Handel die Produktdaten nicht aus Optimale B2B-Analysen und -Strategien für jeden Marketingund Vertriebskanal Auf dem Weg zur Produktion der Zukunft 104 Zoo der Systeme 86 Unverwechselbar 102 So gestalten Sie intelligente Wertschöpfungsprozesse DR. HARALD NAUNHEIMER Der Leiter der zentralen Forschung und Entwicklung der ZF Friedrichshafen AG über autonomes Fahren. Mit dem perfekten Webshop der Konkurrenz davonbrausen Gemeinsam hoch hinaus Kräfte bündeln, um neue Märkte zu erobern Casa del Sol Wohnen mit Stil und Ambiente Tischlein deck’ dich Wegweisende Technologiekonzepte aus dem Hause WMF 116 Ready for Colour Axalta bringt Farbe in die Industrie DIRK HEITMANN Director of Cognitive Solutions DACH bei IBM 140 RENS KROES LifestyleBloggerin 24 MARNE LEVINE Instagrams COO über die Chancen, die die Social Media-Welt für Unternehmen bereithält. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 130 Er ist der Grandseigneur der Haute Cuisine: Paul Bocuse. Kein Mensch hat im 20. Jahrhundert auf kulinarischem Sektor so viel bewegt wie er. WISSENSWERT Auf Entdeckungsreise Die Welt im Instagram-Rausch TRENDS 24 108 Todesmutige Kraftakte 20 Gigant der Meere 34 Everything but the Dress 66 Willkommen im Paradies 88 The Journeyman 96 Klettern zwischen Himmel und Erde Futurum Zu Gast bei kreativen Vordenkern 48 und Technologie-Enthusiasten 122 Industrial Data Space 124 146 Eine neue Datenarchitektur läutet die industrielle Revolution 4.0 ein 52 Kurt Geiger und seine Kooperation mit Supermodel Karlie Kloss Fashiontech 70 Utopia 76 Willkommen im digitalen Modezeitalter Über Transformationen, die unser Leben für immer verändern könnten 104 Horizontal Leadership 110 Im Gespräch mit SiemensVorstand Janina Kugel Denkgenie IBM und die Meilensteine künstlicher Intelligenz Die Seele baumeln lassen in einem der schönsten Hotels Mexikos Kreativität inspiriert von Traditionen Wie von Geisterhand … Über die Faszination und Zukunft des fahrerlosen Fahrens Der schwimmende Palast Symmetry Happy Girl Healthy Lifestyle à la Rens Kroes 140 VOICES 116 Temel Kahyaoglu im Gespräch zu PIM 2.0 mit Norbert Weckerle 60 Geschäftsführender Gesellschafter apollon GmbH & Co. KG PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 16 · INHALT MENSCHEN Galionsfigur der Haute Cuisine 130 Tanz auf dem Seil 150 Jahrhundertkoch Paul Bocuse im Interview Die Welt durch die Augen von Designer Peter Schmidt 76 MICHAEL NAJJAR Über Transformationen, die unser Leben für immer verändern könnten. EMPFEHLUNGEN Summer in the City 120 Powerful Performance 136 Gedankenversunken 156 Über einen Ofen mit Restaurant-Qualitäten Des Menschen schönes Tun auf Papier gebracht RUBRIKEN EDITORIAL NEWS MENSCHEN UND MARKEN BILDNACHWEISE IMPRESSUM 02 18 160 160 160 96 Er bezeichnet sich selbst als Journeyman: Creative Director Christian Watson verleiht mit seiner Arbeit vermeintlich unscheinbaren Dingen Seele und Charakter. Der amerikanische „Wild Boy“ kreiert am liebsten Kunstwerke in Miniaturausführung, die alle von Hand gemacht sind. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN NEWS · 19 18 · NEWS GOOGLE VS. AMAZON KOMMUNIKATIONSWUNDER Auf der diesjährigen Google I/O-Konferenz hat der Konzern sein neuestes Meisterwerk vorgestellt. Das dürfte Amazon allerdings wenig freuen, denn es ist das erste Konkurrenzprodukt zu Amazons „Echo“. Den cleveren Home Assistant, der auf den Namen Google „Home“ hört, aktiviert man durch die eigene Stimme und kann ihn für etliche nützliche Dinge einsetzen wie beispielsweise das Erinnern und Managen von Terminen. Aber auch angenehme Aufgaben erledigt er ganz wie von selbst, etwa das Kaufen von Kinokarten oder das Streamen von Musik. Menschen, die gerne reisen oder geschäftlich viel im Ausland unterwegs sind, kennen unter Umständen die Situation: Man möchte sich mit Einheimischen oder anderen Reisenden verständigen, wären da nicht die unterschiedlichen Sprachen. Damit das künftig nicht mehr passieren kann, hat das US-amerikanische Unternehmen Waverylabs die weltweit ersten smarten In-Ear-Kopfhörer entwickelt, die in der Lage sind, live verschiedene Sprachen zu übersetzen. Somit können Sprachbarrieren in Zukunft einfach überwunden werden. Auf den Markt kommt das Earpiece Anfang kommenden Jahres. www.home.google.com www.waverlylabs.com IN THE BLINK OF AN EYE Dem Tech-Giganten Samsung wurde kürzlich ein Patent für smarte Kontaktlinsen mit Display erteilt, die Bilder direkt in das Auge des Nutzers projizieren. Die Linsen beinhalten eine Antenne, mehrere Sensoren und eine eingebaute Kamera, die durch Blinzeln gesteuert wird. In Zukunft können Fotos also per Augenzwinkern aufgenommen werden. Durch den Bildschirm direkt vor den Pupillen wird dem Nutzer dann eine Augmented-Reality-Sicht auf die Welt ermöglicht. Doch Samsung ist nicht als einziges Unternehmen auf diesem Gebiet unterwegs – auch Sony und Google investieren bereits in diese neue Technologie. www.sammobile.com GIGAFACTORY BOOKSTORE 2.0 Lokale Buchläden müssen innovativer werden, damit wieder mehr dort eingekauft wird. Sie müssen Kunden etwas bieten können, das besser ist als Amazon. In immer mehr Buchläden auf der ganzen Welt werden Bücher jetzt nicht mehr im Vorhinein geliefert, sondern direkt vor den Augen der Kunden gedruckt. Auf einem Tablet oder dem eigenen Smartphone kann gestöbert und ausgewählt werden – fünf Minuten dauert es dann bis die Espresso Book Machine das Buch gedruckt hat. Und, wie der Name schon sagt, kann man sich derweil einen Kaffee gönnen und zuschauen, wie sein Buch entsteht. www.nytimes.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN Das derzeit größte Industrieprojekt der USA wird von Tesla in der Wüste Nevadas geführt. Dort errichtet der Elektroautohersteller seine neue Batteriefabrik. Die Nutzfläche soll bis zu eine Million Quadratmeter betragen, was die Fabrik der Nutzfläche nach zum viertgrößten Gebäude der Welt werden ließe. Bereits im kommenden Jahr sollen die ersten Lithium-Ionen-Akkus dort ausschließlich mit Solar-und Windkraftanlagen produziert werden. www.tesla.com TOUCH ME Mit dem wasserdichten Cicret Bracelet kann man sich Bildschirminhalte eines Android oder Apple Smartphones auf dem eigenen Unterarm anzeigen lassen. Möglich macht das ein integrierter Projektor, der Fingerbewegungen erkennt und registriert. So kann man eingehende Nachrichten oder andere Medieninhalte auf dem Arm abspielen und ansehen, ohne dass man dafür das Smartphone aus der Tasche holen muss. www.cicret.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN ERFAHRUNGSWERT · 83 82 · ERFAHRUNGSWERT EVOLUTION DER INTERAKTION Auf dem Weg zur Produktion der Zukunft VON SANDY STRASSER R eale und virtuelle Welt wachsen immer weiter zusammen, moderne Informations- und Kommunikationstechnologien verschmelzen mit industriellen Prozessen und verändern damit zunehmend die Produktionslandschaft. Festo betrachtet diesen Wandel ganzheitlich aus unterschiedlichen Perspektiven. Als Global Player liefert das Unternehmen pneumatische und elektrische Automatisierungstechnik für Kunden der Fabrik- und Prozessautomatisierung in über 200 Branchen. Die Produkte und Services sind in 176 Ländern der Erde erhältlich. Wir haben mit Dr. Roger Kehl, CIO, und Urda Stieler, Leiterin IT Sales bei Festo, über die digitale Gegenwart und die Zukunft des Unternehmens gesprochen. » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN ERFAHRUNGSWERT · 85 84 · ERFAHRUNGSWERT Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihr Unternehmen in Bezug auf die Digitale Transformation? DR. ROGER KEHL: Festo wird mit seinem Kerngeschäft, der Automation und Didactic, in den kommenden Jahren große Herausforderungen zu meistern haben. Ich gebe Ihnen einige Beispiele: Neben unseren Standardsortimenten liefern wir jährlich über 10.000 kundenspezifische Lösungen. Wir sind in 176 Ländern präsent und melden über 100 Patente im Jahr an. Unsere Märkte fordern außerdem den Ausbau unserer Services rund um unser Portfolio. Wenn ich mich in diesem Kontext nur auf die Prozesse zur Kundenkommunikation fokussiere und die gesamte Machine to MachineKommunikation unter Industrie 4.0 ausblende, werden wir weiterhin mit Hochdruck an der Neuausrichtung unserer Datenhaltungs- und Distributionsplattformen arbeiten. URDA STIELER: Dabei steht neben den klassischen Marketingkanälen, wie Messen und Printmaterialien, insbesondere der Ausbau unserer digitalen Services im Zentrum. Sowohl für E-Commerce-Szenarien, vor allem in den globalen Wachstumsmärkten, wie auch für die virtualisierten Kundenservices ist unsere Roadmap aufgestellt und als Programm bereits gestartet. Viele Ihrer Produkte bedürfen einer individuellen Konfiguration. Welche Rolle spielt da das Thema E-Commerce in Ihrer Vertriebsstrategie? U. S.: Im Kontext unserer Standardsortimente sind wir durchaus ein klassischer E-Commerce Anbieter mit Warenkorb und Bestellhistorie. Die besonderen Herausforderungen liegen jedoch in den individuellen Kundenbedürfnissen. Neben PIM und den dort gehaltenen Produktinformationen spielt vor allem die Konfigurationsplattform von Festo eine entscheidende Rolle. Zum einen, um die Vielfalt von Konfiguratorik zu managen, Regelwerke vorzuhalten und damit die „Konfigurationsrichtigkeit“ unserer Produkte sicherzustellen. Darauf setzen künftig immer mehr unsere Customer Services, indem wir vorkonfigurierte Produkte und anwendungsbezogene Konfigurationsprozesse online, aber auch kundenindividuelle Konfigurationen innerhalb einer konkreten Kundenimplementierung unserer Produkte anbieten. Unser Aftersales profitiert von diesen Maßnahmen ebenso wie unsere Kunden, die nicht mehr nur Produkte bei uns kaufen, sondern durch uns beim Lösen ihrer Automationsaufgabe unterstützt werden. Wie wichtig ist hierbei das Management von Produktdaten? U. S.: Das spielt eine ganz entscheidende Rolle. Ohne eine Beschreibung, Angaben zu den Maßen oder Konfigurationsmöglichkeiten können Sie Produkte nicht verkaufen – weder online noch offline. Unvollständige oder gar falsche Daten werden schnell zu einem enormen Kostenfaktor für Unternehmen. Gute Produktdaten wirken sich hingegen positiv auf die Verkaufszahlen aus. Wir haben zudem erkannt, dass eine übergreifende Prozessbetrachtung im Produktdatenmanagement von entscheidender Bedeutung ist. Dabei sind unsere Neuheiten-Entstehungsprozesse eng verzahnt mit den marketingbezogenen Redaktionsprozessen und den jeweiligen Zielkanälen. Aus IT-Sicht werden ERP-bezogene Stammdaten in Verbindung mit der Variantenkonfiguration und PIM als ein Verbund aufgestellt. