KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:16 Seite 1 kulturkontakt magazine summer 2016 interview practice interview practice Sonja Hammerschmid Förderung vom ersten Schultag an Nadja Vetters Inclusion in Moldova Birte Brudermann Lebenswelten von Jugendlichen Robert Prosser Combined Diversity KKA arbeitet mit Unterstützung durch Ed i To R i A l KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:16 Seite 2 werte Lese r i n n e n u n D L es e r ! D e a r r e a D e r s, Diese Ausgabe des Magazins ist dem Thema »Zugang« gewidmet. Fragen von »Access« stehen seit Jahren im Zentrum der europäischen Bildungsdiskussion. Die Spannbreite des Themas ist in diesem Magazin exemplarisch durch mehrere Fragestellungen angedeutet: was braucht es, um Chancengerechtigkeit im österreichischen Bildungssystem nachhaltig weiterzuentwickeln? welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, um den Zugang von Mädchen zur technischen Ausbildung ausreichend zu gewährleisten? wie gehen wir mit jenen Kindern und Jugendlichen um, die nach traumatischen erlebnissen vor und während ihrer Flucht aus ihrem heimatland Asyl in Österreich gefunden haben und in der österreichischen Schule Fuß fassen müssen? was bedeutet in all diesen Zusammenhängen »strukturelle Teilhabe«? welche rolle spielt dabei kulturelle Bildung? welche Potenziale gibt es in den Arbeitsweisen der kulturellen Bildung für den Themenbereich »Integration – Zusammenleben«? was kann der Austausch zwischen österreichischen und internationalen KünstlerInnen zum Verständnis der jeweils anderen künstlerischen Positionen beitragen? welchen Zugang zu anderssprachiger Literatur (und zum Anderen) kann eine literarische Übersetzung leisten? Partner und Freunde von KulturKontakt Austria werden nicht überrascht sein, dass wir all diese Fragestellungen in internationaler Perspektive beleuchten. Sie sehen, die Perspektiven, sich dem Thema »Zugang« in den Bereichen Bildung, Kunst und Kultur zu nähern, sind vielfältig. Gerade weil uns das Thema so am herzen liegt, freuen wir uns über das ausführliche Interview mit Bildungsministerin Sonja hammerschmid, die diesbezüglich pointierte Aussagen in der Öffentlichkeit getroffen hat. Dazu haben wir sie befragt. Nicht nur ihr, sondern auch allen anderen Autorinnen und Autoren sind wir dankbar, dass sie zu diesem heft beigesteuert haben. wir hoffen, damit Ihr Interesse geweckt zu haben. This issue of our magazine is dedicated to the topic of access. Questions related to access have been at the centre of the education debate in Europe for years. This magazine hints at just how broad a topic access is by addressing several of these questions. What will it take to make lasting progress in equal opportunity in Austria’s education system? What actions need to be taken to sufficiently ensure that girls have access to technical training? How should we deal with children and young refugees who have sought asylum in Austria and need to gain a foothold in Austrian schools after experiencing traumatic events before and during their escape from their homeland? What does »structural participation« mean in all of these contexts? What is the role of cultural education? What potential for integration and coexistence can we tap into in cultural education methods? How can the dialogue between Austrian and international artists help us in understanding each other’s artistic positions? How can literary translation enable access to literature in other languages (and to »the other«)? Partners and friends of KulturKontakt Austria will not be surprised that we shed light on these questions from an international perspective. cover Hyemin parK the story store, incheon photography, 2015 [artist in residence 2016] 2 KKa magazine SUMMer 2016 As you can see, there are a variety of ways to examine the topic of access in education, art, and culture. Because the topic is so important to us, we are delighted to share our extensive interview with Education Minister Sonja Hammerschmid, who has made pointed statements about access in public. We asked her about that. And we are thankful, not only to her, but also to all of our other authors who contributed to this issue. We hope we have piqued your interest. GerhArD KowAř Director, KulturKontakt Austria KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:16 Seite 3 So unterschiedlich Bildungssysteme in europa – innerhalb und außerhalb der eU – auch sind, chancengerechter Zugang zu Bildung findet sich praktisch in allen Bildungsstrategien als wichtiges entwicklungsziel. Innerhalb der eU wird zunehmend aus ökonomischer Sicht argumentiert. Sinkende Geburtenraten bei gleichzeitig steigender Nachfrage nach höher qualifizierten Arbeitskräften machen Chancengerechtigkeit im Bildungssystem auch zu einem Faktor der wirtschaftlichen wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Aber gerade die erreichung des Ziels des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung und der Chancengerechtigkeit innerhalb eines Bildungssystems scheint in vielen Ländern, wie auch in Österreich, vor besonderen herausforderungen zu stehen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. In Bildungsreformprozessen haben selten jene eine Stimme, die von exklusion und Benachteiligung betroffen sind. Sie sind zwar häufig objekt von Diskussion und Analyse, selten aber aktives Subjekt, das die reformprozesse mitgestaltet. Zudem ist jede Bildungsreform auch eine entscheidung über die (Neu-)Verteilung von ressourcen. Gerade in Zeiten von Budgeteinsparungen sind jene benachteiligt, für die keine einflussreiche Lobby ihre Stimme erhebt. Letztlich geht es aber sehr stark um die Vorurteile in den Köpfen aller Beteiligten. werden Schulen, in denen die Zahl an Kindern mit anderer erstsprache, Kindern mit besonderen Lernbedürfnissen, Kindern aus roma-Familien oder anderen benachteiligten Gruppen gestiegen ist, von jenen, die eine wahl haben, gemieden oder sind eine inklusive Schulkultur und der konstruktive Umgang mit Vielfalt eine Selbstverständlichkeit in einem Bildungssystem? Bildungssysteme wie jenes in Finnland zeigen, dass es nicht um die Frage Chancengerechtigkeit oder Qualität geht. Sozial inklusive Bildung und hohe Qualität schließen einander nicht aus, sondern sind in einem erfolgreichen Bildungssystem komplementär. Maßnahmen, um die Chancengerechtigkeit eines Bildungssystems zu erhöhen, müssen auf vielen unterschiedlichen ebenen ansetzen. Die Förderung des erfahrungsaustauschs, wie Chancengerechtigkeit in Bildungssystemen erhöht werden kann, ist eine Priorität in den Projekten von KulturKontakt Austria. Die reflexion, inwieweit wir in unseren eigenen Projekten einen gleichberechtigten Zugang umsetzen, ist dabei ein wichtiger Aspekt. c o MMENT chancengerechter Zugang zu Bildung Equal Access to Education As different as the education systems in Europe are – both within and outside of the EU – equal access to education is an important development aim of nearly all education strategies. Within the EU, proponents increasingly argue for equal access from an economic standpoint. lower birth rates combined with rising demand for highly qualified workers have also made equal opportunity in the education system a factor in a country’s economic competitiveness. Yet achieving the goal of equal access to education and equal opportunity within education systems seems to be up against particular challenges in many countries, including Austria. There are a variety of reasons for this. Those who are excluded and disadvantaged rarely have a voice in education reform processes. Although they are often the subject of discussion and analysis, they are rarely actively involved in shaping the reform process. Moreover, every education reform is also a decision about how to distribute, or redistribute, resources. People without an influential lobby to make their voices heard are at a disadvantage, particularly when budgets are being cut. Ultimately, it comes down to the preconceived notions held by everyone involved. Will those who have a choice avoid schools with growing numbers of children who speak another language at home, children with special learning needs, and children from Roma families or other disadvantaged groups, or are an inclusive school culture and constructive handling of diversity self-evident in an education system? Education systems like Finland’s have shown that it is not a question of either equal opportunity or quality. Socially inclusive education and high quality are not mutually exclusive; rather, they complement each other in successful education systems. Measures to increase equal opportunity within an education system need to take hold at many different levels. Encouraging an exchange of experience on how to increase equal opportunity in education systems is a priority of KulturKontakt Austria’s projects. Reflecting on the extent to which we are able to achieve equal access in our own projects is an important aspect. MoNIKA MoT T Head of the Educational cooperation department at KKA Leiterin des KKA-Programmbereiches Bildungskooperation KKa magazine S U M M e r 2016 3 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:16 Seite 4 4 KKa magazine SUMMer 2016 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:16 Seite 5 iNT ERViEW Förderung vom ersten schultag an Support from the First day of School on KKA iM GESPRäcH mit Bildungsministerin sonja Hammerschmid über reformvorhaben, Bildungsgerechtigkeit, Kulturvermittlung und internationale Bildungspolitik. KKa spoke with sonja Hammerschmid, austrian Federal minister for education, about reforms, equality in education, cultural education, and international education policy. KKa Frau Bundesminister, Sie sind seit Mai 2016 im Amt. welche bildungspolitischen Vorhaben und Maßnahmen sollen aus Ihrer Sicht in dieser Legislaturperiode und darüber hinaus umgesetzt werden? FBm sonja H a m m e r s c H m i D es ist mir besonders wichtig, dass wir jene Themen angehen, die das Klassenzimmer betreffen und dort direkt wirkung erzeugen. Dazu gehört die Umsetzung des Ganztagsschulpakets, welches vor kurzem im Ministerrat beschlossen wurde. es geht darum, Schulen infrastrukturell so auszustatten, dass ganztägige Modelle angeboten werden können. wenn diese Maßnahmen getätigt wurden, kann das Modell der Ganztagsschule breitenwirksam gemacht werden. Außerdem hat das Schulrechtspaket bereits den parlamentarischen Unterrichtsausschuss passiert. hier ist die Möglichkeit zum jahrgangs- und klassenübergreifenden Unterricht in den Volksschulen wichtig, aber auch die alternative Leistungsbeurteilung bis zur dritten Schulstufe. ein weiterer wichtiger Bestandteil ist die verstärkte Unterstützung beim Aufbau von Sprachkompetenz. ebenso kann durch das Paket der Übergang von den Kindergärten in die Volksschulen besser gestaltet werden, indem der Informationsaustausch zwischen Kindergärten und Volksschulen verstärkt wird. es geht also darum, dass sich vom ersten Schultag an die Talente der Kinder voll entfalten können. Mit der Umsetzung beider Pakete wird schon im kommenden Schuljahr begonnen. Doch zurück zur Ganztagsschule, für die 750 Millionen eUro aufgewendet werden. hier liegt uns daran, Modelle zu unterstützen, für die sich Schulen im rahmen ihrer Autonomie selbst entscheiden können. wir wollen, dass so auf die konkreten Bedürfnisse von eltern rücksicht genommen wird. Das können unterschiedliche Modelle sein. In der von uns präferierten verschränkten Form wechseln sich Unterricht, Sport, Freizeit, Mittagessen und hausübungsphasen ab; es können aber auch Formen sein, wo Schülerinnen und Schüler an zwei oder drei Tagen nachmittags freigestellt sind, um andere Angebote wahrnehmen zu können. KKa Minister Hammerschmid, you have been in office since May 2016. What education policy plans and measures do you think should be implemented in this legislative period and further in the future? minister HammerscHmiD i think it is especially important for us to tackle issues that affect the classroom and make a direct impact on children in the classroom. This includes implementing the full-day school package, which was recently adopted by the council of Ministers. The package aims to equip schools with the necessary infrastructure to offer true full-day models. if these measures are carried out, the full-day school model will be able to have a broad impact. The package of school legislation has already been passed by the education committee in Parliament. it includes the opportunity to provide instruction across years and classes at primary schools as well as alternative performance assessments up to the third year, both of which are very important. Another important component is the greater support provided for building language skills. The package will also improve the transition from preschool to primary school by stepping up the exchange of information between preschools and primary schools. The aim is to allow children’s talents to develop fully, beginning with the very first day of school. We will begin implementing both packages already in the coming school year. Returning to full-day school, which we will be spending EUR 750 million on, we want to support models that schools will have the freedom to choose for themselves. our intention is that, in this way, the specific needs of parents can be taken into account. There are different models that could work. The form that we prefer – true full-day school – includes time for instruction, sports, free time, lunch, and homework, but models could also allow for pupils to have two or three afternoons off a week to be able to participate in other activities. KKa magazine S U M M e r 2016 5 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:16 Seite 6 So können gerade Kinder aus sozial schwächeren Familien einen besseren Zugang zur Bildung bekommen und intensiver betreut werden. Die Ganztagsschule hilft eltern, die es sich nicht leisten können, für Nachhilfestunden zu bezahlen. Studien belegen, dass insbesondere verschränkte ganztägige Schulformen eine spezifische Lernumgebung erzeugen, wo Schüler und Schülerinnen besonders aufnahmefähig sind und gut und gerne lernen. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird so unterstützt. Und: Denken Sie nur an die herausforderungen, mit denen alleinerziehende Mütter konfrontiert sind oder Familien, in denen beide elternteile arbeiten. Das Modell unterstützt diese Familien besonders. Viele Familien, in denen beide elternteile arbeiten – insbesondere auch Akademikerfamilien –, haben ihre Kinder bereits in ganztägigen Schulformen. KKa »Zugang zu Bildung« ist ein zentrales Anliegen der Ganztagsschule. welche anderen Felder würden Sie aus der Perspektive bildungsbenachteiligter SchülerInnen hervorheben wollen? FBm sonja H a m m e r s c H m i D In modernen Volkswirtschaften, wie Österreich eine ist, können wir es uns nicht mehr leisten, auf die Potenziale einzelner zu verzichten. Deshalb ist mir ein besonderes Anliegen, Kindern und Jugendlichen die beste Bildung zur entfaltung ihrer Potenziale zu ermöglichen – auf allen Bildungsstufen. Das beginnt in der elementarpädagogik. Sprache ist eine Schlüsselkompetenz. Je mehr Sprachkompetenz frühzeitig erworben wird, desto weniger brauchen später entstehende Lerndefizite nachgebessert zu werden. Das wissen wir alle. wir sind in enger Abstimmung mit der Familienministerin, um hier die nötigen Maßnahmen umzusetzen. Lerndefizite sind zu einem späteren Zeitpunkt der Lebensbiografie nur sehr schwer aufzuholen. Deshalb ist es so wichtig, dass der Beginn einer Bildungskarriere stimmig ist und dort zureichend investiert wird. es beginnt schon im Kindergarten. KKa In Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte sprach sich Bundeskanzler Kern dafür aus, sich intensiver als bisher mit der Integration von anerkannten Flüchtlingen in die österreichische Gesellschaft zu befassen. was muss Bildungspolitik dafür leisten? In welcher weise sind Schulen gefordert? FBm sonja H a m m e r s c H m i D Schulen haben in diesem Prozess eine zentrale rolle inne. Grundsätzlich muss man dazu sagen, dass viele Pädagoginnen und Pädagogen im Vorjahr brillant reagiert haben, weil sie sehr rasch den Flüchtlingskindern halt, Struktur und Zugehörigkeitsgefühl gegeben haben. 