Kartellrecht: Kommission veröffentlicht Zwischenbericht

Europäische Kommission - Factsheet
Kartellrecht: Kommission veröffentlicht Zwischenbericht über die
Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel – Häufig gestellte Fragen
Brüssel, 15. September 2016
Factsheet: Zwischenbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel
Die Europäische Kommission hat heute den Zwischenbericht über die Ergebnisse ihrer im Mai 2015
eingeleiteten, noch laufenden Sektoruntersuchung zum Wettbewerb im elektronischen Handel
veröffentlicht. Die Untersuchung ist Teil der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt und ist darauf
ausgerichtet, den Zugang der Verbraucher zu Waren und Dienstleistungen zu verbessern.
Die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel soll einen Überblick über die herrschenden
Markttrends geben, potenzielle Wettbewerbsschranken im Zusammenhang mit dem Wachstum des
elektronischen Handels aufzeigen und Aufschluss geben über die Verbreitung bestimmter potenziell
wettbewerbsschädigender Geschäftspraktiken und ihrer Ursachen.
Die Kommission hat zu diesem Thema auch eine Pressemitteilung veröffentlicht. Weitere
Hintergrundinformationen über die Sektoruntersuchung zum Wettbewerb im elektronischen Handel und
Sektoruntersuchungen zum Wettbewerb allgemein finden Sie in dem bei Einleitung der
Sektoruntersuchung veröffentlichten Factsheet und auf der Website zu dieser Sektoruntersuchung.
1. Welche Informationen hat die Kommission für den Zwischenbericht eingeholt?
Die Kommission hat von rund 1800 Interessenträgern aus allen 28 EUMitgliedstaaten Informationen
eingeholt und rund 8000 Vertriebsvereinbarungen erhalten. Die Sektoruntersuchung betrifft den
elektronischen Handel mit Verbrauchsgütern und digitalen Inhalten.
Zum Thema Verbrauchsgüter wurden an Einzelhändler, Hersteller, Plattformen für den elektronischen
Handel (Marktplätze und Preisvergleichs-Websites) sowie an Dienstleister im Zahlungsverkehr
Fragebögen verschickt. Abgedeckt sind folgende Warenkategorien: Bekleidung, Schuhe und Zubehör;
Unterhaltungselektronik (einschließlich Computer-Hardware); elektrische Haushaltsgeräte;
Computerspiele und -software; Spielzeug und Babyartikel; Bücher; CDs, DVDs und Blu-ray-Discs;
Kosmetika und Gesundheitsprodukte; Sport- und Outdoor-Ausrüstung; Produkte für Haus und Garten.
Zum Thema digitale Inhalte wurden Fragebögen an Dienstleister und Rechteinhaber geschickt, die
folgende Arten von digitalen Inhalten anbieten: Filme, Sportsendungen, Spielfilme (z. B. Drama),
Kindersendungen, andere Fernsehsendungen als Spielfilme (z. B. Dokumentarfilme), Musiksendungen
und Nachrichtensendungen.
Die Stichprobe wurde so gewählt , dass im elektronischen Handel tätige Unternehmen und verwendete
Geschäftsmodelle breit vertreten sind.
Elektronischer Handel mit Verbrauchsgütern
2. Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse in Bezug auf den elektronischen Handel mit
Verbrauchsgütern?
Hohe Preistransparenz verstärkt den Preiswettbewerb
Am stärksten bestimmt wird das Verhalten von Marktteilnehmern und Verbrauchern durch die höhere
Preistransparenz im Internet. 53 % der befragten Einzelhändler verfolgen die Online-Preise von
Wettbewerbern, und sieben von zehn nutzen dafür automatische Softwareprogramme.
Verstärkter Direktvertrieb durch die Hersteller
64 % der Befragten haben innerhalb der vergangenen 10 Jahre ihren eigenen Online-Shop eröffnet. Im
Bereich der Kosmetika und Gesundheitsprodukte ist der Anteil der Hersteller, die einen eigenen OnlineShop haben, am höchsten. Das hat dazu geführt, dass viele Einzelhändler sich nun gegen ihre eigenen
Lieferanten im Wettbewerb behaupten müssen.
