Beitrag für Kalare_Keine Wallfahrt 1941 nach Vinnenberg

1941 – Vertreibung der Ordensschwestern aus Kloster Vinnenberg
Keine Wallfahrt nach Vinnenberg vor 75 Jahren
In diesem Jahr können wir die Gemeindewallfahrt zum Gnadenbild der
„Mutter Gottes vom Himmelreich“ wieder am Sonntag, 4. September 2016 durchführen. Das
war leider nicht immer möglich. Vor 75 Jahren konnte die Wallfahrt nach Vinnenberg nicht
stattfinden, da die Schwestern am 15. Juli 1941 von der Gestapo vertrieben und das Kloster
beschlagnahmt wurde. Das Gnadenbild wurde aus der Klosterkirche gerettet und Bischof von
Galen anvertraut.
Zu dem traurigen Ereignis in Vinnenberg hat unser damaliger Pfarrer Heinrich Schockmann in
seinen Aufzeichnungen zur Geschichte des Kirchspiels Laer, abgeschlossen etwa 1946, auf
der Seite 297 nachfolgendes aufgeschrieben:
„Die Geheime Staatspolizei hatte es fertig gebracht, die harmlosen Schwestern der
Anbetung als Staatsverbrecher zu brandmarken. Die Schwestern wurden auf Lastwagen
abtransportiert und in Osnabrück abgesetzt. Die Mutter Priorin wurde in Haft gesetzt und
erst nach Verhandlungen freigelassen. Ein Teil der Schwestern fand gastliche Aufnahme im
Kloster der Anbetung in Osnabrück, ein Teil auf der Burg Dinklage von Galen, der
Geburtsstätte des Bischofs von Münster.
Das Vinnenberger Gnadenbild von der Mutter Gottes wurde von dem letzten Rektor des
Klosters nach Münster zum Bischof Clemens August von Galen gebracht, wo es einem
Bombenangriff vom 10. Oktober 1943 zum Opfer fiel“.
Aus den Aufzeichnungen von Pfarrer Schockmann geht ferner hervor, dass die jährliche
Wallfahrt der Pfarrgemeine Laer in den Jahren 1941 bis 1944 nicht durchgeführt werden
konnten. Erst „nach dem Sturz der Naziregierung wurde die Wallfahrt im Jahr 1945 wieder
aufgenommen. Die Zahl der Teilnehmer dieser ersten Wallfahrt nach dem Krieg betrug über
520“.
Das Gnadenbild der „Mutter Gottes vom Himmelreich“ kehrte in Jahr 1946 als
originalgetreue Kopie nach alten Aufnahmen in die Klosterkirche Vinnenberg zurück. Bischof
Clemens August, inzwischen zum Kardinal ernannte, hatte eine Kopie des Gnadenbildes
anfertigen lassen.
Über die Vertreibung der Schwestern am 15. Juli 1941 berichtet Michael Felix Langenfeld
in dem Beitrag in der Zeitschrift … unter dem Titel: „Nationalsozialistischer Klostersturm
in Westfalen - Die Vertreibung der Vinnenberger Benediktinerinnen durch die Gestapo
1941“. Aus dem sehr ausführlich Aufsatz eine sehr gekürzter Auszug ohne Quellenzitate.
Die Aufhebung des Klosters Vinnenberg begann bereits am 2. Juli 1941. Die
Klosterräume wurden besichtigt, um nachsehen, wie viele Kinder eventuell auf der
Durchreise hier untergebracht werden könnten. Aber schon 13 Tage später, am Dienstag,
den 15. Juli 1941, erfolgte die Räumung des Klosters und die Vertreibung der Schwestern.
Die Gestapo erschien mit zehn bis zwölf Leuten und drang gewaltsam ins Klosterinnere ein.
Zuerst wurde der Kontakt nach außen hin unterbunden. Den Schwestern wurde das
Verlassen des Klosters verboten und der Priorin die Schlüssel abgenommen. Dann wurden
die rund sechzig Schwestern zusammengeholt und ihnen mitgeteilt, das Kloster sei
beschlagnahmt und innerhalb von zwei Stunden zu räumen, damit verbunden sei ihre
Ausweisung aus Rheinland und Westfalen. Jede Schwester wurde nun einzeln zu Protokoll
genommen und sollte unterschreiben, dass sie freiwillig das Kloster verlassen wolle. Nach
dem Beispiel der Priorin verweigerten die Schwestern zuerst die Unterschrift, wurden aber
dann gezwungen. Nachdem die Protokolle geschrieben waren, durchsuchte die Gestapo die
einzelnen Zellen, dann durften die Schwestern hinein, um unter strenger Aufsicht ihre
Sachen zu packen, die unten an der Pforte noch einmal überprüft und aussortiert wurden.
Klostereigentum war Staatseigentum geworden, und was die Schwestern mitnehmen
durften, wurde dort ganz willkürlich entschieden. Die Rentmeisterin mußte den Besetzern
zudem die Kloster- und Kirchenkasse aushändigen. Gegen 20 Uhr kam Kaplan Bernhard
Heele aus Milte, der inzwischen von einem Nachbarn benachrichtigt worden war, und fuhr
das Allerheiligste, das Gnadenbild und liturgische Gegenstände mit Erlaubnis des leitenden
Kommissars in die dortige Pfarrkirche. Rektor Böcker, dessen Wohnung die Gestapo
durchsucht hatte, galt als verhaftet. Die Schwestern mussten sich nach den Verhören und
dem Zusammenpacken ein weiteres Mal im Refektorium einsperren lassen. Die
Klosterauflösung dauerte insgesamt zehn Stunden.