6 KKa magazine SUMMer 2016 This will give children, particularly those from families with weaker social structures, better access to education and more intensive supervision and support. Full-day school will help parents who cannot afford to pay for additional tutoring. Studies have shown that true forms of full-day school create a unique learning environment where pupils are especially receptive, learn well, and enjoy learning. These forms also encourage a healthy work-life balance for families. Just think of the challenges faced by single mothers and families with two working parents. This model helps these families in particular. The children of many families with two working parents, especially when parents are academics, already attend full-day school. K K a Access to education is a main concern associated with full-day school. What other areas do you want to highlight from the perspective of educationally disadvantaged pupils? m i n i st e r H a m m e r s c H m i D in modern economies like Austria’s we can no longer afford not to tap the potential of every individual. That is why it is especially important to me to make it possible for children and young people to receive the best education possible to develop their potential – at all stages of education. That begins with elementary education. language is a key competence. The more children develop their language skills early on, the less they will need to work on making up for learning deficits later. We all know that. We are coordinating closely with the Family Minister to implement the necessary measures. learning deficits are very difficult to overcome later in a child’s school career. That is why it is so important for everything to be consistent when a child starts school and for enough to be invested at that point. And that starts in preschool. K K a in conjunction with the current refugee debate, chancellor Kern came out in favour of stepping up efforts to integrate recognised refugees into Austrian society. What role will education policy need to play in that? What challenges do schools face? iNT ERViEW KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 7 Ich weiß, dass die Anforderungen an die Schulen massiv sind, nicht nur in pädagogischer hinsicht, sondern auch im Sinn einer Unterstützung und Stärkung ganzer Klassenverbände. Das Bildungsministerium hat versucht, diesen Prozess mit entsprechenden Sprachkursen, Sprachstartgruppen und zusätzlichem Personal zu unterstützen. Die interkulturellen mobilen Teams an den Schulen spielen dabei eine wichtige rolle. Sie bestehen aus PsychologInnen, PädagogInnen und SozialarbeiterInnen, die sich nicht nur um den schulischen Alltag kümmern, sondern auch um die Arbeit mit den eltern. Ich habe bei einem Besuch einer Schule miterleben dürfen, wie sich mit ihren Interventionen den oft traumatisierten und sprachlosen Kindern eine neue welt eröffnet, oft allein durch den einsatz von Musikinstrumenten oder der Pantomime. es war beeindruckend zu sehen, wie Integration im Klassenverband funktionieren kann. Finanziert werden diese Maßnahmen über den Integrationstopf I und II. KKa In jüngsten Pressemeldungen haben Sie ja die »chancenindexierte ressourcenverteilung« als wichtiges Instrument bezeichnet, um die vorhandenen ressourcen gezielt einzusetzen. FBm sonja H a m m e r s c H m i D Vor kurzem waren wir in hamburg, wo bereits seit einiger Zeit mit einem derartigen Instrument gearbeitet wird und wo ich mich selbst von der wirksamkeit einer derartigen herangehensweise überzeugen konnte. Derzeit versuchen wir unser eigenes System zu entwickeln, das so wie in hamburg auf bestimmten Indikatoren basiert, mit denen wir besondere herausforderungen an unseren Schulen abbilden können. Indikatoren könnten beispielsweise Deutsch als Zweitsprache, der Bildungsabschluss der eltern oder deren sozioökonomischer Status sein. welche konkreten Indikatoren nun in Österreich zur Anwendung kommen sollen, wird derzeit in einer evaluierungsphase festgestellt. KKa Stichwort »datenbasierte Bildungspolitik«. Führt eine datenbasierte Bildungspolitik nicht letzten endes auch zu einer bildungspolitischen engführung, indem bestimmte Schlüsselkompetenzen nicht entsprechend berücksichtigt werden, da sie nicht messbar sind? FBm sonja H a m m e r s c H m i D es gibt für mich kein entweder-oder. Jene Kompetenzen, die nicht gemessen werden können, etwa soziale Kompetenz, soziale Intelligenz, Kreativität oder Teamwork, dürfen im Bildungsprozess nicht außen vor bleiben. Ich halte sie für zentrale Kompetenzen. Aber wie Sie selbst sagen: Sie sind schwer messbar. Für mich sind Daten, Zahlen und Fakten, die über evaluierungen etwa der oeCD zur m i n i st e r H a m m e r s c H m i D Schools play a key role in this process. i must say that many educators responded brilliantly last year, giving child refugees a foothold, structure, and a feeling of belonging very quickly. i know that the demands placed on schools are enormous, not only from an educational standpoint, but also in terms of supporting and strengthening entire cohorts. The Education Ministry has tried to support this process with the necessary language courses, intensive language groups, and additional staff. Mobile intercultural teams at schools play an important role in this support. These teams consist of psychologists, educators, and social workers who are not only involved with what goes on at school, but also work with parents. i visited one school where i saw how the teams’ interventions can open up a new world to children, who are often traumatised and unable to speak, often simply by using musical instruments or miming. it was impressive to see how pupils can be integrated successfully into a cohort. These measures are funded by integration funds i and ii. K K a in recent press releases, you mentioned »opportunity-indexed allocation of resources« as an important tool for using available resources where they are needed most. m i n i st e r H a m m e r s c H m i D We were recently in Hamburg, where a tool like this has already been in use for some time, and i was able to see for myself how effective approaches like this can be. We are currently trying to develop our own system, which will be based on certain indicators, as is the case in Hamburg, and which will allow us to map out particular challenges at our schools. Examples of indicators include German as a second language, parents’ highest level of education completed, and socioeconomic status. We are currently evaluating which specific indicators should be used in Austria. K K a »data-based education policy« is much talked about these days. Won’t that ultimately lead to policy-forced restrictions because certain key competences that cannot be measured will no longer be adequately covered? KKa magazine S U M M e r 2016 7 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 8 Verfügung gestellt werden, eine wichtige Grundlage. Sie sind Grundaussagen über ein System und dessen Qualität. In der Bildungspolitik benötigt man aber auch das Gespräch mit den Beteiligten, den Pädagoginnen und Pädagogen, den eltern, den Schülerinnen und Schülern, um Dinge abzuholen, die man nicht ursächlich mit Daten erfassen kann. Nehmen Sie das Beispiel der Zentralmatura. Von unterschiedlichen Seiten wurde ich gefragt, warum wir die vorhandenen Daten nicht einfach offenlegen. Ich habe immer wieder gesagt, dies wäre zu kurz gegriffen, weil Daten alleine die rahmenbedingungen nicht abbilden. Sie sind Grundlagen für uns, um mit den Betroffenen an den rahmenbedingungen einer Schule zu arbeiten. Die Daten der oeCD ergeben eine gewisse Daraufschau auf ein System. Die wissenschaftliche Aussage beispielsweise, dass 20 Prozent der Jugendlichen nicht sinnerfassend lesen können, bedeutet etwas für ein System. es gibt schon einen gewissen Blick auf die Qualität und den output eines Bildungsprozesses frei. Aber man kann das nicht alleine so stehen lassen, sondern muss sich immer auch auf den Gesamtkontext beziehen. Der wert von Schlüsselkompetenzen wie soziale Fertigkeiten oder Kreativität ist unbestritten, auch wenn diese nur schwer gemessen werden können. KKa Aber auf der anderen Seite geraten gerade die kreativ-musischen Fächer in der Schule sehr stark unter Druck … FBm sonja H a m m e r s c H m i D Kreativität reduziere ich nicht auf die künstlerischen Fächer. Diese Fächer sind ein ganz wesentlicher Teil des Unterrichts, das ist überhaupt keine Frage. Alles, was mit Kunst zu tun hat, unterstützt und fördert die Kreativität. Aber Kreativität gibt es in allen anderen Disziplinen auch. Nehmen Sie die wissenschaft! es ist kreativ, wenn ein wissenschaftler eine hypothese formuliert, um ein experiment zu beginnen. Das ist ein ursächlich kreativer Prozess, der aus Analyse, weitsicht und einer darauf aufbauenden Annahme gespeist wird. Die erfindung des Mobiltelefons war nicht allein ein technischer Prozess, sondern auch ein höchst kreativer. Aber unbestritten sind Kunst und Kultur ein wichtiger Teil für die entstehung von Kreativität. Als ehemalige Aufsichtsratspräsidentin der Kunsthalle wien war und ist mir Kulturvermittlung ein zentrales Anliegen. Gerade auch wenn Sie daran denken, welch tolle Arbeit die Kunsthalle in der Vermittlungsarbeit mit Migrantinnen und Migranten geleistet hat. Kultur ist naturgemäß ein wesentlicher Bestandteil für kreative Schaffenskraft, und der Kulturvermittlung kommt dabei eine wichtige rolle zu. 8 KKa magazine SUMMer 2016 m i n i st e r H a m m e r s c H m i D i don’t believe it is an eitheror situation. The education process cannot ignore those competences that cannot be measured, such as social skills, social intelligence, creativity, and teamwork. i consider these to be core competences. But as you say, they are difficult to measure. The facts, figures, and data provided by evaluations like those conducted by the oEcd are an important foundation. They serve as basic indicators of a system’s performance and quality. But in education policy, you also need to speak with the stakeholders – educators, parents, and pupils – to find out about things which at their core cannot be measured with data. Take the Zentralmatura, the centralised university entrance exam, for example. i have been asked by different sides why we don’t simply publish the data that is available. i have repeatedly said that this would not be enough because data alone cannot reflect the basic framework. data serves as the foundation when we work on the basic framework at a school together with stakeholders. The oEcd data provides a certain snapshot of a system. The objective fact that 20 per cent of young people cannot read well enough to understand the content, for example, says something about a system. it provides a glimpse of the quality and output of an education process. But you can’t simply use a figure like that without putting it in the overall context. The value of key competences such as social skills and creativity is undisputed, even though these competences may be difficult to measure. K K a on the other hand, considerable pressure is being put on creative subjects like art and music … m i n i st e r H a m m e r s c H m i D i don’t think creativity refers only to the arts. These subjects are an important part of instruction. That is not up for debate. Everything that has to do with the arts supports and promotes creativity. But creativity can be found in all of the other disciplines as well. Take science, for example. When a scientist formulates a hypothesis before beginning an experiment, that’s creative. it is a creative process at its core, fed by analysis and far-sightedness and an assumption that builds on those. The invention of the mobile phone wasn’t just a technical process; it was also a highly creative one. Again, it is undisputed that the arts and culture are an important part of developing creativity. As i am a past president of the Supervisory Board of Kunsthalle Wien, cultural education is a primary concern of mine and will remain so. Particularly when you think of the Kunsthalle’s excellent education work with migrants. culture is by nature an essential component of creative power, and iNT ERViEW KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 9 KKa wichtige Impulse für die global und national geführten Debatten um schulische Bildung sind von der europäischen Union bzw. von internationalen organisationen ausgegangen. wie sehen Sie das Verhältnis zwischen nationaler Bildungspolitik und internationaler Bildungskooperation? FBm sonja H a m m e r s c H m i D es muss ein ganz enges Verhältnis sein! In einer globalisierten welt sind wir kein isolierter Player, sondern agieren mit allen anderen Nationen. es geht um die employability nicht nur der Absolventinnen und Absolventen unserer Universitäten, sondern auch der Schulabgänger. Unsere Absolventen sollen bestmöglich qualifiziert sein, nicht nur für die unterschiedlichsten Sektoren des Arbeitsmarktes, sondern auch für die Gesellschaft. Die herausforderungen sind auf allen ebenen dermaßen groß, dass wir darauf angemessen reagieren müssen. es geht gar nicht anders, wir können das nicht isoliert denken und wollen das auch gar nicht! hier die Impulse aufzunehmen, die von der europäischen Kommission oder der oeCD kommen, halte ich für zentral, damit wir den Anschluss nicht verlieren. Ich habe vor kurzem in Bergen an einer oeCD-Ministertagung teilgenommen. es wurde diskutiert, welche Skills wir in 20 Jahren benötigen werden und wie die Bildung gestaltet werden muss, um diese Skills in 15 oder 20 Jahren am Arbeitsmarkt wiederzufinden. Diese Themen international zu besprechen und von anderen Systemen zu lernen, halte ich für zentral. wir können hier nur gemeinsam im Schulterschluss agieren und uns keine Schrebergärten leisten. Diese Zeit ist längst vorbei. wir können nur alle daran arbeiten, im internationalen Konzert das national beste System zu erzeugen. KKa KulturKontakt Austria ist seit 25 Jahren im Auftrag der jeweiligen Ministerien in den Feldern Bildung, Kunst und Kultur tätig. worin sehen Sie die Bedeutung einer derartigen Institution? FBm sonja H a m m e r s c H m i D ohne Zweifel ist die Unterstützung der Kulturvermittlung an Schulen eine der wichtigen Aufgaben von KKA. Diese ist sehr wichtig, um den Blick zu weiten auf die welt. wenn Künstlerinnen und Künstler in den Unterricht geholt werden, um Themen unter neuen Perspektiven anzusprechen, kann sich das weltbild der Schüler und Schülerinnen verändern. KulturKontakt Austria als Vermittlungsplattform ist ein ganz zentrales und wertgeschätztes Instrument. KKa Vielen Dank für das Gespräch. cultural education plays an important role in that. K K a important drivers of the global and national debates about school education come from the European Union and international organisations. How do you see the relationship between national education policy and international cooperation on education matters? m i n i st e r H a m m e r s c H m i D it needs to be a very close relationship! in a globalised world, we are not an isolated player. We act in concert with all other countries. it’s about employability, and not just for graduates of our universities, but for school leavers as well. our graduates should have the best qualifications possible – for the various sectors of the labour market and for society. The challenges are so great at every level that we need to respond appropriately. That is our only option. We can’t have an isolationist mindset, and we don’t want to! i think picking up the impetus provided by the European commission and oEcd is essential so that we don’t fall by the wayside. i recently attended an oEcd summit in Bergen. We discussed the skills we will need in 20 years and how education needs to be designed so that these skills will be on the job market in 15 or 20 years. discussing these topics at the international level and learning from other systems is crucial. our only option is to act together. We can’t afford to isolate ourselves. Those days are long gone. We need to work together to create the best system in our country by working internationally. K K a KulturKontakt Austria has been active in the education, arts, and culture sphere on behalf of the relevant ministries for 25 years. What makes institutions like ours important? m i n i st e r H a m m e r s c H m i D There is no question that one of KKA’s important tasks is to support cultural education at schools. This is very important for broadening pupils’ view of the world. Bringing artists into the classroom to talk about issues from different perspectives can only change pupils’ world views for the better. As an education platform, KulturKontakt Austria is an essential and valued tool. K K a Thank you for speaking with us. The interview was conducted by Das Gespräch führte GerhArD KowAř KKa magazine S U M M e r 2016 9 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 10 nationaler Bildungsbericht: ergebnisse und rückschlüsse National Report on Education: Findings and conclusions Xue mu mirror tower advertisement, sketch, 2016 [artist in residence 2016] 10 KKa magazine SUMMer 2016 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 11 Das Schulsystem Österreichs zeichnet sich durch eine frühe Trennung der Kinder in unterschiedliche Schultypen sowie durch ein stark ausdifferenziertes (Aus-)Bildungsangebot nach der Pflichtschulzeit aus. Der hohe Stellenwert der zur Matura führenden, berufsbildenden Angebote ist einzigartig. Für die Differenzierung in Allgemeinbildende höhere Schulen (AhS) und Pflichtschulen wird mit unterschiedlichen Leistungen und einer entsprechenden Förderung argumentiert. Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen Schulwahl und den Leistungen am ende der Volksschule nur relativ schwach. Bezeichnend sind die Ungleichheiten zwischen regionen und zwischen Schulen in dünn besiedelten Gebieten. Unterschiede in der häufigkeit des Übertritts von Kindern unterschiedlicher sozialer herkunft in eine AhS erklären sich nur zu 30 Prozent durch Leistungsunterschiede. Sozial geprägte Fremd- und Selbstselektionen bedingen wesentlich die soziale Segregation und somit auch Vorentscheidungen für spätere Abschlüsse. eine bessere objektivierung der Schulwahl könnte diese effekte reduzieren. Bemerkenswerterweise spiegeln Schulwahlunterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund hauptsächlich Leistungsunterschiede wider. Zwar hängt die Ausbildungswahl nach der Pflichtschulzeit von der vorher besuchten Schule ab, allerdings bietet das Angebot der maturaführenden Berufsbildungsgänge viele Möglichkeiten, höhere Abschlüsse zu erlangen. Kaum mehr als die hälfte der Maturantinnen und Maturanten (53 Prozent) hatte die AhS-Unterstufe besucht. Unter den inländischen Studienanfängerinnen und -anfängern im hochschulsektor bilden Absolventinnen und Absolventen der AhS mittlerweile eine Minderheit. Nur an den wissenschaftlichen Universitäten stellen sie knapp die Mehrheit der AnfängerInnen. In der Sekundarstufe 2 kommt es nur zu einer geringen Durchmischung der vorherigen SchülerInnen der AhS bzw. der Pflichtschulen, die soziale Segregation bleibt weitestgehend erhalten. Die wahl nach der Volksschule bestimmt also nicht primär, ob ein höherer Abschluss angestrebt wird, aber stark, welche Abschlüsse. Die vergleichsweise geringe Zahl an SchülerInnen aus den AhS-Unterstufen, die eine berufsbildende höhere Schule anstreben, deutet darauf hin, dass AhS-SchülerInnen die Vielfalt der Möglichkeiten der Bildungswege nicht ausreichend bekannt ist. Jugendlichen, die eine AhS besuchen, könnten bessere Angebote zur Berufsund Bildungsberatung helfen, ihre Neigungen besser kennen und nutzen zu lernen. PRAcT ic E Nationaler Bildungsbericht National Education Report www.bifie.at/nbb Austria’s school system is characterised by early tracking of children into different types of schools and a highly differentiated range of training and education options once pupils complete their compulsory education. The high status of vocational education and training leading to a Matura higher education entrance qualification is unique. differences in performance and appropriate funding are used as arguments for tracking pupils to general secondary schools (AHS) and compulsory schools. in fact, there is only a relatively weak correlation between the choice of school and performance at the end of primary school. inequalities between regions and between schools in sparsely populated areas are significant. difference in performance accounts for only 30 percent of the gap in AHS attendance between children from different social backgrounds. Socially influenced self-selection and selection by others largely determine social segregation and thus early decisions about what degree(s) to pursue later. Making the choice of school more objective could mitigate these effects. Notably, differences in the choice of school among children from an immigrant background and children with Austrian parents primarily reflect differences in performance. Although the choice of post-compulsory education depends on the schools a pupil previously attended, VET courses culminating in a Matura provide many opportunities that lead to more advanced degrees. Just over half of Matura earners (53 percent) attended an AHS during lower grades. Graduates of an AHS are now a minority of native-born students beginning a university education. They make up nearly half of new students only at scientific universities. There is only very little mixing of former pupils of an AHS and of compulsory schools at secondary level 2. The groups remain largely segregated socially. in other words, the choice of which school to attend after primary school does not primarily determine whether a student seeks an advanced degree, but it does have a major influence on what degrees are sought. The relatively low number of pupils from lower AHS grades who aim to attend an advanced vocational school indicates that AHS pupils are not sufficiently aware of the variety of educational opportunities available. Better professional and education advising services could help young people who attend an AHS better get to know their tendencies and how to use them. MIChAeL BrUNeForTh deputy director of the Education Standards & international Assessments department, BiFiE Stv. Leiter des Departments Bildungsstandards & Internationale Assessments, BIFIe KKa magazine S U M M e r 2016 11 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 12 Zugang zur schulbildung in serbien. uniceF in serbien Access to Education in Serbia. UNicEF in Serbia Seit in Serbien ein 2009 verabschiedetes Gesetz die schulische Inklusion vorschreibt, wurde eine ganze reihe von Unterstützungsmaßnahmen für Kinder im Bildungssystem eingeführt. Laut UNICeF sind die herausforderungen, was den Zugang zu und die Teilnahme an Schulbildung betrifft, für Kinder aus gefährdeten Gruppen nach wie vor groß. Der ungleiche Bildungszugang beginnt bereits im Vorschulalter und setzt sich in der Schule fort. In Serbien besucht nur die hälfte aller Kinder im Alter zwischen drei und fünfeinhalb Jahren einen Kindergarten. Unter den ärmsten Kindern (9 Prozent), roma (6 Prozent) und Kindern mit Behinderungen (1,2 Prozent) ist der Prozentsatz noch deutlich geringer. Diese Ungleichheit setzt sich in der Grund- und Sekundarschule fort. Nur 69 Prozent aller roma-Kinder beginnen rechtzeitig mit der Grundschule, und nur 64 Prozent schließen diese auch ab. Im Bevölkerungsdurchschnitt sind es 97 bzw. 93 Prozent. 89 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber nur 22 Prozent der roma-Kinder (15 Prozent der roma-Mädchen) besuchen eine weiterführende Schule, und die Zahl der Kinder aus gefährdeten Gruppen, die eine Sekundarschule abschließen, liegt signifikant unter dem Durchschnitt. Kinder mit Behinderungen erhalten trotz der Bemühungen um soziale Inklusion während ihrer Schullaufbahn nur unzureichende Unterstützung.1 Über Kinder mit Behinderungen außerhalb des Schulsystems stehen keine Informationen zur Verfügung. Laut den vorliegenden Daten führen folgende Gründe, die allesamt mit Armut zu tun haben, dazu, dass Kinder nicht in die Schule eingeschrieben werden oder ihre Schulbildung vorzeitig abbrechen: fehlende persönliche Dokumente, unzureichende Sprachkenntnisse, wohnorte in isolierten ländlichen Gebieten ohne organisierte Schultransporte, Auslandsreisen oder Saisonarbeit, dysfunktionale Familien, Kinderarbeit, frühzeitige eheschließung, Behinderungen, Diskriminierung oder Unwissen über die Bedeutung von Bildung. obwohl seit der einführung der inklusiven Bildung in Serbien viel geschehen ist, weist das System immer noch einige gravierende Probleme auf. So wurde beispielsweise keine Finanzierungsreform unterstützend Serbian legislation passed in 2009 requires education to be inclusive, and a series of support measures for children has been introduced in the education system. According to UNicEF data, however, children from vulnerable groups still face multiple barriers, both in access to and participation in education. inequality in access to education begins with preschool education, and the gap widens in primary and secondary school. only half of children age 3 to 5.5 in Serbia attend preschool. The rate is much lower for the poorest children (9 percent), Roma (6 percent), and children with disabilities (1.2 percent). The same patterns of inequality continue during primary and secondary education. only 69 percent of Roma children begin primary school on time and 64 percent complete primary school, compared to 97 and 93 percent, respectively, for children in the general population. Secondary school attendance is 89 percent for the general population and only 22 percent for Roma children (15 percent for girls), while the completion rate is significantly lower for children from vulnerable groups. children with disabilities have inadequate support throughout their education despite social inclusion efforts.1 There are no data about the children with disabilities outside the education system. According to available data, children do not enrol in school or they leave school early for the following reasons, all of which are linked to poverty: a lack of personal documents, insufficient knowledge of the language, life in isolated rural areas with no organised transport to schools, travelling abroad or seasonal work, living in dysfunctional families, child labour, early marriage, disabilities, discrimination, or unawareness of the importance of education. Even though much has been done since inclusive education was introduced in Serbia, there are still certain issues in the system that remain unresolved. For instance, education funding has not been reformed to support inclusion, teachers lack the skills needed to work in inclusive settings, and pre-services teacher education has not been reformed to support inclusive practices in schools. Moreover, negative social attitudes toward inclusion are prevalent, and scarce resources and insufficient coordination among sectors impede the successful implementation of inclusive education. UNicEF in Serbia works closely with a broad range of partners to help bring about the structural changes that are essential for introducing sustainable policies and practices in quality education and the early learning system for all children. TANJA rANKoVIC Education Specialist, United Nations children’s Fund (UNicEF) Bildungsexpertin von UNICeF (United Nations Children’s Fund) 12 KKa magazine SUMMer 2016 www.unicef.org/serbia PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 13 sinisa radulović 77 questions video still, 7’, 2015 [artist in residence 2015] 1 Multiple indicator cluster Survey – MicS, 2015 zur Inklusion in Angriff genommen, es fehlt den LehrerInnen an den nötigen Fähigkeiten zur Arbeit in einem inklusiven Umfeld, und auch die LehrerInnenausbildung wurde nicht im Sinne inklusiver Praktiken reformiert. Außerdem herrscht in der Gesellschaft weithin eine negative einstellung zum Thema Inklusion vor, und auch die mangelnden ressourcen und unzureichende Koordination zwischen den Sektoren verhindern eine erfolgreiche Umsetzung inklusiver Schulbildung. UNICeF in Serbien bemüht sich in Zusammenarbeit mit Partnern aus unterschiedlichsten organisationen um strukturelle Veränderungen. Diese sind zur einführung einer nachhaltigen Politik und Praxis im Sinne einer hochwertigen Schulbildung und Früherziehung für alle Kinder von entscheidender Bedeutung. KKa magazine S U M M e r 2016 13 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 14 (a)typische Berufszugänge interkulturell betrachtet (A)typical career Access from an intercultural Perspective marge monko new romance i elle magazine, automatic air freshener (Lush Hideaway), fastening straps, 2016 [artist in residence 2016] courtesy of the artist marge monko and ani molnár Gallery, Budapest 14 ner 16 2016] t PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 15 was ist schon typisch Mädchen oder Bursche? welche Vorstellungen und Blicke leiten uns expertinnen und experten im Bildungskontext zum Thema? Als Genderforscherin und Ingenieurin, die seit mehr als 15 Jahren im Feld aktiv ist, denke ich oft über diese Fragen nach, auch um den kleinen erfolgen auf die Spur zu kommen. Ist es woanders anders? Mit großem Interesse habe ich daher meine Nase nach Albanien gesteckt! What is typical for a girl or boy anyway? What ideas and views guide the way we experts think about the topic in the context of education? As a gender researcher and engineer who has been active in the field for over 15 years, i often think about this question to help me achieve even small successes. do people go about it differently elsewhere? i was therefore extremely interested to be able to see what the situation is like in Albania. Gendercheck Österreich – albanien Zwei Gendersensibilisierungsworkshops später, die ich im Dezember 2015 und im April 2016 gehalten habe, sind Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten sichtbar. Mädchen sind eine Minderheit in technischen Schulen, Lehrerinnen in technisch-ingenieurwissenschaftlichen Fächern jedoch nicht: Die unterschiedliche historisch-gesellschaftliche entwicklung der beiden Länder bildet sich auch in den Geschlechterzahlen ab. Nun gilt es, den vergleichsweise hohen Frauenanteil unter den LehrerInnen auch weiterhin zu erhalten. In beiden Ländern sind Frauen überwiegend für hausund Familienarbeit zuständig – sichtbar wurde dies an einkommens- und Arbeitszeitstatistiken aus der eU und Österreich und aus sehr persönlichen Alltagserzählungen der Lehrerinnen. Gender check: austria vs. albania After two gender awareness workshops, which i held in december 2015 and April 2016, i have become aware of differences as well as similarities. Girls are in the minority at technical schools, but female teachers in technical and engineering subjects are not. These gender statistics reflect social developments over time in the two countries. Now the aim is to maintain the relatively high percentage of female teachers. Women are overwhelmingly responsible for household chores in both countries, which is apparent from EU and Austrian statistics on income and working hours and from personal anecdotes told by female teachers about their daily routine. interkulturelle unterschiede Neben Unterschieden aus Gendersicht zeigten sich auch interkulturelle in der Arbeit mit der Gruppe. So wurden bei der Interpretation von Kinderspielen, die Berufe vorstellen, einige nicht erkannt oder anders eingeschätzt als in Österreich. Die Thematisierung von struktureller und körperlicher Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen erfolgte in Tirana sehr offen, was ich aus Genderseminaren in Österreich kaum kenne. Dass Vorstellungen von »der Frau« großen einfluss auf die Ausbildungswahl haben könnten, wurde in Albanien als sehr konservativ eingeschätzt und als großer Druck auf das Aussehen von Frauen empfunden. Voneinander lernen konnten wir, dass Geduld und wertschätzung nötig sind, um Chancengleichheit in der Schul- und Berufswahl zu forcieren. Dazu ist die Professionalisierung der gezielten Ansprache, aber auch eine reflexion der eigenen Geschlechterbilder unbedingt nötig. Die erfahrung aus Österreich, dass Projektförderung auch eine Gefahr darstellt, hat den Blick auf reine Projektfinanzierung und das laufende Projekt geschärft. Projektgeld aus, Projekt zu ende – diesen Fehler kann man in Albanien hoffentlich vermeiden. intercultural differences in addition to gender differences, the workshops also identified intercultural differences. For example, participants were asked to interpret children’s games showing professions, and some professions were not recognised or were interpreted differently than in Austria. Structural and physical violence toward women