Panelübersicht

Panel A: Die theoretische Begründung sozialdiagnostischer Konzepte 15.09.2016, 15.45 - 17.45
Nr.
Vortragende
Thema
Der Zugang zum Fall als Diagnoseschlüssel: disziplinär – interdisziplinär – transdisziplinär
A1
Brigitta
Michel-Schwartze
Der Vortrag zeigt, dass die Wahl des theoretischen Zugangs die Möglichkeiten der Diagnose festlegt. Jede theoretische oder
disziplinäre Perspektive hat zur Konsequenz, dass bestimmte Aspekte fokussiert, andere vernachlässigt oder ausgeblendet
werden.
Interdisziplinäre
Diagnosen
bleiben
meist
additiv.
Als
Lösung
wird
eine
transdisziplinäre
sozialarbeitswissenschaftliche Begründung favorisiert, die theoretische Kenntnisse aus den Bezugsdisziplinen integriert.
Entwicklung einer Klassifikation für die Soziale Arbeit auf der Grundlage des Capabilities Approachs und einer
Theorie der daseinsmächtigen Lebensführung
A2
A3
Dieter Röh
Matthias Nauerth
Der Capability Approach des Ökonomen Amartya Sen und der Philosophin Martha Nussbaum wird seit einiger Zeit auch in
der Sozialen Arbeit diskutiert. Dabei stehen bislang die moral- und politiktheoretischen Fragestellungen im Vordergrund, sowie
die Prüfung, ob dieser Ansatz zu einer handlungstheoretischen Basis der Sozialen Arbeit werden kann.
In diesen Vortrag wird der Capability Approach kurz vorgestellt und dann – im Anschluss an daran angelehnte
Handlungstheorie Sozialer Arbeit – ein Klassifikationssystem vorgeschlagen, dass sich auf die zentralen Capabilities von
Martha Nussbaum bezieht und diese für eine Klassifikation Sozialer Arbeit erschließt. Dabei wird Wert auf einen Doppelfokus
Sozialer Arbeit als einerseits personen- und andererseits umweltbezogene Profession Bezug genommen und eine
entsprechende generalistische Klassifikation konstruiert.
Zur theoretischen Bestimmung des Gegenstandes praktischer Sozialdiagnostik.
Im Beitrag soll ein mehrdimensionales handlungstheoretischen Modell entfaltet werden, das den Gegenstand sozialer
Diagnostik beschreibt: menschliches Handeln unter gesellschaftlichen Bedingungen. Hierbei werden verschiedene
Theoriekomponenten der Mikro- und Makroebene zusammengefügt, die in der Sozialen Arbeit verbreitet sind und sodann
herausgearbeitet, was genau in den Fokus einer multiperspektivischen, sozialdiagnostischen Praxis geraten muss – und wie
dies methodologisch erfolgen kann.
Der Beitrag ist an Ausführungen orientiert, die ich in meinem 2016 bei Springer VS erschienenen Buch publiziert habe:
„Verstehen in der Sozialen Arbeit. Handlungstheoretische Beiträge zur Logik sozialer Diagnostik“.
Panel A: Die theoretische Begründung sozialdiagnostischer Konzepte 15.09.2016, 15.45 - 17.45
1. Soziale Diagnostik als integraler Bestandteil einer handlungstheoretischen Wissensbasis der Sozialen Arbeit
Im Kontext des Professionalisierungsdiskurses wird oftmals konstatiert und kritisiert, dass die Praxis der Sozialen Arbeit
keinen Bezug zur disziplinären Wissensbasis herstellen kann. Unsere These ist, dass es eine disziplinäre,
handlungswissenschaftliche Aufgabe ist, das interdisziplinär verfügbare Wissen zu einem konsistenten und zu
konsolidierenden Wissenskorpus zu verknüpfen, so dass alle Komponenten des professionellen Handelns darin verortet und
orientiert werden können. Der Diagnostik kommt dabei eine zentrale, weil das Handeln strukturierende Bedeutung zu. Im
Vortrag wird gezeigt, was unter einem konsolidierten Wissenskorpus zu verstehen ist, wie die soziale Diagnostik darin verortet
ist und wie sie, wie wir gleich anhand unseres Projektes „Entwicklung systemische Diagnostik“ zeigen werden, konkret
weiterentwickelt werden kann.
A4
Regula Dällenbach
2. Modellierung von Lebensführungssystemen: Entwicklung einer systemischen Diagnostik für die Soziale Arbeit
mit komplexen Fällen
Die aktuelle gesellschaftliche Entwicklungsdynamik erzeugt komplexe Problemlagen, welche die Soziale Arbeit in
verschiedenen Arbeitsfeldern vor grosse Herausforderungen stellt. Professionelle Soziale Arbeit muss demnach in der Lage
sein, die Komplexität der Problemlagen theoretisch und praktisch wahrzunehmen und zu bearbeiten. An dieser Stelle setzt
unser Kooperationsprojekt zwischen der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW und Praktiker/innen aus unterschiedlichen
Arbeitsfeldern an, welches das Potenzial der forschungsbasierten allgemeinen Theorie der Sozialen Arbeit „Integration und
Lebensführung“ für die Entwicklung und Diffusion einer systemischen, Software‐unterstützten Diagnostik für die Soziale Arbeit
mit komplexen Fällen nutzt. Soziale Diagnostik als Teil eines handlungswissenschaftlich konsolidierten Wissenskorpus ist
theoretisch begründet und leistet einen Beitrag zur Professionalität Sozialer Arbeit.