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN DR. R. K.: Hier unterscheiden wir aber nicht zwischen Fachbereich und IT. Wir sehen uns vielmehr in einer Enabler-Rolle. Wir definieren gemeinsam das Prozessdesign und die Rollenverantwortungen. Was muss man generell beachten, wenn man sich an ein neues PIM- bzw. MDM-Projekt wagt? DR. R. K.: Jede Prozess- und damit verbundene Systemeinführung ist eine Herausforderung. PIM und MDM im Besonderen implementieren zwingend ein Qualitätsmanagement und Data Governance. Einerseits, um die Zielsetzung eines solchen Projektvorhabens zu definieren, andererseits, um letztlich die Langfristigkeit der Wertschöpfung für unsere Kunden sicherzustellen. U. S.: Wir haben beispielsweise von Beginn an klare Rollen und Prozessverantwortliche definiert, Datenqualität in messbare KPIs überführt und die Verantwortung zur Überwachung festgelegt. Auch ein weiterer Aspekt zeigt, wie wichtig das Thema Data Governance ist: Bereits vor Erreichen des ersten Projekt-Meilensteins haben wir uns intensiv Gedanken über die Betriebsprozesse gemacht. Da solche prozessgetriebenen Systeme ständig Änderungen unterliegen, müssen diese in einen Regelprozess überführt sein. Unser Beratungspartner parsionate hat uns hier hervorragend unterstützt und damit den Projekterfolg entscheidend mitgestaltet. Und welchen Punkt würden Sie bei so einem umfangreichen Vorhaben als wichtigsten erachten? U. S.: Wenn ich auf den Prozessverbund aus ERP und MDM, Variantenkonfiguration und PIM zurückkomme, stehen zunächst Transparenz und Eindeutigkeit von Daten- und Prozesshoheiten im Vordergrund. Daneben haben wir uns intensiv über die Architektur zur Systemintegration Gedanken gemacht. Zentrale IT-Komponenten, die für Datentransport, -transformation und -distribution verantwortlich sind, haben wir auch unserem PIM-Projekt als Rahmen gegeben. DR. R. K.: Aus IT-strategischer Sicht ist es entscheidend, eine Service-orientierte IT-Bebauung aufzusetzen und über die Einzelprojektierungen auch nachzuhalten. Was waren dahingehend die entscheidenden Kriterien für die Wahl einer MDM-Software? Weshalb haben Sie sich im Zuge Ihrer Neuausrichtung für die Lösung von Informatica entschieden? DR. R. K.: Zwei unserer strategischen IT-Zielsetzungen sind die Zentralisierung von Governance und der Einsatz von Standardkomponenten. Mit der Frage nach PIM und MDM haben wir früh festgestellt, dass wir uns in einer gereiften IT-Domäne bewegen, in der Standardsoftware einen hohen Abdeckungsgrad, bezogen auf unsere definierten Anforderungen, hat. U. S.: Informatica hat uns dabei sowohl funktional als auch hinsichtlich Zukunftssicherheit und einem marktetablierten Beratungspartner-Netzwerk überzeugt. Denn neben den heute adressierten Herausforderungen für PIM war für uns auch die Lösungskompetenz für komplementäre Themen wie Master Data und Data Quality Management wichtig. Was sprach für parsionate als Implementierungspartner? U. S.: Wir haben parsionate bereits während der Erstellung der Lastenhefte zu PIM kennengelernt und konnten uns von ihrer Fachkompetenz überzeugen. Während der ersten Implementierungsphase haben uns die Kollegen fachlich hervorragend geführt, auch kritische Fragen gestellt und gemeinsam mit unserem Festo-Team tatsächliche Ergebnisverantwortung übernommen. Wie organisiert man ein solches Großprojekt? U. S.: Wir haben uns sehr darum bemüht, aus PIM kein IT-Projekt zu machen, sondern sämtliche prozessbeteiligten Fachbereiche früh zu involvieren. Dieses Vorgehen hat sich als richtig erwiesen, weil wir neben der Vollständigkeit und der Priorisierung von Anforderungen vor allem den bereichsübergreifenden Austausch gefördert haben. Somit hatten wir bereits vor Projektbeginn ein klares Bild bei allen Abteilungen von den Zielen unseres Projektes. Welche messbaren Mehrwerte konnten Sie durch die Einführung der Informatica MDM Product 360-Lösung bereits erzielen? DR. R. K.: Das Ergebnis des ersten Meilensteins ist eine systemgestützte, zu 100 Prozent automatisierte Printpublikation. Für diesen einen Katalog reduziert sich ab sofort die jährliche Erstellungszeit von vier Wochen auf nur noch zwei Tage. Welche Rolle spielt Internet of Things für Festo heute und in Zukunft? DR. R. K.: Das spielt für uns eine große Rolle, weil es ein wichtiges Thema für unsere Kunden werden wird. U. S.: Klar geregelte Prozesse auch im Kontext MDM helfen uns dabei, Innovationen mit Energie voranzutreiben. Für unsere Produktdatenmanagementprozesse wird Innovation in den kommenden Jahren eng mit dem Thema Omnichan- nel in Verbindung stehen, mit einer zentralen Datenbasis, Effektivität und Effizienz in Vertrieb und Marketing. Konkret adressieren wir damit Datenqualität in Umfang, Aktualität und Zugreifbarkeit sowie eine Beschleunigung des Time-toMarket unserer Produktsortimente. www.festo.com DR. ROGER KEHL Dr. Roger Kehl ist globaler CIO bei der Festo AG & Co. KG. Zuvor war er mehr als 20 Jahre auf der Seite von IT-Dienstleistern tätig. Nach seiner berufsbegleitenden Promotion bei der dbu Unternehmensberatung hielt er Führungspositionen bei debis Systemhaus, Atos Origin und Siemens IT Solutions & Services inne. Bis Ende 2013 war Dr. Kehl in der Geschäftsleitung der Atos Deutschland für die Manufacturing Industry, Retail und Services zuständig. URDA STIELER Urda Stieler ist bei der Festo AG & Co. KG in der IT tätig. Nach einem Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Informationstechnologie startete sie bei der Festo im Bereich DataWarehouse. Nach jahrelanger Leitung der BI-Abteilung fand ein Wechsel zur IT-Vertriebsverantwortung statt. Vertriebsthemen wie CRM, weltweites ContactCenter, Document processing-Lösungen, E-Business und PIM hat sie verantwortlich aufgebaut. Seit 2004 leitet Frau Stieler den IT Sales-Bereich. DIGITALE TRANSFORMATION Kurzporträt Informatica Informatica ist einer der weltweit führenden, unabhängigen Anbieter von Software für „All Things Data“. Unternehmen auf der ganzen Welt setzen auf Informatica, um das Potential ihrer Informationen zu erschließen und dadurch Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Die Informatica-Plattform ist eine intelligente Datenplattform, die Datenintegration und -qualität, Stammdatenverwaltung, Datenarchivierung und -sicherheit beinhaltet und es Kunden ermöglicht, potentiell unsichere Rohdaten in hochwertige Informationen zu konvertieren. Dies sorgt für präzisere Erkenntnisse und bessere Entscheidungen. Die führenden Stammdaten-Management-Lösungen helfen Unternehmen dabei, bessere Kundenerlebnisse zu ermöglichen, indem eine komplette und richtige Sicht auf alle unternehmenskritischen Daten geschaffen wird; eine 360-Grad-Sicht auf Kunden, Produkte, Lieferanten und Lokationen sowie alle Beziehungen zwischen diesen Daten. Dies führt zu höheren Konversionsraten im E-Commerce, schnelleren Produkteinführungen und ermöglicht eine personalisierte Kundenansprache auf allen Kanälen. Informatica MDM Product 360 macht Unternehmen fit für erfolgreiches Omnichannel-Business. Es schafft die Voraussetzungen, um Produktinformationen zentral für alle Verkaufskanäle zu verwalten, und ermöglicht ein End-toEnd-Prozessmanagement der ganzen Produktinformations-Lieferkette. So wird sichergestellt, dass die richtigen Produktinformationen in optimaler Qualität am richtigen Ort zur richtigen Zeit im richtigen Format bereitgestellt werden können. Mehr als 5.800 Unternehmen vertrauen auf Informatica, um den Wert ihrer Informationsbestände On-Premise, in der Cloud oder im Internet, zum Beispiel auf sozialen Netzwerken, optimal zu nutzen. www.informatica.com GEMEINSAM ZIELE ERREICHEN Die Festo AG setzt auf Informatica und parsionate, um eine neue Generation von Kommunikationskanälen zu etablieren. Dazu hat sich Festo für die MDM Product 360-Lösung von Informatica entschieden. parsionate begleitet das globale PIM-Projekt als strategischer Partner und unterstützt Festo durch seine langjährige Expertise in der Informationslogistik. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 88 · TRENDS TRENDS · 89 WILLKOMMEN IM PARADIES Die Seele baumeln lassen in einem der schönsten Hotels Mexikos PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN TRENDS · 91 90 · TRENDS VON ANJA FAHS D ie Legende erzählt, dass bereits zu Zeiten der Kolonialisierung der Neuen Welt die ersten Franziskanermönche nach Yucatán in Mexiko kamen. Sie begannen, aus der üppigen Fülle der Blüten heimischer Pflanzen und unter Verwendung von exotischen Kräutern sowie tropischer Hölzer Parfüm herzustellen. Für über 300 Jahre duftete es im spanischen Weltreich nach diesen teuren Essenzen, und ganze Generationen begeisterten sich für die exklusiven Parfüms von der Halbinsel Yucatán. Hunderte von Jahren schlummerte das Parfüm-Vermächtnis der Mönche aus Yucatán in Vergessenheit, bis es der Parfumeur und Landschaftsarchitekt Nicolas Malleville wieder zum Leben erweckte. Heute hat er aus seiner ersten „Perfumeria“ im kleinen Städtchen Valladolid eine Duftmarke mit 13 Parfüms, Pflegeprodukten und Accessoires geschaffen und sein erstes Haus am Strand von Tulum zu einem exklusiven Resort und Spa mit insgesamt vier Residenzen ausgebaut. „Coqui Coqui“ ist eine weltweite luxuriöse Lifestylemarke geworden und steht für eines der schönsten Hotels in Mexiko. Herzstück des Resorts ist die Residenz „Coqui Coqui Tulum Axchilatlan“ am weißen Sandstrand von Tulum. Hier entstand das erste Coqui Coqui-Resort aus Nicolas Mallevilles eigenem Beachhaus im Jahr 2003. „Ich wollte niemals Hotelier werden, sondern einfach nur mein Traumhaus am Strand bauen“, sagt Nicolas, der eigentlich als international gefragtes Männer-Model arbeitet. Das Resort ist vom üppigen Dschungel umgeben und liegt direkt am warmen karibischen Meer. Kokospalmen – die Lieblingspflanzen von Nicolas Malleville – sind überall zu finden. „Palmen sind die schönsten Bäume der Welt“, sagt der studierte Landschaftsarchitekt. „Sie bedeuten für mich das Paradies.“ Das Hotel präsentiert den typischen einfachen, aber modernen rustikalen Stil, der zum Merkmal von Coqui Coqui geworden ist. Das Design des Komplexes ist stark von der lokalen Architektur beeinflusst und orientiert sich an den nahen Maya-Ruinen von Tulum. Es ist aus Kalkstein gebaut, und die wunderschönen lichtdurchfluteten Zimmer bieten einen atemberaubenden Blick aufs Meer. Als er damals sein Haus gebaut hatte, begann Nicolas, es an zahlende Gäste zu vermieten. Designerin Jade Jagger, die Tochter von Rolling Stone Mick Jagger, war einer seiner ersten Gäste. Durch seine Modeljobs für internationale Fashionbrands wie beispielsweise Burberry, Tod’s, Bally oder Roberto Cavalli hatte er viele berühmte Freunde und Designer gefunden, die gerne hier Urlaub machten. Celebrities wie Kate Bosworth, Sienna Miller oder Eva Mendes, die ihn besuchten, machten Tulum am karibischen Meer bekannt, und Nicolas baute eine zweite „Residencia“, das „Coqui Coqui Coba Papholchac“. Das Haus liegt in der malerischen Ruinen-Stadt Coba, ungefähr 40 Minuten von Tulum entfernt im Landesinneren Richtung Valladolid. Es ist ein romantisches, kleines Hideaway bestehend aus zwei Türmen und bietet einen grandiosen Blick auf die alten Maya-Pyramiden und auf atemberaubende Sonnenuntergänge über einer grünen Lagune zu Füßen der Ruinen. » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN TRENDS · 93 92 · TRENDS In Nicolas Mallevilles „Perfumeria“ entstehen aus natürlichen tropischen Düften der Region Yucatán exklusive Parfüms, die das inspirierende Lebensgefühl Mexikos in sich vereinen. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN TRENDS · 95 94 · TRENDS Gut 100 Kilometer von Tulum entfernt, liegt die dritten Residencia „Coqui Coqui Valladolid“ in der Stadt Valladolid. Nach ihr kam zuletzt „Coqui Coqui Merida L’Epicerie“ dazu, eine einzige Suite mit eigenem Pool und Spa in einem wunderschönen Belle Époque-Gebäude im Stadtzentrum von Merida, ganz im Norden von Yucatán. Genauso wie die Merida L’Epicerie ist auch das „Coqui Coqui Valladolid“ ein romantisches „One Room Retreat“ und befindet sich über der Parfümerie, die neben dem Hotel & Spa die zweite Säule der Coqui Coqui Lifestylemarke ist. Nicolas Malleville stammt aus Argentinien. Er wuchs auf einer Ranch außerhalb von Córdoba, Argentinien, auf. Während eines Familienurlaubs in Uruguay wurde er im letzten Highschool-Jahr von einem Model-Scout entdeckt. Trotz erster Jobangebote studierte Malleville lieber an der Universität von Córdoba Landschaftsarchitektur und schrieb erst seine Abschlussarbeit – natürlich über seine Lieblingspflanzen, die Palmen. Einige Jahre später zog er nach Paris, um Landschaftsgestaltungs-Kurse in dem berühmten Parc de Bagatelle zu absolvieren. Studien in diesen Gärten und auch in den Kew Gardens in England und den Hanbury Gärten in Italien inspirierten ihn später dazu, Parfumeur zu werden und die alten Parfüm-Rezepte der Franziskanermönche von Yucatán neu zu entdecken. Aber zuerst packte ihn in Paris das Model Business, und er war sehr erfolgreich. Gleich zu Anfang seiner Karriere arbeitete er mit dem berühmten Fotografen Mario Testino zusammen, der ihn auch weiterhin für große internationale Kampagnen buchte. Schnell wurde er eines der gefragtesten Männer-Models der Fashion-Branche. Gleichzeitig widmete er sich weiter der Landschaftsgestaltung und begann, Gärten für Häuser in London zu entwerfen. Auch hatte er immer schon eine große Leidenschaft für das Reisen und für Hotels – wobei er jedes Zimmer, in dem er abstieg, selbst nach seinem Geschmack umräumte. Dabei wurden gelegentlich auch Betten verschoben, bunte Schals über die sterilen Hotel-Lampen gelegt und Duftkerzen aufgestellt. Nach seiner ersten Reise im Jahr 2001 auf die Halbinsel Yucatán in Mexiko sagte Nicolas, dass er sich sofort in diese Region verliebt hätte: „Es war wie das Paradies.“ Im gleichen Jahr kaufte er ein Strandgrundstück in Tulum, bald danach ein Haus im verschlafenen Städtchen Valladolid. Hier startete der Pflanzenliebhaber sein Parfüm-Business und verkaufte reine Ölessenzen aus den heimischen Pflanzen, Düfte und Seifen. „Als ich hierher kam, sagten alle, ich sei verrückt – coqui coqui!“ So fand sich der Name für seine Firma. „Ich wollte Parfüms auf sehr einfache Weise herstellen“, erklärt Nicolas seine Anfänge. „Um so einen richtigen, ursprünglichen Duft wiederzufinden, nicht etwas Seelenloses oder nicht Greifbares. Meine Parfüms sind einfach, naiv, prägnant, sodass sie meine Kinder genauso tragen können PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN wie mein Großvater oder ein Maya oder eine Pariserin. Düfte, die jedem gefallen.“ Die Parfüms, Ölessenzen und Pflegeprodukte kommen auch in den eigenen Spas der jeweiligen „Residencias“ zum Einsatz. Jedes der vier Häuser bietet aber individuelle Spa-Erlebnisse, die sich an traditionellen Methoden und Anwendungen orientieren, einen ganzheitlichen Ansatz haben und ihren jeweils eigenen Coqui Coqui-Duft verwenden. So passt „Coco Coco“ beispielsweise zu Tulum mit seinen vielen Kokospalmen entlang der weißen Strände, während die Behandlungen im Spa der Coba Residencia die üppigen Gärten der Stadt mit dem Duft „Lime and Menli“ aufgreifen. In Valladolid dominieren „Rosas Secas“, und Merida ist geprägt vom warmen, eleganten Duft des Tabaks, denn die Stadt ist von Tabak-Plantagen umgeben. Allen Parfüms, Pflegeprodukten und Spa-Anwendungen liegt jedoch immer Yucatán zugrunde. Die natürlichen tropischen Düfte der Region haben jede Parfüm-Kreation inspiriert, genauso wie die Landschaft, die Menschen dort, die Kultur und der Lifestyle. Und natürlich die uralte Tradition und Geschichte der örtlichen Parfüm-Herstellung, die hier vor vielen Jahrhunderten mit den Franziskanermönchen zusammen mit den Mayas begann. Nicolas Malleville ist nach wie vor ein sehr gefragtes Model und hat auch nicht vor, so bald mit diesem Job aufzuhören, solange es gut für ihn läuft. „Das Modeln hat mir viel gebracht. Ich habe die ganze Welt bereist, wunderbare Menschen kennengelernt und viel Geld verdient“, sagt Nicolas. Aber was ihn am meisten erfüllt, ist das, was er jetzt in Yucatán macht. „Es ist das Wichtigste für mich: Lebensqualität, Natur, Authentizität, einfach etwas Reales.“ Und das ist eben doch etwas anderes, als für Fotografen zu posen. www.coquicoqui.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN TRENDS · 97 96 · TRENDS THE JOURNEYMAN Kreativität inspiriert von Traditionen VON ANJA FAHS I n ein paar Wochen wird irgendwo auf einer einsamen Straße, die sich durch die nebeligen, regenverhangenen Wälder Oregons schlängelt, Christian Watson in einem 1987er Jeep Grand Wagoneer die nördliche amerikanische Westküste entlangfahren. Im September will er von Oregon nach Alaska kommen, ohne Telefon, ohne Navigationsgerät im Auto und ohne Straßenkarte. Seine Erlebnisse wird er in seinem neuen Buch „Forth goes the road“ im Januar 2017 veröffentlichen. Einen Trip auf so eine traditionelle Art und Weise zu unternehmen ist typisch für Christian. Er liebt Traditionen, alles was ursprünglich ist, was Gewicht hat oder eine Botschaft beinhaltet, was mit den Händen gefertigt wurde und eine Geschichte erzählt. Das spiegelt sich auch in seiner Arbeit als Creative Direktor für seine Designfirma und Lifestylebrand 1924.us wider. Alle Entwürfe sind nur mit Stift und Feder gezeichnet, genauso wie seine bekannten Miniaturzeichnungen und Illustrationen. Bevor Christian zu seiner Reise aufbricht, spricht er noch mit uns über seine kreativen Passionen. Christian, wenn wir deine 1924-Welt betreten, was finden wir dort vor? CHRISTIAN WATSON: Ich liebe das Wort „Welt", denn es hat so viele verschiedene Bedeutungen – aber in meinem Fall heißt das: Meine Welt definiert sich durch mein Haus und den Jeep, in dem ich meine Reisen um die Welt immer antrete. Sie besteht hauptsächlich aus Hunderten Stiften, Antiquitäten und alten Kameras – und mittendrin findet man mich, den Jungen, der das alles liebt. Du bist Künstler, Grafikdesigner, Illustrator und Fotograf. Wie kommt all dies in deiner Arbeit zusammen? C. W.: Ich fasse es gern unter dem Oberbegriff des „Creative Director“ zusammen – das macht es ein wenig einfacher, es zu verstehen. Unseren Kunden sagen wir immer: Sie möchten etwas erledigt haben – wir können das. Ich zeichne, seitdem ich ein Kind war, und ich habe es erst kürzlich, in den vergangenen fünf Jahren, zu meinem Vollzeitberuf als Brander für Firmen gemacht. All diese Medien haben eins gemeinsam – sie haben eine Vision. Ich werde stark von den Zwanzigerjahren beeinflusst, und in verblasster Farbe, verwaschener Klarheit und handgezeichneten Dingen kann man ein gemeinsames Thema erkennen. Wie hast du deine Firma gegründet? C. W.: Der Ursprung von 1924 war ein Blog, den ich betrieb. Ich kuratierte Bilder von Usern aus der ganzen Welt. Das hatte nichts mit Politik, Religion oder einer anderen Motivation zu tun. Ich wollte einfach etwas schaffen. Das sollte damals nicht mein Lebensinhalt sein, ich war Bibliothekar an einer Architekturschule auf der anderen Seite des Landes. Seitdem ist es von einer kuratierten Seite zu einem kuratierten Leben gewachsen, in dem ich jeden wachen Moment zu nutzen versuche, meine Vision auch auf mein Leben anzuwenden. Ich würde es weniger eine Firma nennen – es ist eher mein Alltag. » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN TRENDS · 99 98 · TRENDS Woher kommt deine Leidenschaft für deine spezielle Kunst, Miniaturzeichnungen anzufertigen? C. W.: Ich liebe es, Miniaturen zu zeichnen, denn es erfordert sehr viel Geduld und Finesse. Selbst der kleinste Fehler ruiniert alles. Man muss also alles genau bedenken. Doch, um ehrlich zu sein, bin ich eigentlich nicht besonders geduldig. Das hilft mir, diese Fähigkeit zu verbessern. Du fertigst deine Kunstwerke ausschließlich mit Tinte, Stift und Papier an. Alles wird von Hand gezeichnet. Verwendst du nie digitale Werkzeuge oder Grafiksoftware? C. W.: Ich zeichne alles mit Stift und Bleistift, dann vektorisieren wir alles mit Adobe Illustrator. Das ermöglicht uns, die Zeichnungen zu drucken, zu veröffentlichen etc. Es gibt keine digitale Manipulation für unsere handgezeichneten Arbeiten. Dadurch bleibt die Authentizität jedes Stücks erhalten. Ich habe gelesen, dass fast alle Hilfsmittel, die du verwendest, aus den Jahren vor 1940 stammen. C. W.: Vom Lineal bis hin zu den Bleistiften, die wir verwenden, würde ich sagen, dass 80 Prozent unserer Werkzeuge älter sind, als mein Großvater. Wir haben Kompasse, die aus dem frühen 19. Jahrhundert stammen. Es hilft mir, eine Verbindung dazu zu halten, wie die Dinge zu jener Zeit gemacht wurden. Es gibt zwar heute Werkzeuge, die so viel einfacher und bequemer zu verwenden sind, aber es fühlt sich für uns einfach anders an. Also kämpfen wir uns durch die Arbeit mit diesen älteren Techniken, um wirklich originelle Kunst zu schaffen. Ist das Leben in einer Welt mit modernen technischen Errungenschaften und Bequemlichkeiten nicht das wahre Leben? C. W.: Ich glaube nicht, dass es darum geht, was wahr oder nicht wahr ist. Wir mögen einfach die Abläufe aus der guten alten Zeit. Für uns geht es mehr um Integrität als um Zweckmäßigkeit. Wenn ich eine ganze Reihe von Dingen am Computer entwerfen wollte, glauben Sie mir, es würde alles zehnmal schneller gehen. Aber es wäre etwas ganz anderes. Ich bin offensichtlich nicht in allen Bereichen so traditionell eingestellt, denn ich schreibe Ihnen auf meinem Macbook. Ich verwende Instagram, Mobiltelefone und so weiter und so fort, aber die meisten Gegenstände unseres alltäglichen Lebens und meine Kleidung sind älter als ich. Setzt du auf Traditionen? Was bedeuten sie für dein persönliches Leben und deine Arbeit? C. W.: Ich liebe Tradition. Ich glaube auch nicht, dass das nur eine Phase ist. Schon seit meiner Kindheit habe ich alte Dinge geliebt – dafür können Sie sich bei meiner Oma bedanken –, sie hatte auch einen Antikladen. Ich bin also mit Dingen aufgewachsen, die alt aussahen und besser funktionierten als viele moderne Dinge. Das zeigt mir, dass harte Arbeit und der Glaube an den Wunsch zur Verbesserung noch existieren. Es geht nicht darum, darüber zu stöhnen und zu seufzen, in was für einer Situation wir sind, es lehrt uns einfach, uns mit dem zu behelfen, was wir haben. Ich rauche Pfeife und trinke Whiskey, und meine Großeltern, deren Eltern und so weiter, haben das auch gemacht. Und ich liebe, dass das auch Teil meines Lebens ist. Tradition ist nicht immer gesund oder die beste Möglichkeit, aber für mich ist sie ein wichtiger Bestandteil eines reichen und erfüllten Lebens. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN Du verwendest soziale Netzwerke, um deine Arbeit zu verbreiten und andere Menschen zu inspirieren. Steht das nicht im Widerspruch zu deiner traditionellen Weise, zu leben und zu arbeiten? C. W.: Stimmt, wie bereits erwähnt, stellt dies durchaus einen Widerspruch dar. Darum steht im Fokus meines nächsten Buchs „Forth goes the road“ die Applikation der Unterbrechung. Wir werden die Verbindung zu den sozialen Medien kappen und sie in keiner Weise nutzen, und ich werde mein Telefon in einen kleinen Glaskasten einschließen, auf dem steht „Nur für Notfälle“, sodass ich es, wenn ich rausgehe, nicht mitnehmen kann. Ich möchte leben, wie die Menschen, bevor die Bequemlichkeit in unser Leben kam. Wie damals, als die Menschen noch miteinander reden mussten – von Angesicht zu Angesicht –, um nach dem Weg zu fragen. Ich werde eine einmonatige Reise nach Alaska machen und all diese Dinge hinter mir lassen. Was inspiriert dich? C. W.: Menschen. Ich glaube, dass Menschen der einzige Grund sind, der mich antreibt, alles auch weiterhin auf diese umfassende und besondere Art zu machen. Ohne Menschen hätte ich gar nicht den Antrieb, mein Leben so umfänglich mit anderen zu teilen – und dabei geht es nicht um Follower oder so etwas. Aber meine Freunde und entfernte Freunde, selbst meine Feinde – wir interagieren alle auf die eine oder andere Art und Weise miteinander, und das macht uns zu den Menschen, die wir sind, und es macht uns zu den Erwachsenen, die wir werden. Wie möchtest du Menschen inspirieren? C. W.: Ich möchte andere dazu motivieren, Dinge zu tun, die sie wirklich glücklich machen. Das Leben ist so schnell vorbei, und wir haben nur dieses eine Leben. Man sollte das Beste daraus machen und sich den Menschen gegenüber, die einen umgeben, anständig benehmen, den Menschen helfen, die Hilfe benötigen, und andere lieben, auch wenn es schwer ist. Für welche Branche oder Firma würdest du gerne ein Projekt machen? C. W.: Ich bin so glücklich, dass ich für und mit so vielen Unternehmen arbeiten kann, die ich immer sehr geschätzt habe, aber wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich für Wes Anderson arbeiten wollen, in der Hoffnung, dass wir etwas Großartiges schaffen, das durch einfache Dinge zu Menschlichkeit und Gemeinsamkeit inspiriert. Es ist wichtig, dass die Art und Weise, wie Menschen leben, sich widerspiegelt in der Art und Weise, wie sie arbeiten. Ich würde liebend gern mehr Filme machen. Du bist ein selbsternannter Journeyman – ein „Reisender“. Was bedeutet das? C. W.: Das steht für jemanden, der nicht perfekt in Dingen ist. Für jemanden, der sich verbessern will, der jeden Tag lernen will, aber nie der Beste sein muss. Ich will immer ein Reisender bleiben. Du hast in Texas gelebt und bist dann nach Oregon gezogen. Warum lebst du im nebligen, pazifischen Nordwesten? C. W.: Ich komme ursprünglich aus Oregon, und ich bin so glücklich, wieder zu Hause zu sein. Es ist eine der großartigsten Erfahrungen meines Lebens, wieder zu meinem Erbe zurückzukehren und dort zu leben, wo ich aufgewachsen » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 100 · TRENDS bin. Meine Zeit in Texas war fantastisch, und ich habe dort wirklich viele Dinge gelernt, aber ich bin verdammt froh, wieder zurück in den Wäldern und Bergen zu sein. Wenn man in Oregon leben will, dann muss man die Wildnis und die Natur lieben. Wird deine Arbeit davon beeinflusst, dass du im pazifischen Nordwesten leben? C. W.: Ein Wort: absolut. Welche Herausforderungen schätzt du in deinem Leben? C. W.: Ich schätze es, aus meinen Fehlern zu lernen. Zuerst habe ich es gehasst. Ich bin Perfektionist, so sehr ich es eben sein kann, und es ist eine große Herausforderung, das hinter sich zu lassen. Aber wenn man ständig etwas Neues macht, dann muss man versagen, um erfolgreich sein zu können. Wenn es eine Lektion gibt, die ich im Leben gelernt habe, dann, dass es immer irgendwo irgendjemanden geben wird, der in dem, was du liebst, besser ist als du – und das ist auch in Ordnung so. Man kann trotzdem das tun, was man liebt, auch wenn man nicht der Beste ist. Wenn du einen perfekten Tag in deinem Leben beschreiben solltest, wie sähe der aus? C. W.: Jeder Tag, an dem ich aufwache, ist ein verdammt guter Tag, wenn Sie mich fragen. Wie würdest du dich in drei Worten beschreiben? C. W.: Wild. Konsequent. Kämpferisch. www.1924.us Wo ließe sich Zeitgeschichte besser schreiben als an einem Ort, der viel zu erzählen hat: 1910 wurde die Sternwarte in der renommierten Uhrmacherstadt Glashütte erstmals in Betrieb genommen. Knapp 100 Jahre später bescherte ihr der Wiederaufbau durch die Firma WEMPE große Aufgaben: Mit der Einrichtung der einzigen Prüfstelle Genießen Sie den Rausch der Tiefe bereits an Land. CHRISTIAN WATSON Christian Watson wurde in Virginia geboren und wuchs in Oregon auf. Er studierte Architektur in Boston und gründete den Blog „Lyla&Blu“, aus dem sich später seine Firma 1924.us entwickelte. Nachdem er einige Jahre in Texas gelebt und gearbeitet hat, nennt er heute Oregon wieder sein Zuhause. WEMPE ZEITMEISTER Sport Taucher Chronograph CERMET in Edelstahl mit Automatikwerk. Für € 3.575 exklusiv erhältlich bei Wempe. Verwaltung: Gerhard D. Wempe KG, Steinstraße 23, 20095 Hamburg An den besten Adressen Deutschlands und in London, Paris, Madrid, Wien, New York und Peking. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN nach deutscher Chronometernorm und der Etablierung der WEMPE Uhrmacherschule bildet die Sternwarte in Glashütte heute den perfekten Produktionsstandort für die Armbandchronometer der WEMPE GLASHÜTTE ∫/SA Kollektion. 110 · WISSENSWERT WISSENSWERT · 111 HORIZONTAL LEADERSHIP Im Gespräch mit Siemens-Vorstand Janina Kugel PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 113 112 · WISSENSWERT VON SANDY STRASSER U nternehmen, die nachhaltig und global erfolgreich sein wollen, müssen sich kompromisslos den Herausforderungen der heutigen Digitalisierung stellen, die permanent auf sie einprasseln. Um diese Transformation zielorientiert zu managen, braucht es geeignete Führungskräfte. Und: die richtige Philosophie dahinter. Janina Kugel ist so jemand. Sie hat uns die Tür zu einem der wichtigsten Technologiekonzerne der Welt geöffnet und erzählt, wie sie die Dinge anpackt. Frau Kugel, der Posten als Siemens-Vorstand ist eine Schlüsselposition in Ihrem Konzern. Als Arbeitsdirektorin sind Sie für mehr als 340.000 Mitarbeiter weltweit verantwortlich. Wie schnell haben Sie sich in Ihre neue Rolle eingefunden? Was sind die Herausforderungen? JANINA KUGEL: Die Herausforderungen sind vielschichtig. Technologische Veränderungen, das Sichern der globalen Wettbewerbsfähigkeit, die damit verbundenen Personalanpassungen an einigen Stellen, aber auch der Aufbau an anderer Stelle oder der Wandel der Führungskultur. Zudem sind wir ein global agierendes Unternehmen. Überall auf der Welt haben wir Niederlassungen und Mitarbeiter aus praktisch allen Kulturkreisen – allein in Deutschland beschäftigen wir Mitarbeiter aus mehr als 120 Nationen. Diese Vielschichtigkeit ist ein großer Vorteil, erfordert aber auch zugleich viel Arbeit, um ein gemeinsames Verständnis von Werten und eine gemeinsame Strategie zu verankern. Aber es ist eine sehr reizvolle Aufgabe. Traditionell bedingt sind die Arbeitnehmervertreter in einem Konzern wie dem Ihrem sehr stark und möchten an bestimmten Stellen ein gewichtiges Wort mitsprechen. Wie halten Sie die Balance zwischen Strenge und Entgegenkommen? J. K.: Zunächst einmal haben sich die Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer in Deutschland und der Dialog auf Augenhöhe bewährt. Der Grundgedanke dabei ist ja, dass alle Beteiligten ein Interesse daran haben, dass es der Firma – in unserem Fall Siemens – gut geht. Zugegeben, über das Wie sind wir uns nicht immer einig, aber das liegt in der Natur der Sache. Die Digitalisierung, die Sicherung der globalen Wettbewerbsfähigkeit und die damit einhergehenden sich verändernden Anforderungen an unsere Mitarbeiter sind nicht nur für uns eine Herausforderung. Um dies zu erreichen, müssen wir neue Wege gehen. Uns ist es aber bisher immer gut gelungen, gemeinsam Lösungen zu finden. Siemens bewegt sich in einem immer komplexeren und sich schneller wandelnden Wettbewerbsumfeld. Um den Herausforderungen bei dieser Geschwindigkeit, Wandlungsfähigkeit und Innovationskraft erfolgreich zu begegnen, ist die Qualität des Arbeitsumfelds von entscheidender Bedeutung. Wie begegnen Sie dem Wunsch Ihrer Mitarbeiter nach Motivation und Kreativität? J. K.: Das berufliche Umfeld und der Wunsch nach flexiblem Arbeiten gewinnen tatsächlich an Bedeutung, nicht PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN nur bei der Gen Y. Nur so bleibt ein Unternehmen auch künftig für kluge Köpfe attraktiv. Hier bieten wir bereits eine ganze Menge, angefangen bei der Möglichkeit zur Arbeit im Home Office bis hin zu Gleit- und Teilzeitmodellen oder auch Sabbaticals. Parallel passen wir auch die IT-Infrastruktur an, um mobiles und flexibles Arbeiten weiter zu erleichtern. Und last but not least hängt sehr viel an den Führungskräften. Sie müssen ihren Mitarbeitern den notwendigen Freiraum geben, um Ideen zu entwickeln. Das verlangt eine offene Kommunikation. Die Herausforderung ist, dass in einem Unternehmen wie dem unseren viele Generationen arbeiten, die unterschiedliche Vorstellungen vom perfekten Arbeitsplatz haben. Und dies unter einen Hut zu bekommen ist nicht immer einfach. Welche Bedeutung hat Diversity für Sie? Welche Philosophie steht dahinter? J. K.: Ganz einfach: Vielfalt ist ein Erfolgsfaktor. Wir leben in einer zunehmend vernetzten und globalen Welt, Projekte werden über Landesgrenzen hinweg realisiert, Teams setzen sich aus Kollegen unterschiedlicher Kulturen und Herkunft zusammen – ganz zu schweigen von unseren Kunden. Da brauchen wir Aufgeschlossenheit und Flexibilität. Wir können es uns schlicht nicht leisten, auf die Talente zum Beispiel von Frauen oder