Gegenmacht KAI PFAFFENBACH/REUTERS Betriebsräte haben durchaus Gestaltungsmöglichkeiten – aber nur, wenn sie gegenüber den Unternehmern eine eigene Strategie entwickeln und die Beschäftigten unmittelbar beteiligen. Von Marcus Schwarzbach SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 16. SEPTEMBER 2016 · NR. 217 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Megadeal Urnengang Atemholen Massenbasis 2 3 7 11 Überraschung unwahrscheinlich: Am Sonntag wird in Russland die Staatsduma neu gewählt Feuerpause an der Front. Im Osten der Ukraine schweigen die Waffen. Von Susann Witt-Stahl Garant der Einigkeit: Eine erhellende Biographie über Josip Broz Tito. Von Detlef Kannapin Hetzjagd durch Bautzen Gewalt zwischen Neonazis und Flüchtlingen. Polizei geht mit Pfefferspray und Schlagstock auf Asylbewerber los, lässt rechte Angreifer laufen. Von Susan Bonath XCITEPRESS/DPA- BILDFUNK F ast auf den Tag genau 25 Jahre nach den pogromartigen Angrif fen von Neonazis auf Vertrags arbeiter aus Mosambik und Vietnam in Hoyerswerda eskaliert in Ostsachsen er neut der Fremdenhass. Die damaligen Übergriffe gelten als Auftakt für eine Serie rassistischer Gewalt Anfang der 90er Jahre. Im wenige Kilometer ent fernten Bautzen jagte in der Nacht zu Donnerstag ein rechter Mob 20 Flücht linge durch die Stadt. Mindestens zwei von ihnen wurden verletzt. Die Polizei sprach von »80 Männern und Frauen« aus dem »rechten Spektrum«, Beobach ter wollen bis zu 150 Personen gesehen haben. Nun sucht die Polizei Görlitz nach Zeugen. Denn die eingesetzte Hundertschaft nahm keine Personalien der Neonazis auf. Ein Behördenspre cher erklärte jW, warum: »Der Einsatz war vollständig auf Gefahrenabwehr ausgelegt.« Seit Tagen berichteten lokale Medi en von Neonaziaktivitäten in der Innen stadt Bautzens. Am Mittwoch abend sei die Gewalt von Flüchtlingen ausge gangen, sagte der Bautzener Polizei chef Uwe Kilz am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Beim Eintreffen seien von den Beamten Parolen der Rechten vernommen worden, »wonach Baut zen und der Kornmarkt den Deutschen gehören würde«. Mit einer Polizeiket te hätten sie beide Gruppen getrennt. Aus Richtung der Geflüchteten seien Flaschen und Holzlatten geflogen. Die Beamten setzten gegen sie Pfefferspray und Schlagstöcke ein, bis die Flüchtlin ge schließlich abzogen. Die Rechten allerdings teilten sich nach Behördenangaben in Gruppen auf und starteten eine Verfolgungsjagd auf die Asylsuchenden. Mit Streifenwagen seien Polizisten letzteren bis zu ihrer Unterkunft gefolgt. Nur mit »einer gro Seit Tagen eskalieren Auseinandersetzungen am Bautzener Kornmarkt: Polizeieinsatz am vergangenen Sonnabend ßen Anzahl Beamter« und einer Wei sung an die Geflüchteten, das Gebäude nicht zu verlassen, hätten die Einsatz kräfte Übergriffe des rechten Mobs verhindern können. Im Haus habe die Polizei einen 18jährigen mit Schnitt wunden vorgefunden. Sie habe einen Rettungswagen angefordert. »Dieser wurde von mehreren augenscheinlich rechtsmotivierten Männern mit Steinen beworfen«, so die Polizei. Er habe nicht zur Unterkunft durchdringen können. Ein weiterer Krankenwagen habe sein Ziel nur unter Polizeischutz erreicht. Zudem berichtete die Behörde von ei nem 20jährigen mit Kopfwunden. Der Polizei seien dazu »keine weiteren Informationen bekannt«. Inzwischen werde wegen Verdachts des Landfrie densbruchs und gefährlicher Körperver letzung ermittelt, hieß es abschließend. Der parteilose Bautzener Oberbür germeister Alexander Ahrens sprach gegenüber dpa von einer »neuen Quali tät« der Gewalt. Die Polizei und Street worker müssten verstärkt vor Ort sein. »Es kann nicht sein, dass Bautzen zum Spielplatz von gewaltbereiten Rechten wird.