Normative Grundlagen Sozialer Diagnostik
A5
Martin Wallroth
"Klassische" klinische Diagnostik hat ihren normativen Bezugspunkt in den Begriffen Gesundheit-Krankheit. Krankheit wird
dabei als Funktionsstörung aufgefasst, die natürlich auch soziale Aspekte hat. Diese in den Fokus zu nehmen, kann man
bereits als "soziale Diagnostik" auffassen und als Kernaufgabe klinischer Sozialarbeit betrachten. Aber damit ist vielleicht das
Potential sozialer Diagnostik und damit klinischer Sozialarbeit noch nicht voll ausgeschöpft. Denn soziale Diagnostik verweist
auch auf einen möglichen Wechsel des normativen Bezugspunktes: An die Stelle von Gesundheit/Krankheit (letztere
verstanden als bio-psycho-soziale Funktionsstörung) treten dann weiterreichende Fragen sozialer Teilhabe und damit letztlich
sozialer Gerechtigkeit. Mit einer solchen Verlagerung des normativen Bezugspunktes sozialer Diagnostik stellt sich Klinische
Sozialarbeit nicht mehr als bloße Ergänzung medizinischer und psychologischer Psychotherapie dar. Vielmehr setzt sie damit
Panel A: Die theoretische Begründung sozialdiagnostischer Konzepte 15.09.2016, 15.45 - 17.45
auch ihre primär individuenzentrierten Methoden und Interventionen explizit in einen sozialethischen und
gesellschaftspolitischen Kontext. Für eine solche normative Einordnung, die die klinische Sozialarbeit zugleich schlüssig als
Soziale Arbeit ausweist, bietet der Befähigungsansatz von Martha Nussbaum mit seiner konzeptuellen Verbindung "äußerer"
und "innerer" Befähigungen, deren Sicherstellung für alle Bürger nach ihrer Einschätzung eine Forderung der Gerechtigkeit
ist, interessante Ansatzpunkte, die näher zu prüfen sind.
Diagnostik der Partizipation in der Sozialen Arbeit am Beispiel der sozialen Schuldnerberatung
A6
Nicolas Mantseris
Ausgehend von dem Paradigma des uneingeschränkten Respektes vor der Autonomie der Ratsuchenden sehe ich das
partizipative Handeln der Beratenden als Ausgangspunkt für die Beratung. Unter Partizipation verstehe ich die aktiv gestaltete
Mitwirkung von Ratsuchenden im Beratungsprozess.1
Im Rahmen des theoretischen Diskurses zur Diagnostik in der Sozialen Arbeit wird stets der Fall in den Mittelpunkt gesetzt2,
meist jedoch nicht der Kern sozialarbeiterischen Handelns, die Interaktion. 'Ratsuchende im Rahmen der Diagnostik zur
Kooperation gewinnen' zu wollen, bzw. sich als 'kooperativ zu inszenieren', wie Pantucek vorschlägt3, ist aus Sicht
partizipativer Beratung haltlos. Auch in der Diagnostik des Falls muss Beratung gleichberechtigte Koproduktion sein. Die
Diagnostik der Partizipation geht der Diagnostik des Falls voraus.
Partizipation wird häufig als Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen verstanden4. Zu einem besseren Verständnis wird in
diesem Beitrag zwischen Partizipation und Teilhabe unterschieden. Partizipation ist demnach die aktiv gestaltete Mitwirkung
der Ratsuchenden am Beratungsprozess. Im Rahmen sozialer Schuldnerberatung wird Teilhabe vor allem als Teilhabe am
Wirtschaftsgeschehen verstanden. Beides, Partizipation und Teilhabe, hat zum Ziel die Autonomie der Ratsuchenden
wahrzunehmen und zu fördern, fokussieren dies jedoch in unterschiedlichen Kontexten.
Theoriebasierte, kooperative Entwicklung von diagnostischen Instrumenten für die Praxis
A7
Ursula Hochuli
Freund,
Raphaela SprengerUrsprung,
Jakin Gebert,
Pascal Amez-Droz
Kooperative Prozessgestaltung (KPG) ist ein generalistisches, methodenintegratives Konzept für professionelles Handeln in
der Sozialen Arbeit, welches besonderes Gewicht auf die analytisch-diagnostische Phase sowie auf die Kooperation mit
Klientinnen und Klienten legt (Hochuli Freund/Stotz 2015).
Auf der Grundlage dieses theoretischen Konzepts wird in einem laufenden Forschungsprojekt ein neues, kooperatives
Verfahren zur Instrumente-Weiterentwicklung erarbeitet, das zur Steigerung der fachlichen Qualität und der Effektivität von
Unterstützungsleistungen beitragen soll. Dabei werden die in einer Praxisorganisation bestehenden diagnostischen
Instrumente und Leitlinien für die Gestaltung der Arbeit mit KlientInnen kooperativ - von WissenschaftlerInnen und
PraktikerInnen gemeinsam - beurteilt, dann theoriebasiert gemeinsam modifiziert und ergänzt. Integraler Bestandteil des
Panel A: Die theoretische Begründung sozialdiagnostischer Konzepte 15.09.2016, 15.45 - 17.45
Verfahrens ist eine an die spezifischen organisationalen Bedingungen angepasste Implementation der neuen diagnostischen
Instrumente und Arbeitsprinzipien. An der Entwicklung und Erprobung des Verfahrens sind sieben soziale Organisationen der
deutschen Schweiz (stationäre Hilfen und Sozialhilfe) beteiligt.
Vortrag 1: Konzept Kooperative Prozessgestaltung - Standards für Instrumente-Entwicklung
Vortrag 2: Kooperative Instrumente-Entwicklung: Werkstattbericht aus dem Forschungsprojekt
Professionelles Handeln als Kooperative Aufgabenbewältigung.
A8
Timm Kunstreich
Einladung zur Weiterführung der Diskussion um „Neo-Diagnostik“ (Widersprüche, Heft 88,2003)
Stichworte aus dem Briefwechsel mit Burkhard Müller und Maja Heiner:
„Ich glaube, dass mit den angedeuteten Handlungskomponenten – Problemsetzung, Verständigung, Assistenz und
Handlungs- bzw. Zentralorientierung – Grundoperationen einer generativen Methodik entwickelt werden können, deren Inhalt
eben prospektive Dialoge und nicht retrospektive Monologe sind“ (TK, S. 18).