and girls was addressed very openly in Tirana, which i have rarely experienced at gender seminars in Austria. That ideas about women could have a major influence on the choice of education was considered very conservative in Albania and was thought to put considerable pressure on women’s appearance. We learned from each other that patience and appreciation are needed to promote equal opportunity when it comes to choosing training and professions. it is absolutely essential to professionalise the way the subject is addressed and to reflect on one’s own ideas of gender. Having experienced the risk posed by project support in Austria, i now have a sharper view of pure project financing and the current project. i hope the mistake of projects coming to an end once funding is used up can be avoided in Albania. eLKe SZALAI owner of www.planungundvielfalt.at; lecturer at Alpen-AdriaUniversität Klagenfurt and other institutions Inhaberin von www.planungundvielfalt.at; Lehrbeauftragte u. a. an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt KKa magazine S U M M e r 2016 15 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 16 Zugang zum arbeitsmarkt am Beispiel tourismus in albanien Access to the labour Market Based on the Example of Albanian Tourism Albanien will den Tourismus an seinen Küsten- und Bergregionen forcieren, da der Tourismussektor großes Potenzial hat, die Beschäftigung und das wirtschaftswachstum zu erhöhen und damit einen Beitrag zur reduktion von Arbeitslosigkeit zu leisten. Neben TouristInnen aus der region des westlichen Balkans verzeichnet Albanien eine Steigerung von ausländischen Touristengruppen von 15 bis 25 Prozent pro Jahr. Um das Potenzial dieser Schlüsselbranche zu nützen, wurde die Steigerung der Dienstleistungsqualität im Tourismus als eine entwicklungspriorität definiert. entsprechend ist das Ziel des neuen KKA-Projektes »AL-Tour« gesetzt: Verbesserung der Arbeitsmarktrelevanz der Tourismusausbildung zur Steigerung der Qualität im Tourismusbereich. Das Projekt verfolgt aber auch das Ziel, die soziale Inklusion der Berufsbildungsangebote im Tourismus, in der hotellerie und im Gastgewerbe in Albanien zu steigern, um so die Beschäftigungschancen von benachteiligten Personengruppen zu erhöhen. ein Nadelöhr im Zugang zu Berufsbildung sind in Albanien die SchülerInnenwohnheime. Sie sind in einem sehr schlechten Zustand, sodass eltern aus ländlichen regionen, die es sich leisten können, Privatzimmer für ihre Kinder anmieten. eltern, die sich dies nicht leisten können, zögern, ihre Kinder, besonders Mädchen, in Internate zu geben. Mädchen aus ländlichen regionen wird damit die Chance, eine berufliche Qualifikation zu erlangen, bzw. der Zugang zu weiterer Schulbildung vorenthalten. hier setzt das Projekt »AL-Tour« an. An zwei Modellschulen werden Internate als Lehrhotels genützt werden, wobei an der Verbesserung der Dienstleistungen der Internate gearbeitet werden wird, damit diese ein sicherer ort auch für Mädchen werden. Generell unterstützt das Projekt an allen acht Partnerschulen die entwicklung eines inklusiven Schulklimas. Daneben sind out-reach-Maßnahmen geplant, die den Übergang der AbsolventInnen von der Schule in den Arbeitsmarkt unterstützen. Um das zu erreichen, fördert das Projekt eine enge Kooperation mit der 16 KKa magazine SUMMer 2016 Albania would like to boost tourism in its coastal and mountain regions because the tourism sector has tremendous potential to increase employment and economic growth and thus help reduce unemployment. in addition to tourists from the western Balkans, Albania has seen foreign tourist numbers increase by 15 to 25 per cent per year. it has made improving the quality of services in the tourism sector a priority of development so that it can tap the potential of this crucial industry. KKA has set the goal for its new project, Al Tour, accordingly: to make tourism training more relevant to the labour market in order to improve quality in the tourism sector. The project is also pursuing the aim of increasing social inclusion in VET programmes in tourism and hospitality in Albania to create more employment opportunities for disadvantaged groups. dormitories for pupils present a hurdle to access to VET in Albania. They are in very poor condition, and as a result, parents from rural regions who can afford to rent private rooms for their children usually do so. Parents who cannot afford private rooms hesitate to send their children, especially girls, to boarding school. This deprives girls from rural regions of the opportunity to obtain a professional qualification or to access further schooling. This is where the Al Tour project comes into play. Two model boarding schools are used as teaching hotels, and the project is working on improving services at the boarding schools to make them a safe place for boys and girls alike. The project supports the development of an inclusive school climate at all eight partner schools. in addition, outreach measures are planned to support school graduates’ transition from school to the labour market. The project aims to accomplish this by encouraging close cooperation with the business sector: on the one hand, by developing job profiles and appropriate curricula and on the other hand, by using companies as places for learning by expanding and improving the quality of internships. PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 17 Lada nakonechna Facade restoration photography, drawing, 2015 [artist in residence 2015] wirtschaft: zum einen mit der entwicklung von Berufsprofilen und entsprechenden Curricula, zum anderen mit der Nutzung von Betrieben als Lernorten durch den Ausbau und die Verbesserung der Qualität von betrieblichen Praktika. An jeder der Tourismusschulen soll ein/e PraktikumskoordinatorIn als Schnittstelle zwischen Schule und den Betrieben etabliert werden. Zu den direkten Projektbegünstigten zählen acht Tourismusschulen, zwei Internate und zwei erwachsenenbildungszentren sowie die Nationale Agentur für Berufsbildung und Qualifikationen. »AL-Tour« wird in enger Kooperation mit den relevanten staatlichen Stellen, vorrangig dem albanischen Ministerium für Soziale wohlfahrt und Jugend, der Nationalen Agentur für Berufsbildung und Qualifikationen, dem nationalen Arbeitsmarktservice und zwei Munizipalitäten, sowie mit relevanten VertreterInnen aus der Tourismuswirtschaft, Sozialpartnern und Betrieben umgesetzt werden. »AL-Tour« wird von der Österreichischen entwicklungszusammenarbeit (ADA) finanziert und von KKA umgesetzt. Projektbeginn ist voraussichtlich September 2016. The goal is to have an internship coordinator at each of the tourism schools to serve as the interface between the school and companies. The immediate beneficiaries of the project include eight tourism schools, two boarding schools, two adult education centres, and the National Agency for Vocational Education Training and Qualification. Al Tour is being implemented in close cooperation with the relevant government authorities, primarily the Albanian Ministry of Social Welfare and Youth; the National Agency for Vocational Education Training and Qualification; the national employment service; two municipalities; and representatives from the tourism industry, social partners, and companies. Al Tour is funded by the Austrian development Agency (AdA) and implemented by KKA. The project is scheduled to begin in September 2016. UrSULA hILMAr Head of Strategy + communications at KKA Leiterin des KKA-Stabsbereiches Strategie + Kommunikation www.kulturkontakt.or.at/educoop KKa magazine S U M M e r 2016 17 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 18 inklusion ist in moldau programm A Policy of inclusion in Moldova Chancengerechter Zugang zu Bildung für jedes Kind ist auch in Moldau oberstes Ziel der Bildungspolitik. Auf Basis des Programms für inklusive Bildung 2011 – 2020 wurden dazu neue Strukturen geschaffen. amor muñoz rhythmic manufacture performance at 21er Haus vienna, 2015 [artist in residence 2015] 18 KKa magazine SUMMer 2016 Ensuring every child has equal access to education is a top priority of education policy in Moldova. Two new structures have been created based on the 2011– 2020 programme for inclusive education. PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 19 KKa engagiert sich seit 2007 »KKA ist einer unserer treusten Partner im Bereich Inklusion«, bestätigt Mariana Budan. »Viele von uns sind nur dank KKA fachlich auf dem Niveau, auf dem wir heute sind.« Mariana Budan leitet eine der 35 psychosozialen Servicestellen, die seit 2013 – koordiniert vom Nationalen Zentrum für Psychosoziale Assistenz (CrAP) – in allen Bezirken des Landes die schulische Inklusion fördern. In den kommenden zwei Jahren wird KulturKontakt Austria CrAP dabei unterstützen, die für Schulen und Lehrpersonen angebotenen Beratungsleistungen weiter zu verbessern. Die weiterbildung der MitarbeiterInnen in den Servicestellen ist Virginia rusnac, der Leiterin von CrAP, ein großes Anliegen. »Unser Bildungssystem ist noch nicht in der Lage, die Inklusion aller Kinder zu gewährleisten«, räumt Virginia rusnac ein. »Das Netzwerk an Servicestellen konzentriert sich momentan darauf, die Bildungsqualität für seh- und hörbehinderte sowie schwerstbehinderte Kinder entsprechend ihren Bedürfnissen sicherzustellen. Das bleibt eine herausforderung.« Genau in diesen Bereichen setzt KKA derzeit einen Schwerpunkt. Österreich und moldau lernen voneinander »Der Prozess der Inklusion ist sehr komplex«, fasst Virginia rusnac zusammen. »Die realitäten, denen sich Bildungsinstitutionen anpassen müssen, sind im ständigen wandel begriffen, die Vielzahl von Situationen, mit denen PädagogInnen täglich konfrontiert sind, erfordert wissen über alle Aspekte, die Lernprozesse beeinflussen können.« es gilt, Ängste zu überwinden, Schulen und eltern bestmöglich vorzubereiten. Moldau steht damit im Bereich Inklusion vor vergleichbaren herausforderungen wie Österreich, was den erfahrungsaustausch so besonders wertvoll macht. Auch die expertInnen und PraktikerInnen aus Österreich profitieren und verlassen Moldau meist sehr beeindruckt davon, wie viel man trotz weniger ressourcen und teils schwieriger Umstände mit engagement bewegen kann. Auch Virginia rusnac ist zuversichtlich: »Die Professionalisierung der Servicestellen, klare Mechanismen zur frühestmöglichen Feststellung des Förderbedarfs, die methodische Unterstützung aller Bildungseinrichtungen sowie die Sensibilisierung der eltern werden den Bildungszugang und Chancengerechtigkeit erhöhen und durch die Individualisierung des Bildungsprozesses Qualität und relevanz sicherstellen.« KKa involved since 2007 »KKA is one of our must loyal partners when it comes to inclusion,« says Mariana Budan. »Many of us owe our current level of expertise to KKA alone.« Mariana Budan has headed one of the 35 psychosocial service centres that are coordinated by the Moldovan centre for PsychoPedagogical Assistance and that have promoted social inclusion in all districts of the country since 2013. over the next two years, KulturKontakt Austria will help the centre further improve advising services offered to schools and instructors. Providing the service centre’s employees with continuing education is an important priority for Virginia Rusnac, the centre’s director. »our education system is not yet able to ensure that all children are included,« Rusnac says. »The network of service centres is currently focusing on ensuring quality education for visually impaired, hearing impaired, and disabled children consistent with their needs. That is still a challenge.« These are precisely the areas that KKA is focusing on. austria and moldova, learning from each other »The inclusion process is very complex,« says Rusnac. »The realities that educational institutions have to adapt to are constantly changing, and the sheer number of situations that educators have to face each day mean that educators have to know about all of the aspects that can influence learning processes.« Fears have to be overcome, and schools and parents need to prepare as best as possible. When it comes to inclusion, Moldova faces similar challenges to Austria, which is what makes the exchange of experience so valuable. Austrian experts and practitioners benefit, too, and usually leave Moldova impressed by how much can be accomplished through dedication, despite fewer resources and in some cases difficult circumstances. Rusnac is also confident: »Professionalising the service centres, having clear mechanisms in place to identify needs as early as possible, providing methodological support to all educational institutions, and raising awareness among parents will increase access to education and equal opportunity, and personalising the education process will ensure quality and relevance.« NADJA VeT TerS Educational coordinator for Moldova Beauftragte für Bildungskooperation Moldau www.kulturkontakt.or.at/moldau KKa magazine S U M M e r 2016 19 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 20 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 21 aus dem Lehrlingsprojekt »Gestrandet« ausstellung in den Büchereien wien From the »Gestrandet« apprentice project exhibition at vienna's libraries KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 22 Lebenswelten von jugendlichen Young People’s World Views KKA iM GESPRäcH mit Birte Brudermann (Künstlerin, Kulturvermittlerin) über ihre erfahrungen in der Zusammenarbeit mit jugendlichen verschiedener Herkunft und aus dem Lehrlingsprojekt »Gestrandet«. KKa spoke with Birte Brudermann, an artist and cultural educator, about her experience working with young people of different origins and with the »Gestrandet« project for apprentices. 1 Das Lehrlingsprojekt »Gestrandet« ist eine Kooperation von KulturKontakt Austria, den Büchereien wien und den wiener Festwochen und wird im herbst 2016 nochmals bei der Ars electronica Linz, im Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz und im wUK wien gezeigt. The »Gestrandet« apprentice project is a cooperation between KulturKontakt Austria, Vienna’s libraries, and the Wiener Festwochen and will be exhibited again in autumn 2016 at Ars Electronica in linz, Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz, and WUK in Vienna. 