zugezogenen Fachkräften zu verzichten. Ich bin überzeugt, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit steigt, wenn wir aktiv unterschiedliche Personen und Kulturen zusammenbringen. Es werden mehr Chancen erkannt und besser genutzt. Auf welche strategischen Bereiche konzentrieren Sie sich dahingehend innerhalb des Unternehmens? J. K.: Ich sehe Diversity nicht auf einen einzelnen Bereich beschränkt. Das beginnt bereits bei der Unterstützung von Nachwuchs in den Schulen, zum Beispiel, um Mädchen frühzeitig für technische Berufe zu begeistern. Dieses Engagement setzt sich in unseren Ausbildungsprogrammen und internen Förderprogrammen sowie bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter nahtlos fort. Aber die Bedeutung von Diversity ist sehr lokal. Jedes Land hat andere Herausforderungen, denen wir uns stellen. Wie sieht eine Work-Life-Integration bei Siemens konkret aus? J. K.: Wir wollen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das passende Umfeld bieten, sich ihre Arbeit so flexibel wie möglich einzurichten. Wir haben in diese Richtung bereits viel in den vergangenen Jahren bewegt. Zu nennen wären Instrumente wie flexible Arbeitszeiten, Sabbaticals, eigene Angebote für die Kinderbetreuung oder die finanzielle Unterstützung für externe Betreuungsangebote. Wir wissen von unseren Mitarbeitern, dass diese Angebote gut ankommen, weshalb wir dieses Engagement weiter ausbauen. Welche weiteren Schritte in Richtung moderne Arbeitswelt steuern Sie an? J. K.: Der Trend zu mehr Flexibilität wird sich fortsetzen. Architektonischer Ausdruck hierfür wird beispielsweise unser neues Hauptquartier in München sein. Die künftige Konzernzentrale versinnbildlicht unser Selbstverständnis als weltoffenes, innovatives und transparentes Unternehmen. Das neue Gebäude ist offen und in weiten Teilen des Erdgeschosses für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Für die Mitarbeiter schaffen wir ein flexibles, inspirierendes Arbeitsumfeld. Überall auf der Welt treiben wir das Thema unter dem Namen Siemens Office voran. Ich war erst vor Kurzem in unseren neuen Büros in Doha und Kairo, auch hier setzen wir zum Beispiel auf flexible Arbeitsplatzwahl und den Einsatz moderner IT. „Horzitontal leadership in a digital world.“ Was bedeutet das, und welche Vorteile bringt dieser Aspekt der Unternehmensführung mit sich? Welche Aufgaben sind für Sie damit verbunden? J. K.: Führung wird horizontaler, also weniger hierarchisch und stärker teamorientiert. Es reicht heute nicht mehr, den Mitarbeitern zu sagen, was sie zu tun haben, man muss sie einbinden und überzeugen, coachen und Freiräume geben. So fließt in unserem Hause in die Bewertung einer Führungskraft nicht nur ein, ob sie ihre Ziele erreicht, sondern, auch wie. Horizontal zu führen heißt, offene Kommunikation und auch das Wissen all unserer Mitarbeiter zu nutzen – über Abteilungsgrenzen und Hierarchiestufen hinweg. Ich nutze beispielsweise soziale Netzwerke in meiner täglichen Arbeit. Jeder im Unternehmen kann mich über unser internes soziales Netzwerk oder via E-Mail anschreiben und bekommt auch eine Antwort von mir. Oftmals höre ich den Einwand, das sei viel zu zeitaufwendig. Und tatsächlich nimmt die direkte Kommunikation mit den Mitarbeitern einen großen Teil meiner Zeit ein. Aber nur auf diesem Wege ist es möglich, die unterschiedlichen Kompetenzen und Ansätze zu verknüpfen und zu nutzen, die ein Unternehmen für den notwendigen Wandel braucht. Und auch das ist Führung. Welche Ansätze davon sind in europäischen Industrieunternehmen spürbar? Welchen Vergleich ziehen Sie zu Amerika? J. K.: Nach meiner Beobachtung würde ich den Vergleich eher zu Asien ziehen. Hier haben Mitarbeiter traditionell eine größere Affinität zu elektronischen Hilfsmitteln. Messenger-Dienste, Telefonkonferenzen und Telearbeitsplätze sind dort deutlich weiter verbreitet. Die Bereitschaft zum Dialog über Hierarchiestufen hinweg ist aus meiner Sicht mehr eine Frage der Führungskultur einzelner Manager als ein Vergleich zwischen Ländern. Ich treffe aber immer mehr Führungskräfte und Unternehmen, die offen dafür sind, anders zu führen, und Erfolg damit haben. Warum profitieren Ihrer Meinung nach vor allem Frauen von der Digitalen Transformation? J. K.: Frauen pflegen in der Regel einen offenen und kommunikativen Führungsstil, setzen oftmals mehr auf Netzwerke als auf Hierarchie. Das ist sicherlich ein Vorteil im Hinblick auf die sich wandelnden Anforderungen an Unternehmen und deren Organisation im digitalen Zeitalter. Ebenso beobachte ich, dass vor allem junge Frauen ebenso affin gegenüber digitalen Technologien sind wie ihre männlichen Kollegen. Hier merkt man deutlich, dass alte Stereotypen nicht mehr greifen. Die sogenannten Digital Natives sind kein geschlechterspezifisches Phänomen. Aber ob dies ausreicht, um sagen zu können, dass Frauen davon profitieren? Dazu gehören viele andere Faktoren ebenso. Wie kann man sie motivieren, Veränderungen im Bereich der Digitalisierung anzunehmen? Wie machen Sie sie fit für den Wandel? J. K.: Den digitalen Wandel sehe ich nicht als eine spezifisch weibliche Herausforderung. Junge Frauen sind genauso mit dem Computer und Smartphone vertraut wie gleichaltrige Männer. Für uns ist vielmehr entscheidend, dass wir unsere Belegschaft in Summe auf die Anforderungen der digitalen Wirtschaft hin schulen und weiterentwickeln. Der digitale » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 114 · WISSENSWERT Wandel beschleunigt etwa den Trend zum lebenslangen Lernen. Heute muss jeder weit mehr als in früheren Jahren bereit sein, sich kontinuierlich weiterzubilden. Dem tragen wir Rechnung. Allein im vergangenen Jahr haben wir bei Siemens mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter investiert. Wir sind überzeugt, dass dieses Geld gut investiert ist. Ist Ihr Büro schon komplett digital organisiert, oder greifen Sie noch zu Stift und Papier? J. K.: Ich gebe zu, dass ich nicht ganz ohne Papier auskomme. Die Mehrzahl der Abläufe in einem Unternehmen wie dem unseren ist jedoch inzwischen weitestgehend digital organisiert, und das trifft auch auf meine tägliche Arbeit zu. Und wie jeder, der viel unterwegs ist, arbeite ich viel mit Smartphone, Tablet und Notebook, was ich eher als Vereinfachung empfinde und weniger als Nachteil. Welche Vorteile sehen Sie, wenn mehr weibliche Führungskräfte im Topmanagement vertreten sind? J. K.: Auf der Welt leben ebenso viele Frauen wie Männer. Sollte es da nicht Normalität sein, dass sich das auch im Topmanagement widerspiegelt? Grundsätzlich sehe ich einen großen Vorteil für die Führung, wenn unterschiedliche Sichtweisen in die Entscheidungsfindung eingehen. Natürlich bin ich nicht blind und sehe deutlich, dass wir dies noch nirgends auf der Welt schon erreicht haben. Aber ich glaube daran, dass sich die Welt auch weiterhin verändern wird. Und trage meinerseits das dazu bei, was ich kann. Und eines ist auch klar: Wenn man wie ich nicht nur Manager ist, sondern auch Mutter, dann lernen sie sehr schnell, hocheffizient zu sein. Schließlich will ich auch genügend Zeit für meine Familie haben. Wie muss eine Frau „ticken“, um dorthin zu gelangen, sich dort halten zu können und ernst genommen zu werden? J. K.: Die Anforderungen im Topmanagement sind für Frauen und Männer gleich. Bei Siemens erfolgt die Berufung in Positionen auf Grundlage der individuellen Qualifikation und Leistung. Das gilt für mich ebenso wie alle anderen. Grundsätzlich sollten Frauen zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere Mut zu Neuem haben und durchaus auch Selbstbewusstsein beweisen. Die männlichen Kollegen sind oftmals weniger zurückhaltend, wenn es darum geht, Herausforderungen anzupacken. Frauen stellen ihre Qualifikation für anspruchsvolle Aufgaben hingegen öfter in Zweifel. Zu Unrecht. Aber Führung ist nicht immer einfach, auch das muss man aushalten können. Was kann Ihrer Meinung nach die Politik tun, um den digitalen Wandel der Wirtschaft zu fördern? J. K.: Das umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte, angefangen beim Ausbau der Netzinfrastruktur bis hin zu einer vorausschauenden Bildungs- und Forschungspolitik. Was mich als HR-Chefin umtreibt, ist die Frage, wie sich das Arbeitsrecht auf die Anforderungen der Digitalisierung hin aktualisieren lässt. Oder anders ausgedrückt: Wie bekommen wir eine Balance zwischen den notwendigen Ruhezeiten einerseits und dem Wunsch nach mehr Flexibilität andererseits hin? Ihr Rat für alle, die eine global agierende Organisation erfolgreich führen möchten? J. K.: Lassen Sie sich auf die Menschen und ihre Sichtweise ein. In einer globalen Organisation gibt es eine Vielzahl von Perspektiven, die es erlauben, einen erfolgversprechenden Weg zu wählen. www.siemens.com Kein Mut zur Lücke! Mit Information Supply Chain Management haben Sie alle Informationen parat. Wir sorgen dafür, dass Ihre ERP-, CRM-, CMS- und PIMLösungen perfekt ineinandergreifen. Dass jedes Programm die Anforderungen Ihrer verschiedenen Teams erfüllt. Dass Produktinformationen konsistent bleiben und dort ankommen, wo sie sollen. Ganz automatisch. Das nennen wir Information Supply Chain Management. JANINA KUGEL Janina Kugel ist seit 2015 Mitglied des Vorstands bei der Siemens AG und verantwortlich für das Ressort Human Resources. Sie ist Arbeitsdirektorin und Chief Diversity Officer und damit weltweit für People & Leadership mit den Bereichen HR Strategie, Talent Acquisition, Learning und Education, Talent Management, Leadership Development und Diversity verantwortlich. Sie begann 2001 bei der Siemens AG als Director Group Strategy im Kommunikationsbereich. www.xtentio.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 117 116 · WISSENSWERT DENKGENIE IBM und die Meilensteine künstlicher Intelligenz VON CLAUDIA PELZER K ognitive Systeme können die Art und Weise verändern, wie Unternehmen künftig denken, handeln und arbeiten werden. Mit Watson entwickelt IBM eine semantische Suchmaschine, die in natürlicher Sprache gestellte Fragen erfassen und beantworten kann. Eine derartige Software könnte uns zukünftig in vielerlei Hinsicht unterstützen – etwa bei komplexen Entscheidungen, die unter besonderem Zeitdruck getroffen werden müssen. Wie genau das funktioniert und wie Watson zukünftig sonst noch eingesetzt werden könnte, erzählt uns Dirk Heitmann, Director of Cognitive Solutions DACH bei IBM. Herr Heitmann, welche Bedeutung hat Watson für die Weiterentwicklung kognitiver Intelligenz? DIRK HEITMANN: Watson ist ein Pionier. Das kognitive System wurde im Jahr 2011 im Rahmen der Jeopardy! zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Ereignis markierte den Beginn einer neuen Ära des Cognitive Computing. In dieser amerikanischen Quizshow treten Schnelldenker mit extrem breitem Wissen und höchstem sprachlichen Talent auf. Sie müssen keine Fragen beantworten, sondern zu komplexen Antworten die richtigen Fragen formulieren – die weitaus schwierigere Variante. Zum Beispiel: „Er ist der Vater der Bakteriologie.