„Sodann Intervention als Prozess der Assistenz im Sinn des zum Gebrauch zur Verfügung-Stellens, Daneben-Stellens, und
zwar nicht nur von materiellen Gütern, und andererseits als Prozess der Verständigung oder auch des Verhandelns und
Aushandelns von vertretbaren Kompromissen“ (BM, S. 21).
„Zur Verbesserung der Lebenslage und der Lebensbewältigungskapazitäten der Klientel kann eine systematische, empirisch
solide, mehrperspektivische, mehrdimensionale, partizipative und selbstreflexive Diagnostik sehr viel mehr beitragen, gerade
auch weil sie nachprüfbar ist“ (MH, S. 25).
Menschenrechtsbasierte Diagnostik?!
A9
Carla Wesselmann
Geflüchtete, aber nicht nur sie, stellen die Soziale Arbeit mit ihrem ethisch und fachwissenschaftlich begründeten Anspruch
eine Menschenrechtsprofession zu sein vor komplexe Herausforderungen.
Mein Beitrag erörtert, wie Menschenrechtsinstrumente als diagnostische, klassifikatorische Klärungshilfe einsetzbar sind, um
Menschenrechtsverletzungen auf der Mikro, Meso- oder Makroebene zu lokalisieren. Mein diagnostischer Entwurf, erprobt
mit der Praxis, richtet den Blick auf menschenrechtsverletzende Strukturen, Institutionen und Praktiken. Diese bestimmen die
im Lebenslagenkonzept beschriebenen Handlungsspielräume von Vulnerablen mit keinen oder sehr eingeschränkten
Rechten, wie auch die Interventionserfordernisse einer Sozialen Arbeit als Agentin des Sozialen Wandels.
Panel A: Die theoretische Begründung sozialdiagnostischer Konzepte 15.09.2016, 15.45 - 17.45
Ein kritischer Blick auf die Logik „diagnostischen Denkens“ zur Beschreibung von Sachverhalten in der Sozialen
Arbeit
A 10
Michael Leupold
Im Rahmen eines Beschreibungswissens hat die Logik „diagnostischen Denkens“ in der Medizin im letzten Jahrhundert vor
allem durch die Entdeckung der Antibiotika eine beeindruckende Erfolgsgeschichte erfahren. Im Alltagsbewusstsein des
modernen Menschen sowie bei Professionellen scheint die Logik dieses „Infektionsmodells“ eine bedeutsame und prägende
Referenzgröße für die Figur „diagnostischen Denkens“ insgesamt darzustellen. Der Vortrag lädt daher dazu ein, bei zwei
zentralen Fragen für die Soziale Arbeit innezuhalten und diese gemeinsam in konstruktiv-kritischer Absicht zu prüfen: Welche
ethisch problematischen Folgen hat die Logik „diagnostischen Denkens“ für die Interaktion von Sozialprofessionellen und
KlientInnen? Inwieweit ist ein derartiger Zugang aus einer angewandten Naturwissenschaft (Medizin) übertragbar auf eine
angewandte Sozialwissenschaft (Soziale Arbeit)?
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
Koproduktive Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Methodiken: Erkenntnisse aus 10
Jahren Erfahrung in der deutschen Schweiz
Für die Arbeit mit belasteten Familien wurde in den Jahren 2005-2006 auf der Basis angelsächsischer und
niederländischer Vorläufer die KOFA-Methodik (kompetenz- und risikoorientierte Familienarbeit) in Kooperation
mit Praxisorganisationen entwickelt. Etwas später folgte KOSS – Kompetenzorientierung in stationären Settings.
Beide Methodiken setzen eine Reihe von Standardinstrumenten für die soziale Diagnostik ein und liegen als
Manuale vor. Seit 2006 erfolgte die Implementierung der KOFA- resp. KOSS-Methodik in insgesamt ca. 40
Praxisorganisationen der deutschen Schweiz. Mit diesen Organisationen liegen verbindliche
Kooperationsvereinbarungen für die Sicherung der Methodiktreue, der Qualität und der Weiterentwicklung.
B 1.0
Kinder- und
Jugendhilfe
Kitty Casseé
Im Jahr 2011 startete in einem Kooperationsprozess zwischen der Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich
und dem Institut kompetenzhoch3 ein neues Projekt für die Prozessgestaltung in den Jugendanwaltschaften des
Kantons. Die KORJUS-Methodik wurde seit 2011 zum verbindlichen Diagnostikstandard in neun Kantonen der
deutschsprachigen Schweiz. Die Abklärung unterscheidet zwei Modellvarianten: ein Kurzverfahren und ein
Vollverfahren. Beide Verfahren sind mit quantitativen und qualitativen Instrumenten unterlegt und zeitlich befristet.
Aktuell laufen zwei weitere Entwicklungsprojekte in Kooperation mit Praxisorganisation: KOPP –
kompetenzorientierte Platzierung in Pflegefamilien sowie KO4JU – kompetenzorientiertes Programm für
Jugendliche.
In diesem Panel werden die Grundlagen für die Methodik-Entwicklung kurz dargestellt. Der Fokus liegt auf den
Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen den Partnern in der Praxis und dem Institut. Die Chancen
koproduktiver Methodikentwicklung und regelmäßiger Evaluationen werden anhand konkrete Projekte und
Erfahrungen illustriert.
B 1.1
Kinder- und
Jugendhilfe
Lea Hollenstein,
Regula Dällenbach
1.
Sozialdiagnostische Gutachten/Abklärungen als
Diagnostik für die Sozialen Arbeit mit komplexen Fällen?