22 KKa magazine SUMMer 2016 K K a Sie entwickeln seit 1995 Projekte mit Jugendlichen. welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten können Sie in der Arbeit mit Lehrlingen mit und ohne Migrationshintergrund und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) feststellen? Birte BruDermann Bei den Jugendlichen, die in Österreich in gewisser weise eine etablierte existenz haben, steht ein Begriff ganz groß geschrieben: Sicherheit. hier geht es um einen teils fast abstrakten Sicherheitswunsch, verbunden etwa mit der Angst vor »der eU« oder der großen Skepsis gegenüber »den Medien«. Bei den – fast vorwiegend männlichen – Flüchtlingen standen beim Projekt »Gestrandet« die beiden existenziellen Säulen im Vordergrund: das pure Leben und der Tod. religion war in sämtlichen Gesprächsrunden mit den Flüchtlingen das beherrschende Thema. Das verbindet sie mit Lehrlingen mit Migrationshintergrund. haltungen in Bezug auf religion spielen vorrangig bei muslimischen Jugendlichen eine rolle. Das mag damit zusammenhängen, dass religion bei ihnen Teil der Alltagshandlungen ist. Die haltung zu Sexualität ist ebenfalls unterschiedlich. Beziehungen oder Geschlechterrollen werden von den Lehrlingen nicht vorrangig thematisiert. Das Thema »Geschlechterrollen« wurde aber oftmals von Flüchtlingen aufgeworfen: Sie sprachen ihre Skepsis betreffend europäischer Frauen aus, weil diese – wie sie sagten – unverbindliche, wechselnde Beziehungen führen würden und daher abzulehnen seien. Andererseits wissen sie, dass sie eine Frau möchten – aus gesellschaftlichen Gründen und aus körperlichem Verlangen. Aus solch einem unerfüllten Begehren kann Angst sowie Aggression entstehen. K K A You have been developing projects with young people since 1995. What differences and similarities have you noticed through your work with apprentices from an immigrant family, apprentices from Austrian families, and unaccompanied refugee minors? BIrTe BrUDerMANN Safety is the biggest concern for young people who have established an existence in Austria in some way. By »safety«, i mean in some cases an almost abstract desire for safety coupled with a fear of »the EU« or considerable scepticism of »the media«, for example. Two existential pillars came to the fore in the »Gestrandet« project (»gestrandet« means »stranded« in German) among refugees, almost all of whom are male: pure life and death. Religion was the dominant theme in all of the discussions with refugees. That is something they have in common with apprentices from an immigrant background. Attitudes toward religion play a role primarily among young Muslims. This may be because religion is part of their daily lives. Attitudes about sexuality also differ. Relationships and gender roles are not addressed as a priority by apprentices. Gender roles, as a topic, were often brought up by refugees. They expressed their scepticism of European women because, according to the refugees, European women move from one casual relationship to the next, which is something the refugees do not approve of. However, they know that they would like a partner – for societal reasons and for physical reasons. Unfulfilled desires such as these can result in fear and aggression. Religious aspects, such as the belief that women must abstain from sex until marriage, are also important for young people from an immigrant background. iNT ERViEW KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 23 Auch unter den Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind religiöse Komponenten wichtig, etwa, dass eine Frau unbedingt jungfräulich in die ehe gehen sollte. Die stärksten Unterschiede zwischen allen Jugendlichen sind meiner Meinung nach weder kulturell noch geografisch, sondern religiös bedingt. Letztlich durchleben sie alle ähnliche Freuden und herausforderungen. in my opinion, the greatest differences among all of the young people are neither cultural nor geographic, but are determined by religion. Ultimately they all experience similar joys and challenges. KKa welche Potenziale sehen Sie in den Arbeitsweisen der kulturellen Bildung generell für den Themenbereich »Integration – Zusammenleben«? Birte BruDermann Kulturelle Bildung kann zur Stärkung des Individuums und der Gemeinschaft beitragen. In der Zusammenarbeit in der Gruppe werden hierarchien aufgebrochen, und jede Aufgabe, so klein sie im Projekt auch scheinen mag, ist gleichwertig und wichtig. wir KulturvermittlerInnen sind keine Lehrkräfte, die eine Leistung bewerten. Das Projekt und sein ergebnis stehen außerhalb des schulischen und beruflichen wettbewerbes. Das gemeinsame künstlerische Arbeiten ist für mich die schönste und effektivste Art einer Annäherung und eines Abbauens von Vorurteilen. Grenzen sehe ich dort, wo die Bereitschaft für den Dialog nicht zu bestehen scheint, weil (Vor-)Urteile bereits verhärtet sind und in extreme – sei es in politische oder religiöse Ideologien – ausarten. Dennoch glaube ich, dass auch dann noch ein Dialog möglich ist – er muss durch Bildungseinrichtungen ermöglicht werden, indem mit umso größerem einsatz raum und Zeitressourcen zur Verfügung gestellt werden. strengthening the individual and the community. Working together as a group breaks down hierarchies, and every project task, no matter how small it may seem, is equal and important. We cultural educators are not teachers who evaluate performance. The project and its outcome are separate from school and professional competition. For me, collaborating on art projects is the most beautiful and effective way of getting to know one another and breaking down prejudices. We come up against roadblocks when participants seem unwilling to participate in the dialogue because judgements and stereotypes are already entrenched and degenerate into extremes, whether political or religious ideologies. i still believe that dialogue is possible in such cases, but educational institutions need to enable it by being even more committed to providing space and time. KKa was fiel Ihnen auf durch den Arbeitsprozess zur Ausstellung »Gestrandet«1? Birte BruDermann Quer durch die kulturellen Gruppen, die wir befragten, kam zum Beispiel das Thema »Gewalt in der Familie« zur Sprache, ohne dass es von uns so geplant gewesen wäre. Das Projekt machte uns bewusst, wie sehr das Private mit dem Politischen verbunden ist und wie innerfamiliäre Konflikte den Bogen zu politischen (und politisch-religiösen) Tendenzen und Aktionen spannen. KKa wieso die Verbindung GeisteswissenschaftlerInnen und Lehrlinge? Birte BruDermann »Gestrandet« entstand durch den wunsch, die Sprache der GeisteswissenschaftlerInnen mit der Sprache der Lehrlinge in Verbindung zu bringen. Außerhalb des geschlossenen akademischen raumes werden gemeinsam Gesellschaftsstrukturen erkannt, analysiert und Visionen entworfen. Denn: Lehrlinge sind junge Menschen, die wirtschaftlich und politisch schon mitten in der Gesellschaft stehen und mitbestimmen, wohin die Gesellschaft sich entwickelt. K K A What potential do you see in the workings of cultural education in general for integration and coexistence? BIrTe BrUDerMANN cultural education can play a role in K K A What did the process of working on the exhibit reveal to you1? BIrTe BrUDerMANN domestic violence, for example, was one topic that came up in every cultural group we asked, and we hadn’t planned on that. The project made us aware how connected home life is to political life and how family conflicts connect to political (and politico-religious) tendencies and actions. K K A Why the connection between humanities scholars and apprentices? BIrTe BrUDerMANN »Gestrandet” grew out of a desire to connect the language of humanities scholars and the language of apprentices. Social structures are identified and analysed and visions are developed together and outside of the closed academic sphere. After all, apprentices are young people who are already in the midst of society, both in terms of economics and politics, and help determine where society is headed. K K A Thank you for speaking with us. The interview was conducted by Das Gespräch führte UrSULA hILMAr http://oe1.orf.at/artikel/439337 KKa Vielen Dank für das Gespräch. KKa magazine S U M M e r 2016 23 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 24 Kultur(en)vermittlung ohne Grenzen? No limits to cultural Education? Fu Bin two weeks collage, 2016 [artist in residence 2016] 24 KKa magazine SUMMer 2016 16] PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 25 »Kultur macht stark«, »Kultur öffnet welten«: Unsere deutschen Nachbarn scheuen nicht vor aussagekräftigen Slogans zurück, wenn sie kultur(en)vermittelnde Projektinitiativen setzen. Das weckt erwartungshaltungen. Aber bestehen sie den Praxistest? Kulturvermittlung kann ein Katalysator sein, um Menschen in Kommunikation zu bringen. Das steht außer Frage und ist gerade in Zeiten dynamischer Fluchtbewegungen wichtig. Grenzen stehen aber auch hier zur Diskussion. Das zeigen erfahrungen bei KKA, etwa im rahmen von »Programm K3 – Kulturvermittlung mit Lehrlingen«. In diesen Projekten haben sich Lehrlinge zuletzt vermehrt mit neu zugewanderten Jugendlichen (durch Kunst) ausgetauscht, haben gemeinsam bildnerisch gestaltet und in moderierten Prozessen reflektiert. Kulturell geprägte Unterschiedlichkeiten wurden spürbar. wie die Praxiseinblicke im Interview auf den Seiten 22/23 zeigen, gleichen die Themen der Auseinandersetzungen jenen von Kulturvermittlungsprojekten allgemein: Sie kreisen um die rollen der Geschlechter in unserer Gesellschaft, um alt und jung oder um haltungen in Bezug auf religion oder Sexualität. Unterschiede in herkunft und sozialer Schicht wie zwischen städtischem und ländlichem Leben formen den Umgang damit. Verschiedenste Dimensionen der Vielfalt sind angesprochen, dementsprechend diversitätssensible Settings kultureller Bildung gefragt. Diese bieten die Chance eines respektvollen Verhandelns zwischen den unterschiedlichen Positionen oder Prägungen. raum für soziale Integration wird geschaffen. Die aufnehmende Gesellschaft wiederum kann profitieren, indem sie im »VoneinanderLernen« die eigene kulturelle Praxis bereichert. ist Kulturvermittlung also ein mittel zur integration, ja inklusion? Damit sind wir bei der Frage nach den Grenzen des Möglichen angelangt. Im »Programm K3« hat sich gezeigt, dass die professionellen und methodischen Grenzen der Kulturvermittlung immer klar gezogen werden müssen: auf einer persönlichen ebene hin zur Kunsttherapie, auf der gesellschaftlichen ebene hin zur Sozialarbeit. Beides kann und soll Kulturvermittlung nicht leisten. Diese Grenzlinien bestehen natürlich noch viel mehr im Zusammenhang mit Inklusion im Kontext von Migration. hier sind Leistungen gefragt, die gesamtgesellschaftlich und damit politisch strukturiert angeboten werden müssten. Kulturvermittlung kann ergänzend gute Kristallisationspunkte für Diskurs, kulturellen Austausch und somit eine Basis für gesellschaftliche Teilhabe bieten. »culture makes us strong«, »culture opens up new worlds«: our German neighbours aren’t afraid of using such powerful slogans when they launch cultural education projects. They create high expectations. But do they pass the test in practice? There is no question that cultural education can be a catalyst for communication among people, and this is important particularly in times of dynamic refugee movements. But limits also need to be discussed. That has been the experience of KKA, for example in its K3 – cultural Education with Apprentices programme. These projects have recently given apprentices a forum for sharing their views (through art) with young new arrivals in Austria. They created art together and reflected on the experience in facilitator-led processes. The cultural differences were noticeable. As the insights into the practical aspects in the interview on pages 22 –23 show, the topics brought up in discussions are similar to those brought up in cultural education projects in general. They cover gender roles in our society, old and young, and attitudes about religion and sex. differences in origin and class and differences between city and rural life inform the way participants deal with these issues. A wide variety of dimensions of diversity are brought up, which means that cultural education settings that are sensitive to diversity are needed. Settings like these enable respectful debates of different positions and influences. Space for social integration is created. in turn, the host society can benefit by learning from others to enrich its own cultural practise. so is cultural education a tool for integration, or even inclusion? This is where we reach the limits of what is possible. The K3 programme has shown that the professional and methodological lines of cultural education need to be clearly drawn: from the personal level to art therapy, from the social level to social work. Neither of these is something that cultural education can, or should, do. These limits are, of course, even more clear in conjunction with inclusion in the context of migration. We need solutions that will have to be offered to society as a whole, and thus offered through the structure of policy. cultural education can serve as a supplement, offering good focal points for discourse, cultural exchange and thus a basis for participation in society. roMAN SChANNer Project manager for the K3 programme projektleiter »programm K3« www.kulturkontakt.or.at/K3 KKa magazine S U M M e r 2016 25 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 26 Fokus Flucht Focus on Flight Hyemin parK i believe i can fly performance, 2009 [artist in residence 2016] 26 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 27 wie kann gesellschaftlicher Zusammenhalt in einer pluralistischen Gesellschaft gefördert und gestaltet werden? Aktivitäten der kulturellen Bildung mit geflüchteten, zugewanderten und schon länger hier lebenden Kindern und Jugendlichen bieten – innerhalb und außerhalb der Schule – Möglichkeiten dazu. Um sich über die Potenziale kultureller Bildung zur Gestaltung von Schule und Gesellschaft auszutauschen, lud KulturKontakt Austria im April 2016 zu einem Vernetzungstreffen »Fokus Flucht – Kulturelle Bildung und Schule in der Migrationsgesellschaft«. rund 60 PädagogInnen, KünstlerInnen, KulturvermittlerInnen sowie VertreterInnen von Sozialeinrichtungen und des Bildungsministeriums nahmen daran teil. Barbara Meyer (Internationales JugendKunst- und Kulturhaus »Schlesische 27« in Berlin-Kreuzberg) stellte in ihrem Impulsvortrag verschiedene Projekte vor, die die Selbstwirksamkeit von geflüchteten Menschen ins Zentrum stellen und neue Vorstellungen von Gemeinschaft erzeugen. Kulturelle Teilhabe ist dabei immer im Kontext der strukturellen Teilhabe – wie Zugang zu Bildung oder zum wohnungs- und Arbeitsmarkt – zu diskutieren. In der Diskussion zeigte sich, dass viele AkteurInnen bereits neue Kooperationsmodelle erproben, die über ihre eigenen Kompetenzbereiche hinausweisen: Kultureinrichtungen arbeiten mit organisationen der Flüchtlingsbetreuung zusammen, LehrerInnen der »Neu in wien«-Klassen1 initiieren Kooperationen mit KünstlerInnen. Die Zusammenarbeit von diesen organisationen und AkteurInnen mit geflüchteten Menschen verändert auch das jeweilige Selbstverständnis. Viele Kunst- und KulturvermittlerInnen berichteten, dass nach einer ersten Phase des erprobens mit neuen Angeboten für geflüchtete Menschen nun die Phase der Selbstreflexion und Positionierung ihrer organisation kommt: Verstehen sich Kultureinrichtungen auch als Teil der Zivilgesellschaft mit einer gesellschaftlichen Verantwortung? was bedeutet das für ihr Profil, ihre Angebote und Arbeitsweisen? In der direkten Zusammenarbeit von Schulen und Kulturschaffenden wurde oftmals auf die Potenziale der Beschäftigung mit Kunst und Kultur hingewiesen, um verschiedene Kinder und Jugendliche anzusprechen und den Aufbau eines gemeinsamen sozialen Gefüges zu fördern. Gerade beim Thema »Deutsch lernen« zeigten sich zahlreiche Möglichkeiten zum spielerischen Umgang mit der neuen Sprache, aber auch wege zum Kennenlernen und Kontaktaufbau jenseits von gesprochener oder geschriebener Sprache. PRAcT ic E 1 »Neu in wien«-Klassen: Sie werden eröffnet, wenn eine Beschulung der Kinder in regelklassen nicht möglich ist. Der inhaltliche Fokus liegt unter anderem auf der Alphabetisierung und dem erwerb der Bildungssprache Deutsch. »New to Vienna« classes are made available to children who cannot attend regular classes. content focuses on literacy and learning German, the language of instruction. How can social cohesion be fostered and shaped in a pluralistic society? cultural education activities with young refugees, young immigrants, and children and young people who have lived here for some time provide an opportunity, both at school and outside the school context. KulturKontakt Austria invited participants to a networking event in April 2016 entitled »Focus on Flight – cultural Education and School in a Migration Society« to share ideas about cultural education’s potential to shape school and society. Some 60 educators, artists, cultural educators, and representatives from social institutions and the Ministry of Education attended. Barbara Meyer (from Schlesische 27, an international art and culture lab in Berlin’s Kreuzberg district) gave the keynote address and presented different projects that focus on the self-efficacy of refugees and generate new ideas of community. cultural participation must always be discussed in the context of structural participation – for example access to education and the housing and labour markets. it became clear through the discussion that many players are already trying out new cooperation models that extend beyond their areas of expertise. cultural institutions are working with refugee support organisations, and teachers of »New to Vienna« classes1 are initiating partnerships with artists. collaboration between these organisations and players and refugees are also changing self-images. Many cultural educators reported that an initial phase of trying out new services and programmes for refugees has led organisations to a new phase of self-reflection and search for their place. do cultural institutions see themselves as part of civil society with social responsibility? What does that mean for their profile, the services and programmes they offer, and the way they