EXPERTENINTERVIEW
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Oft arbeiten
Abteilungen nicht
verzahnt genug
zusammen."
mit Frank Ueffing, Product Manager bei SHS VIVEON
Herr Ueffing, was macht für Sie eine erfolgreiche Kampagne aus?
Ueffing: Auf den ersten Blick ist eine Kampagne dann
erfolgreich, wenn die eingangs definierten Ziele erreicht
wurden. Dies können zum einen monetäre Mehrwerte sein,
wie zum Beispiel Umsatzsteigerungen auf Basis von Crossund Up-Selling-Kampagnen. Zum anderen zählen natürlich
auch immaterielle Mehrwerte. Hier denke ich an eine
stärkere Kundenbindung und Kundenrückgewinnung durch
beispielsweise Geburtstagskampagnen oder den Versand von
Vorabinformationen besonderer Angebote sowie zusätzlicher
Services.
Geht man näher ins Detail, so ist eine Kampagne auch dann
erfolgreich, wenn die eingangs definierten Ziele nicht erreicht
wurden, jedoch die richtigen Erkenntnisse daraus gezogen
wurden. Woran hat es gehakt und was müssen wir verändern, um
es das nächste Mal besser zu machen? Was lief aber auch gut und
woran sollten wir festhalten? Kampagnenmanagement ist ein
stetiger Lernprozess, schließlich ist auch der Kunde individuell
und verändert seine Anforderungen und Wünsche mit der Zeit.
Zudem verändern sich Märkte und Kanäle, die weiteren Einfluss
auf den Kampagnenerfolg nehmen.
Zuletzt stufe ich eine Kampagne als erfolgreich ein, wenn sie vom
gesamten Unternehmen getragen wird und in den verschiedenen
Customer Touch Points bekannt ist – ganz im Sinne des so häufig
angestrebten „One face to the customer“.
Warum fällt es Unternehmen so schwer, Kampagnenmanagement
ganzheitlich, also im sogenannten Closed Loop umzusetzen?
Ueffing: Hierfür gibt es verschiedene Ursachen, die in
Unternehmen ganz unterschiedlich stark ausgeprägt sein
können. Erste Gefahren lauern im Organisationsaufbau, der allzu
häufig in Kanälen strukturiert ist. Noch immer arbeiten Offlineund Online-Marketing nicht eng genug verzahnt zusammen
und bewerben ein und denselben Kunden ohne miteinander
zu sprechen. Dass der Kunde selbst mehrere Kanäle für seinen
Entscheidungsprozess heranzieht, bleibt dabei unbeachtet.
Ein vergleichbares Phänomen beobachten wir ebenfalls in
der Zusammenarbeit zwischen Marketing, Vertrieb und
Service. Unternehmensweite Kampagnen, die von jedem
Mitarbeiter getragen werden und jedem Mitarbeiter bekannt
sind, scheinen eine Herausforderung darzustellen. Dabei
können bereits frei zugängliche Kampagnenkalender, die
marken- und produktübergreifend organisiert sind, helfen,
Kundenkommunikation zu planen und zu koordinieren
und zum Beispiel eine zu häufige Ansprache des Kunden
vermeiden. Zudem könnten entsprechende Prozesse und
Entscheidungsgremien in Unternehmen etabliert werden.
Weitere Ursachen liegen häufig in der unzureichenden
Systemunterstützung und in Integritätsproblemen zwischen
den Systemen. Nicht immer sprechen die eingesetzten Systeme
dieselbe Sprache wie ihre Anwender oder unterstützen die
gelebten Prozesse eines Unternehmens. In Kundengesprächen
erfahren wir noch immer, dass Zielgruppenselektionen
mithilfe von Kampagnenbriefings und der IT-Abteilung
auf Datenebene durchgeführt werden. Dies führt zu
Missverständnissen zwischen den Beteiligten und beansprucht
viel Zeit und raubt letztlich Flexibilität und Schnelligkeit.
Damit einhergehen unzureichende Datenbasen, also die
lückenhafte 360°-Kundensicht. Dies erschwert zum Beispiel
die Berücksichtigung von Kundenaffinitäten und Responses
einerseits und die Optimierung der eigenen Maßnahmen durch
Analysen und Automatisierung andererseits.
Oftmals hakt der Kreislauf auch dann, wenn sich Unternehmen
nicht ausreichend Zeit für die Retrospektive nehmen.