Kernelemente
einer
systemischen
Im Kontext unseres Kooperationsprojektes zwischen der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW und
Praktiker/innen aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern werden – wie wir in Panel 1 gezeigt haben – aktuell
Software-unterstütze Diagnostikverfahren und -instrumente entwickelt, die an der Theorie "Integration und
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
Lebensführung" anschliessen und auf eine Erhöhung von Effizienz, Effektivität und Nachhaltigkeit der
Bearbeitung komplexer psychosozialer Problemlagen zielen. Dabei zeichnen sich unter der Metapher
"Hochschule als Labor für sozialdiagnostische Gutachten/Abklärungen" auch vollkommen neuartige Formen
der Integration der Wissenschaft in den professionellen Hilfeprozess und damit der Kooperation zwischen
Klient/in, Praxis und Wissenschaft ab. In diesem Beitrag werden die entwickelten Formen unseres
Kooperationsprozesses einerseits, der Software-unterstützten Gutachten/Abklärungen andererseits
vorgestellt und begründet.
2. Der Gewinn sozialdiagnostischer Gutachten/Abklärungen für eine systemische Diagnostik?
Reflexion anhand konkreter Beispiele und Erfahrungen
Das erwähnte Entwicklungsprojekt der HSA FHNW Olten kennzeichnet sich dadurch, dass die kooperativ
entwickelten sozialdiagnostischen Verfahren/Instrumente von den Projektbeteiligten direkt erprobt, ausgewertet
und weiterentwickelt werden. Dies ermöglicht es im zweiten Referat, anhand konkreter Beispiele und Erfahrungen
nicht nur das im ersten Referat dargelegte Modell sozialdiagnostischer Software-unterstützter
Gutachten/Abklärungen zu illustrieren, sondern auch dessen Vorzüge und Grenzen für eine nachhaltige
Erfassung und Bearbeitung komplexer psycho-sozialer Problemlagen durch die Soziale Arbeit zu erörtern. Da die
Idee sozialdiagnostischer Gutachten/Abklärungen insbesondere im Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe auf
grosses Interesse stiess, kann das Referat bei einem entsprechenden Interesse der Tagungsorganisation auf
dieses Arbeitsfeld ausgerichtet werden.
Qualitätskriterien für eine Soziale Diagnostik im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe – 3
Forschungsprojekte
B 1.3
Kinder- und
Jugendhilfe
Rolf Glemser
Ninnia Craß
Silke Gahleitner,
Heidemarie Hinterwallner
Kinder- und Jugendhilfe übernimmt mehr und mehr eine andere, neue Art von Verantwortung im
Spannungsfeld zwischen privatem und öffentlichem Raum und muss auf moderne Gegebenheiten
reagieren. Sie stellt folglich auch einen Bereich dar, der nicht nur kostenintensiv ist, sondern der durch seine
Verantwortung für junge Lebensläufe einer ständigen Evaluation unterzogen werden muss. Auch müssen
Fragen der Qualitätssicherung mit gedacht werden. Vielfältige Aufgabenstellungen sind vorzufinden – mit
einem breiten Spektrum von zum Teil sehr spezifischen psychosozialen Hilfs- und
Unterstützungsmaßnahmen für alle Alters- und die unterschiedlichsten Zielgruppen. Einzelne Personen,
Paare, Familien, Kinder- und Jugendliche mit schweren und schwersten psychosozialen Nöten und Krisen
stellen besondere Herausforderungen an die Fachkräfte. Wirkungsorientierung steht hier für die Möglichkeit,
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
das Jugendhilfegeschehen zu dokumentieren, zu evaluieren sowie finanziell zu rechtfertigen. Auf der
anderen Seite darf Wirkungsorientierung keinesfalls als Rechtfertigung für fachlich zweifelhafte Kürzungsund Mangelausstattungsunterfangen stehen. Gerade im Bereich der Zuweisungspraxis und Diagnostik
haben sich in den letzten zehn Jahren auf Basis der forschungsbasierten Weiterentwicklung der Sozialen
Arbeit verschiedene Kenntnisse herauskristallisiert, die in eine fachgerechte und ausstattungsfreundliche
Qualitätssicherung von Jugendwohlfahrtsprozessen einzubeziehen sind. Hierzu werden ein
Grundsatzkommentar und zwei Forschungsprojekte vorgestellt.
1. Vortrag Rolf Glemser
Qualitätssicherung in der Diagnostik der Kinder- und Jugendhilfe
2. Vortrag Ninnia Craß
Sozialpädagogische Diagnostik in der Kinder- und Jugendhilfe
3. Vortrag Silke Birgitta Gahleiter & Heidemarie Hinterwallner
Zugangswege
und
Zugangskulturen
der
Kinderund
unter besonderer Berücksichtigung diagnostischer Aspekte
Jugendhilfe
Niederösterreich
Post an den Elfenbeinturm - Erfahrungen und Analysen zur Ankunft Sozialer Diagnostik in der Kinder- und
Jugendhilfe
B 1.4
Kinder- und
Jugendhilfe
B 1.5
Kinder- und
Jugendhilfe
Hubert Höllmüller
Andreas Franzmann
Manfred Jöbgen
Ergebnisse einer jüngst durchgeführten Evaluation ambulanter Hilfen in Kärnten, qualitative Fallanalysen,
die Abhaltung von Schulungen zur Sozialen Diagnostik für JugendamtsmitarbeiterInnen und Durchführung
eines Projektes zur Diagnostik bei Fremdunterbringungen führen den Autor zu Fragen, wie viel an Sozialer
Diagnostik bei einem Ausflug aus dem Elfenbeinturm mitgenommen werden soll und wer was versteht, wenn
der Fall verstanden wird? Und was versteht der Fall?
Strukturelle Hemmnisse in der Erziehungshilfe bei der Umsetzung von
Ergebnissen der Falldiagnostik
Das Institut für Pädagogische Diagnostik gehört zu einem Träger in der Kinder- und
Jugendhilfe im Rheinland (Fachpflegefamilien). Das Institut erstellt bei Anfragen von
Jugendämtern auf der Basis von Biographiedaten und Interviews Fallanalysen, die die
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
spezifische Problemlage einer kindlichen Sozialisation in einer Familie herausarbeiten. Die Analysen
basieren auf den Verfahren der Objektiven Hermeneutik und münden in
interventionspraktische Vorschläge, die die Art der geeigneten Unterbringung und das
pädagogische Vorgehen der Fachkräfte skizzieren, um anschließend mit Jugendämtern, Eltern und
Erziehungsstellen an deren Umsetzung zu arbeiten. Insbesondere für die Fachkräfte in unseren
Erziehungsstellen bilden diese Fallanalysen die Folie, auf deren Grundlage spätere Entwicklungen, Konflikte
und Interventionen reinterpretiert und supervisorisch begleitet werden.
