Farbe, Steine, Brandsätze

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Farbe, Steine, Brandsätze
AfD I: In den Umfragen steht die Partei gut da, doch ihre Wahlkämpfer in Berlin haben
unter einer linksextremen Gewaltwelle zu leiden
Markus Schleusener
Markus Bolsch verläßt morgens das Haus. Er will zur Arbeit fahren. Sein roter Motorroller
Marke Derbi ist von vorne bis hinten mit weißer Farbe übergossen. Später wird er bei
Indymedia unter der Überschrift „Farbe für geistige Brandstifter“ in szenetypischer
Kleinschreibung lesen: „außerdem wurde das moped vom bvv-kandidaten der afd
charlottenburg-wilmersdorf großzügig mit lack überschüttet.“
Solche Erfahrungen machen derzeit viele Wahlkämpfer der AfD in Berlin. Sie werden
bespritzt, beschimpft, angegriffen oder verleumdet. Plakate wurden in bislang ungekannter
Dimension zerstört oder gestohlen.
Diese Dinge ließen sich abtun als „Wahlkampf in rauher Umgebung“. Berlin ist eine rote
Stadt, da gilt Toleranz nur für Gruppen links von der CDU. Aber in diesem Wahlkampf ist
einiges anders. Zum einen bleibt es nicht mehr bei versuchten Einschüchterungen oder
massenhaft abgerissenen Plakaten.
Es wird brutaler. In der vergangenen Woche traf sich rund ein Dutzend AfD-Mitglieder im
benachbarten Potsdam, um eine Tonaufnahme zu erstellen. In einem privaten Büro. Ohne
öffentliche Ankündigung. Trotzdem bekam die Antifa Wind davon und demonstrierte mit
mehreren Dutzend Leuten vor dem Grundstück, kippte Jauche vor die Tür.
Was dann geschah, bezeichnen Teilnehmer als Spießrutenlauf: Gerade mal 15 Polizisten
erschienen, um den belagerten AfD-Mitgliedern einen sicheren Heimweg zu gewährleisten.
Sie waren nicht Herr der Lage. Die Parteifreunde flüchteten in ein Fahrzeug, wurden aber
sofort umringt von Gewalttätern, die Nagelbretter vor die Reifen legten, damit der Wagen
nicht wegfahren konnte. Sie schütteten eine durchsichtige Flüssigkeit über der
Windschutzscheibe aus und drohten damit, ihn anzuzünden. Die Insassen des Wagens
bekamen Angst. „Wir hatten richtig Panik“, sagt einer, der dabei war.
Diese jüngste Gewaltwelle begann im Februar mit einem Angriff gegen das Kreuzberger
Lokal Stadtklause, in dem sich 2014 einmal eine AfD-Gruppe getroffen hatte. Mit anderthalb
Jahren Verspätung kam nun die Vergeltung von linksaußen: Nachts wurde ein Loch ins
Fenster geschlagen und schwarze Farbe auf die Holzvertäfelung gespritzt. „Wer Strukturen
für faschistische Organisationen stellt, muß mit Angriffen rechnen“, verkündeten die Täter
danach bei Indymedia.
Das war der Auftakt für eine Serie von Angriffen auf Gastronomiebetriebe, was zur Folge hat,
daß derzeit kaum noch ein Wirt an die AfD vermieten mag. Selbst die Hotelkette Maritim, bei
der noch im April ihr Landesparteitag stattfinden konnte, ist an Geschäftsbeziehungen mit der
AfD nicht mehr interessiert.
Die nächste Welle kam im Vorwahlkampf: Die AfD mußte in Berlin Unterschriften sammeln,
um an der Wahl teilnehmen zu können. Ihre Infostände wurden stadtweit von gewaltbereiten
Linken angegriffen.
Markus Egg, Vorsitzender des Pankower Verbandes, stand mit seinen Parteifreunden an
einem sonnigen Maitag am S-Bahnhof Prenzlauer Allee, als ein junger Mann ohne
Vorwarnung die AfD-Wahlkämpfer mit grüner Farbe aus einer Plastikflasche bespritzte. Sie
verfolgten den Mann, konnten ihn aber nicht erwischen. „Danach haben wir trotzdem
weitergemacht und unsere Unterschriften gesammelt“, berichtet Eggs Kollegin Ursula
Kretschmer, deren Bluse den Angriff nicht überstanden hat. Eggs Bezirk Pankow ist
besonders betroffen: Linke haben zahlreiche Outing-Aktionen gegen AfD-Mitglieder
veranstaltet. Plötzlich sind das Klingelschild beschmiert oder Plakate mit Fotos und
eindeutigen Aufforderungen wie „Verpiß dich“ in der Nachbarschaft aufgehängt. Gegen einen
Lehrer und einen Zahnarzt wurden sogar Demos vor deren Arbeitsplatz veranstaltet.
Das bekannteste Mitglied der Berliner AfD und damit die größte Haßfigur für gewaltbereite
Linke ist Beatrix von Storch. Einmal wurde ihr Auto abgefackelt. Sie verzichtet jetzt auf
eines, weil sie fürchten muß, auch das nächste wieder zu verlieren. Die EU-Abgeordnete hat
inzwischen Polizeischutz, wenn sie öffentlich auftritt. Der wurde ihr im April zugeteilt,
nachdem Linksextremisten sie in einem Kasseler Hotel mit einer Torte beworfen hatten. Das
Foto der von Zuckerguß und Sahne triefenden von Storch wird auf Anti-AfDDemonstrationen wie eine Trophäe hochgehalten. Sie läßt sich jedoch nicht einschüchtern.
„Die Angriffe sind armselig. Wer keine Argumente hat, muß zuschlagen“, sagt sie der JF.
Die Leitmedien der Stadt und die anderen Parteien reagieren erstmals mit ausführlichen
Berichten, was daran liegt, daß linke Gewalt sich inzwischen nicht mehr nur gegen die AfD
richtet. Ein SPD- und ein CDU-Wahlkampfbus sind ein Raub der Flammen geworden. Es
spricht einiges dafür, daß die unbekannten Täter aus der linken Szene stammen, die wegen der
Vorgänge in der Rigaer Straße auch mit den Senatsparteien über Kreuz liegen. Sie sind es
auch, die stadtweit CDU-Plakate von Innensenator Frank Henkel zerstören. Der Regierende
Bürgermeister Michael Müller (SPD), der bei jedem Wahlkampfauftritt vor einem guten
Abschneiden der AfD warnt, verurteilte „Gewalt und Einschüchterungen, ganz gleich ob aus
dem rechts- oder linksextremen Spektrum“.