Alles mit Maß Die Zahlungsmoral von Bauherren und auch Bauträgern hat bekannterweise nachgelassen. Es wird nach Mängeln gesucht um die ausbleibende Zahlung zu rechtfertigen oder aber eine ordentliche Minderung des Werklohns durchzusetzen. Bei dem heute knapp kalkulierten Baupreisen ist aber die Luft raus und bei 1 bis 3 Jahren Verfahrensdauer im Falle eines Rechtsstreites ist die Liquidität des Bauhandwerkers dann auch meist dahin. Eine Statistik über Insolvenzen, alleine nur verursacht durch die langen Bauprozesse, wäre hochinteressant. Eines der beliebtesten Spiele auf der Suche nach Mängeln ist die Untersuchung des Bauwerkes auf vorhandene Maßtoleranzen mit Wasserwaage und Richtscheit. Sind Toleranzen vorhanden, werden natürlich Minderungskosten gleich entsprechend dem Neuwert des Gebäudes oder des Bauteils erwartet. So einfach ist die Sache aber nicht! Es gibt Normen Für Maßtoleranzen im Hochbau gibt es Normen. Die DIN 18201 gibt uns dabei vor, wie Toleranzen gemessen werden. Es empfiehlt sich einen Blick in diese Norm zu werfen, bevor man sich mit Wasserwaage und Richtscheit oder Messwinkel ans Werk macht. In der DIN 18202 sind dann die Grenzwerte festgelegt. Wir unterscheiden grundsätzlich drei Arten von Toleranzen: • Grenzabmaße Diese gelten bzw. sind anzuwenden zur Kontrolle von Längen, Breiten, Achsen und Raster im Grundriss, sowie Höhen im Aufriss, lichte Maße, Öffnungsgrößen etc. Festgestellt wird die Abweichung des Ist-Maßes, also des gemessenen Maßes zum geplanten Maß, in der Regel gem. Zeichnung. Das gemessene Maß darf mit einer gewissen Toleranz vom geplanten Maß, sowohl positiv wie auch negativ, abweichen. FERTIGBAU • HOLZBAU • BAUPHYSIK Ing. Büro E. U. Köhnke GmbH Steenebarg 32 • 49843 Uelsen E-Mail: E.U.Koenke.de.vu Allerdings, Grenzabmaße werden von einem Bauherrn selten geprüft bzw. beanstandet. • Winkeltoleranzen Hier geht es um die Abweichung (als Stichmaß) vom geplanten Winkel, der geplanten Neigung, sowohl horizontal wie auch vertikal. Hier werden auch die sehr häufig beanstandeten Lotabweichungen erfasst. FERTIGBAU • HOLZBAU • BAUPHYSIK Ing. Büro E. U. Köhnke GmbH Steenebarg 32 • 49843 Uelsen E-Mail: E.U.Koenke.de.vu Anzumerken wäre, dass durch das Ausnutzen der zulässigen Stichmaße die Grenzabmaße nicht überschritten werden dürfen. Der Tabelle entnehmen wir, dass die max. zulässige Winkeltoleranz bei einer Bauteillänge oder Höhe von bis zu 3,00 m nur 8 mm betragen darf. Das wäre also der Grenzwert für Lotabweichungen bei normalen Wandhöhen bis zu 3,00 m. • Ebenheitstoleranzen Auch bei Ebenheitstoleranzen wird heftig gestritten. Je nach Fertigstellungsgrad und vereinbarter Leistungsqualität sind Grenzwerte in Abhängigkeit vom Messpunktabstand in der Norm fixiert. FERTIGBAU • HOLZBAU • BAUPHYSIK Ing. Büro E. U. Köhnke GmbH Steenebarg 32 • 49843 Uelsen E-Mail: E.U.Koenke.de.vu Natürlich stellen die Maße Stichmaße dar. Bei einer „Beule“ wird natürlich beidseits derselben der gleiche Abstand zwischen der Oberfläche und dem Richtscheit hergestellt und maßlich festgehalten. Zur Erheiterung gibt es dann aber immer mal wieder einen Bauherrn, welcher bei einer Beule die Wasserwaage auf der einen Seite stramm andrückt und dann das Gesamtmaß auf der gegenüberliegenden Seite ermittelt. Erklärt man ihm dann, dass bei z. B. einer 10-fachen Länge des Richtscheites sicher auch fast 1,00 m Toleranz festgestellt würden, kehrt meist wieder Sachlichkeit ein. Bei allen Prüfungen ist wichtig: Es gilt die ungünstigste Situation!! Es wird grundsätzlich mit einem Abstand von 10 cm zu Bauteilecken gemessen. Dies weil beim Mauerwerksbau der Putz oft in die Ecken hineingedrückt bzw. hineingerieben wird und auch im Trockenbau sich hier Spachtel befindet. Und wenn die Toleranzgrenze überschritten ist? FERTIGBAU • HOLZBAU • BAUPHYSIK Ing. Büro E. U. Köhnke GmbH Steenebarg 32 • 49843 Uelsen E-Mail: E.U.Koenke.de.vu Bei Toleranzüberschreitungen liegt nicht grundsätzlich ein Mangel vor. Die Toleranznorm wurde nicht erarbeitet um damit ggf. eine Mangelhaftigkeit am Objekt zu ermitteln – sie wurde geschaffen um, wie bei einer Passungsnorm z. B. im Maschinenbau, das Ineinandergreifen der verschiedenen Gewerke zu Regeln. Fertigt der Tischler das Fenster mit 15 mm plus Toleranz und der Maurer das Loch mit 15 mm Minustoleranz, so wird das Fenster nicht mehr in das geplante Loch passen, weil nur +/- 12 mm Abweichung vom