Es gibt jedoch einige strukturelle Hemmnisse, die die Verbindlichkeit der Umsetzung eines
solchen falldiagnostischen Vorgehens schmälern. Mitarbeiter von Jugendämtern sind in
Fallanalysen nicht automatisch involviert, oder folgen alternativen Konzepten. In der Praxis der
Erziehungshilfe kommt es daher oft zu Friktionen, weil das fachliche Urteil über einen Fall auseinandergeht,
ein Dissens hoheitlich entscheiden wird, ohne dass differente
Einschätzungen methodisch-diagnostisch begründet werden.
An drei typischen Entscheidungssituationen aus der Praxis soll dies näher beleuchtet werden:
(1) Empfehlungen bei In-Obhut-Nahmen; (2) bei Rückführungen, und (3) bei der Frage nach der Teilnahme
von Kindern und Jugendlichen an HPGen.
Lösungsfokussierte „Diagnostik“ in der Kinder- und Jugendhilfe mit dem SEN-Modell.
B 1.6
Kinder- und
Jugendhilfe
Wolfgang Gaiswinkler,
Marianne Rössler
Partnering for Safety – bzw. Signs of Safety sind Adaptionen des systemisch lösungsfokussierten Ansatzes
für die Herausforderungen der behördlichen Sozialarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe. Ursprünglich in
Australien entwickelt, werden diese Verfahren mittlerweile u.a. in Kanada, Großbritannien, USA, Japan,
Schweden, Dänemark und in den Niederlanden eingesetzt.
Wir arbeiten damit in Österreich seit 2008 und nennen dieses Praxismodell im deutschen Sprachraum „SENModell“. SEN steht für „Sicherheit entwickeln – Entwicklung nutzen“. Das Modell zeichnet sich vor allem
durch hohe Praktikabilität im Alltag der SozialarbeiterInnen aus. Wir berichten über Ergebnisse aus
laufenden und abgeschlossenen Implementierungsprojekten und werden das zentrale AssesmentInstrument die sogenannten Falllandkarten („mapping“) vorstellen. Die Falllandkarten verknüpfen
Intervention und Diagnostik und unterstützen PraktikerInnen dem Doppelten Mandat gerecht zu werden.
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
Die Bedeutung von (nicht-)standarisiertem Wissen und (nicht-)methodisiertem Können in der
Diagnostik Sozialer Arbeit. Ergebnisse aus einem explorativen Forschungsprojekt im Feld der
Kinder- und Jugendhilfe
B 1.7
Kinder- und
Jugendhilfe
Roland Becker-Lenz, Joel
Gautschi, Cornelia
Rüegger
Professionelle Sozialer Arbeit haben es in der Kinder- und Jugendhilfe beim Auftreten von
Erziehungsproblemen von Eltern und Entwicklungsproblemen von Kindern und Jugendlichen mit konkreten
Fällen zu tun. Was konkret der Fall ist, ist aber nicht von Beginn an gegeben. Vielmehr wird der Fall im
Rahmen mehr oder weniger bewusster sozialdiagnostischer Prozesse in der Interaktion mit der Klientel in
einem bestimmten organisationalen Setting konstituiert.
Auf der Grundlage der Daten aus einem SNF-Projekt zur Diagnostik und Arbeitsbeziehungen der Sozialen
Arbeit im Feld der schweizerischen Kinder- und Jugendhilfe gehen wir im Beitrag der Frage nach, auf
welches Wissen sich dabei Fachpersonen der Sozialen Arbeit beziehen bzw. welche Bedeutung dem nichtstandardisierten Wissen und nicht-methodisierten Können im Prozess der Diagnose zukommt und wie sich
das Verhältnis von diesem zu standardisiertem Wissen bzw. methodisiertem Können der Professionellen
Sozialer Arbeit in Diagnoseprozessen beschreiben lässt
Diagnostik im Team: Problem- und Ressourcenanalyse als Verständigungs- und Einigungsprozess
im Arbeitsfeld der Sozialpädagogischen Familienhilfe
B 1.8
Kinder- und
Jugendhilfe
Manuel Arnegger, Elena
Metzger
Ausgehend von der Verortung unserer Diagnostik im Systemtheoretischen Paradigma der Sozialen Arbeit
(Werner Obrecht, Silvia Staub-Bernasconi, Kaspar Geiser u.a.) werden Erfahrungen in einem spezifischen
Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe präsentiert: Die „SPFH intensiv“ ist eine Sozialpädagogische
Familienhilfe nach § 31 SGB VIII mit hohem Stundenumfang im Bereich des Kinderschutzes.
Betrachtet werden die besonderen Anforderungen einer Diagnostik im Team mehrerer Fachkräfte sowie in
Zwangskontexten.
Der Workshop stellt Aspekte der Implementierung des diagnostischen Verfahrens im Team bzw. seiner
Vermittlung an alle Teammitglieder dar. Erfahrungen in Bezug auf die Teamdynamik und auf die Gestaltung
der diagnostischen Prozesse werden präsentiert. Abschließend werden Möglichkeiten einer systematischen
Evaluation dieser Erfahrungen entworfen.
