Heinz Sebiger - FernUniversität in Hagen

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.08.2016
Seite:
Ressort:
Seitentitel:
26
Wirtschaft
Unternehmen
Gattung:
Nummer:
Auflage:
Serientitel:
Ausgabe:
Menschen und Wirtschaft
Hauptausgabe
Reichweite:
Tageszeitung
200
293.119 (gedruckt) 252.676 (verkauft)
268.110 (verbreitet)
0,68 (in Mio.)
MENSCHEN & WIRTSCHAFT
Heinz Sebiger
Der Gründer, langjährige Chef und
Ehrenvorstandsvorsitzende der Datev,
Heinz Sebiger, ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Mit ihm verliere die
Branche einen ihrer großen Pioniere,
sagte der amtierende Vorstandsvorsitzende Robert Mayr. Sebiger hatte die
Genossenschaft 1966 gegründet und von
einer kleinen Selbsthilfeorganisation zu
einem der größten Softwarehäuser und
IT-Dienstleister in Deutschland aufgebaut. Die Datev bietet Software und ITDienstleistungen für Steuerberater,
Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte
an.
Als Sebiger nach 30 Jahren an der
Spitze die als Genossenschaft firmierende Gesellschaft an seinen Nachfolger Dieter Kempf übergab, zählte sie im
Geschäftsjahr 1996 mehr als 4700 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von
einer knappen Milliarde Mark. Im vergangenen Jahr erlöste die Datev 880
Millionen Euro und beschäftigte rund
7000 Mitarbeiter. Sebiger zählt neben
Konrad Zuse und Heinz Nixdorf zu den
drei deutschen Pioniere der Computerbranche.
Sebiger stammt aus kleinen Verhältnissen, musste als junger Mann in den
Krieg ziehen, versah seinen Wehrdienst
unter anderem in Europas hohem Norden und fand dort die Zeit, zahlreiche
Bücher aus Wissenschaft, Technik und
Literatur zu lesen. Es war seine Schule
fürs Leben. Nach dem Krieg zurückgekehrt in seine fränkische Heimat, stieg
Wörter:
© 2016 PMG Presse-Monitor GmbH
519
er in die steuerberatenden Berufe ein,
besuchte neben der täglichen Arbeit
Dutzende Kurse und Qualifizierungen,
sah schon früh die großen Möglichkeiten, die die moderne Rechentechnik bot,
und gründete 1966 in Nürnberg die
Datev.
Damals entwickelte er mit einer kleinen
Mannschaft von Technikern das, was
man heute im Allgemeinen Cloudcomputing nennt - zentral über ein Rechenzentrum bereitgestellte und via Netzwerke jederzeit abrufbare Datendienste.
Was zu Zeiten tonnenschwerer Röhrenrechner wie eine etwas flippige Idee
aussah, gilt heute als die Zukunft der
gesamten IT-Industrie. Erst in den achtziger Jahren gab Sebiger seiner umfassenden Allgemeinbildung und seinem
tiefgreifenden technischen Wissen mit
einem Studium an der Fernuniversität
Hagen einen formalen Abschluss. Darauf war er bis zuletzt besonders stolz.
Sein Diplom hing gerahmt in seinem
Arbeitszimmer.
Im Frühjahr dieses Jahres gab Sebiger
sein letztes Interview. Im Büro seines
kleinen Hauses am Stadtrand von Nürnberg sagte er, auch heute würde er für
die Gründung einer Start-up-Firma die
Gesellschaftsform der Genossenschaft
wählen. Gebe sie der Unternehmung
doch eine treue Gesellschafterstruktur.
Genossen seien sowohl kurz- wie auch
langfristig ausgerichtet, jedes Jahr an
einer ordentlichen Rendite wie auch an
einer nachhaltigen Entwicklung der
Firma interessiert.
Seinen mit Computern aller Art und der
neuesten Generationen gut gefüllten
Schreibtisch umgaben Bücherregale bis
unter die Decke. Sie waren gefüllt mit
Standardwerken über mehr als ein halbes Dutzend Computersprachen sowie
mit schöngeistiger Literatur, Geschichtsund Wörterbüchern, die vom Englischen bis zum Japanischen reichten.
Neben seiner Verantwortung für die
Genossenschaft hatte Sebiger zahlreiche Ehrenämter inne: als Präsident der
Steuerbevollmächtigtenkammer Nürnberg und der heutigen Steuerberaterkammer, denen er zusammen drei Jahrzehnte vorstand und deren Ehrenpräsident er war. Von 1975 bis 1995 gehörte
er dem Präsidium der Bundessteuerberaterkammer an. Im Jahr 1980 erhielt
Sebiger den Bayerischen Verdienstorden, 1988 das Große Verdienstkreuz des
Verdienstordens der Bundesrepublik
Deutschland. Die Universität ErlangenNürnberg verlieh Sebiger 1986 die
Ehrendoktorwürde, und 1997 wurde er
zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt
Nürnberg ernannt. 2008 erhielt er im
Namen des Kaisers von Japan den
Orden der Aufgehenden Sonne am
Band. Wie das Unternehmen nun mitteilte, ist Heinz Sebiger in der Nacht
zum Donnerstag gestorben.
fib.