Pressekonferenz #SmartHealth am 14. September 2016 in Berlin Vor einer Weile kursierte ein Expertenstreit in den Medien, ob das Stethoskop - seit rund 200 Jahren das Erkennungsmerkmal für einen Arzt schlechthin (und im TV als solches stets um den Hals getragen) - noch zeitgemäß ist oder ausgedient hat. Nun mag jeder meiner ärztlichen Kollegen selbst entscheiden, wie er dazu steht. Für mich ist diese Debatte ein schönes Beispiel dafür, in welchem Maße und welcher Geschwindigkeit die Digitalisierung im Begriff ist, selbst an gewachsenen und zum Teil lieb gewonnenen Routinen und Strukturen zu rütteln. Chancen für digitale Innovationen im ersten Gesundheitsmarkt Gut dazu passt auch das Thema - oder vielmehr - die Themen unserer heutigen Pressekonferenz. Wir haben uns nicht nur mit der Frage beschäftigt, wie die Menschen in Deutschland zum 20. Jahrestag des Smartphones über die digitalen Möglichkeiten für ihre eigene Gesundheit denken, sondern auch damit, was sie sich in Zukunft wünschen. Darüber hinaus hat das Institut IGES untersucht, wie leicht oder wie schwer es digitale Innovationen haben, in den ersten Gesundheitsmarkt zu gelangen und welche Hürden es abzubauen gilt. Eine Schwierigkeit ist dabei das Delta zwischen der kurzen Entwicklungszeit der Start-up-Kultur und dem Zeitraum, den eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode üblicherweise braucht, um hierzulande im medizinischen Alltag anzukommen. Aber dazu gleich mehr von Dr. Karsten Neumann vom IGES. Technische Voraussetzungen in allen Altersgruppen gegeben Der erste wichtige Punkt war die Frage, wie es um das Nutzungsverhalten digitaler Gesundheitsangebote bestellt ist. Das Institut forsa hat für uns zu diesem Thema eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage durchgeführt, die sowohl die aktuelle Nutzung als auch die Erwartungen und Wünsche abfragt. Was ich dabei erwartet hatte, war eine hohe Affinität junger Menschen zu diesem Thema. Überraschend war, dass auch Menschen zwischen 50 und 70 Jahren inzwischen technisch gut ausgerüstet sind und einen hohen Nutzen digitaler Angebote für die eigene Gesundheit sehen. Jeder Zweite in dieser Altersgruppe verfügt inzwischen über ein Smartphone und viele würden neue Angebote annehmen, wenn ein klarer Nutzen für die eigene Gesundheit erkennbar ist. Erwartungen an digitale Gesundheitsangebote steigen Wir haben ja solche Umfragen in der Vergangenheit schon öfter gemacht, und es ist enorm, in welcher Geschwindigkeit die Akzeptanz der digitalen Möglichkeiten steigt. Die Menschen erledigen ihre Bankgeschäfte, Einkäufe und Korrespondenz per Smartphone. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch die Erwartungen an digitale Gesundheitsangebote steigen und es alltäglich wird, den eigenen Gesundheitszustand digital unterstützt zu reflektieren. Private Fitness- und Vitaldaten per Social Media zu kommunizieren kann sich jeder Fünfte (!) vorstellen, und drei Viertel der Befragten unserer Studie gehen davon aus, dass dies in zehn Jahren alltäglich sein wird. Enorme Datenmengen erfordern sichere Verwaltung Mit vielen von Ihnen haben wir schon häufiger über dieses Thema diskutiert, Ihnen gezeigt, mit welchen Neuheiten wir uns gerade befassen. Gegenwärtig arbeiten wir an einer elektronischen Gesundheitsakte, in der unsere Versicherten ihre Gesundheitsdaten selbst verwalten können Seite 1 von 4 und damit auch bestimmen können, wer auf diese Daten zugreifen können soll - und wer eben auch nicht. Die erste Stufe haben wir im vergangen Monat bereits öffentlich ausgeschrieben. Denn für uns ist klar: Je mehr elektronische Geräte und Anwendungen für Fitness, Prävention und Therapie zum Einsatz kommen, desto mehr Daten werden diese auch liefern. Zugleich hinterlassen wir alle elektronische Spuren, wenn wir im Netz surfen, Tracker benutzen oder unsere Ernährungsgewohnheiten in Apps eintragen. Das tun heute schon viele Menschen und überlassen zum Teil sensibelste Daten wie Schlafgewohnheiten, aufgenommene Kalorien oder ihr Bewegungsprofil Konzernen oder Start-ups, die häufig außerhalb Europas ihre Server betreiben. Dieser Prozess ist nicht umkehrbar - deshalb müssen wir ihn im Interesse der Versicherten aktiv mitgestalten, bevor kommerzielle Anbieter den Markt dominieren. Denn es geht längst nicht mehr um die Frage des "Ob", sondern nur noch um das "Wie" und vor allem des "Wer"! Krankenkassen bieten Know-how für elektronische Gesundheitsakte Die Datensicherheit hat bei alldem eine hohe Priorität: 95 Prozent der Befragten sehen das so. Und wer wäre dazu besser in der Lage als die gesetzlichen Krankenkassen, die als öffentlichrechtliche Körperschaften große Erfahrung mit dem Schutz sensibler Daten haben und als Non-Profit-Unternehmen zugleich kein kommerzielles Interesse an der ihrer Verwertung. In der Konsequenz sollten alle Krankenkassen ihren Versicherten eine geschützte elektronische Akte anbieten müssen, die beim Wechsel