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
Lehrforschungsprojekt „Sozialräumliche Hilfen und Angebote in Hamburg“
B 1.9
Kinder- und
Jugendhilfe
Ute Düßler,
Jack Weber
Die „Sozialräumlichen Hilfen und Angebote“ (SHA) in Hamburg verstehen sich als modellhafte Umsetzung
der Weiterentwicklung der Erziehungshilfen. Insofern haben sie exemplarischen Charakter für bundesweite
Entwicklungen in der Jugendhilfe. Der Workshop stellt die qualitative Untersuchung der Implementation der
SHA vor, die methodisch eine Kombination von Diagnostik und qualitativer Untersuchung erprobt hat. Bei
Bedarf können auch didaktische Gesichtspunkte der Umsetzung in Lehrforschung erörtert werden.
Die Darstellung mit anschließender Diskussion erfolgt anhand folgender Gliederungspunkte:
1. Datenerhebung im Rahmen von Lehrforschung
2. Vorgehen, Methodik
3. Feldzugang
4. Durchführung und Aufbereitung der Daten
5. Forschungsergebnisse
Scharfsinn und Intuition – Fallverstehen und sozialpädagogische Diagnostik brauchen fachliche
Qualifizierung
(oder: Welche Kompetenz brauchen Fallverstehen und sozialpädagogische Diagnostik?)
B 1.10
Kinder- und
Jugendhilfe
Sabine Ader
Das Interesse an Fragen sozialpädagogischen Verstehens und sozialpädagogischer Diagnostik ist enorm
hoch. Vielerorts wurden und werden unterschiedlichste theoretische Entwürfe und/oder praxisbezogene
Konzepte entfaltet und erprobt. Was aber müssen Sozialarbeiter_innen bzw. Sozialpädagog_innen (in der
Jugendhilfe) eigentlich „können“, um im Sinne der Unterstützung von Kindern und Familien gute Arbeit zu
leisten? – Im Kontext eines spezifischen Verständnisses von Fallverstehen und Diagnostik sollen in diesem
Workshop für zentral gehaltene Kompetenzen begründet und diskutiert werden. Die Überlegungen fußen
auf Erfahrungen aus Implementationsprozessen in der Praxis. Grundannahme ist dabei, dass die
fallverstehende, diagnostizierende Tätigkeit sowohl profundes Wissen und analytischen Sachverstand
benötigt, aber auch um die hohe Bedeutung (psycho-)dynamischer Prozesse weiß und diese in den Blick
nimmt. Lebenslagen durchblicken, Verunsicherung zulassen, Beziehungen „begreifen“ und Verantwortung
tragen sind dabei wichtige Stichworte.
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
Die Abbildung des Sozialen: Neuigkeiten aus Entwicklung und Anwendung des Inklusionscharts
B 1.11
Kinder- und
Jugendhilfe
Peter PantučekEisenbacher
Peter Lüdke
Eva Grigori
Mit dem Inklusions-Chart liegt der Sozialen Arbeit ein Instrument Sozialer Diagnostik vor, das theoretisch
fundiert und praktisch erprobt die Zugangsmöglichkeiten von Personen zu gesellschaftlichen Ressourcen
abbilden und Detailinformationen in ein übersichtliches Gesamtbild einordnen kann. In drei Beiträgen
werden Grundkonzept, aktuelle Entwicklungslinien und Praxiserfahrungen angesprochen sowie die
vielseitigen Einsatzmöglichkeiten diskutiert werden.
Peter Pantuček-Eisenbacher stellt mit dem IC4 die derzeit in ihrer Pilotphase befindliche aktuellste Version
vor, die feldspezifischen Anwendungsproblemen gerade in der Abbildung stellvertretender Inklusion
begegnet. Diskutiert wird auch der Umgang mit alters- oder statusbedingten „vorentschiedenen“
Exklusionen, zum Beispiel aus dem Arbeitsmarkt.
Peter Lüdke hat eine Variante des IC3 erarbeitet, die eine Auswertung von akkumulierten Daten
ermöglicht. Am Beispiel einer vollstationären Einrichtung des SGBXII Sektors wird die Kumulation der
Daten in den einzelnen Dimensionen des Inklusionscharts gezeigt. Dies ermöglicht Rückschlüsse auf die
Passung zwischen der gesetzlichen Grundlage, dem daraus resultierenden Angebot und den Bedürfnissen
einer Zielgruppe.
Eva Grigori stellt Ergebnisse eines studentischen Forschungsprojekts vor, welches den Einsatz des
Instruments in Settings offener und aufsuchender Jugendarbeit erprobt. Im Sinne des
Professionalisierungsprojekts Jugendarbeit wird die Verwendung des Inklusionscharts in der Fallarbeit und
Intervision unter den methodischen Bedingungen der Niederschwelligkeit diskutiert.
Soziale Diagnose auf dem Fundament der Forschung? Ein neues Abklärungsinstrument für den
Kinderschutz aus der Schweiz
B2
Kindesschutz
David Lätsch,
Daniel Rosch
Ähnlich wie in Deutschland und Österreich hat auch in der Schweiz in den letzten Jahren der Fachdiskurs
um die Abklärung von Kindeswohlgefährdungen an Intensität gewonnen. Eine Triebfeder dieser Entwicklung
liegt im sich wandelnden Professionsverständnis der Sozialen Arbeit, die sich im Zug ihrer Akademisierung
stärker als früher an den (einst intensiv kritisierten) Prinzipien evidenzbasierter Entscheidungsfindung
orientiert. Vor diesem Hintergrund hat eine Arbeitsgruppe der Hochschulen Luzern und Bern ein
diagnostisches Instrument für den Kinderschutz entwickelt, das die Abklärung des Kindeswohls auf eine
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
strikt empirische Grundlage stellen soll und gleichzeitig auch durch die gesamte rechtliche Beurteilung führt.
Das Instrument wird in dem Beitrag vorgestellt und in seiner empirisch-theoretischen Fundierung begründet.
Das Luzerner Abklärungsinstrument zum Erwachsenenschutz
professionalisierten sozialarbeiterischen Abklärung
Daniel Rosch
B3
Erwachsenenschutz
als
Beitrag
zu
einer
Die schweizerische Gesetzgebung verpflichtet den Staat, ihm zugetragene Meldungen über eine mögliche
Gefährdung von Erwachsenen zu prüfen und – falls erforderlich – Maßnahmen zu deren Schutz zu treffen.