Ausweitung des selektiven Vertriebs
In selektiven Vertriebssystemen wählen die Hersteller anhand bestimmter Kriterien die Unternehmen
aus, die ihre Produkte vertreiben dürfen. Diese Kriterien sollen im elektronischen Handel wie auch im
herkömmlichen Einzelhandel vor allem einen leistungsfähigen Vertrieb, ein stimmiges Markenimage
und gute Verkaufsberatung bzw. Kundendienstleistungen sicherstellen. Etwa jeder fünfte befragte
Hersteller gab an, aufgrund der Zunahme des elektronischen Handels in den vergangenen 10 Jahren
erstmals ein selektives Vertriebssystem eingeführt zu haben, und 67 % der Hersteller mit selektivem
Vertriebssystem führten – insbesondere im elektronischen Handel – neue Auswahlkriterien ein.
In bestimmten Sektoren, wie Bekleidung und Schuhe, überwiegen die selektiven Vertriebssysteme
stark.
Fast die Hälfte der Hersteller mit selektivem Vertriebssystem berichtete, dass sie Unternehmen, die
ausschließlich online verkaufen, den Zugang zu ihrem Vertriebssystem verwehren.
Zunahme der vertraglichen Verkaufsbeschränkungen
Die Hersteller haben auf die Zunahme des elektronischen Handels auch mit der Einführung
vertraglicher Verkaufsbeschränkungen für ihre Produkte reagiert. Die Beschränkungen können
unterschiedliche Formen annehmen und sich beispielsweise auf die Preise, den Verkauf oder die
Werbung über bestimmte Online-Kanäle oder auf den grenzüberschreitenden Verkauf beziehen.
Trittbrettfahrer
Kunden können rasch von einem Vertriebskanal zum anderen wechseln. Viele nutzen die angebotene
Verkaufsberatung in einem Vertriebskanal (z. B. Produktvorführung, persönliche Beratung in einem
herkömmlichen Geschäft oder Produktrecherche im Internet), kaufen das Produkt dann aber über einen
anderen Vertriebskanal. In solchen Fällen können die Kosten von Leistungen der Verkaufsberatung
kaum hereingeholt werden (da es sog. „ Trittbrettfahrer“ gibt). Für viele Hersteller ist dies ein großes
Problem.
3. Welche vertraglichen Verkaufsbeschränkungen hat die Kommission im elektronischen
Handel mit Verbrauchsgütern am häufigsten festgestellt?
Die Hälfte der befragten Einzelhändler gab an, mindestens einer vertraglichen Verkaufsbeschränkung
zu unterliegen. Folgende Abbildung vermittelt einen Überblick über die Häufigkeit bestimmter
Beschränkungen.
Abbildung 1:
Anteil der Einzelhändler, die vertraglichen Beschränkungen unterliegen, nach Art der
Beschränkung (mehr als eine Beschränkung je Einzelhändler möglich)
Am häufigsten zu finden sind die nachstehenden Arten vertraglicher Beschränkungen:
i)
Preisbeschränkungen
Hersteller und Einzelhändler greifen aufgrund des verstärkten Preiswettbewerbs und besonders der
großen Preistransparenz und des geringen Suchaufwands für Kunden im Internet auf
Preisbeschränkungen und Preisempfehlungen zurück. EU-weit sind 42 % der Einzelhändler eigenen
Angaben zufolge von Preisbeschränkungen bzw. Preisempfehlungen irgendeiner Form betroffen, und
vier von fünf befragten Herstellern geben an, dass sie ihren Vertriebsunternehmen bestimmte
Weiterverkaufspreise empfehlen.
Fast ein Drittel der befragten Händler bestätigt, die Preisangaben der Hersteller in der Regel zu
übernehmen, während etwas mehr als ein Viertel angibt, sich nie daran zu halten. Die verbleibenden
Einzelhändler berichten, dass es vom Einzelfall abhänge, ob sie sich nach den Preisangaben des
Herstellers richteten.
ii)
Marktplatz-Beschränkungen
Beschränkungen, die sich auf den Marktplatz beziehen, werden in den Mitgliedstaaten unterschiedlich
stark eingesetzt, wie der nachstehenden Abbildung zu entnehmen ist.