« Das ist die Stadt jedoch längst: 2013 machten Neonazis, als »Bürgerini tiative« getarnt, gegen Flüchtlinge mo bil. Im Februar dieses Jahres hatte ein johlender Mob versucht, die Feuerwehr am Löschen eines brennenden Hauses zu hindern, das als Flüchtlingsunter kunft geplant war. Die Linke-Bundestagsabgeordnete Caren Lay warnte vor einer neuen Po gromstimmung in ihrem Wahlkreis. Schon letzte Woche hätten Flüchtlin ge und Linke vor Neonazis fliehen müssen. Danach sei es zu weiteren Angriffen auch auf Sorben gekommen. Angesichts der organisierten Neona ziszene sei es ihr »unverständlich, dass die Polizei nicht die Rechten, sondern Geflüchtete zum Gehen aufgefordert hat«. »Das ist völlig inakzeptabel«, so Lay. Man müsse zwar verurteilen, wenn Asylsuchende auch zu Gewalt griffen, dürfe es aber nicht zulassen, »dass Neonazis national befreite Zo nen in unseren Städten erkämpfen«. Siehe Seite 8 OECD lobt berufliche Bildung in Deutschland Gute Noten von der internationalen Organisation der Industrieländer trotz erheblicher Defizite I n früheren Jahren sparte die Or ganisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick lung (OECD) in ihren Berichten zum Thema Schule, Lehre und Stu dium nicht mit Kritik am deutschen Bildungssystem. Inzwischen handelt es sich dabei meist um regelrech te Lobeshymnen. Auch der Report »Bildung auf einen Blick«, dessen aktuelle Ausgabe am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, sieht die Bundesrepublik auf der Gewinner straße. Positiv hervorgehoben werden im neuen Bericht – nicht zum ersten Mal – vor allem die Stärken des Systems der Berufsbildung. Die Erwerbslosenquo te der 25- bis 64jährigen Erwachsenen mit einem Facharbeiterabschluss zähle zu den niedrigsten in den OECD-Län dern. Andreas Schleicher, Bildungsex perte der Organisation, betonte, auch der Anteil junger Menschen zwischen 15 und 29 Jahren, die weder in Aus bildung noch erwerbstätig sind, sei in kaum einem Mitgliedsstaat so niedrig wie in Deutschland. Einige kritische Anmerkungen gab es doch: In der Bundesrepublik gelinge es seit Jahren nicht, den An teil der Menschen ohne Berufsaus bildung oder Abitur zu verringern, konstatierte Schleicher. Er liege bei den heute 25- bis 34jährigen bei 13 Prozent und sei damit fast so hoch wie bei den 55- bis 64jährigen. Zur großen Zahl junger Leute oh ne Chance auf Ausbildung und gute Jobs hatte sich vor Veröffentlichung der OECD-Zahlen auch die Vorsit zende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, geäußert. 1,9 Millionen 20- bis 34jährige hätten keine Berufsaus bildung, sagte Tepe am Donnerstag morgen gegenüber dpa. Es sei ein »gesellschaftlicher Skandal«, dass weiter 270.000 junge Menschen im sogenannten Übergangssystem zwi schen Schule und Beruf feststeck ten. Für die Betroffenen müssten außer- und überbetriebliche Ausbil dungsplätze bereitgestellt werden, forderte die GEW-Chefin. (dpa/Reuters/AFP/jW) Wikileaks: TISA fast ausverhandelt PETER ENDIG/DPA - BILDFUNK Die Übernahme von Monsanto durch Bayer ist eine Gefahr für die Artenvielfalt. Interview München. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) den TISA-Prozess geleakt und Medien vertretern Einblick in die Verhand lungsprotokolle gegeben. Bei dem geplanten Trade in Services Agree ment (TISA) handelt es sich um eine grundsätzliche Vereinbarungen zum Dienstleistungsaustausch. Im Wind schatten von TTIP und CETA wurde dieses Vorhaben unter äußerster Ge heimhaltung in Angriff genommen. Laut Angaben der SZ (online) vom Donnerstag belegten die Vertragsdo kumente, dass die Verhandlungen zu TISA sehr weit gediehen seien. Hinter dem Projekt stehen 23 Mit glieder der Welthandelsorganisation WTO. Die beteiligten Staaten nen nen sich die »wirklich guten Freunde des Handels mit Dienstleistungen« und werden von den USA angeführt. Dazu zählen u. a. die EU, Japan und Südkorea. Deutschland wird von der EU-Kommission vertreten. (jW) Philippinen: Schwere Vorwürfe gegen Duterte Manila. Schwere Vorwürfe werden gegen den philippinischen Staats chef Rodrigo Duterte erhoben: In seiner Zeit als Bürgermeister der Stadt Davao habe er die Ermordung von Hunderten Kritikern in Auftrag gegeben und selbst einen Vertreter des Justizministeriums erschossen, sagte das ehemalige Mitglied einer Todesschwadron, Edgar Matobato, am Donnerstag bei einer Anhörung im Senat in Manila. In der rund 20jährigen Amtszeit Dutertes als Bürgermeister habe seine Schwa dron auf dessen Anordnung hin etwa tausend Menschen getötet und die Leichen meist in einen Steinbruch gebracht oder ins Meer geworfen. Der Senat des Landes überprüft derzeit diejenigen außer gerichtlichen Hinrichtungen, die mit dem Amtsantritt Dutertes als Präsident im Juni massiv einsetzten und bei denen nach Angaben der Polizei bisher mehr als 3.100 Men schen getötet wurden. (AFP/jW) wird herausgegeben von 1.867 Genossinnen und Genossen (Stand 12.8.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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