work? direct collaboration between schools and cultural professionals often highlighted the potential of engaging with art and culture to reach different children and young people and to promote the establishment of a common social fabric. in particular when it comes to learning German, a number of opportunities arose to deal with the new language in a playful way, as well as ways to get to know one another and establish contacts outside of the spoken or written word. ULrIKe GIeSSNer-BoGNer Head of the cultural Education with Schools department at KKA Leiterin des KKA-Programmbereiches Kulturvermittlung www.kulturkontakt.or.at/spoton KKa magazine S U M M e r 2016 27 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 28 Ökologie der Begegnung The Ecology of Encounter wir bringen alles mit, was wir brauchen, um Gemeinschaften zu bilden und Gesellschaft zu gestalten. ein ästhetisches Großprojekt steht an! Künstlerinnen und Künstler, das ist eine gute Nachricht: Ihr seid wichtige Impulsgeber, Anzettler, und die Menschen machen mit, sind voll der eigenen Bilder. Die ressourcen stecken in uns allen, ob einheimisch, zugewandert, geflüchtet, umgesiedelt. Der französische Pädagoge André Stern hat diese initiative Kraft vor allem am Kind beobachtet und sie in seiner Theorie von der »Ökologie der Kindheit« beschrieben. es ist alles da, was wir brauchen, für unsere Bildung, Kultur, Transkultur, das ist die frohe Botschaft. Lasst uns also nicht gegenseitig einander einreden, dass Zuwanderung ausbeuterisch sei und Integration bloß ein teurer Kraftakt auf dem Buckel von Steuerzahlern. ein kreativer Imperativ liegt in der Luft: Carpe diem! Menschen aus aller welt treffen ein in unseren Städten, in unseren Kommunen, es könnte so richtig losgehen mit der Kunst, unser gewachsenes Gemeinwesen in die werkstatt zu holen und die alten Formen zu prüfen, morsche Stellen abzutragen, Farben, Klänge, neue Perspektiven auszuprobieren: ein Upcycling für demokratische Anlagen, die in den klassischen politischen räumen eingerostet sind. Beuys hätte seine wahre Freude an der weiterentwicklung seiner Sozialen Plastik! Künstlerische Interventionen sind performative und bildhafte Vorboten, entwürfe für gemeinsame Terrains, auf denen experimentiert und auch gestritten werden kann. wie wollen wir leben? wie gestalten wir Zukunft? Die Vorgabe ist, dass etablierte Kultureinrichtungen, Vereine, Initiativen, Atelierhäuser, Produktionskollektive, aber auch Schulen, Universitäten und andere öffentliche Träger unkompliziert raum zur Verfügung stellen, damit Kunstschaffende aus Geflüchteten- und exilkreisen selbst Programme gestalten können. Sich ausprobieren ohne große administrative hürden, das macht Mut für einladungen und Begegnungen und verdreht eine ausrangierte Zielgruppenlogik. Geflüchtete sind Produzenten und Co-Produzenten, nicht bloße Teil-Nehmer, Diebe gar, wie sie die rechte gerne deklariert. Die kulturelle Bildung erweitert im Kontext der vielfältigen Integrationsprozesse ihren Fokus auf ein Maximum und meint ganz einfach Volks-Bildung, kreatives werden und wachsen einer riesigen Skulptur, Co-Autorenschaft, weil wir alle in dem unübersichtlichen Veränderungsprozess unseres Gemeinwesens Aktive sind, mal einen witz reißen und ab und zu nach Luft schnappen müssen. Das sei allen gegönnt! 28 KKa magazine SUMMer 2016 We have everything we need to create communities and shape society. A major aesthetic project is in the works! And that’s good news for artists: you are important pace setters and instigators, and people participate and are full of their own ideas. Each of us – locals, immigrants, refugees, the resettled – have the necessary resources. The French educator André Stern has observed this initiative most notably in children and describes it in his theory of the »ecology of childhood«. Everything we need for our education, culture, and transculture is there. That’s the positive message of his theory. So let’s not talk each other into believing that immigration is exploitative and integration is nothing more than an expensive burden on taxpayers. A creative imperative is in the air: carpe diem! People from around the world are arriving in our cities, our communities. That means we could really get busy creating art. We could bring our growing community into the studio, re-examine old forms, remove the decaying bits, and try out colours, sounds, and new perspectives, upcycling democratic systems that have become rusted stuck in traditional political spheres. Beuys would have found true joy in advancing his social sculpture! Artistic interventions are performative and vivid harbingers, blueprints for common ground for experimentation and controversy alike. How do we want to live? How will we shape the future? Established cultural institutions, clubs, initiatives, artist residences, production collectives as well as schools, universities, and other public institutions have to provide uncomplicated access to space so that refugee and exiled artists can design their own programmes. Being able to experiment without major administrative hurdles builds courage for invitations and encounters and distorts an unusable target group logic. Refugees are producers and co-producers, not merely participants, or even thieves, as the right likes to declare. cultural education in the context of diverse integration processes is expanding its focus to the maximum. it simply means education of the people, the creative becoming and growth of a giant sculpture, co-authorship. Because all of us are active players in the confusing change process of our community. All of us need to crack a joke and get some air now and again. That’s something all of us are entitled to! BArBArA Meyer Managing director and Artistic director of Schlesische27 international youth and cultural centre, Berlin Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin, Internationales JugendKunst- und Kulturhaus Schlesische27, Berlin www.schlesische27.de PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 29 meggy rustamova L’invitation au voyage photography, video, 2014 [artist in residence 2016] Video Keynote SPoT oN 7 »Fokus Flucht« http://bit.ly/1XMaNMr (Video is available in German) KKa magazine S U M M e r 2016 29 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 30 Kultur schafft vielfalt – vielfalt schafft Kultur, und schule ist Kultur und vielfalt culture creates diversity – diversity creates culture, and School is culture and diversity marcus neustetter tHe LiGHt performance at wam (wits art museum) johannesburg, south africa, 2016 [artist in residence 2016] 30 KKa magazine SUMMer 2016 d iSc o URSE KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 31 Das sind die ersten Gedanken bei der Frage nach dem Mehrwert von kultureller Bildung in der Schule in Bezug auf Integration von Kindern nach der Flucht. was Flüchtlingskinder nach der in jedem Fall psychisch und physisch anstrengenden Zeit der Flucht am allermeisten brauchen, ist Normalität. Nach vielfach wochenlanger, oft monatelanger und manchmal auch jahrelanger Abwesenheit von »normalem, ganz gewöhnlichem Alltag« ist das eintauchen in die welt der Schule die erste Normalität, die Flüchtlingskinder erleben. An einem ort zu sein, wo alle zuallererst eines sind: Schüler oder Schülerin. Beim Ankommen in der Schule spielt kulturelle Bildung zum ersten Mal eine essenzielle rolle. Denn gemeinsame künstlerische Arbeit gibt den SchülerInnen das Gefühl von Zusammengehören und Gemeinschaft. Und das alles vielfach ganz ohne Sprache. Vielfach durch Musik, manchmal auch durch Stille, einmal durch Sehen und das nächste Mal durch rhythmik und Bewegung. Jedenfalls durch Begegnung mit Kultur und das erleben von gemeinsam geschaffener künstlerischer Arbeit in einem geschützten rahmen. Kunst und künstlerischer Ausdruck bieten auch von Fluchterlebnissen traumatisierten Kindern und ihren MitschülerInnen vielfach die Möglichkeit, sich einzubringen und auszudrücken. Das bedarf natürlich besonderer Sensibilität und erfahrung der mit den Kindern arbeitenden KünstlerInnen und LehrerInnen. Aber auch nach der Phase des Ankommens, in der manchmal schwierigen und fordernden Zeit des Lernens und Integrierens im schulischen Alltag bietet kulturelle Bildung einen großen Mehrwert für alle an der Schule beteiligten SchülerInnen, LehrerInnen und eltern. Sie ermöglicht Formen der wechselseitigen Teilhabe an kultureller Aktivität und Aspekten des Zusammenlebens, die im schulischen Alltag wenig bis oft gar keinen Platz haben. Vorurteilsloses, weil interessiertes Kennenlernen von anderem, neuem kulturellem Ausdruck und kulturellen Traditionen ist die Basis für gelungenes Zusammenleben und erfolgte Integration. wohlgemerkt, erfolgte und nicht einseitig wertend »erfolgreiche« Integration. Und all das braucht Unterstützung, die die Schule bekommen muss und soll. eine wichtige Schnittstelle dabei ist jene zwischen kultureller und politischer Bildung. Am allerwichtigsten aber ist die Überzeugung, dass das Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheiten in der realität der Migrationsgesellschaft eine gemeinsame Verantwortung und wechselseitige Bereicherung ist. In und außerhalb der Schule. These were my first thoughts when asked about the value of cultural education in school as it relates to integrating children who have had to flee their home country. What child refugees need most of all, after the mentally and physically trying period of escape, is normalcy. After weeks, months, or even years of absence from »normal everyday life«, being immersed in the school environment is the first normal experience child refugees have. Being in a place where everyone is first and foremost one thing: a pupil. When children arrive at school, this is the first time that cultural education has played a key role. Working on art projects with others gives pupils the feeling of belonging and community, often without relying on language at all. often through music, sometimes silence. once through seeing, the next time through rhythm and movement. in all cases through encounters with culture and the experience of art created together in a protected setting. The arts and artistic expression frequently give children who have been traumatised by their experiences fleeing their home as well as their fellow pupils the chance to contribute and express themselves. of course that requires artists and teachers who work with children to be especially sensitive and to have special experience. Even after the initial arrival phase, cultural education is extremely valuable for all pupils, teachers, and parents involved in the school during the phase of learning and integration into school life, which can be difficult and challenging at times. it enables forms of mutual participation in cultural activities and aspects of coexistence that rarely have a place in school life, if at all. Getting to know one another, new cultural expression, and cultural traditions without prejudice – no prejudice because pupils are interested – is the basis of successful coexistence and accomplished integration. Mind you, »accomplished« and not integration unilaterally deemed »successful«. And all of that needs support, which schools must, and should, receive. one important interface is the one between cultural and political education. Most important of all, however, is the conviction that the coexistence of minorities and the majority in the reality of a migration society is a shared responsibility and enriches all groups. At school and outside of it. TereZIJA SToISITS commissioner for Refugees at the Ministry of Education Flüchtlingsbeauftragte im Bildungsministerium www.bmb.gv.at KKa magazine S U M M e r 2016 31 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 32 Kultur_Bewusst_ausgedrückt cultural Awareness and Expression Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit bilden die achte der von der europäischen Kommission festgelegten Schlüsselkompetenzen.1 Diese Schlüsselkompetenzen sind eine Kombination aus wissen, Fähigkeiten und einstellungen, die dem/der Lernenden helfen, an der Gesellschaft aktiv teilzuhaben. Zu diesen Schlüsselkompetenzen zählen neben der Mutter- und Fremdsprachenkompetenz, digitalen Kompetenzen, Lese- und Schreibfähigkeit sowie Grundkenntnissen in Mathematik und Naturwissenschaften auch Fähigkeiten wie Lernkompetenz, soziale und bürgerliche Verantwortung, Initiative und Unternehmertum und eben Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit. Die Bedeutung dieser Kompetenz ist in einer Zeit, in der offenheit und Toleranz in europa einer Zerreißprobe ausgesetzt sind, nicht hoch genug einzuschätzen. Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit können definiert werden als Anerkennung der Bedeutung des künstlerischen Ausdrucks von Ideen, erfahrungen und Gefühlen durch verschiedene Medien, wie Musik, darstellende Kunst, Literatur und visuelle Kunst. Dazu gehört auch die Fähigkeit, den eigenen kreativen und expressiven Standpunkt mit der Meinung anderer in Bezug zu setzen und soziale und wirtschaftliche Chancen für die kulturelle Aktivität zu erkennen und umzusetzen. Das handbuch der eU-expertInnengruppe »Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit«2 wurde ende April 2016 auf der website der europäischen Kommission veröffentlicht. es enthält empfehlungen an die Politik sowie an Kultur- und Bildungseinrichtungen auf nationaler und eU-ebene, begleitet von Good-Practice-Modellen aus den eU-Mitgliedstaaten. Die empfehlungen der expertInnen für eine Stärkung dieser Schlüsselkompetenz sprechen unter anderem für eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Politikbereiche, eine verstärkte Förderung cultural awareness and expression are one of the eight key competences identified by the European commission.1 These key competences are a combination of knowledge, skills, and attitudes that help learners actively participate in society. in addition to cultural awareness and expression, they include the ability to communicate in one’s native language and in foreign languages, digital competence, reading and writing, and basic competences in mathematics and science, and abilities such as learning to learn, social and civic responsibility, and sense of initiative and entrepreneurship. The importance of cultural awareness and expression cannot be stressed enough at a time when openness and tolerance in Europe are being put to the test. cultural awareness and expression can be defined as appreciation of the importance of the creative expression of ideas, experiences, and emotions in a range of media, such as music, performing arts, literature, and visual arts. They also include the ability to put one’s own creative and expressive point of view in relation to the opinion of others and identify and take advantage of economic opportunities for cultural activity. The handbook of the EU’s cultural Awareness and Expression expert group was published on the European commission’s website2 in late April 2016. it contains recommendations for policy makers and cultural and educational institutions at the national and EU level, supported by models of good practice from EU member states. The experts’ proposals for strengthening this key competence advocate cross-sector collaboration among different areas of policy, greater support for access to culture for all citizens with a clear focus on the socioeconomically disadvantaged, and preschool education, among other aims. it also recommends improving the quality of arts education. Moreover, the working group recommends integrating cultural awareness and expression into all school and teacher training and further education and proposes linking public funding for cultural institutions to sustainable partnerships with schools. BArBArA NeUNDLINGer Head of the cultural Education with Schools department at KKA Leiterin des KKA-Programmbereiches Kulturvermittlung 32 KKa magazine SUMMer 2016 PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 33 matilda odobashi German Lesson video still, 2016 [artist in residence 2016] des Zugangs zu Kultur für alle BürgerInnen mit einem klaren Fokus auf sozioökonomisch Benachteiligte und auf vorschulische Bildung. Auch eine Qualitätssteigerung in der Kunsterziehung wird angeregt. weiters empfiehlt die Arbeitsgruppe, Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit in die gesamte Schul- und LehrerInnenausund -weiterbildung zu integrieren, und regt an, öffentliche Mittel für Kultureinrichtungen an nachhaltige Kooperationen mit Schulen zu koppeln. 