Abbildung 2:
Anteil der Einzelhändler je Mitgliedstaat mit Vereinbarung(en), die MarktplatzBeschränkungen enthalten
EU-weit berichten 18 % der Einzelhändler von Beschränkungen in Bezug auf den Marktplatz in ihren
Verträgen mit Lieferanten. Insbesondere in Deutschland (32 %) und Frankreich (21 %) sind solche
Beschränkungen häufig in Vertriebsvereinbarungen enthalten. Die im Rahmen der Sektoruntersuchung
festgestellten Beschränkungen reichen von Beschränkungen für den Verkauf auf Online-Plattformen,
die bestimmte Qualitätskriterien nicht erfüllen, bis hin zum kompletten Verbot des Verkaufs über
Online-Marktplätze.
Die Sektoruntersuchung ergab, dass sechs von zehn Einzelhändlern für Online-Verkäufe ausschließlich
ihren eigenen Online-Shop nutzen. Lediglich 4 % der befragten Einzelhändler verkaufen im Internet
über Marktplätze. 31 % der Einzelhändler nutzen für den Online-Verkauf beide Vertriebskanäle.
Da Online-Marktplätze je nach Mitgliedstaat oder Produktgruppe unterschiedlich stark genutzt werden,
müssen die Auswirkungen von Marktplatz-Beschränkungen auf den Wettbewerb jeweils im Einzelfall
geprüft werden.
iii)
Beschränkungen des grenzüberschreitenden Verkaufs
Über 10 % der Einzelhandelsunternehmen gab an, für mindestens eine Produktkategorie einer
vertraglichen Beschränkung in Bezug auf den Verkauf ins Ausland zu unterliegen. Solche
Beschränkungen sind in der Produktkategorie Bekleidung und Schuhe am häufigsten, gefolgt von der
Unterhaltungselektronik.
Die entsprechenden Vertragsbestimmungen schränken die Möglichkeiten der Einzelhändler, auch
Kunden in anderen Mitgliedstaaten zu bedienen, ein und zwingen sie, Maßnahmen zum Geoblocking zu
ergreifen, d. h., den Zugang zu Websites zu sperren, Kunden auf Websites für andere Mitgliedstaaten
umzuleiten und grenzüberschreitende Lieferungen bzw. Zahlungen abzulehnen.
Dabei sei angemerkt, dass Geoblocking zumeist auf eine einseitige unternehmerische Entscheidung des
Einzelhändlers zurückgeht. So unterliegen zwar nur 11 % der Einzelhändler vertraglichen
Beschränkungen für den grenzüberschreitenden Verkauf, setzen aber insgesamt fast vier von zehn
Einzelhändlern Geoblocking ein, um Online-Verkäufe ins Ausland zu beschränken.
iv)
Beschränkungen in Bezug auf die Nutzung von Preisvergleichsinstrumenten
Die ersten Ergebnisse der Sektoruntersuchung zeigen, dass die Nutzung von
Preisvergleichsinstrumenten ein weit verbreitetes Phänomen ist: Mehr als ein Drittel der befragten
Einzelhändler gibt an, im Jahr 2014 Anbietern solcher Vergleichsdienste Daten zur Verfügung gestellt
zu haben.
Etwa jeder zehnte Einzelhändler berichtet, eine Vereinbarung mit Lieferanten geschlossen zu haben,
die die Nutzung von Preisvergleichsinstrumenten in irgendeiner Form beschränkt. Insbesondere in
Deutschland (14 %), Österreich (13 %) und den Niederlanden (13 %) sind Beschränkungen in Bezug
auf die Nutzung von Preisvergleichsinstrumenten verbreitet. Sie reichen von Beschränkungen auf der
Grundlage bestimmter Qualitätskriterien bis hin zu kompletten Nutzungsverboten.
Elektronischer Handel mit digitalen Inhalten
4. Welches sind die wichtigsten Ergebnisse in Bezug auf den elektronischen Handel
mit digitalen Inhalten?
Nahezu alle Anbieter digitaler Inhalte gaben an, es sei wichtig, sich attraktive Inhalte zu sichern, um
im Wettbewerb bestehen zu können. Von zentraler Bedeutung für den Wettbewerb auf dem Markt für
digitale Inhalte ist daher die Verfügbarkeit von Urheberrechtslizenzen.
