Kartellrecht: Kommission veröffentlicht erste Ergebnisse

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Kartellrecht: Kommission veröffentlicht erste Ergebnisse der
Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel
Brüssel, 15. September 2016
Der Zwischenbericht der Europäischen Kommission über die Sektoruntersuchung zum
elektronischen Handel bestätigt das rasante Wachstum des elektronischen Handels in der
EU und zeigt Geschäftspraktiken auf, die den Wettbewerb beeinträchtigen und die
Wahlmöglichkeiten der Verbraucher einschränken könnten.
Die für Wettbewerb zuständige EUKommissarin Margrethe Vestager erklärte: „Der elektronische Handel
wird heute von den Verbrauchern stark genutzt und hat erhebliche Auswirkungen auf den
geschäftlichen Erfolg von Unternehmen und ihre Geschäftsstrategien. Unternehmen sollten ihre
Strategien für den Online-Handel selbst bestimmen können. Gleichzeitig müssen die
Wettbewerbsbehörden dafür sorgen, dass der Wettbewerb nicht behindert wird, denn
wettbewerbswidrige Verhaltensweisen können die Vorteile des elektronischen Handels – größere
Angebotsvielfalt und niedrigere Preise für die Verbraucher – teilweise zunichte machen.“
Die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel wurde von der Kommission im Mai 2015 im
Rahmen ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt eingeleitet. Eines der Hauptziele der Strategie
für einen digitalen Binnenmarkt besteht darin, Verbrauchern und Unternehmen besseren Zugang zu
Waren und Dienstleistungen zu verschaffen. Die Sektoruntersuchung ergänzt die Legislativvorschläge
der Kommission in diesem Bereich und soll zeigen, ob im elektronischen Handel in Europa Anlass zu
wettbewerbsrechtlichen Bedenken besteht. Die Kommission hat während der Untersuchung von knapp
1800 Unternehmen, die im elektronischen Handel mit Verbrauchsgütern und digitalen Inhalten tätig
sind, Informationen eingeholt und rund 8000 Vertriebsvereinbarungen geprüft. Im heute
veröffentlichten Zwischenbericht stellt die Kommission erste Ergebnisse vor.
Der Bericht zeigt Geschäftspraktiken auf, die möglicherweise Anlass zu wettbewerbsrechtlichen
Bedenken geben. Die Kommission kann jeweils im Einzelfall eine Untersuchung einleiten, um die EUVorschriften über wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen und den Missbrauch einer
marktbeherrschenden Stellung durchzusetzen.
Wichtigste Ergebnisse
Der Zwischenbericht bestätigt die wachsende Bedeutung des elektronischen Handels. So haben 2015
mehr als die Hälfte aller erwachsenen EU-Bürger Verbrauchsgüter oder Dienstleistungen im Internet
bestellt, in einigen Mitgliedstaaten sogar mehr als 80 %. Da der elektronische Handel eine wichtige
Triebkraft für Preistransparenz und Preiswettbewerb ist, bietet er den Verbrauchern mehr
Wahlmöglichkeiten und größere Chancen, das beste Angebot zu finden. Die Transparenz hat auch
Folgen für die Anbieter: Laut dem Untersuchungsbericht verfolgen mehr als die Hälfte der Einzelhändler
die Preise der Konkurrenten und reagieren auch zumeist auf Preisänderungen der Konkurrenten.
Der Zwischenbericht zeigt ferner bestimmte Geschäftspraktiken auf, die den Wettbewerb im
Internet beschränken könnten. Er sollte daher für Unternehmen ein Anlass sein, um ihre
Vertriebsverträge zu überprüfen und erforderlichenfalls in Einklang mit den EUWettbewerbsvorschriften zu bringen.
Verkauf von Verbrauchsgütern im Internet
Die Hersteller haben auf den Zuwachs des elektronischen Handels reagiert, indem sie anhand
verschiedener Strategien mehr Kontrolle über den Produktvertrieb und die Markenpositionierung
anstreben. So sind selektive Vertriebssysteme, bei denen die Produkte ausschließlich von ausgewählten
Vertragshändlern verkauft werden dürfen, weit verbreitet und verkaufen die Hersteller ihre Produkte
zunehmend selbst im Internet.
Ferner sehen die Hersteller auch immer häufiger vertragliche Verkaufsbeschränkungen in
Vertriebsvereinbarungen vor. Der Bericht zeigt Folgendes:
- mehr als 40 % der Einzelhändler unterliegen einer Preisempfehlung oder einer Preisvorgabe des
Herstellers;
- nahezu 20 % der Einzelhändler unterliegen einer vertraglichen Beschränkung in Bezug auf den
Verkauf auf Online-Marktplätzen;
- nahezu 10 % der Einzelhändler unterliegen vertraglichen Beschränkungen, die Verkäufe über
Preisvergleichs-Websites verbieten;
- mehr als 10 % der Einzelhändler gab an, vertraglichen Beschränkungen in Bezug auf
grenzüberschreitende Verkäufe zu unterliegen.
All diese vertraglichen Beschränkungen können grenzüberschreitende Einkäufe und Online-Einkäufe
ganz allgemein erschweren und die Verbraucher daran hindern, eine größere Angebotsvielfalt und
niedrigere Preise im elektronischen Handel zu nutzen.
Digitale Inhalte
Von zentraler Bedeutung für den Wettbewerb auf dem Markt für digitale Inhalte ist die Verfügbarkeit
von Urheberrechtslizenzen.
In dem Bericht wird festgestellt, dass Lizenzvereinbarungen komplex sind und häufig in Form von
Ausschließlichkeitsvereinbarungen geschlossen werden. Die Vereinbarungen sehen vor, welche
Gebiete, Technologien und Verwertungsfenster Anbieter digitaler Inhalte nutzen können.
Im März 2016 veröffentlichte die Kommission ihre ersten Ergebnisse zum Geoblocking, das im
elektronischen Handel in der EU besonders für digitale Inhalte weit verbreitet ist. Mehr als 60 % der
von Rechteinhabern übermittelten Lizenzvereinbarungen beschränken sich auf das Gebiet eines
einzigen Mitgliedstaats. Fast 60 % der Anbieter digitaler Inhalte haben mit den Rechteinhabern
Geoblocking vereinbart.
Wenn Geoblocking auf Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Vertriebsunternehmen zurückgeht,
kann es den Wettbewerb im Binnenmarkt beschränken und damit gegen die EUW
ettbewerbsvorschriften verstoßen. Maßnahmen zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in Bezug
auf Geoblocking erfordern eine Prüfung im Einzelfall, bei der auch mögliche Rechtfertigungsgründe für
Beschränkungen unter die Lupe genommen werden.
Weitere Schritte
Während eines Zeitraums von zwei Monaten können Stellungnahmen zu dem Zwischenbericht
übermittelt werden. Interessenträger sind aufgefordert, sich zu den Ergebnissen der
Sektoruntersuchung zu äußern, weitere Informationen vorzulegen oder weitere Fragen anzusprechen.
Der Abschlussbericht zu der Sektoruntersuchung dürfte im ersten Quartal 2017 veröffentlicht werden.
Hintergrund
Weitere Informationen finden Sie im Factsheet und auf der Website zur Sektoruntersuchung.
IP/16/3017
Kontakt für die Medien:
Ricardo CARDOSO (+32 2 298 01 00)
Yizhou REN (+32 2 299 48 89)
Angela NARDELLA (+32 2 296 11 75)
Kontakt für die Öffentlichkeit: Europe Direct – telefonisch unter 00 800 67 89 10 11 oder per E-Mail