1 empfehlung des europäischen Parlaments und des rates vom 18.12.2006 zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen: http://bit.ly/2aUvqm5 Recommendation of the European Parliament and the council of 18 december 2006 on key competences for lifelong learning: http://bit.ly/2aUvqm5 2 http://ec.europa.eu/culture/library/index_en.htm KKa magazine S U M M e r 2016 33 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 34 Die sichtweise des anderen verstehen lernen learning to Understand the Viewpoint of others abdulrab Habibyar nature for sale photography, 2016 [artist in residence 2015] PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 35 Irmgard Bebe, KKA-Kulturvermittlungsberaterin für bildende Kunst und Kunsterzieherin am BG/BrG 3 mit besonderer Berücksichtigung der musischen Ausbildung, hat für die dritte und eine sechste Klasse Abdulrab habibyar in ihre Schule eingeladen. Der Fotograf und Friedensaktivist aus Afghanistan war im Jahr zuvor als Artist in residence zu Gast in wien gewesen; da seine Familie und er Morddrohungen erhielten, hatte er um Asyl angesucht. irmgard Bebe, KKA’s cultural education consultant for fine arts and an art educator at secondary school BG/BRG 3, which focuses on music education, invited Abdulrab Habibyar to her school to visit third and sixth grade pupils. The Afghan photographer and peace activist was an artist in residence in Vienna the year before and had applied for asylum after he and his family received death threats. hatten die Jugendlichen des BG/BrG 3 zuvor im Unterricht das Thema »Flucht« mit Unterlagen des UNhCr besprochen, so erfuhren sie nun abseits von Statistiken authentisch, was dies für einen Menschen bedeutet. »Seine rolle hat sich geändert«, schildert Bebe. »In seiner heimat hatte er mit künstlerischen Interaktionen Friedensprojekte initiiert und geholfen, jetzt ist er hier in Österreich selbst auf hilfe angewiesen.« Ausgehend von seinem eigenen künstlerischen Schaffen als Fotograf brachte habibyar den SchülerInnen die Kultur Afghanistans näher. habibyar berichtete zudem, dass das öffentliche Tragen einer waffe in Afghanistan völlig normal sei. hingegen sei es durchaus gefährlich, öffentlich sichtbar eine Fotokamera zu tragen, da dies als Spionage gewertet werden könnte. Der Zugang zum Thema »Flucht« wurde gemeinsam mit dem Aktivisten durch Fotoarbeiten (6. Klasse) bzw. durch die entwicklung eines Friedenszeichens (3. Klasse) bearbeitet. wo liegen die wurzeln meiner Familie, war eine der Fragestellungen. »habibyar wäre ein begnadeter Lehrer. er hat die Jugendlichen mit seiner Sprache und seinen ernsthaften erfahrungsberichten berührt. Plötzlich sprachen sie über Themen, die normalerweise verschlossen bleiben, machten sich Gedanken. Vertrauten einander, wo es sonst Unstimmigkeiten gibt. Familiengeschichten wie die Flucht nach dem Prager Frühling nach Österreich oder Geschichten aus dem Iran und China wurden erzählt.« Dass der Unterricht in englischer Sprache stattfand, war kein hemmnis. Die Jugendlichen verloren rasch die Scheu, sich in einer Fremdsprache mitzuteilen und zu diskutieren. Pupils at BG/BRG 3 had discussed the topic of fleeing one’s home country in class using UNHcR documents, but now they were able to experience what it really means for a person to flee, beyond what statistics could tell them. »He had to take on a new role,« Bebe says. »He initiated and helped peace projects through artistic interactions in his home country, but now he relies on help from others here in Austria.« Habibyar introduced pupils to the culture of Afghanistan using his own creative work as a photographer. He also shared with pupils that it is entirely normal to carry a gun openly in Afghanistan, yet it is dangerous to have a camera in plain sight because you could be considered a spy. Pupils and Habibyar worked on the topic of escape through photography (6th grade) and by developing a peace sign (3rd grade). one of the prompts for pupils was, »where are my family’s roots?« »Habibyar would be an exceptional teacher,« according to Bebe. »The way he spoke and his earnest reports on his experiences put the pupils at ease. All of a sudden they were talking about topics they normally don’t discuss. They were contemplating things. Trusting each other, when they otherwise disagree. They told family stories like fleeing to Austria after the Prague Spring or stories from iran and china.« conducting the class in English wasn’t an obstacle. The children quickly got over their shyness of participating and discussing in a foreign language. habibyar möchte seine Arbeit mit Jugendlichen in Österreich fortsetzen: »Das war eine wunderbare erfahrung, mit einheimischen, österreichischen Jugendlichen in workshops gemeinsam zu arbeiten. wir haben viele Sichtweisen über das Leben und Veränderungen, die das Leben mit sich bringt, geteilt. Und wir haben voneinander Bereiche kennengelernt, die wir nicht erwartet hätten.« Kulturvermittlung mit Schulen – ein weg, um mehr über kulturelle, politische und religiöse Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erfahren und – vor allem – die Sichtweisen des anderen verstehen zu lernen. Habibyar would like to continue working with young people in Austria: »it was a wonderful experience to work with young Austrians in workshops. We shared many perspectives on life and the changes that life brings with it. And we got to learn things about each other that we never would have expected.» cultural education at schools is a way to learn more about cultural, political, and religious similarities and differences and – most importantly – to learn to understand the perspectives of others. UrSULA hILMAr Head of Strategy + communications at KKA Leiterin des KKA-Stabsbereiches Strategie + Kommunikation KKa magazine S U M M e r 2016 35 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 36 iryna Herasimovich Belarus writer in residence 2016 Ich sitze gerade in meinem wiener Zimmer in der Seegasse 21 und übersetze aus dem Ukrainischen. Ich drehe auf der Zunge die dem Belarussischen verführerisch ähnlich klingenden wörter, meist aber mit dem doch fremden »i«. Mein ohr hat sich schon längst an das Ukrainische gewöhnt, ich kann die Sprache problemlos verstehen, Übersetzen ist allerdings etwas anderes, da muss man schon mit allen Sinnen an die Sprache. Also ist meine Zunge jetzt dabei, sich an die ukrainischen wörter zu gewöhnen. Ich übersetze nämlich zum ersten Mal aus dieser Sprache. Schön ist, dass ich den Autor, ostap Slyvynsky, gleich befragen kann, er ist mein Mitbewohner, wir sind beide Stipendiaten im Artists-in-residence-Programm von Bundeskanzleramt und KulturKontakt Austria. Genau das war eigentlich der Grund, warum ich zu seiner Lesung im Literaturhaus wien gegangen war: weil Mitbewohner, weil im selben Programm – ich habe den Autor vorher nie gelesen. Und rausgegangen bin ich an dem Abend mit dem überwältigenden Gefühl: endlich hat mir jemand erzählt, wie es den Menschen in dem Nachbarland von Belarus, in der Ukraine, in diesen Kriegszeiten geht. endlich hatte ich das Gefühl, den Zugang zu der wahrheit jenseits der ideologisierten erklärungsversuche zu bekommen. Diese wahrheit will ich mit den Menschen in Belarus teilen, diese wahrheit will ich mit meinen worten formulieren. Deswegen übersetze ich zum ersten Mal aus dem Ukrainischen. Und diese Arbeit wird vom schönen Gefühl begleitet, dass Kulturkontakte nie etwas Abstraktes sind, dass sie stets Gesichter und wörter und Farben und Körper besitzen. Kulturkontakte sind räume, die sich an den Grenzen und über und unter und vor und hinter und zwischen den Grenzen und trotz der Grenzen auftun, und die Grenzen machen sie nur noch intensiver, diese Kontakte, bei denen es um Menschen und ihre wahrheiten geht. es ist so viel Leben drin, daran teilhaben zu können. iryna Herasimovich ostap slyvynsky 36 KKa magazine SUMMer 2016 liT ERAT URE KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 37 tanja petrić Slowenien writer in residence 2016 tanja petrić Friederike mayröcker »Kennst du eine deutschsprachige Dichterin, die zu den Klassikern gehört und doch zeitgenössisch ist?«, hat mich der Lektor Andrej Ilc vom slowenischen Verlag »Mladinska knjiga« vor mehr als drei Jahren gefragt. Die kannte ich in der Tat. Zuerst war es eine Begegnung mit der Sprache, einem oft fragmentarischen und assoziativen poetischen Gespinst aus realität und Träumen, eine Begegnung mit einer einzigartigen und eigensinnigen Poetik, die man am besten metaphorisch als »pneumatische Fetzensprache«, »Parlando« oder »magischen Sprachteppich« beschreiben kann. Diese nichtgreifbare Poetik, zu der ich in der Literaturgeschichte nichts Vergleichbares fand, hat mich auf Anhieb fasziniert, und ich unternahm, zuerst ganz schüchtern und nur für die eigene Schublade, die ersten übersetzerischen Versuche. erst dann kam das Bild dazu, das Foto einer sinnlichen, dunkelhaarigen Frau mit Katzenaugen, die mich an die slowenische Dichterin Svetlana Makarovič erinnerte und die mir irgendwie vertraut vorkam, obwohl uns eine Grenze, zwei Sprachen und einige Generationen trennten. Zur dritten Begegnung kam es durch Frau Christel Fallenstein, die ich im Mai 2015 beim Mayröcker-Lyriktag in Ljubljana an der Philosophischen Fakultät kennenlernte. Als wir bei Kaffee und eis saßen, zog sie einen Briefumschlag aus der Tasche und meinte: »Die Friederike lädt dich ein. Sie hat mir das Geld gegeben und gesagt, ich soll interessanten Leuten, die ich hier treffe, einen Kaffee gönnen. Du bist doch ihre Übersetzerin.« Somit steigerte sich »der Begegnungsgrad«, und ich hatte nur noch einen großen wunsch, der vor mir herschwebte – ich möchte sie, »die Friederike«, treffen. einige Monate später kam die erfreuliche und unerwartete Nachricht, dass ich das Stipendium des Artists-inresidence-Programms vom KulturKontakt Austria bekommen habe und nach wien fahre. Brigitte Burgmann stellte mir in unserer Korrespondenz dann die entscheidende Frage: »Mit wem möchtest du dich treffen?« Ich wollte es so unspektakulär und rational wie möglich über die e-Mail bringen: »Mit Friederike Mayröcker, wenn es geht.« Kurze Zeit später kam die Bestätigung: »Frau Mayröcker ist gerade im Krankenhaus, aber rufe sie bitte gegen ende März an.« Ich musste diese e-Mail, die ich mir für die Ewigkeit gespeichert habe, zweimal lesen. Da drin stand tatsächlich, dass ich Friederike Mayröcker anrufen soll. Und das tat ich – mit zitternden händen und nach einigen Kreisgängen durch das Zimmer. Das Treffen fand am 25. April 2016 statt, in ihrer wohnung, die ich aus den Büchern als »elendsquartier« kannte. Ich hatte Lampenfieber und war glücklich, dass Brigitte dabei war, als wir mit dem kleinen Aufzug ganz nach oben fuhren und meine Friederike endlich im Türrahmen erblickten. es war ein warmes händeschütteln, ein zweistündiges Gespräch und eine Umarmung – ein Gespinst aus realität und Träumen. 37 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 38 Kombinierte vielfalt combined diversity In Kooperation mit dem Literaturhaus wien setzt sich eine neue Veranstaltungsreihe das Ziel, jene DichterInnen vorzustellen, die als writer in residence von BKA und KKA in wien gastieren. Um sie mit der hiesigen Szene in Austausch zu bringen, treffen die writer in residence – 2016 ostap Slyvynsky und Iryna Vikyrchak aus der Ukraine, Grzegorz Kwiatkowski aus Polen und Jazra Khaleed aus Griechenland – auf jeweils ein bis zwei heimische AutorInnen. »Kombo Kosmopolit«, der Titel dieses Lesungsreigens, trägt dem Programm rechnung: DichterInnen werden auf eine Bühne gebracht und zeigen gemeinsam auf, wie vielfältig zeitgenössische Poesie agiert. Neben dem Vortrag der eigenen Texte wird ein Teil des Abends für Improvisation reserviert, der Auftakt, den Slyvynsky mit Judith Pfeifer und Martin Fritz bildete, kulminierte etwa in einem Schlagabtausch haiku-ähnlicher Kurzgedichte, mit denen alle drei experimentieren, wie wir in der Vorbesprechung entdeckten. unterschiede und Gemeinsamkeiten »Kombo Kosmopolit« bietet die Möglichkeit, in neuartige poetische Kosmen einzutauchen. So wurden die erwähnten haikus im Falle Slyvynskys während der Proteste auf dem Maidan verfasst, da sich ihre skizzenartige Form bewährte, um im Chaos eindrücke schnell zu Papier zu bringen. Slyvynsky holt damit eine politische Dimension ins Schreiben, die direkte erfahrung eines Umsturzes, eines Massenprotestes, die in der österreichischen Lyrik kaum zu wort kommt. Verbindend wirkt hingegen die interdisziplinäre, verspielte herangehensweise, die sowohl die internationalen als auch die heimischen DichterInnen auszeichnet. Kwiatkowski ist Kopf der Indie-Band Trupa Trupa und und hat gemeinsam mit Jörg Zemmler einen Abend im Juli bestritten, denn so anders ihre Texte sein mögen, im rhythmus finden sie sich, sind sie ebenso Musiker wie Dichter. Ich hoffe, ein Programm zu bieten, das nicht nur pro Veranstaltung funktioniert, sondern auch als Ganzes, Gesamtjähriges. Die sich mit dem Zweiten weltkrieg auseinandersetzenden Gedichte Kwiatkowskis finden zum Beispiel eine entsprechung in den Texten des Grazers Christoph Szalay, der einen ebenso überzeugenden weg gefunden hat, sich mit Geschichte zu beschäftigen, und der am 11. September gemeinsam mit Iryna Vikyrchak und Verena Stauffer zu erleben sein wird. Dies alles, die verschiedenen Szenen, Sprachund Sprechweisen, präsentiert »Kombo Kosmopolit« und lädt ein, sich zu überzeugen, dass es in dieser kombinierten Vielfalt immer eine Konstante gibt, nämlich die Lebendigkeit aktueller Lyrik. 38 KKa magazine SUMMer 2016 A new event series organised in cooperation with literaturhaus Wien has set out to introduce poets who are Austrian Federal chancellery and KKA writers in residence in Vienna. To facilitate exchange with the local scene, the writers in residence – in 2016 ostap Slyvynsky and iryna Vikyrchak from Ukraine, Grzegorz Kwiatkowski from Poland, and Jazra Khaleed from Greece – are each getting together with one or two Austrian writers. »Kombo Kosmopolit« (or »cosmopolitan combo«), the title of the series of readings, is a perfect description of the programme: poets share one stage and together show how diverse contemporary poetry is. in addition to readings of the poets’ own works, part of the evening is reserved for improvisation. For example, the opening by Slyvynsky, Judith Pfeifer, and Martin Fritz culminated in an exchange of short, haiku-like poems that all three poets have experimented with, as we learned in the pre-performance presentation. Differences and similarities »Kombo Kosmopolit« is an opportunity to delve into new poetic universes. Slyvynsky had composed his haikus during the Maidan protests since their sketch-like form lent itself to quickly recording impressions amidst the chaos. Slyvynsky thus brings a political dimension to his writing: immediate experience with revolution and mass protest, which is rarely a theme of Austrian poetry. in contrast, the playful interdisciplinary approach used by both the international and Austrian poets acts as a link between them. Kwiatkowski fronts the indie band Trupa Trupa and was featured on an evening in July along with Jörg Zemmler. As different as their works are, they have rhythm in common since both are musicians and poets. i hope to offer a programme that works not only as individual events, but also as an entire, year-long work. Kwiatkowski’s poems, which examine World War ii, find their counterpart in texts by christoph Szalay from Graz, for example, who has found an equally convincing way of engaging with history. He will perform together with iryna Vikyrchak and Verena Stauffer on 11 September. »Kombo Kosmopolit« presents all of this – the different scenes and ways of using language and speech– and invites the audience to recognise that there is always one constant in this combined diversity: the vitality of contemporary poetry. roBerT ProSSer creator of the Kombo Kosmopolit concept; Austrian author, winner of the 2014 Reinhard Priessnitz Award Konzeption Kombo Kosmopolit; österreichischer Autor, reinhard-Priessnitz-Preis 2014 PRAcT ic E KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 39 maria raquel