SWR Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied DGB, gab heute,
08.09.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Rentenstreit: Haushaltsdebatte oder Wahlkampf?“
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marie Gediehn.
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www.swr2.de
Datum:
08.09.2016
Mit freundlichen Grüßen
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DGB fordert mehr Geld für den Rentenhaushalt
Baden-Baden: Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert mehr Geld für den Renten-Etat von
Arbeitsministerin Nahles, der heute im Bundestag beraten wird. DGB-Vorstandsmitglied Annelie
Buntenbach sagte im SWR-Tagesgespräch, es müsse mehr werden, weil im Etat immer noch
nicht alles enthalten sei, was die Rente an gesamtgesellschaftlichen Aufgaben übernehme, wie
beispielsweise die Mütterrente. Im Moment sei es so, dass die politischen Entscheidungen
darauf hinausliefen, dass das Rentenniveau immer weiter sinke.
Buntenbach sagte, sie sei gespannt auf die Zahlen, die die Bundesregierung diesen Herbst auf
den Tisch lege, aber klar sei, wenn man nicht das Gesetz ändere, sondern es dieselbe Logik
bleibe, wie bisher, dann werde das Rentenniveau auch unter die gesetzlich bis 2030
festgeschriebenen 43 Prozent sinken. „Wenn das Rentenniveau weiter sinkt, bedeutet das
sozialen Abstieg im Alter“
Mit Blick auf die neue DGB-Kampagne zur Rente sagte Buntenbach: "Es geht uns darum, dass
wir die Solidarität in der Rentenversicherung weiter ausbauen, und wir müssen es erreichen,
dass das Rentenniveau dafür reicht, dass man nach Jahrzehnte langer Arbeit auch in Würde im
Alter über die Runden kommen kann, und das ist auch machbar".
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Gediehn: Größter Posten im Haushalt vom Arbeitsministerium ist der Zuschuss zur
gesetzlichen Rente. Geplante Ausgaben für den Nahles-Etat 2017, im nächsten Jahr also,
138,6 Milliarden Euro. Wollen Sie, dass das mehr wird, damit die Renten steigen?
Buntenbach: Das muss mehr werden, weil da drin immer noch nicht alles enthalten ist, was die
Rente zum Beispiel an gesamtgesellschaftlichen Leistungen übernimmt und auszahlt. Da
gehört ja auch zum Beispiel die Kindererziehung zu, da gehört die Leistung für die Menschen in
den Werkstätten dazu, und da gehört auch die sogenannte Mütterrente dazu. Das sind jedes
Jahr fast sieben Milliarden Euro, die inzwischen ja hier zusätzlich gezahlt werden und die
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
werden immer noch aus der Beitragskasse genommen, seit die Leistung eingeführt worden ist,
obwohl das auch eine gesamtgesellschaftliche Leistung ist, die eigentlich aus Steuermitteln
bezahlt werden muss.
Gediehn: Jetzt sind diese sieben Milliarden sozusagen beitragsfremd, sagen Sie,
trotzdem, Finanzminister Schäuble hat angekündigt, im nächsten Jahr die Steuern
senken zu wollen. Da ist die Rede von 15 Milliarden Euro, mit denen er vor allem kleinere,
mittlere Einkommen entlasten will. Ist das nicht mindestens so nötig, wie sozial, wie die
Gewerkschaftssorge um die Renten?
Buntenbach: Die Frage ist ja immer, wen man entlastet und wen man belastet und ich glaube,
gerade wenn man über Steuern redet, geht es ja auch darum, wer denn eigentlich hier
rangezogen wird, und da ist unser Vorschlag, immer diejenigen, die viel haben, auch stärker in
die Pflicht zu nehmen, sei es über Vermögenssteuer oder eine andere Struktur in der
Erbschaftssteuer. Das heißt, hier geht es darum, wer wird belastet und wer wird entlastet. In
dem Moment, wo aus der Beitragskasse Leistungen übernommen werden, die eigentlich der
Steuerzahler zahlen müsste, ist es so, dass da dann immer eine ganze Reihe von Leuten nicht
mitzahlen. Da gehört dann zum Beispiel ein Ministerialdirektor genauso dazu, wie auch die
anderen, die hohe Einkommen haben, zum Beispiel aus Kapitaleinkünften, die nicht mitzahlen.
Das heißt, aus welchem Topf ist schon ganz wichtig, wenn es darum geht, wer wird entlastet
und wer wird belastet.