Die Abklärung übernehmen manche Behörden selbst, andere übertragen sie an abklärende Dienste. Das
Vorgehen der Fachkräfte und die Kriterien, nach denen die Fälle beschrieben und beurteilt werden, sind
heute interkantonal oder interregional t und oft selbst innerhalb des Zuständigkeitsbereichs einer einzelnen
Behörde in keiner Weise vereinheitlicht.
Das von der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit entwickelte Instrument verbindet - ähnlich dem Berner
und Luzerner Abklärungsinstrument zum Kindesschutz den Abklärungsprozess mit der
Entscheidvorbereitung und somit den sozialarbeiterischen Einschätzungsteil mit dem juristisch geprägten
Subsumtionsteil.
Das Instrument wird mit einer Software benutzerfreundlich aufbereitet; Output ist ein Abklärungsbericht
zuhanden der KESB und wird
Soziale Diagnose und Gesetzliche Betreuung
Harald Ansen
Die Soziale Diagnose hat im betreuungsgerichtlichen Verfahren eine deutliche Aufwertung erfahren. Für die
Feststellung eines gesetzlichen Betreuungsbedarfs durch die Betreuungsbehörde ist die Soziale Diagnose
unverzichtbar. Vorgestellt wird ein sozialdiagnostisches Instrument für dieses expandierende Arbeitsfeld,
das sowohl auf einer sozialarbeitswissenschaftlichen als auch einer empirischen Grundlage basiert. Im
Mittelpunkt steht die Frage nach den Auswirkungen gesundheitlicher Beeinträchtigungen auf die alltägliche
Lebensführung. Der entwickelte sozialdiagnostische Leitfaden kann wegen seiner breiten Ausrichtung auch
in anderen Arbeitsfeldern eingesetzt werden.
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
Kategoral und rekonstruktiv – das Ressourcen-Risiken-Inventar (RRI) zur Sozialen Diagnostik in der
Straffälligenhilfe
B4
Justizdienste
Wilhelm Schmitt, Jürgen
Kaiser
Nach eingehender Prüfung bestehender Diagnostikinstrumente aus Forensik und Sozialarbeit hat
NEUSTART ein eigenes Instrument für die Straffälligenhilfe in einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe mit
Fachleuten aus Baden-Württemberg und Österreich entwickelt.
Ziel des Instrumentes ist es, die Fachkraft dabei zu unterstützen, den Fall zu verstehen, um daraus
Handlungsschritte abzuleiten. Das RRI bildet den Rahmen über vier Bereiche (Delinquenz, sozioökonomischer Bereich, interpersoneller Bereich und intrapersoneller Bereich) mit insgesamt 13
Dimensionen ab.
Nach der Reliabilitätsprüfung 2014 begann im Mai 2015 die Validierungsphase, die auf drei Jahre angelegt
ist.
Im Vortrag werden der theoretische Hintergrund und das erkenntnistheoretische Interesse des Instruments
beleuchtet, das Instrument selbst dargestellt und der Prozess der Implementierung beschrieben.
Die Entwicklung und Anwendung eines psychosozialen Diagnostikverfahrens in der pädiatrischen
Onkologie in Wien
B5
Gesundheitswesen
Kerstin Krottendorfer,
Martina Seyr
Regina Menzel
Beim Erstkontakt im Rahmen der pädiatrischen Onkologie sehen sich Sozialarbeiter_innen beinah immer
mit Krisensituationen konfrontiert. Basierend auf fünf Interviews mit Sozialarbeiter_innen, die österreichweit
an einer pädiatrischen Onkologie tätig sind, sowie unter Bezugnahme von vier theoretischen Konzepten
wurde daher ein Diagnostikverfahren für das Erstgespräch in diesem beruflichen Kontext entwickelt.
Seit einem Jahr wird jenes Diagnostikinstrument an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde
AKH Wien-Neuroonkologie eingesetzt. Damit einhergehende Veränderungen und Auswirkungen in Bezug
auf die Praxis Klinischer Sozialer Arbeit sollen in einer geplanten Wirkungsstudie erfasst werden.
Der Workshop bietet einen Einblick in die konzeptionellen Grundlagen des entwickelten
Diagnostikverfahrens und die bisherigen Erfahrungen.
Psychosoziale Problemlagen von Menschen mit neurologischen Erkrankungen und Interventionen
der Sozialen Arbeit
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
Für die Soziale Arbeit im Gesundheitswesen wurden psychosoziale Diagnosen formuliert und kategorisiert.
Die Diagnosen sollen Problemkonstellationen von Menschen mit akuten oder chronischen Erkrankungen
und der Angehörigen aufzeigen und einen Hinweis auf notwendige Interventionen durch die Sozialen Arbeit
geben. In einem nächsten Schritt wurden ein Dokumentationsbogen und ein Manual zur einheitlichen
Anwendung und Handhabung der psychosozialen Diagnosen entwickelt.
Im aktuellen Beitrag sollen nun psychosoziale Diagnosen und Interventionen der Sozialen Arbeit bei
Menschen mit akuten (Schlaganfall) und chronischen/fortschreitenden neurologischen Erkrankungen (z.B.
Multiple Sklerose, Parkinson und ALS) verglichen und Unterschiede aufgezeigt werden. Dafür wurden
insgesamt 100 Dokumentationsbögen von Patienten mit neurologischen Erkrankungen ausgewertet (50:50).
Ziel des Beitrages ist es, aufzuzeigen, welche Chancen psychosoziale Diagnosen der Sozialen Arbeit im
Gesundheitswesen bieten und wie sich Interventionen begründen lassen. Eine Erfassung und Auswertung
von psychosozialen Diagnosen und Interventionen der Sozialen Arbeit bei kranken Menschen könnte für
verschiedene Erkrankungen interessante Erkenntnisse bringen.