cochez the Bag videos video still, digital video looped, 14’, 2016 [artist in residence 2016] KKa magazine S U M M e r 2016 39 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 40 Die Übersetzung der Literatur … im Zeichen der Liebe … literary Translation … under the influence of love … Vor etwa acht Jahren verwirklichten mein Schriftsteller-Kollege aus Serbien, Saša Ilić, und ich ein Projekt zu literarischer Übersetzung. wir wollten dem Publikum in Serbien und dem Kosovo die Literatur des »unbekannten Anderen« anbieten. In Serbien waren die »unbekannten Anderen« die Albaner, und im Kosovo waren das die Serben. In wahrheit handelte es sich dabei um zwei Literaturszenen, die sich einst bestens gekannt hatten, doch aufgrund des Krieges und der Konflikte der 1990er Jahre konnte keine rede mehr sein von Kennen, sondern nur noch von einem »hartnäckigen Desinteresse«. wir gaben zwei Anthologien heraus. eine Anthologie wurde in Serbien veröffentlicht, sie enthielt Literatur aus dem Kosovo und trug den Titel: »Aus Prishtina, mit Liebe«, während die andere, die im Kosovo veröffentlicht wurde, Literatur aus Serbien enthielt, mit dem Titel: »Aus Belgrad, mit Liebe«. wir haben für diese zwei Bände viel Lob bekommen, aber auch viel Kritik geerntet. Manche setzten diesen literarischen Austausch einem »Verrat an der eigenen Nation« gleich. Doch etwas ganz anderes sollte uns noch mehr in erstaunen versetzen, nämlich eine Tatsache, die direkt mit der Übersetzung der werke zusammenhing. Die Übersetzer beider Sprachrichtungen (Albanisch– Serbisch und Serbisch–Albanisch) fanden wir allein im Kosovo. In Serbien fanden wir keinen einzigen Übersetzer, keine einzige Übersetzerin für Albanisch. Für uns beide war das schockierend. Dass man nicht einen einzigen literarischen Übersetzer, keine Übersetzerin für die Sprache des Nachbarlandes findet? Die zwei Bände haben einen beachtlichen einfluss auf die Kulturszene der jeweiligen Länder ausgeübt. Vor allem das Buch mit neuerer Literatur aus dem Kosovo, das in Serbien veröffentlicht wurde, hat ein außerordentlich breites echo gefunden. Immer noch gilt es als wichtige referenz für viele Leser und Leserinnen, insbesondere für jene, die sich mit der Literatur, die heute im Kosovo geschaffen wird, genauer auseinandersetzen wollen. Seit dem erscheinen dieser Bände hat sich der literarische und kulturelle Austausch zwischen dem Kosovo und Serbien intensiviert. In Serbien lässt sich mittlerweile mindestens ein literarischer Übersetzer oder eine literarische Übersetzerin finden, der oder die auch aus dem Albanischen übersetzt. Und diese Tatsache, mag das für manch einen auch zynisch klingen, gilt es wertzuschätzen. Das ist ein gelungener Anfang. Der Anfang eines kulturellen wieder-Kennenlernens. Literarische Übersetzung ist natürlich eine kulturelle handlung. Unter spezifischen rahmenbedingungen, wie sie zwischen Serbien und dem Kosovo gegeben sind, erhält diese kulturelle handlung jedoch auch die Bedeutung eines politischen Aktes. Denn abgesehen davon, dass eine solche Übersetzung dem Leser und der Leserin eine qualitativ hochwertige Literatur anbietet, setzt sie den Leser und die Leserin auch in Kenntnis von der existenz des »unbekannten Anderen«, der seinerseits kostbare literarische und kulturelle werte besitzt, die den »eigenen« vielleicht sogar ähnlich sind. 40 KKa magazine SUMMer 2016 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 41 PRAcT ic E einige der Texte aus den zwei Anthologien wurden mit hilfe von TrADUKI in deutscher Sprache in der in der Spezialausgabe 01 von »BeToN«, einer unabhängigen Beilage der Belgrader Tageszeitung »Danas«, abgedruckt. Some of the texts from the two anthologies were translated into German with the help of TRAdUKi and printed in special edition 01 of» BEToN«, an independent supplement to the Belgrade daily »danas«. My writer-colleague from Serbia, Saša ilić, and i embarked on a literary translation project some eight years ago. We wanted to introduce the literature of the »unknown other« to the public in Serbia and Kosovo. in Serbia, the »unknown others« were the Albanians; in Kosovo, they were the Serbs. in fact, these two literary scenes were once very well acquainted, but the war and conflicts of the 1990s meant that this familiarity had been replaced by stubborn indifference. We published two anthologies. one anthology of literature from Kosovo was published in Serbia and was entitled »With love, from Pristina«. The other anthology of literature from Serbia was published in Kosovo and was entitled »With love, From Belgrade«. our two volumes earned considerable praise, but much criticism as well. Some equated this literary exchange to »treason against our own nation«. But it was something else entirely that astonished us, something directly associated with the translation of the works. We were only able to find translators for both directions (Albanian–Serbian and Serbian–Albanian) in Kosovo. in Serbia, we found not a single translator for Albanian. That came as a shock to both of us. could it really be possible that there wasn’t a single literary translator working from the neighbouring country’s language? The two volumes have made a considerable impact on the culture scene of both countries. The book of more recent literature from Kosovo, which was published in Serbia, reached an especially wide audience. it is still considered an important reference for many readers, particularly those who want to take a closer look at the literature currently being produced in Kosovo. The literary and cultural exchange between Kosovo and Serbia has intensified since the publication of these two books. There is now at least one literary translator in Serbia who translates from Albanian. And although it may sound cynical to some, this fact should be cherished. it is a good start. The start of a cultural re-acquaintance. literary translation is, of course, a cultural undertaking. And given specific conditions, like those surrounding the relationship between Serbia and Kosovo, this cultural undertaking takes on the importance of a political act. Apart from the fact that translations like these provide readers with high-quality literature, they also inform readers of the existence of the »unknown others«, who have their own precious literary and cultural values, which may even be similar to the readers’ »own.« JeToN NeZIrAJ (KoSoVo) writer in residence 2012 Übersetzung aus dem Albanischen von Translated from Albanian into German by ILIr FerrA KKa magazine S U M M e r 2016 41 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 42 preview SChULe SChULe B e t r i e B L i c H es L e r n e n in Belgrad findet ein Treffen des südosteuropäischen Netzwerkes der Berufsbildungsagenturen und Berufsbildungsabteilungen im Rahmen von ERi SEE statt. Thema sind weitere Aktivitäten zu »Building a Western Balkans Alliance for Work-Based learning« – ins leben gerufen von Österreich im Rahmen des Berlin Prozesses. ausscHreiBunGen »KuLturvermit tLunG mit scHuLen« im Schuljahr 2016/17 starten wieder zahlreiche Aktionen und Programme zur Kulturvermittlung mit Schulen. Ziele der kulturellen Projekte sind die Förderung einer breiten Teilhabe an Kunst und Kultur sowie ein konstruktiver Umgang mit Vielfalt und Unterschiedlichkeit in der Gesellschaft. im Auftrag des BMB wird der Schwerpunkt »Mit kultureller Bildung demokratie und Gesellschaft gestalten!« weitergeführt. TerMIN 19. September 2016, Belgrad http://bit.ly/2bey4b0 Schulkulturbudget für Bundesschulen SChULe u m w e Lt Z ei c H e n der Round Table zur Einführung eines Umweltzeichens für Schulen in St. Petersburg dient zum Erfahrungsaustausch über den Aufbau notwendiger Strukturen zur Einführung und Umsetzung des Umweltzeichens im Bildungsbereich. eINreIChFrIST TerMIN raumGestalten 23. September 2016, St. Petersburg http://bit.ly/2blxXyM eINreIChFrIST 24. oktober 2016 culture connected – Kooperationen zwischen Schulen und Kulturpartnern eINreIChFrIST 01. dezember 2016 07. dezember2016 Kreativwettbewerb projekteuropa SChULe eINreIChFrIST B u n D estaG u n G e n L a B o r : s c H u L e in Kooperation mit KKA veranstaltet das Bundeszentrum für schulische Kulturarbeit drei Bundestagungen zu kultureller Bildung und Kompetenzorientierung im Unterricht. in »laboren« arbeiten lehrerinnen und Vermittlerinnen gemeinsam an kompetenzorientierten Modellen in den Bereichen Museum, Musik und Theater. 03. April 2017 TerMINe interpÄDaGoGica KKA präsentiert auf der interpädagogica sein vielfältiges Kulturvermittlungsangebot: Von finanziellen Förderprogrammen bis zu umfangreichem Service und Beratung bietet KKA ein breites Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten bei der Zusammenarbeit zwischen lehrerinnen, Schülerinnen, Künstlerinnen und Kunst- und Kulturpartnern an. Labor Schule – Museen 23. bis 24. September 2016 Ars Electronica center linz Labor Schule – Musikvermittlung 04. bis 05. November 2016 Festspielhaus St. Pölten Labor Schule – Theatervermittlung 11. bis 12. November 2016 Theater Toihaus Salzburg ANMeLDUNG lehrerinnen: via PH online Kulturvermittlerinnen: Mail an [email protected] www.bundeszentrum-zsk.at/zsk/veranstaltungen 42 KKa magazine SUMMer 2016 Dialogveranstaltungen eINreIChUNGeN mind. 8 Wochen vor Projektbeginn www.kulturkontakt.or.at/kulturvermittlung SChULe TerMIN 10. bis 12. November 2016 Messe Wien www.interpaedagogica.at KKA NEWS KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 43 SChULe AUSSTeLLUNG Fo K u s F Lu c H t : p r o j e K t B e i s p i e L e Anlässlich des österreichweiten »langen Tags der Flucht« (eine initiative des UNHcR) am 30. September 2016 bietet KKA zwei Schulworkshops mit dem Musiker Marwan Abado sowie der schallundrauch agency-Tanz und Performance an. KKA stellt weiters in seiner onlinedatenbank »Beispiele kunst- und kulturvermittelnder Schulprojekte« zum Thema »Fokus Flucht« gelungene Beispiele aus den Programmen der Kulturvermittlung mit Schulen vor: www.kulturkontakt.or.at/beispiele werKprÄsentationen BKA-Veranstaltungsraum concordiaplatz 2, 1014 Wien Mo bis FR von 10.00 bis 17.00 Uhr www.kulturkontakt.or.at/ausstellungen a rt i sts i n r es i D e n c e i i i VerNISSAGe 19. September 2016, 17.00 Uhr 20. bis 29. September 2016 AUSSTeLLUNGSDAUer a rt i sts i n r es i D e n c e i v VerNISSAGe 12. dezember 2016, 17.00 Uhr 13. bis 22. dezember 2016 AUSSTeLLUNGSDAUer SChULe sY m p o s i u m ta n Z pÄ DaG o G i K das Symposium lenkt den Fokus auf die derzeitige berufliche Situation von Tanzpädagoginnen und Tanzschaffenden in Österreich, will chancen aufzeigen, Vernetzungen ermöglichen sowie zur Umsetzung neuer Strategien anregen. Veranstaltet von der Österreichischen Berufsvereinigung für Tanzpädagogik. AUSSTeLLUNG transcuLturaL emancipation kuratiert von Ursula Maria Probst Fluc, Praterstern, Wien http://bit.ly/1y9mwer au s st e LLu n G i AUSSTeLLUNG bis 18. oktober 2016 TerMIN 11. und 12. November 2016, Wien ANMeLDUNG [email protected] au s st e LLu n G i i 16. November 2016, 21.00 Uhr 16. November 2016 bis 12. Jänner 2017 erÖFFNUNG AUSSTeLLUNGSDAUer SChULe L e i t Fa D e n L i t e r at u rv e r m i t t Lu n G der leitfaden »literaturvermittlungsprojekte an Schulen« wurde von KKA im Auftrag des BMB erstellt, um lehrerinnen aller Schularten impulse für ihren Unterricht zu geben. Er stellt praxisnahe Ansätze und Methoden der literaturvermittlung an Schulen vor und bietet eine Sammlung von Materialien und links für die erfolgreiche Umsetzung von literaturvermittlungsprojekten. leitfaden und Projektbeispiele: www.kulturkontakt.or.at/literaturvermittlung LeSUNG KomBo KosmopoLit literaturhaus Wien, Zieglergasse 26A, Wien www.kulturkontakt.or.at/kombokosmopolit TerMIN 15. September 2016, 19.00 Uhr iryna Vikyrchak, Verena Stauffer und christoph Szalay TerMIN 11. oktober 2016, 19.00 Uhr Jazra Khaleed und Yasmo KKa magazine S U M M e r 2016 43 KKA Mag2016 RZ.qxp_x 02.09.16 14:17 Seite 44 media ULTUR ontakt AUSTRIA FAC h A rT I K e L BerIChT 1 die Berücksichtigung von diversität als Grundprinzip und Stärke der kulturellen Bildung kann dazu führen, dass institutionen Arbeitsweisen und Angebot nach den demografischen Verhältnissen unserer Gesellschaft ausrichten. Barbara Neundlinger (KKA) und Eva Kolm (KKA) zeigen in ihrem Artikel »diversität in der kulturellen Bildung – eine Quadratur des Kreises?«, welche Vor- und Nachteile die Arbeit mit diversitätskriterien hat, wie sie in KKA zur Anwendung kommen und welche Rolle ein partizipativer Ansatz spielen kann. »Empfehlungen an die BKM im Hinblick auf Maßnahmen zur kulturellen integration von geflüchteten Menschen«: Angesichts der enormen Herausforderungen, die deutschland zurzeit durch den Zuzug von Flüchtlingen erlebt, hat EdUcUlT im Auftrag der Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) systematische und plausibel begründete Handlungsempfehlungen auf Bundesebene und in Beziehung zu Aktivitäten in den ländern, Kommunen und von zivilgesellschaftlichen organisationen und initiativen erarbeitet. http://bit.ly/2aCLQPg Susanne Keuchel, Viola Kelb (Hg.): diversität in der Kulturellen Bildung transcript Verlag, 2015 iSBN 978-3-8376-3240-8 http://bit.ly/1VeTp1N Fo LLow U S /kulturkontakt /kka @kulturkontakt /kulturkontakt /kkachannel MeDIA owNer AND PUB L I S h e r KulturKontakt Austria Universitätsstraße 5, 1010 Vienna ZVr 617182667 +43 1 523 87 65-0 [email protected] DIreCTor Gerhard Kowař eDITor IN ChIeF Ursula hilmar head of Strategy + Communications eDITorIAL TeAM For Th I S I S S U e PArTICIPATIoN IN VISUAL CoNCePT DeVeLoPMeNT: Anne Aschenbrenner reCoMMeNDATIoNS For The LITerATUre SeCTIoN: Brigitte Burgmann-Guldner CoNSULTANT oN CULTUrAL eDUCATIoN: Irmgard Bebe BerIChT 2 ProoFreADING Als eines der wichtigsten instrumente des EU-Arbeitsplans für Kultur und der Europäischen Kulturagenda wird die »offene Koordinierungsmethode« (oKM) zur Strukturierung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten angewendet. KKA arbeitete im Auftrag des BKA in der Expertinnenarbeitsgruppe zum Thema »Entwicklung der Schlüsselkompetenzen Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit«. die Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit dem Erfahrungsaustausch von Good-PracticeBeispielen und erstellte einen Bericht mit Empfehlungen für die Bereiche Politik, Bildung und Kultur. der Bericht ist in englischer Sprache und in einer deutschen Zusammenfassung auf der Website der Europäischen Kommission abrufbar: http://ec.europa.eu/culture/library/ index_en.htm LanguageLink Sprachdienste Gmbh Fanny esterhazy JoŽe PIrJeVeC tito. Die BioGrapHie Antje Kunstmann Verlag, 2016 iSBN: 978-3-9561-4097-6 Aus dem Klappentext: »Partisan und Revolutionär, Staatspräsident Jugoslawiens, diktator und Architekt eines alternativen sozialistischen Modells – bis heute entzieht sich Tito jeder politisch und historisch eindimensionalen Zuordnung. Jože Pirjevec, Professor für Geschichte und ausgewiesener Tito-Experte, geht in dieser Biographie dem Phänomen Tito nach.« die Herausgabe dieses Buches wurde durch TRAdUKi gefördert. TRAdUKi ist ein europäisches Netzwerk für literatur und Bücher, dem KKA angehört. TrANSLATIoNS LanguageLink Sprachdienste Gmbh PICTUre CreDITS cover Hyemin PARK p2 KKA/Martin Hesz p3 KKA/lukas Beck p 4 -9 BKA/Regina Aigner p 10 Xue Mu p 11 BiFiE/M. Schreiner p 13 christina Zachopoulou, Sinisa Radulović p 14 Marge Monko p 15 habeler photografie p 17 lada Nakonechna p 18 Amor Muñoz p 19 Nadja Vetters p 20 -21 Birte Brudermann p 22 Birte Brudermann p 24 Fu Bin p 25 KKA/lukas Beck p 26 Hyemin PARK p 27 KKA/lukas Beck p 29 Fred Moseley, Meggy Rustamova p 30 Marcus Neustetter p 31 Terezija Stoisits p 32 KKA/lukas Beck p 33 Matilda odobashi p 34 Abdulrab Habibyar p 35 KKA/lukas Beck p 35 Zein Wigger, olexandr laskin p 36 Sebastijan Vojvoda, KKA/Brigitte Burgmann p 38 lena Prehal p 39 Maria Raquel cochez p 41 Jetmir idrizi GrAPhIC DeSIGN Dechant Grafische Arbeiten PrINTING rema Print-Littera Druck- & Verlagsgmbh August 2016 | KulturKontakt JG13, H1 Place of Publication: Vienna Österreichische Post AG/Sponsoring Post GZ 04Z035515 S KKA bedankt sich beim BMB und BKA für die Fördermittel und die freundliche Unterstützung. KKA would like to thank the Austrian Federal Ministry of Education and the Austrian Federal chancellery for their subsidies and valuable support.
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