Gediehn: Das ist ja auch durchaus Teil dessen, was die Gewerkschaften jetzt wollen,
wenn sie von einem Kurswechsel in der Rentenpolitik reden. Ihr DGB-Chef Hoffmann hat
diese Woche die passenden Plakate präsentiert. Jetzt ist aber bei diesem Kurswechsel
trotzdem das, was die große Überschrift ist, wenn der DGB einlädt, dass die Rente wieder
steigen soll. Das ist aber doch kein Kurswechsel, sondern nur eine Korrektur?
Buntenbach: Nein, das ist ein Kurswechsel, weil im Moment ist es so, dass die politischen
Entscheidungen darauf rauslaufen, dass das Rentenniveau immer weiter sinkt. Für 2030 steht
im Gesetz, sollte die Untergrenze zwar bei 43 Prozent liegen, das ist jetzt schon erheblich …
Gediehn: Ganz genau, weil Sie sagen immer weitersenken, da ist ja der Schlussstrich
eingezogen.
Buntenbach: Ja, Moment, aber es geht ja nach 2030 weiter, und da bin ich gespannt auf die
Zahlen, die die Bundesregierung jetzt diesen Herbst auf den Tisch legt, aber klar ist, wenn man
nicht das Gesetz ändert, sondern, das dieselbe Logik bleibt, wie bisher, dann wird es auch
unter 43 Prozent sinken. Jetzt ist es schon so, wer heute in Rente geht und zum Beispiel, ich
sag mal, wie die Erzieherin 910 oder 920 Euro hat nach 40 Beitragsjahren, der hätte bei 43
Prozent 100 Euro weniger und käme nur noch mit 817 Euro raus. Das heißt, wenn das
Rentenniveau weiter sinkt, sei es auf die 43 Prozent und erst recht darunter, dann bedeutet das
für viele sozialen Abstieg im Alter und dass sie nicht mehr über die Runden kommen.
Gediehn: Genau, nur auf der anderen Seite muss man ja auch sagen, es steht ja das
Rentenniveau gegen das Niveau des Beitragssatzes – also sprich, der Beitragszahler.
Spielen Sie da nicht die Jungen gegen die Alten aus?
Buntenbach: Nein, das glaube ich definitiv nicht, denn ich glaube, gerade von der Stabilisierung
des Rentenniveaus haben die Jungen was, denn das kann ja nicht sein, dass, wenn wir in
2040/2050, wenn die Menschen, die heute jung sind, die heute 30 sind, wenn die dann in Rente
gehen, dass dann das Niveau so niedrig ist, dass sie gleich in die Grundsicherung rutschen.
Deswegen müssen wir das stabilisieren.
Gediehn: Da sind wir ja wieder beim Thema Kurswechsel oder nicht Korrektur, denn,
wenn Sie von 2050 reden, dann glauben Sie tatsächlich, dass wir beim jetzigen Prinzip
der Umlagefinanzierung in den nächsten Jahrzehnten dabei bleiben können, immer
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
weniger Arbeitende, immer mehr zu belasten, um die immer länger lebenden Rentner zu
versorgen?
Buntenbach: Ich glaube, dass wir die Rentenversicherung langfristig auf noch einmal eine
breiter Grundlage stellen müssen, das heißt, wir müssen in Richtung auf ErwerbstätigenVersicherung und zum Beispiel die Selbstständigen einbeziehen.
Gediehn: Aber Sie sagen breiter Grundlage, aber nicht komplett andere.
Buntenbach: Nein, nicht komplett andere, sondern es geht uns darum, dass wir die Solidarität in
der Rentenversicherung weiter ausbauen, und wir müssen es erreichen, dass das
Rentenniveau dafür reicht, dass man nach Jahrzehnte langer Arbeit auch in Würde im Alter
über die Runden kommen kann, und das ist auch machbar. Wir haben vorgeschlagen, dass wir
jetzt umsteuern müssen und die Rücklagen, die jetzt noch in der Rentenversicherung sind, nicht
immer weiter abbrennen, sondern stattdessen ausbauen und das heißt, dass die
gesamtgesellschaftlichen Leistungen, wie zum Beispiel die Mütterrente auch wirklich aus
Steuern bezahlt werden und nicht über Beitragsmittel gehen, und dass wir in verkraftbaren
Schritten die Beiträge jetzt anheben, dann haben wir eine Demographie-Reserve, die wir in
2030 auch noch haben, und dann können wir bessere Leistungen auch gegenfinanzieren und
die langfristigen Veränderungen machen bei der Rente, die nötig sind.
- Ende Wortlaut -
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