“ Die richtige Frage dazu lautet: „Wer ist Louis Pasteur?“ Bei diesem Quiz stecken die Antworten oft voller Doppeldeutigkeiten, Metaphern, Ironie, fremdsprachlicher Begriffe und Synonyme – und genau daran scheitern Computer üblicherweise. Auch heute noch und auch, wenn sie Sprache verstehen. Watson nicht: Er gewann gegen die beiden All-time-Jeopardy!-Champions, am Ende sogar mit großem Abstand. Damit hatte das System bewiesen, dass es Fähigkeiten erlangt hatte, die bis dato noch kein System vor ihm nachweisen konnte. Und es hat gezeigt, welches Potential in solchen lernenden Systemen steckt. Welche Herausforderungen können mit Watson künftig gelöst werden? Wo sehen Sie noch Entwicklungspotential? D. H.: Watson wurde so konzipiert, dass Daten, egal woher sie kommen und in welcher Form sie vorliegen – also auch Bilder, Videos oder Sprachdateien, verarbeitet und ausgewertet werden können. Das ist neu. Denn bisher waren diese Informationen, die immerhin rund 80 Prozent aller weltweit verfügbaren Daten ausmachen, für Computer nicht verwertbar. Damit bieten kognitive Systeme wie Watson wichtige praktische Hilfestellungen, um Leben zu retten, Krankheiten zu behandeln, bessere Produkte zu entwickeln oder die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen zu steigern. Wir sind jedenfalls davon überzeugt, dass diese Technologie unsere beste – und vielleicht sogar unsere einzige – Chance ist, einige der größten Probleme unseres Planeten zu lösen: von der erfolgreichen Behandlung von Krebs über den Klimawandel bis hin zum besseren Verständnis komplexer wirtschaftlicher Zusammenhänge im Kontext des Internet of Things (IoT). Generell stehen wir dabei erst am Anfang der Entwicklung. Wie begegnen Sie Menschen, die kognitive Intelligenz negativ bewerten? D. H.: Kognitive Systeme werden entwickelt, um den Menschen zu entlasten und ihm Hilfestellung bei seiner täglichen Arbeit zu geben. Die letzte Entscheidungsinstanz sollte aber in jedem Fall immer der Mensch bleiben. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Sie können überall da Lücken schließen, wo mangels Rentabilität oder Verfügbarkeit Dienstleistungen nicht oder nicht mehr angeboten werden. So kann etwa der Wealth Advisor von Watson auch Bankkunden mit kleinerem Anlagevermögen sehr gut beraten und übernimmt damit eine Aufgabe, die sich » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 119 118 · WISSENSWERT für den klassischen Vermögensberater einer Bank gar nicht mehr rechnen würden. Watson ist zwar eine Maschine, dennoch besitzt er hier und da menschliche Eigenschaften wie beispielsweise die Fähigkeit, Ironie und Zynismus zu verstehen. Wie genau funktioniert das? D. H.: Watson besitzt keine menschlichen Eigenschaften. Er ist aber durch intensives Training sehr wohl in der Lage, bestimmte Dinge zu erlernen, dazu gehört in der Tat auch das Erkennen von Ironie oder Zynismus. Basis hierfür sind eine neue Generation von Algorithmen und Mensch-MaschineSchnittstellen, die es dem System erlauben, strukturierte und unstrukturierte Daten gleichermaßen zu verarbeiten, Muster zu erkennen, Korrelationen und verdeckte Zusammenhänge herzustellen und damit auch ein eigenes Verständnis für Themen oder Sachverhalte zu entwickeln. Das System arbeitet dabei unter anderem mit neuronalen Netzwerken, traditionellem Machine Learning, Textanalyse-Tools und Spracherkennung sowie gegenwärtig rund 50 unterschiedlichen APIs. Das sind Schnittstellen, über die Watson mit Spezialwissen, etwa zu Healthcare, Finanzthemen oder technischem Wissen, versorgt und trainiert wird. Wenn die Datengrundlage stimmt ist Watson zudem in der Lage, Prognosen verschiedenster Art zu erstellen. Was genau kann er prognostizieren und wie komplex beziehungsweise präzise kann so eine Prognose ausfallen? D. H.: Je intensiver und umfangreicher Watson trainiert wird, desto besser sind seine Ergebnisse und Prognosen. So wurde das System beispielsweise für einen großen deutschen Versicherer darauf trainiert, schriftlich geäußerte Kundenbeschwerden zu erkennen und richtig einzuordnen. Dafür musste Watson Tausende von Schreiben mithilfe seiner Trainer – Versicherungsangestellte und Sprachwissenschaftler – analysieren und richtig bewerten. Das lernende System wurde dabei darauf konditioniert, die Sätze in den Schreiben in festgelegte Kategorien einzuordnen. Diese erkennt er jetzt mit einer fast hundertprozentigen Trefferquote und schickt die Schreiben automatisch an den richtigen Sachbearbeiter weiter. Ein anderes, sehr aktuelles Beispiel kommt aus dem Bereich IT-Sicherheit. Hier werden wir im Herbst dieses Jahres gemeinsam mit 200 IT-Studenten renommierter amerikanischer Universitäten Watson darauf trainieren, Cyberattacken schon sehr frühzeitig zu erkennen und Ratschläge für deren Bekämpfung zu geben. Dafür wird das System mit Wissen und Erkenntnissen rund um das Thema ITSicherheit gefüttert, in der Anfangsphase mit bis zu 15.000 Dokumenten monatlich – unter anderem mit Informationen zu Malware oder sogar mit ganzen Datenbanken zur Historie und erfolgreichen Abwehr von Cyberangriffen. Dieses Training ist für unterschiedliche Disziplinen mit unterschiedlichsten Zielen vorstellbar – etwa auch für präzise Prognose von Wetterentwicklungen. Dafür haben wir vor einiger Zeit „The Weather Company“ ins Boot geholt. Was sind die nächsten technologischen Meilensteine für Künstliche Intelligenz? D. H.: Was wir momentan sehen und erleben, ist die Spitze des Eisbergs. Wir stehen erst am Anfang. Denn das, was gerade passiert, schiebt die Grenze des verfügbaren Wissens auf nahezu unendlich. Damit ist das Potenzial solcher Technologien ebenso unendlich – die nächsten technologischen Meilensteine definieren zu wollen, ist angesichts der exponentiellen Entwicklung des Wissens und ihrer Fähigkeiten PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN nahezu unmöglich. Wir haben jedenfalls die weltweit größte privatwirtschaftliche Forschungsabteilung und arbeiten kontinuierlich mit Universitäten und Partnern aus den unterschiedlichen Industrien am Ausbau von Watsons Fähigkeiten. Welche Anwendungsfelder in welchen Industriesektoren stehen dafür in den kommenden Jahren im Fokus? D. H.: IBM arbeitet mit sehr vielen Partnern aus den unterschiedlichsten Branchen an der Entwicklung kognitiver Lösungen. Erste kommerzielle Anwendungen haben wir gemeinsam mit dem Gesundheitswesen in den USA realisiert. Aus gutem Grund: Denn das „Problem“ des medizinischen Fortschritts ist seine unfassbare Geschwindigkeit. Nicht einmal für hochspezialisierte Fachärzte ist es heute möglich, allen wissenschaftlichen Publikationen ihres eigenen Fachgebiets zu folgen und auf der Höhe der Erkenntnisse zu bleiben. Der Allgemeinmediziner, der häufig die erste Anlaufstelle bei der Diagnose ist, schafft das erst recht nicht. Ein kognitives System kann ihn dabei unterstützen, schneller die richtige Diagnose zu stellen. Doch die Reise geht weiter, wie die bereits genannten Beispiele zeigen: Im produzierenden Gewerbe ebenso wie in der Automobilindustrie, dem Gesundheits- und Finanzwesen, in Logistik, Handel, Pharma oder den Grundstoffindustrien. Kann Watson uns dabei unterstützen, sorgsamer mit vorhandenen Ressourcen umzugehen? D. H.: Dies ist sicherlich ein ganz zentraler Aspekt des Einsatzes lernender Systeme wie Watson. Watson kann beispielsweise helfen, die Einspeisung regenerativer Energien in die Stromversorgungsnetze zu optimieren oder durch die Auswertung entsprechender Wetterdaten die Steuerung von Heizsystemen oder Klimaanlagen in Gebäuden präziser zu regeln. Auch der Kerosinverbrauch von Flugzeugen kann damit exakter vorausberechnet werden. Darüber hinaus können der Einsatz von Rohstoffen in den Produktionsprozessen besser geplant oder Wertschöpfungsketten und -netzwerke sehr viel ökonomischer gemanagt werden. So kann ein lernendes System unter anderem rechtzeitig davor warnen, wenn es zu Lieferengpässen kommt oder – im Gegenteil – die Lagerbestände reduziert werden sollten. Im Hinblick auf den Einsatz von Ressourcen lautet das Prinzip in jedem Fall Optimierung – und das bedeutet immer auch einen sorgsameren Umgang. Was wäre Ihr ganz persönliches Lieblings-Szenario für einen zukünftigen Einsatz von Watson? D. H.: Ich persönlich fände es ausgesprochen spannend, Watson als persönlichen Assistenten und Berater im Alltag zu nutzen, um schneller fundierte geschäftliche Entscheidungen zu treffen. Und nachdem Watson Humor erkennt, wäre das sicher eine spannende und bereichernde Zusammenarbeit. www.ibm.com DIRK HEITMANN Dirk Heitmann leitet seit März dieses Jahres das Cognitive Solutions Team in der Region Deutschland, Österreich, Schweiz. Hier werden die Aktivitäten der IBM rund um kognitive Analytics-Lösungen, wie zum Beispiel Watson, gebündelt. Gleichzeitig ist er im Cognitive Solutions Team des Unternehmens auf europäischer Ebene für die Automobilindustrie und Aerospace und Defense verantwortlich. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN EMPFEHLUNGEN · 121 120 · EMPFEHLUNGEN Summer in the City J eder Jahreszeitenwechsel bringt eine gewisse innere Unruhe und ein unbestimmtes Gefühl der Unsicherheit mit sich, wenn es darum geht, wie man sich für die Arbeit kleidet. Man fühlt sich wohl in der Kleidung, die einen durch die vergangenen Monate begleitet hat: der marineblaue Paul Smith Travel Suit, die schwarzen John Lobb Oxford-Schuhe und der zuverlässige Mackintosh-Mantel – aber jetzt ist es so weit, den Übergang in den Business Casual Look für den Sommer zu vollziehen. Sich im Sommer angemessen und geschäftsmäßig zu kleiden, bedeutet, dass man mit verschiedenen Stoffen und Farben experimentieren kann, um einen Das zweireihige Sakko ist im Kleiderschrank des modernen Mannes ein Muss. Diese Saison fällt ein solches Sakko, dank der neuen, enggeschnittenen und langen Form, deutlich jugendlicher aus. Mit einem neutralen Stein-Farbton, der dem Outfit eine gewisse Helligkeit gibt, verleiht der Zweireiher von Brunello Cucinelli diesem traditionellen Kleidungsstück einen legeren und etwas lässigeren Touch. Hergestellt aus luftdurchlässigem Leinen, Wolle und einer Seidenmischung, verfügt es über ein schlankes, steigendes Revers. Am besten trägt man es mit legeren Hosen und bequemen Halbschuhen, die Ihnen eine lässige Eleganz verleihen. Ein Paar Espadrilles geben diesem Look den perfekten letzten Schliff. Am Strand waren diese Schuhe mit aus Naturfaser geknüpften Sohlen schon immer gern gesehen – aber sie runden mit ihrer einfachen, klassischen Ästhetik auch Ihr Gesamterscheinungsbild ab. Vor allem diese exklusiv designten Espadrilles von Mulo ermöglichen einen stilvollen und geschmeidigen Übergang vom Tag in den Abend. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN Street Style Look zu kreieren, welcher der Laufstege der Pitti Uomo Modemesse in Florenz würdig wäre. Und wenn Sie Zweifel haben, machen Sie es wie die Italiener: Wählen Sie Anzüge und Sakkos in Baumwolle oder Leinen, tragen Sie Chinos in verschiedenen Farben und ergänzen Sie Ihre traditionellen Kleidungsstücke mit ein bisschen Lässigkeit. Wenn Sie der Hitze trotzen wollen, ist es wichtig, gut – und angemessen – auszusehen; vertrauen Sie der seit Jahrhunderten bewährten italienischen Tradition mit ihrer leichten „Sprezzatura“. Officine Generale ist dafür bekannt, dass hier traditionelles Schneiderhandwerk auf ausgesprochen geschickte Weise mit dem Thema Arbeitskleidung in Verbindung gebracht wird. Dies ist Pierre Mahéo zu verdanken, der darauf besteht, die feinsten Materialien, wie zum Beispiel japanische Selvedge Oxford Stoffe, für sein Pariser Label zu verwenden. Dieses T-Shirt aus japanischem Baumwollstoff ist aufgrund seines vielseitigen, grau-melierten Materials – welches über einen subtilen, unregelmäßigen Streifeneffekt verfügt – außergewöhnlich angenehm zu tragen. SAM KERSHAW Sam Kershaw war zuerst Einkäufer für Accessories bei Mr Porter, bevor er in den Einkauf für Luxus- und Freizeitkleidung wechselte. Zuvor war er Einkäufer für Designer und formelle Kleidung bei Harvey Nichols. Chinos von Incotex sollten fester Bestandteil Ihrer Garderobe sein. Die tadellos geschnittenen Hosen dieses Herstellers werden mit beispielloser Liebe zum Detail hergestellt, verfügen über einen bequemen, eingekerbten Bund und eine versteckte Münztasche. Sie sind ausgesprochen vielseitig und können sowohl zur Arbeit als auch – mit einem einfachen Sweatshirt und Sneakers – am Wochenende ganz leger getragen werden. www.mrporter.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 124 · ERFAHRUNGSWERT ERFAHRUNGSWERT · 125 TISCHLEIN DECK’ DICH Wegweisende Technologiekonzepte aus dem Hause WMF PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN ERFAHRUNGSWERT · 127 126 · ERFAHRUNGSWERT VON SANDY STRASSER D igitalisierung ist kein Trend, sondern eine tiefgreifende gesellschaftliche Evolution. Vor diesem Hintergrund präsentierte der Kaffeemaschinenhersteller WMF auf den diesjährigen Frühjahrsmessen sein neues Technologiekonzept „Future in a Box“. Es bietet Gastronomen, Hoteliers und Kaffeemaschinen-Betreibern alle relevanten Bordmittel für die digitalen Kundenerlebnisse der Zukunft. Im Vordergrund standen zum einen schlüsselfertige Konzepte für berührungs- und bargeldlose Bezahlsysteme sowie Telemetrie, Connectivity und Apps. Zum anderen gab der Premium-Anbieter tiefe Einblicke in die Entwicklungsagenda rund um innovative Touch-PaymentSysteme via Near Field Communication und Biometrie. Seit über 160 Jahren stehen die Marken der WMF-Group für beste Koch-, Trink- und Esskultur. Jeden Tag verwenden mehrere 100 Millionen Menschen weltweit die Produkte von WMF, Silit und Kaiser zum Zubereiten, Kochen, Essen, Trinken und Backen bei sich zu Hause. Oder sie genießen Kaffeespezialitäten und Speisen, die mit den Produkten der Marken WMF, Schaerer und Hepp in der Gastronomie oder Hotellerie zubereitet werden. Das Unternehmen möchte damit Menschen zusammenzubringen, sei es daheim, unterwegs oder im Bereich der gehobenen Gastronomie, um ihnen kostbare und köstliche gemeinsame Momente zu bescheren. Und das mit Produkten, die durch ihr ausgezeichnetes Design, perfekte Funktionalität und beste Qualität Freude auf ein kulinarisches Erlebnis machen. Das Traditionsunternehmen wurde 1853 in Geislingen an der Steige gegründet. Heute bescheren knapp 6.000 Mitarbeiter kulinarischen Genuss von über 40 internationalen Standorten aus. Doch auch vor einem renommierten Hersteller für Haushaltswaren macht die Digitalisierung nicht Halt. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WMF weiß, das Zeitalter der vernetzten Dinge, Dienste und Menschen hat endgültig begonnen. Marktkenner und Institute prognostizieren, dass im Jahr 2020 über 38 Milliarden elektronische Geräte miteinander kommunizieren werden – dazu gehört auch die Mensch-Maschine-Kommunikation im Bereich Kaffeemaschinen. „Mit der WMF espresso haben wir gezeigt, wie sich ein Kundenversprechen durch neue Sinneseindrücke zusätzlich positiv emotionalisieren lässt. Gleiches wollen wir nun mithilfe moderner 4.0-Technologien erreichen. Wir zeigen den Weg, Kundenerlebnisse im Umfeld mobiler Interaktion auf eine völlig neue Ebene zu heben. Digitalisierung ist nicht nur Technologie, sondern vielmehr eine Marschroute, um die Bedürfnisse und Wünsche der kommenden Kundengenerationen zu befriedigen“, so Melanie Nolte, Head of Marketing WMF-Kaffeemaschinen. Doch die besagte mobile Interaktion beginnt bereits beim Bezahlen. Entsprechend bargeldlos und mobil ist der Geldbeutel der Zukunft. Bis 2017 werden voraussichtlich über 400.000.000 Menschen weltweit mobile Zahlungssysteme nutzen und dabei einen Umsatz von 720.000.000.000 Dollar erwirtschaften. Damit WMF-Kunden von diesem Markt gezielt profitieren können, hat der Marktführer für gewerbliche Kaffeemaschinen unterschiedliche Lösungsansätze entwickelt. Dazu gehören die nahtlose Integration von Online-Bezahlsystemen wie PayPal, der Einsatz von Kredit-, Kunden- beziehungsweise Clubkarten sowie Smartphones über Near Field Communication sowie Touch-PaymentSzenarien via Biometrie. Durch die Integration neuer Kommunikations- und Interaktionsprozedere via GPRS und Bluetooth lassen sich nicht nur Kassierzeiten um bis zu 80 Prozent reduzieren. Darüber hinaus eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten der „digitalen“ Kundenansprache und -bindung. Ein weiterer Weg, Kunden mittels attraktiver, mobiler Services zu binden, ist die vollständige Personalisierung des Kaffeegenusses. Im Zuge dessen stellte das Unternehmen auf den Frühjahrsmessen die neue Business App „WMF MyCoffee“ vor, mit deren Hilfe der Nutzer individuelle Kaffeerezepte selbst kreieren, teilen und auf den Maschinen der New Generation-Plattform genießen kann. Das Vorgehen ist intuitiv und effizient: Über generische Rezept-Templates wählt man zunächst seine Lieblings-Spezialität aus – etwa einen Espresso, Cappuccino, Latte Macchiato oder Café Crème. Im nächsten Schritt passt man die Vorlage hinsichtlich der gewünschten Kaffee-, Milch- und Schaummenge an seine Präferenzen an und speichert diese als persönliches Lieblingsgetränk ab. Nun kann man die hinterlegten Daten an eine in der App zuvor registrierte Maschine übermitteln. Als letzten Schritt bestätigt man seinen Getränkewunsch im Display der Maschine, und das Getränk wird nach den eigenen Vorlieben produziert. Die Messebesucher erfuhren neben viel Neuem rund um mobile Interaktion und individuellen Geschmack aber auch, wie sich mittels effizienter Telemetriemethoden sowohl die Geschwindigkeit als auch die Stabilität und Qualität von Service- und Verkaufsprozessen rund um WMF-Kaffeevollautomaten maximieren lassen. „Unser Ziel ist es, eine zentrale Service- und Analyseplattform zu bieten, die den Betrieb unserer Kaffeemaschinen noch effizienter und umsatzattraktiver gestaltet“, so Melanie Nolte. Grundlage dafür ist die Zwei-Wege-Kommunikation des WMF-RemoteDataAccess. Diese erlaubt zum einen, unterschiedlichste Maschinendaten (etwa proaktive Serviceaufträge oder Störmeldungen) standortübergreifend zu sammeln und im Sinne optimaler Abläufe im Bestandsmanagement sowie der Serviceplanung zu analysieren. Hinzu kommen Leistungsdaten aus dem täglichen Betrieb. Was sind die Lieblingsgetränke der Kunden, zu welcher Uhrzeit, zu welchem Preis, an welchem Ort? Solche Fragen lassen sich dabei auf Knopfdruck beantworten. Zum anderen ermöglicht der WMF-RemoteDataAccess ein hohes Maß an Flexibilität im Warenangebot: Via Webserver bespielt der Betreiber individuelle Produkt-Specials samt ergänzendem Bildmaterial auf die Displays seiner Vollautomaten – standortübergreifend und zeitgesteuert. Die Zukunft kommt also genüsslich daher. www.wmf.com DIGITALE TRANSFORMATION Kurzporträt SDZeCOM SDZeCOM gehört im deutschsprachigen Raum zu den Pionieren und erfolgreichsten Integratoren von PIM-Systemen. Die Leistung reicht von der Auswahl und Einführung bis hin zur laufenden Betreuung der Systeme. SDZeCOM arbeitet mit verschiedenen Software-Unternehmen zusammen. Das Team verfügt über tiefgreifende Projekterfahrungen insbesondere in Bezug auf die Herausforderungen bei der Einführung komplexer Systemumgebungen. Wenn es um das Thema Printpublishing für Kataloge, Produktdatenblätter oder Preislisten geht, bietet das Unternehmen eine exzellente Bandbreite an Kompetenz. Nahezu alle am Markt verfügbaren Printtechnologien werden seit Jahren implementiert und teilweise auch in der Produktion betrieben. Hierdurch verfügt SDZeCOM nicht nur über einen technologischen Erfahrungsschatz, wie Templates und Systeme zusammenspielen, sondern auch über Produktionserfahrung für die weitere Optimierung im laufenden Prozess nach der Ersteinführung. Weitere Systeme, wie Media Asset Management und Multi Language Management, werden ebenfalls seit vielen Jahren erfolgreich eingeführt und unterstreichen somit den ganzheitlichen Ansatz. Namhafte und internationale Kunden vertrauen auf das Know-how des IT-Spezialisten aus BadenWürttemberg, der seit 1995 am Markt ist und seitdem mehrfach für innovative und komplexe Projekte ausgezeichnet wurde. Im vergangenen Jahr wurde SDZeCOM mit dem Innovationspreis-IT in der Kategorie Consulting ausgezeichnet und steht damit auch in der IT-Bestenliste. Im jüngst veröffentlichten Market Performance Wheel wurde das Unternehmen von The Group of Analysts als TopAnbieter in den Bereichen PIM, MAM und Print benannt. www.sdzecom.de SDZECOM UND WMF SDZeCOM betreut für mehrere Marken des WMF-Konzerns das Product Information Management-System, mit dessen Hilfe alle produktrelevanten Informationen für unterschiedliche Kommunikationskanäle der Marken bereitgestellt werden. Hierzu gehören die jeweiligen Online-Shops, aber auch die Kataloge, die über eine leistungsfähige Database-Publishing-Lösung automatisiert hergestellt werden. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 128 · ERFAHRUNGSWERT ERFAHRUNGSWERT · 129 Design ist für das Haus WMF nicht nur ein Wort, sondern Ausdruck seiner Haltung. Inspiriert von Genuss stehen die Marken des Unternehmens für beste Koch-, Trink- und Esskultur. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 130 · MENSCHEN MENSCHEN · 131 GALIONSFIGUR DER HAUTE CUISINE Jahrhundertkoch Paul Bocuse im Interview PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN MENSCHEN · 133 132 · MENSCHEN VON SANDY STRASSER K ein Mensch hat im 20. Jahrhundert auf kulinarischem Sektor so viel bewegt wie Paul Bocuse. Seine leichte und feine Küche machte seit jeher Furore. Schon 1965 kürte ihn der Guide Michelin zum jüngsten DreiSterne-Koch Frankreichs. Er ist der einzige Koch, der diese Spitzenstellung 51 Jahre lang ununterbrochen halten konnte. Wie kein anderer Meisterkoch versteht er es, die Aufmerksamkeit rund um den Gast zu perfektionieren. Uns hat er Einblick in sein arbeitsreiches Leben gewährt. Monsieur Bocuse, wie hat der junge Paul seine Leidenschaft für das Kochen entdeckt? Wie alt waren Sie damals? PAUL BOCUSE: Ich komme aus einer Familie, in der der Beruf des Kochs schon seit dem 17. Jahrhundert Tradition hat. Meine Eltern besaßen ein kleines Lokal am Ufer der Saône, das heute die Auberge Paul Bocuse ist. Ich musste also quasi Koch werden. Was war das erste Gericht, das Sie selbst zubereitet haben? P. B.: Mit 14 Jahren habe ich mein erstes Gericht gekocht: Kalbsnieren mit Kartoffelpüree. Sie haben die Küche der Region Lyon schon immer als Wiege der Grande Cuisine bezeichnet. Nennen Sie uns ein paar traditionelle Gerichte der Lyonnaiser Küche, die Ihr Herz bis heute höher schlagen lassen. P. B.: Unter den Lyoner Spezialitäten sind es Geflügelleberkuchen, Hechtklößchen, Poularde mit Trüffelscheiben und Trüffelsauce, die getrüffelte und mit Pistazien versehene Lyoner Fleischwurst auf einer Brioche und vieles mehr. Was macht dieses Fleckchen Erde sonst noch so besonders? P. B.: Man sagt gewöhnlich, dass die Region um Lyon die Speisekammer Frankreichs sei, mit Bresse bekannt für sein Geflügel, Charolais bekannt für die Rinderzucht, das Rhône-Tal bekannt für seine Früchte und Trauben, Beaujolais und die Côtes du Rhône für ihre Weine, Savoyen für Käse, Butter und Sahne, die Fische aus den dortigen Seen und Flüssen. Auch Sie haben das kulinarische Frankreich in den vergangenen Jahrzehnten wie kein anderer geprägt. Wie anstrengend war der Weg, um bis ganz nach oben zu gelangen? Welche emotionalen Momente verbinden Sie mit dieser Zeit? P. B.: Die Tatsache, dass ich viel in der Welt gereist bin, hat mich viel gelehrt, und das konstante Wachstum der Auberge hat mich ermutigt, das Konzept weiterzuentwickeln und insbesondere den Wettbewerb „Bocuse d’Or“ ins Leben zu rufen, der weltweit ein echter Erfolg ist. Das macht mich sehr glücklich. Und es ist natürlich wichtig, sein Wissen an die nächsten Generationen weiterzugeben. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN Kochen auf höchstem Niveau – was bedeutet das für Sie? P. B.: Ich konnte mich zu den Besten zählen, weil ich glücklicherweise von guter Gesundheit profitiere und viel Energie in meinen Beruf stecken konnte. Aber natürlich auch, weil ich mich mit jungen Menschen umgeben habe, die genauso leidenschaftlich für diesen Beruf brennen wie ich, und die ich ausgebildet habe. Welchen Stellenwert haben dabei frische, regional angebaute Produkte? P. B.: Lokale Produkte, die ganz frisch sind, sind absolut entscheidend. Was macht den Zauber eines gelungenen Gerichts aus? Welchen Stellenwert hat das Inszenieren eines Gerichts? P. B.: Ohne Zweifel muss ein guter Koch eine strenge Ausbildung haben, in der Disziplin und Hygiene ganz wichtig sind. Aber er muss auch einen guten Gaumen haben, das heißt, er muss sehr genau beziehungsweise feinfühlig schmecken, was er zubereitet. Wie viel Fantasie und Kühnheit braucht es, um neue Kreationen zu erschaffen und zu etablieren? P. B.: Man muss eine gute Beobachtungsgabe haben. Ich glaube, dass ich wahrscheinlich Glück hatte, meinen Beruf nach dem Krieg und den Jahren der Entbehrung zu beginnen. Die Menschen hatten Hunger. Ob Hobbykoch oder Profi, was darf in keiner Küche fehlen? P. B.: Organisationssinn, Offenheit gegenüber anderen und Interesse für sein Umfeld. Was macht Monsieur Bocuse neben der Haute Cuisine sonst noch glücklich? P. B.: Angesichts meines hohen Alters muss ich sagen, dass ich mit meinem Leben sehr zufrieden bin. Was mich heute glücklich macht, ist zu wissen, dass hoch qualifizierte Köche meine Nachfolge antreten werden. www.bocuse.fr PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN MENSCHEN · 135 134 · MENSCHEN PAUL BOCUSE Monsieur Paul Bocuse wurde am 11. Februar 1926 in Collonges-au-Mont-d’Or, einer kleinen Gemeinde in Frankreich geboren. Seine Familie ist dort seit dem Jahre 1765 in der Gastronomie tätig. Seinem Vater gehörte damals ein Gasthaus in dem kleinen Ort, ganz in der Nähe von Lyon. Die Schule findet Paul Bocuse nicht sonderlich inspirierend und verlässt Anfang der 1940er Jahre das Gymnasium ohne Abschluss. Er will in die Fußstapfen seines Vaters treten, ganz so, wie es seit jeher Familientradition ist, und beginnt 1942 eine Kochlehre im „Restaurant de la Soierie“ in Lyon. 1961 bekommt er seine erste Auszeichnung als „Bester Arbeiter Frankreichs“ und kurz darauf den ersten Stern des renommierten Gourmet-Führers Guide Michelin. Zu den Höhepunkten seiner beispiellosen Karriere zählt Bocuse aber auch das Jahr 1975, als er vom Präsidenten, Valéry Giscard d'Estaing, zum Ritter der Ehrenlegion erhoben wird. Im Laufe seines Lebens baut er seinen Betrieb zu einem mittelständischen Unternehmen mit Restaurants, Boutiquen und Bäckereien in den USA, Japan und Australien aus. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 162 MENSCHEN UND MARKEN MENSCHEN B Balzer, Stephan Bardot, Brigitte Baumeister, Michael Bocuse, Paul Bosworth, Kate Branson, Richard MARKEN 50, 51 135 147 130, 132, 135 91 79 C Cameron, David Clinton, Bill Clinton, Hillary Colmer, Christian 28 29 28 31 E Eschenbach, Christoph F Frast, Tamara Katja Fuelle, Dr. Gunnar K Kloss, Karlie Kroes, Doutzen Kroes, Rens Kugel, Janina Kurkova, Karolina Kutcher, Ashton O Obama, Barack 91 74 28 91 154 78, 79, 80 28 154 122 102 R Renzi, Matteo 28 117, 119 22, 23 J Jagger, Jade Jagger, Mick Jurkowski, Dirk N Nagano, Kent Najjar, Michael 108 P Peter, Hubert 64 H Heitmann, Dirk Honnold, Alex M Matthes, Gabriele Mendes, Eva Menkes, Suzy Merkel, Angela Miller, Sienna 91 91 86 66, 68 S Sandberg, Sheryl Sander, Jil Schmidt, Peter Seo-hyun, Lee Shankar, Shamanth Sinot, Sander J. Strauss, Levi W Watson, Christian Weckerle, Norbert 29 152 150, 152-154 74 58 36, 40, 41 44, 46 96, 99, 100 60-63 140, 143, 144 111-114 74 138 50 50, 55 61, 87 85 147, 148 91 50 54 87 120 68, 91 C Cartier Cavalli Condé Nast Coqui Coqui 68 91 74 91, 94 D Daimler Davidoff Deloitte Deutsche Telekom 50 152 50 50 E Escada Estée Lauder G Garcia Jeans Google Gucci 26, 28, 29 46 B Bally BASF Bayer Business Services Bosch Brunello Cucinelli Burberry F Facebook Festo Fitbit Fraunhofer Gesellschaft 140 L Levine, Marne A adidas Airbus Allianz Amazon Atos Axalta 68 152 H Harvey Nichols Hepp Hugo Boss I IBM Incotex Industrial Data Space e.V. Instagram Intel 117, 119, 152 46 P Paypal Pebble Pierre Mahéo Pinterest Prada PwC 126 70 120 26 68 54, 57 120 53-54, 56-57 25, 26, 29, 99, 143 L Levi Strauss & Co. Liebherr Lieblingstasche Louis Vuitton N Nike 70 152 K Kaiser Kaiser & Kraft Komsa Kurt Geiger 54 26, 29 126 J Jeans Centre Jil Sander John Lobb June M Mackintosh Manufaktum Marchesa Mr Porter Mulo 83, 84, 85 121 74 46 152 120 38 126 87 54 66, 68 44, 46, 74 87 31, 32 68 120 87 S Samsung 70, 73, 74 Samsung Fashion Group 74 SAP 32 Schaeffler AG 54 Schaerer 126 Siemens 111-114, 152 Siemens IT Solutions 85 & Services Silit 126 Sinot Exclusive Yacht Design 36, 41 Sony 70 T TAG Heuer TEDx thyssenkrupp AG Tod’s Tommy Hilfiger TÜV Nord V Volkswagen W WMF 70 51 54 91 46 54 50 124, 126, 127, 129 74 120, 121 120 Z ZF Friedrichshafen AG 105, 107 74 32, 106 28, 68 IMPRESSUM Daily Work in seiner schönsten Form. Das Produktkulturmagazin wird liebevoll kreiert von: HERAUSGEBER Thomas Lucas-Nülle ANZEIGEN [email protected] HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR Temel Kahyaoglu KREATIVDIREKTOR Ilona Sandrock VERLAG The Group of Analysts GmbH Uferpromenade 5 · 88709 Meersburg Tel.: +49 (0) 7532 - 49435 - 0 Fax: +49 (0) 7532 - 49435 - 10 www.produktkulturmagazin.de info@ produktkulturmagazin.de ÜBERSETZUNG Arne Biesma, Nora Manthey, Christopher Mayhew, Elke Pütz DESIGN, LAYOUT & SATZ Ilona Sandrock Sabine Stahl ONLINE & SOCIAL MEDIA Nadine Pelzer TITEL Sofia Bártolo REDAKTION Simon Berger, Arne Biesma, Anja Fahs, Matthias Hohensee, Jeroen Junte, Temel Kahyaoglu, Nicole Kidd, Thomas Lucas-Nülle, Nora Manthey, Patricica Philbin, Claudia Pelzer, Nadine Pelzer, Dr. Stefan Pollak, Ilona Sandrock, Sabine Stahl, Sandy Strasser DRUCKEREI raff media group gmbh REDAKTIONSLEITUNG Sandy Strasser UNSERE BÜROS Frankfurt Bureau: Anja Fahs Berlin Bureau: Claudia Pelzer Paris Bureau: Patricia Philbin Amsterdam Bureau: Arne Biesma, Jeroen Junte Rom Bureau: Dr. Stefan Pollak London Bureau: Nora Manthey Silicon Valley Bureau: Matthias Hohensee San Francisco Bureau: Nicole Kidd PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN HOLEN SIE SICH IHR PERSÖNLICHES PKM Einzelverkauf: 6,90 EUR inkl. Versandkosten und MwSt. innerhalb Deutschlands. Jahresabonnement mit vier Ausgaben: 24,- EUR inkl. MwSt. und Versandkosten innerhalb Deutschlands. Erscheinungstermin nächste Ausgabe: September 2016 BILDNACHWEIS S. 14 www.siemens.com/presse; S. 14 ZF Friedrichshafen AG; S. 14 Malte Kirchner; S. 14 Instagram; S. 15 Stéphane de Bourgies; S. 15 Anne Timmer; S. 16 Portrait © Thomas Rusch; S. 16 Christian Watson; S. 18 waverlylabs; S. 18 Photo by Patrick Tomasso; S. 19 Google lnc; S. 19 Cn2p; S. 20-23 © Jimmy Chin; S. 24-25 pixdeluxe/Getty Images; S. 27 Instagram; S. 30-31 Photo by Erol Ahmed; S. 34-35 © Sinot; S. 37-41 © Sinot; S.42-43 Alexander Rhind/Getty Images; S. 45 Levi´s Wedgie; S. 46 Levi´s 501; S. 48-49 Photography by Jeremy Thomas; S. 52-53 aleksandarvelasevic/Getty Images; S. 58-59 John Lund/Getty Images; S. 60 Meyle+Müller GmbH+Co. 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Aki; S. 158 Simon Brown; S. 158 Daniel Essewein; S. 159 Early morning at the Wildseeloder deep in the Tyrolean Alps, Photo by Alex Strohl; S. 159 Fotografie von Jeff Divine aus Surf Odyssey, Copyright Gestalten 2016; S. 160-161 © Ori Gersht, courtesy Ben Brown Fine Arts, London; ERSCHEINUNGSWEISE 11. Jahrgang / 4x jährlich ISSN 1865-1305 Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen.Die in dieser Ausgabe veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt und liegen jeweils in der Verantwortung des betreffenden Autors. Alle Rechte sind vorbehalten. Kein Teil dieser Ausgabe darf (abgesehen von Ausnahmefällen § 53, 54 UrhG, die unter den darin genannten Voraussetzungen zur Vergütung verpflichten) ohne eine schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenweiterverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. 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