Der Online-Vertrieb von Inhalten und die Nachfrage nach den Rechten für den Online-Vertrieb haben
die Art, in der Rechteinhaber Lizenzen vergeben, nicht entscheidend verändert. In der Regel werden
Rechte vergeben für bestimmte
- Technologien (z. B. das Recht auf Online-Übermittlung und Wiedergabe des Inhalts über eine
bestimmte Technologie, wie Streaming),
- Gebiete (z. B. nach Ländern) und
- Verwertungsfenster (d. h. bestimmte Zeitabschnitte für die Verwertung).
5. Welche Gepflogenheiten hat die Kommission bei der Lizenzvergabe im
elektronischen Handel mit digitalen Inhalten am häufigsten festgestellt?
Vertragliche Beschränkungen in Bezug auf Übertragungstechnologien, Veröffentlichungszeitpunkt und
Gebiete
Die Verfügbarkeit von Rechten für den Online-Vertrieb digitaler Inhalte hängt von einigen wichtigen
Faktoren ab, so i) vom Umfang der Rechte (Technologie, Gebiet, Zeitpunkt/-fenster) entsprechend der
Lizenzvereinbarung zwischen dem Rechteinhaber und dem Anbieter digitaler Inhalte, ii) von der
Laufzeit der Lizenzvereinbarung und iii) von einer häufig vorkommenden Ausschließlichkeit der Rechte.
Die ersten Ergebnisse der Sektoruntersuchung zeigen, dass in der EU sieben von zehn befragten
Anbietern digitaler Inhalte zumindest in einer Hinsicht Geoblocking einsetzen. Die große Mehrheit der
Befragten haben mit den Rechteinhabern vertraglich vereinbart, den Zugang zu ihrem Angebot an
digitalen Inhalten für Nutzer aus anderen Mitgliedstaaten über Geoblocking zu beschränken.
Ausschließlichkeitsvereinbarungen und Geoblocking sind weit verbreitet, wie in den nachstehenden
Abbildungen zu erkennen ist.
Abbildung 3:
Anteil der Vereinbarungen, die ausschließliche/nicht-ausschließliche Rechte für ein
bestimmtes Gebiet umfassen – alle von Rechteinhabern übermittelten Vereinbarungen
Abbildung 4:
Anteil der Vereinbarungen, die die Anbieter zu Geoblocking verpflichten, nach Kategorie –
Durchschnitt für alle Befragten – EU-28
Dauer der Lizenzvereinbarungen und Vertragsbeziehungen
Rechteinhaber schließen in der Regel relativ langfristige Lizenzvereinbarungen mit Anbietern digitaler
Inhalte. Vier von fünf der Vereinbarungen, die der Kommission von Rechteinhabern übermittelt
wurden, haben eine Laufzeit von mindestens zwei Jahren, und fast jede Zehnte hat eine Laufzeit von
mehr als zehn Jahren. Das kann dazu führen, dass Anbieter digitaler Inhalte, die in einen Markt
eintreten oder auf einem Markt expandieren möchten, nur schwer Zugang zu Rechten erhalten, die
Gegenstand langfristiger Ausschließlichkeitsvereinbarungen zwischen ihren Konkurrenten und
Rechteinhabern sind.
Dieses Problem könnte sich durch bestimmte Vertragsklauseln in Lizenzvereinbarungen noch
verschärfen, so z. B. durch Verhandlungsvorrechte (vertragliches Vorrecht auf Verhandlungen über
eine Lizenzverlängerung), automatische Lizenzverlängerungen oder ähnliche Bestimmungen. Explizite
oder implizite Klauseln über die (Neu-)Aushandlung von Lizenzen über digitale Inhalte können die
Möglichkeiten neuer Marktteilnehmer und kleinerer Anbieter, die ihre Geschäftstätigkeit ausweiten
möchten, beeinträchtigen.
Abbildung 5:
Laufzeit der Lizenzverträge – Anteil an den von den Rechteinhabern übermittelten
Vereinbarungen
MEMO/16/2966
Kontakt für die Medien:
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