Da die Schwestern dem Rat des Bischofs von Galen gefolgt waren und sich keine
Zivilkleidung besorgt hatten, sah sich die Gestapo gezwungen, die Ausgewiesenen in einem
anderen Kloster unterzubringen. 60 mittellose Nonnen in klösterlicher Tracht einfach auf die
Straße zu setzen, hätte unter der Bevölkerung zu großer Aufregung und wahrscheinlich zu
massiven Protesten geführt. Das fürchtete selbst die Gestapo. Als die Wagen nach 22.30 Uhr
losfuhren, wußte niemand, wo die Fahrt enden würde. In Glandorf, bis wohin sich das
Gerücht der Vertreibung herumgesprochen hatte, wurden die Schwestern von Verwandten
und Bekannten bereits erwartet. Rund 30 Schwestern stiegen aus und kamen dort erst
einmal unter. Der Konvoi, der weiter in Richtung Osnabrück fuhr, wurde nach einigen
Kilometern von einem Wagen gestoppt, die Priorin gesucht und die Herausgabe der
Klosterchronik gefordert.
Nach Aussage von der Priorin, Mutter Hermanna, die die Nacht vom 15. auf den 16. Juli im
Kloster verbringen musste, betranken sich die Gestapoleute in dieser Nacht und feierten
ihren "Sieg". Gegen 14 Uhr wurde sie von der zurückgekehrten Gestapo zum Warendorfer
Rathaus gebracht, wo sie ins Kreuzverhör genommen wurde. Es ging dabei hauptsächlich
darum, das bei verschiedenen Bauern in Sicherheit gebrachte Klostergut und Geldbeträge
aufzuspüren und herauszubekommen, was der Bischof und der Klosterkommissar ihr im
Falle einer Klosterenteignung geraten hätten. Ganz offensichtlich war man mit Wert und
Umfang der konfiszierten Gegenstände und Geldbeträge nicht zufrieden und vermutete,
Kirche und Klöster entzögen ihren Besitz dem Zugriff der NS-Behörden durch einen
ausgeklügelten Plan. Eine Woche lang mußte sie in einer Zelle der Warendorfer Polizeiwache
verbringen, bevor sie wieder aufsuchte, von neuem verhörte und dann auf freien Fuß setzte.
Mutter Hermanna hat über ihre Tage in der Polizeistation Warendorf einen genauen Bericht
angefertigt. Danach wollte sie die Gestapo durch gezielten
Psychoterror, der bis zur konkreten Androhung einer Vergewaltigung reichte, zum Reden
bringen. Aus ihren Aufzeichnungen wird aber auch deutlich, in welchen Gewissensnöten und
Ängsten einzelne Polizeibeamte steckten. Bei all dem spürte sie immer wieder die Angst der
Leute vor der unberechenbaren Gestapo. Ihr Bruder brachte sie zunächst ins Elternhaus
nach Ibbenbüren, wo sie die Nacht und den folgenden Tag verbrachte. Dann fuhr er sie zu
den anderen Schwestern nach Osnabrück.
Eine erste große Gruppe von rund 30 Schwestern war bereits in Glandorf ausgestiegen und
kam dort vorübergehend unter. Die meisten von ihnen blieben aber nicht in Glandorf,
sondern wurden nach einigen Tagen von ihren Verwandten abgeholt oder machten sich
allein auf den Weg in ihr Elternhaus. Die übrigen rund 30 Vinnenberger Schwestern
erreichten gegen 1 Uhr nachts das Anbetungskloster in Osnabrück. Offensichtlich war man
dort aber über ihre Ankunft nicht informiert, trotzdem wurden die Vertriebenen natürlich
aufgenommen. Erst jetzt bemerkten die Schwestern, daß Mutter Hermanna nicht mehr bei
ihnen war. Die Gestapo verabschiedete sich mit den Worten, "sie brauchten sich in
Osnabrück die Mühe des Auspackens nicht zu machen, noch ein paar Tage, dann kämen die
auch dran."
Bereits am anderen Morgen besuchte Bischof Hermann Wilhelm Berning von
Osnabrück den Konvent, ließ sich von den Vinnenberger Schwestern über die
Vorgänge berichten. Da auch das Osnabrücker Kloster auf der Ausweisungsliste der Gestapo
stand, erteilte er einige Anweisungen und Verhaltensregeln für den Fall einer erneuten
Vertreibung. Schon vier Tage nach der Klosterauflösung, am 19. Juli 1941, besuchte Bischof
Clemens August Graf von Galen überraschend den Osnabrücker Konvent. Da er sich in einem
fremden Bistum befand, mußte er die Klausur beachten und konnte nur durch das Gitter mit
den versammelten Schwestern im Besucherzimmer sprechen. Die Chronik berichtet: "Da
stand nun der große Bischof hinter dem Gitter mit beiden Händen hatte er die Gitterstangen
gefasst. Wir lachten und weinten, er auch. Wer würde nun wohl zuerst das Schweigen
brechen.
Großer Schmerz ist stumm. Da sagte er: »Kinderkes, Kinderkes, Ihr seid mir ja
weggelaufen, nun muß ich Euch ja wohl nachlaufen. Was habt Ihr doch gemacht?
Aber zuerst muß ich Euch doch gratulieren, daß Ihr teilhaben durftet an der Verfolgung. Selig
sind die Verfolgung leiden um meines Namens willen! «
Einige Schwestern weinten, andere aber mußten sich alles von der Seele reden
und erzählen. Und er, der große Mann, groß an Körper und Geist, hielt beide
Hände vors Gesicht und weinte und schluchzte.“
Heinz-Otto Babilon