der Krankenkasse auch übertragbar ist, damit die Daten nicht verloren gehen. Die Nutzung dieser elektronischen Gesundheitsakte muss in jedem Fall freiwillig sein und auch jederzeit ohne Angabe von Gründen beendet werden können. Zudem sollte der Patient alleiniger Herr der darin zusammengefassten Daten sein und selbst entscheiden, wer diese einsehen darf. So kann er selbstverständlich auch bestimmte Ärzte oder seine Krankenkasse außen vor lassen. Unabdingbar ist aus meiner Sicht, diesen Prozess nicht sich selbst zu überlassen sondern entsprechend dem deutschen Datenschutzrecht zu organisieren. Seite 2 von 4 Entlastete Leistungserbringer und medizinischer Fortschritt Mit diesem Gedanken treiben wir als "Die Techniker" dieses Projekt voran. Denn wir sind davon überzeugt, dass eine kluge - und zugleich selbstbestimmte - Nutzung dieser Daten die individuelle Versorgung voranbringt, indem es Prognosen und Diagnosen schneller und besser macht. Und auch das Gesundheitssystem kann durch die Digitalisierung den inzwischen dringenden Innovationsschub bekommen, denn nicht zuletzt entlastet es auch die Leistungserbringer, wenn Verwaltung einfacher wird. Andere Länder wie Norwegen machen es uns vor und sind Deutschland inzwischen weit voraus. Und nicht zuletzt kann auch die Forschung profitieren, wenn anonymisierte oder pseudonymisierte Patientendaten in großer Zahl verfügbar und auch auswertbar gemacht würden. Die Bereitschaft ist schon heute da: 61 Prozent der Bevölkerung - also knapp zwei Drittel, sind laut unserer forsa-Studie bereit, ihre Daten anonymisiert für die medizinische Forschung anonym bereitzustellen. Ein großer Teil (65 Prozent) erhofft sich von der Verknüpfung der Daten auch einen ganz konkreten Nutzen für die eigene Gesundheit. Tracker unterstützen Prognosen zu gesundheitlicher Entwicklung Und in der Tat: Daten wie etwa den Blutzuckerwert, Blutdruck oder die Körpertemperatur zusammenzuführen, kann im Zusammenspiel mit anderen Parametern wie der Bewegung sehr spannend werden: Individualisierte Prognosen über die gesundheitliche Entwicklung wären möglich, Krankheitsverläufe beobachtbar oder Risiken definierbar. So lassen sich etwa Prognosen über die gesundheitliche Entwicklung eines Patienten erstellen, sofern er dies wünscht. Damit kann man zum Beispiel abschätzen, wie hoch sein Risiko ist, wegen seines Diabetes in den kommenden zwölf Monaten ins Krankenhaus zu müssen. Gemeinsam mit seinem Arzt lässt sich dann gegensteuern. Diagnostik profitiert von intelligenter Datennutzung Auch die Diagnostik wird sich durch die zunehmende Verknüpfung von Daten verbessern und damit den Arzt unterstützen. Therapeutische Möglichkeiten und medizinisches Wissen werden durch „Big Data“ sowohl verbreitert als auch vertieft. Insgesamt hat die intelligente Datennutzung ein noch nicht absehbares Potenzial, die Qualität der Gesundheitsversorgung deutlich zu verbessern. Einen kleinen Vorgeschmack bekommen wir heute schon, wenn wir sehen, das kognitive Computersysteme wie IBM Watson für die Unterstützung von Ärzten genutzt werden, um die Genauigkeit von Krebsdiagnosen auf Grundlage der Patientendaten und verfügbarer Wissensquellen zu erhöhen. Gute Erfahrungen mit Apps und Online-Angeboten Und auch in unseren medizinischen Alltag haben ja schon viele Neuerungen Einzug gehalten, die sich die Verknüpfung von Daten zu Nutze machen. Unsere Allergie-App "Husteblume" tut beispielsweise genau das: Sie fügt die Pollenflugvorhersage mit dem persönlichen Befindlichkeitsprofil zusammen und erstellt daraus eine individuelle Belastungsprognose bezogen auf den Ort, an dem ich mich gerade befinde. Und die Menschen sagen nicht nur, dass sie diesen Möglichkeiten offen gegenüber stehen, sie nehmen diese auch an: Über 400.000 Versicherte haben bereits einen unserer GesundheitsCoaches der Techniker im Internet genutzt, tausende laden sich die Apps der TK herunter und Seite 3 von 4 buchen ihren Arzttermin per Smartphone online oder bewerten ihren Krankenhausaufenthalt elektronisch. Und auch chronisch Kranke profitieren von den neuen Angeboten: Sei es unsere Tinnitus-App, die telemedizinische Justierung von Cochlea-Implantaten, das Tele-Monitoring von COPD-Patienten oder die internetbasierte Therapie leichter Depressionen. Weitere Innovationen sind in Vorbereitung. Gestern hatten wir hier in Berlin den Innovationstag mit einer Reihe von Start-ups. Das Ziel: Neue Versorgungsangebote zu kreieren, die die Selbstverantwortung der Patienten stärken und ihren Nutzen für den ersten Gesundheitsmarkt entfalten. Die Gewinner des Pitches am gestrigen Tag haben wir heute hier. Ich freue mich, dass Sie gemeinsam mit uns Neues entwickeln werden. Für Rückfragen: Techniker Krankenkasse Unternehmenskommunikation Telefon: 040 - 69 09-17 83 Pressecenter: www.presse.tk.de E-Mail: [email protected] Twitter: www.twitter.com/tk_presse Seite 4 von 4
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