Kooperative Bedarfsermittlung - Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs gemeinsam mit Menschen
mit Beeinträchtigungen im Bereich Wohnen
Jakin Gebert
B6
Behindertenhilfe
Matthias Widmer
Im Rahmen eines dreijährigen von Aktion Mensch geförderten Projektes wurde von 2013 bis 2015 in der
Lebenshilfe Lörrach e.V. ein neues Angebot für Menschen mit Beeinträchtigungen entwickelt. Bei der
'Kooperativen Bedarfsermittlung' wird gemeinsam mit Klient(inn)en der individuelle Bedarf im Hinblick auf
eine Veränderung ihrer Wohn- und Lebenssituation und die dafür notwendige Unterstützung ermittelt. Mit
Hilfe verschiedener Methoden und Instrumente werden alle relevanten Informationen zur Person und ihrer
aktuellen Situation erfasst, analysiert sowie aufgrund theoriebasierter Fallüberlegungen eine soziale
Diagnose erstellt. Das Vorgehen stützt sich auf die Methodik der Kooperativen Prozessgestaltung (KPG).
Im Vortrag wird das Angebot vorgestellt und anhand eines Fallbeispiels aufgezeigt, wie das gemeinsame
Fallverstehen praktisch umgesetzt wird.
Die selbstbestimmte Bestimmung des eigenen Hilfebedarfs,
Die selbstbestimmte Planung des eigenen Bedarfsausgleichs für Menschen mit schweren
Beeinträchtigungen
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
Selbstbestimmung ist für Organisationen der Behindertenhilfe nicht mehr nur eine Leitidee, sondern mit der
Behindertenrechtskonvention
rechtsverbindlich.
Während
Selbstbestimmung
im
Alltag
der
Leistungsnutzenden allmählich Wirkung entfaltet, ist sie in Prozessen der Hilfebedarfs-Bemessung und –
Planung kaum anzutreffen. Nach wie vor wird der Hilfebedarf von Professionellen der Sozialen Arbeit als
(entmündigendes) Expertenurteil vorgenommen. Selbstbestimmte Instrumente und Verfahren liegen kaum
vor. Im Beitrag wird der Entwicklungsstand eines neuen teilhabeorientierten Bemessungsverfahrens
vorgestellt, das bereits mit Menschen mit schweren Beeinträchtigungen getestet wurde.
Ver- und Überschuldung von jungen Erwachsenen – Ein Plädoyer für den verstärkten Einsatz
hermeneutischer Elemente in der Fallerfassung
B7
Existenzsicherung
Sally Peters
In dem Beitrag wird die Bedeutung hermeneutischer Elementen in der Fallerfassung der Schuldnerberatung
hervorheben. Der Fokus liegt auf der Zielgruppe der jungen Erwachsenen und den methodischen
Herausforderungen, die aus deren Problemlagen resultieren. Vorgestellt werden erste Ergebnisse der
derzeit laufenden Dissertation über die Bewältigungsstrategien junger Erwachsener in
Überschuldungssituationen. Anhand der subjektiven Sichtweise Betroffener werden Anforderungen und
Bedarfe an die Schuldberatung formuliert, die dazu beitragen, die Fallerfassung näher entlang der
Alltagsrealität und Lebenslage Betroffener zu gestalten. Der Beitrag stellt ausgewählte Befunde vor, die für
die Beratung bzw. die Erarbeitung der Sozialen Diagnose von überschuldeten Jungerwachsenen relevant
erscheinen.
Nach einer kurzen Einführung in das Hilfesystem der Schuldnerberatung und die besonderen
Herausforderungen der Zielgruppe junger Erwachsener wird eingehend auf die Thematik der Fallerfassung
zu Beratungsbeginn in der Schuldnerberatung eingegangen. Die Schuldnerberatung steht hier vor einer
besonderen Herausforderung, denn es besteht die Erfordernis, juristische und sozialpädagogische Aspekte
zusammenzudenken und gleichzeitig auf die Besonderheiten der Lebensphase Jugend einzugehen. Die
starke Verrechtlichung des Arbeitsfeldes führt tendenziell zu einer Dominanz juristischer Aspekte und somit
zu einer verkürzten sozialen Diagnose. Auch im Fachdiskurs sind juristische Aspekte dominierend, während
sozialpädagogische Dimensionen nachrangig thematisiert werden.
Junge Erwachsene sind in Beratungsstellen unterrepräsentiert (vgl. Schruth 2011, 253). Hinzu kommt die
hohe Zahl an jungen Ratsuchenden, welche die Beratung abbrechen. Empirischen Untersuchungen zufolge
kommt es in rund 26 % der untersuchten Fälle junger Überschuldeter zu Beratungsabbrüchen (Knobloch
Panel B: Verbreitung, Einsatz und Wirkung von Methoden/Instrumenten der Sozialdiagnostik
in der Praxis 16.09.2016, 10.45 - 12.30
2014, 9). Die Ursachen für die hohen Abbruchzahlen sind bisher nicht untersucht worden, gleichwohl bieten
sie Anlass zu fragen, ob Schuldnerberatung in ihrer jetzigen Ausrichtung ein adäquates Hilfeangebot für
junge Betroffene darstellt.
Bei Überschuldung handelt es sich um eine multidimensionale Problemlage auf die entsprechend reagiert
werden muss. Ein standardisiertes Verfahren, das auf technische Aspekte verengt wird, wird den Problemen
vielfach nicht gerecht. Überschuldung wird vielfach als rein materielles Problem wahrgenommen, es besteht
dadurch die Gefahr eines übermäßig kategorial geprägten Zugangs, der den Blick auf die sozialen Folgen
des Überschuldungsproblems verdeckt. Ebenso herrscht die Tendenz vor, die Problematik der
Überschuldung zu individualisieren und als reines Verhaltensproblem zu betrachten. Die Herausforderung
besteht folglich darin, die Schulden mit sozialstrukturellen Aspekten zusammen zu denken und damit
einhergehende Probleme und Ressourcen zu beleuchten.