Sollmaß, bei einer Rohbauöffnung bis 3,00 m zugelassen sind. Oder hat der Estrichleger auf einer Betondecke Estrich zu verlegen, so kann er erst dann Kosten für Mehrstärken begründen, wenn die Betondecke unzulässige Maßabweichungen aufweist. Bei z. B. 10,00 m Betonplattenlänge darf die Winkelabweichung 16 mm betragen, die Ebenheitstoleranz 25 mm bei einer Rohdecke. Bei gleicher Messstreckenlänge darf jedoch der fertige Fußboden nur noch 12 mm Ebenheitstoleranz aufzuweisen. Die höhere Genauigkeit zwischen der Rohdecke und dem Estrich obliegt dem Estrichleger – bei Einhaltung der Grenzabmaße ohne zusätzliche Berechnung. Fakt ist also: Die DIN 18202, Toleranzen im Hochbau, ist ein Koordinierungsmaß und nicht geeignet, die Gebrauchstauglichkeit eines Bauteils zu regeln. Deshalb ist auch eine Überprüfung nur vorzunehmen, wenn dies technisch notwendig ist, spätestens aber bei der Übergabe oder Übernahme durch ein anderes Gewerk. Das bedeutet in der Praxis: Erst Fliesenkleben und Tapezieren und dann die nicht lotrechte Rohbauwand bzw. deren Beule reklamieren, ist nicht! FERTIGBAU • HOLZBAU • BAUPHYSIK Ing. Büro E. U. Köhnke GmbH Steenebarg 32 • 49843 Uelsen E-Mail: E.U.Koenke.de.vu Wann reden wir von einem Mangel? Grundsätzlich dann, wenn die Gebrauchstauglichkeit für den vorgesehenen Zweck nicht gegeben oder z. B. unzumutbar beeinträchtigt ist. Eine Wand hat eine Vielzahl von Funktionen zu erfüllen wie z. B. • • • • • • Den Raumabschluss Die Standsicherheit Den Wärmeschutz Den Brandschutz Den Schallschutz Ggf. den Feuchteschutz Allerdings, zu guter letzt natürlich auch noch, je nach Objekt und Lage des Bauteils, einen optischen Anspruch zu erfüllen. Das Gewerk soll eben „vernünftig aussehen.“ Wenn nun eine 2,5 m hohe Wand 12 mm statt 8 mm aus dem Lot steht, werden die 6 technischen Anforderungen wohl durch die Maßabweichung nicht beeinträchtigt sein, es liegt diesbezüglich also kein Mangel vor und ist auch wohl kaum zu erwarten. Bleibt also noch die Optik! Wer erkennt aber ohne Wasserwaage zweifelsfrei, ob eine Wand im Lot steht oder ob sie 8 mm oder 12 mm Lotabweichung aufweist? Ich jedenfalls nicht! Wo also liegt der Mangel? Zugegeben, befindet sich in dieser Wand z. B. eine Tür und ist diese senkrecht eingebaut, kann sich ggf. eine konische Fuge zwischen Wand und der Türbekleidung ergeben und störend wirken. Ist sie 12 statt der zugelassenen 8 mm, kann man diskutieren, ob nun die Optik spürbar beeinträchtigt ist und dann ggf. nachbessern oder mindern. Auch bei ungünstigen Fliesenanschnitten können hier unter Umständen Beeinträchtigungen auftreten. Erfolgt dann eine Minderwertermittlung auf Grundlage der dafür vorgesehenen Zielbaummethode, kommen aber selten nennenswerte Beträge zur Minderung dabei heraus, häufig endet das Verfahren mit der Feststellung, dass es sich um eine Bagatelle handelt, die unter Umständen in die Rubrik „hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden“ fällt. Manchmal sind sogar die Kosten für den Sachverständigen größer als die ermittelte Wertminderung. Und zu guter Letzt: materialbedingte, sowie zeit- und lastabhängige Verformungen sind grundsätzlich zusätzlich zu den Grenzabmaßen zu berücksichtigen. FERTIGBAU • HOLZBAU • BAUPHYSIK Ing. Büro E. U. Köhnke GmbH Steenebarg 32 • 49843 Uelsen E-Mail: E.U.Koenke.de.vu Allerdings – es muss auch darauf hingewiesen werden, dass z. B. in der VOB, Teil C, bei Trockenbauarbeiten, Putz- und Stuckarbeiten etc. ausgeführt ist, dass bei Streiflicht sichtbar werdende Unebenheiten dann nicht zu beanstanden sind, wenn die Grenzabmaße nach DIN 18202 nicht überschritten werden. Hierauf sollte man sich grundsätzlich nicht verlassen! Die Spachtelfugen von Gipskartonplatten mit einer Toleranz von 3 mm, die kleinste Ebenheitstoleranz bei 0,10 m Messpunktabstand, ist optisch nicht vertretbar und auch nicht hinnehmbar. Selbst wenn in einer Spachtelnaht die Ebenheitstoleranz sich mit 2 mm, wie es bei erhöhten Anforderungen der Fall ist, darstellt, kann nicht von einer optisch befriedigenden Arbeit gesprochen werden. Allerdings: Es ist richtig, dass auch Sachverständige die optische Beurteilung nicht bei Schlaglicht, sondern bei üblichem, diffusem Licht vornehmen sollen. Dipl. Ing. E. U. Köhnke FERTIGBAU • HOLZBAU • BAUPHYSIK Ing. Büro E. U. Köhnke GmbH Steenebarg 32 • 49843 Uelsen E-Mail: E.U.Koenke.de.vu
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