Wertvolle Erkenntnisse aus der Erhebung und Messung
bereits durchgeführter Kampagnen fließen somit nicht in die
erneute Planung ein. Selbst wenn dieser Mangel bekannt ist, so
finden Unternehmen häufig aufgrund des Daily Business nicht
ausreichend Zeit für den gemeinsamen kritischen Rückblick.
Ist Kampagnenmanagement also ein Software-Thema?
Ueffing: Nein, als Bestandteil des Customer Relationship
Managements, also der ganzheitlichen Ausrichtung des
Unternehmens auf den Kunden, ist Kampagnenmanagement
mehr als nur ein Software-Thema. Software ist grundsätzlich
dazu da, um bestehende Unternehmensprozesse zu stützen und
zu entlasten sowie neue Wege zu erschließen, die zum Beispiel
durch moderne Technologien möglich sind. Die Fachlichkeit
ist dem stets übergeordnet. So sind die Kampagnenziele wie
Kundengewinnung, -bindung und -reaktivierung führend; die
Software hier Mittel zum Zweck. Habe ich mir die fachlichen
Fragen beantwortet, welche Kunden ich zu welchem Zeitpunkt
über welchen Kanal mit welcher Botschaft kontaktieren will, und
dies in eine Unternehmens- und Kontaktstrategie gegossen, so
kann mir Software sowohl bei der weiteren Detailplanung helfen
als auch bei der anschließenden Aussteuerung, z.B. durch die
automatisierte Berücksichtigung von Policy Rules und Frequency
Caps. Die reine Installation von Software alleine bedeutet eben
noch nicht, dass auch die Prozesse und Strategien stimmig
sind. Schlussendlich ist ganzheitliches Kampagnenmanagement
also zunächst von der fachlichen Seite sicherzustellen, um
es anschließend durch die für mich geeignete Software zu
unterstützen.
Damit
einher
gehen
besondere
Kundenerlebnisse
durch innovative Kampagnen, die über standardisierte
Geburtstagsgrüße und Newsletter hinausgehen. Das Aufzeigen
zusätzlicher Services um ein Produkt herum, die das eigentliche
Produkt noch attraktiver machen, werden Kunden begeistern
und das Unternehmen in den Gedanken halten. Unpassender
Content ohne Berücksichtigung von Responses und Affinitäten
wird noch stärker zur Ablehnung führen.
Zudem werden Geo-basierte Daten weiterhin an Relevanz
gewinnen und in Location-based Services münden; schließlich
sind Kunden mobil und „always on“. Also auch in der Stadt beim
Shopping, vor dem TV oder gar auf der Autobahn mit dem Auto,
das ebenfalls online ist und gegebenenfalls an meiner Filiale
vorbeifährt. Hier geht es um die Echtzeitkommunikation mit der
dazu passenden, individuellen Next Best Activity. Interessant
wird ebenfalls die Aussteuerung von Kampagnen auf Wearables
und Augmented Reality-Brillen. Aber das ist definitiv „Musik
von morgen.
Wie wird sich das Kampagnenmanagement in den nächsten 5-10
Jahren verändern? Worauf müssen Unternehmen sich einstellen?
Ueffing: Zur zuverlässigen Beantwortung benötigte ich
höhere Kompetenz im Glaskugelschauen. Insbesondere für
einen so langen Zeitraum. Innovationen und immer kürzere
Produktlebenszyklen sowie ständig neue Kanäle machen eine
valide Aussage schier unmöglich. Es zeigt sich, dass Kunden
immer anspruchsvoller werden und Kontaktaufnahmen
hinterfragen: Warum wurde ich kontaktiert und will ich das
überhaupt? Die Bedeutung der erteilten Marketing Permission
ist also präsenter denn je. Zudem wird der situativ richtige
Kanal zur Kontaktaufnahme weiterhin entscheidend sein. Ist
Facebook noch „in“ oder nutzen meine Kunden bereits andere
Plattformen, wie WhatsApp und Snapchat? Wann macht das
Hochglanzmagazin weiter Sinn? Letztlich ist also das Betrachten
jedes einzelnen Kundens als ein eigenes Segment (Segment of
One) entscheidend und damit die personenbezogene Aktion
und nicht das Denken in mehreren Segmenten.
Frank Ueffing hat viele
Jahre Unternehmen
verschiedener Branchen
im Bereich Kampagnenmanagement beraten
und verantwortet nun
die Entwicklung der
SHS VIVEON Marketing
& Sales Solutions.