Stellungnahme der Programmkommission Deutsch EST zu den

Stellungnahme der Programmkommission Deutsch EST zu den
Reformvorschlägen für die Oberstufe (Régime technique)
Nach eingehender Diskussion mit den Vertretern der verschiedenen Schulen im
Rahmen der Programmkommission Deutsch EST ergaben sich folgende Hinweise
und Kritikpunkte zu den vorgeschlagenen Reformansätzen:
Die Kommission war erfreut zu lesen, dass das Unterrichtsministerium auch im EST
an der für Luxemburg sehr wichtigen Mehrsprachigkeit festhalten will. In Zeiten der
Krise, ständig wachsender Anforderungen und des Wettbewerbs auf dem
Arbeitsmarkt bildet die Mehrsprachigkeit auf hohem Niveau ein wichtiges Plus für die
Absolventen des Luxemburger Schulsystems.
In dem Sinne wird die Ausrichtung des Sprachenunterrichtes auf hohem Niveau in
den beiden offiziellen Verwaltungssprachen des Landes, Französisch und Deutsch,
in den 10. und 11. Klassen des Fachbereiches Wirtschaft (classes de commerce,
régime technique) ausdrücklich begrüßt. Es sollte jedoch darauf geachtet werden,
das Niveau der offiziellen Verwaltungssprachen auch in den anderen Fachrichtungen
des Régime technique entsprechend hoch zu halten.
Die Programmkommission bedauert feststellen zu müssen, dass trotz der positiven
Aussage des Reformpapiers im Hinblick auf das Festhalten an der Mehrsprachigkeit
in Luxemburg das Fach Deutsch in seinem Stellenwert eingeschränkt wird. Die
offensichtliche Hierarchisierung innerhalb der drei unterrichteten Sprachen stößt bei
der Programmkommission auf einhellige Ablehnung. Während beispielsweise im
Fachbereich Wirtschaft und Kommunikation Englisch und Französisch weiterhin
gleichberechtigt im Examen abgeprüft werden, wird dies für das Fach Deutsch nicht
mehr der Fall sein. Die Zahl der schriftlichen Abschlussexamen soll eingeschränkt
werden, jedoch geschieht dies ausschließlich auf Kosten des Faches Deutsch. Dies
bietet im Vergleich zum jetzt bestehenden Auswahlverfahren für die Schüler kaum
eine Erleichterung ihres Pensums, gibt aber unter Umständen den Schülern einen
falschen Hinweis darauf, wie das Fach Deutsch einzuschätzen ist.
Die Programmkommission plädiert dafür, den SchülerInnen die von allen Partnern
der Schule angestrebte Autonomie auch zu gewähren und ihnen freie Hand bei der
Auswahl der im Examen geprüften Sprachenfächer zu gewähren. Dies erscheint
auch gerechter im Hinblick auf Wissen, Herkunft, Motivation und Zukunftspläne der
AbiturientInnen, insbesondere da Deutsch häufig die am besten beherrschte Sprache
ist, mit deren Hilfe sie ihren Notendurchschnitt halten bzw. heben können. Jedem
dürfte bewusst sein, wie elementar wichtig eine gute Abschlussnote im Abitur für die
weitere Zukunft ist.
Das Diplom bietet den Schülern den Zugang zum Arbeitsmarkt und gewährt eine
Hochschulreife. Ein Viertel der luxemburgischen Studenten strebt ein Studium im
deutschsprachigen Raum an - die Zulassung an die Universitäten dieser Länder
könnte gefährdet sein durch eine Herabsetzung der geforderten Leistung.
Die Programmkommission unterstreicht in diesem Zusammenhang noch einmal,
dass in einer Fachrichtung, in der besonderer Wert auf die Spracherziehung gelegt
wird
und
deren
Absolventen
im
international
geprägten
Wirtschaftssektor
Luxemburgs agieren sollen, zu keiner Hierarchisierung der Sprachen kommen darf
und alle drei Sprachen auf hohem Niveau unterrichtet werden sollten.
Auf Seite 36 des Dokumentes wird deutlich, dass im Fachbereich Wirtschaft eine
Sprache lediglich auf mittlerem Niveau unterrichtet werden soll. Der Arbeitsmarkt
fordert gut ausgebildete Schüler, gerade auch in den beiden Verwaltungssprachen.
Die meisten Schulabgänger arbeiten in Bereichen, die ständigen Kontakt mit den
Nachbarländern Luxemburgs verlangen, vor allem auch mit Luxemburgs wichtigstem
Handelspartner Deutschland. Bisher war dies gewährleistet und selbst Schülern mit
frankophonem Hintergrund war es möglich, die gesteckten Ziele zu erreichen.
Dementsprechend sollte weiterhin die Möglichkeit bestehen, das Fach Deutsch im
Abiturjahr der Wirtschaftsklassen auf hohem Niveau abzuprüfen. In der Tat ist
Deutsch die Sprache, die die meisten SchülerInnen des luxemburgischen
Schulsystems am besten sprechen und schreiben. SchülerInnen, die unterfordert
werden, schalten ab und erreichen oftmals nur ein Mittelmaß, obwohl sie weitaus
anspruchsvolleren Aufgaben gewachsen wären.
Die Pläne, das Berufsbild des persönlichen Assistenten im Bereich Bürotechnik und
Kommunikation
auszuweiten
und
aufzuwerten,
werden
von
der
Programmkommission begrüßt. Unerlässlich scheint auch hier, dass großer Wert auf
die Vermittlung sehr guter Sprachkenntnisse in allen unterrichteten Sprachen gelegt
wird.
Die neu angedachte Fachrichtung Kunst wird indes nur am Rande erwähnt, ohne
dass deutlich wird, welchen Stellenwert der Sprachenunterricht in diesem Bereich
haben soll.
Die
Handhabung
des
Sprachenunterrichts
in
der
naturwissenschaftlichen
Fachrichtung ist angelehnt an die für die aktuellen Technique-Générale-Klassen
geltenden Bestimmungen. Das Abwählen einer Sprache nach der elften Klasse hat
Tradition und hat sich in der Vergangenheit für diese Klassen bewährt. Jedoch
bemängelt die Programmkommission, dass die Schüler auch in dieser Fachrichtung
bei der Wahl der im Abitur geprüften Sprache bevormundet werden sollen. Dabei
möchte die Programmkommission dem Englischen seine vorrangige Stellung als
Sprache der Wissenschaften nicht absprechen, jedoch erscheint es widersprüchlich,
den SchülerInnen freie Wahl bei den Fächern ihres Spezialgebietes zu lassen und
ihnen gleichzeitig die Fähigkeit abzuerkennen, die für sie persönlich beste
Entscheidung in Bezug auf die Sprachen zu treffen.
Zumindest erhalten die SchülerInnen der naturwissenschaftlichen Fachrichtung die
Möglichkeit, die Zulassungsarbeit (travail d'envergure) in einer von ihnen gewählten
Sprache zu verfassen, was von der Programmkommission begrüßt wird. Für den
Fachbereich Wirtschaft ist dies jedoch nicht so klar definiert. Die PK plädiert dafür,
den Schülern diesbezüglich freie Wahl zwischen den drei unterrichteten Sprachen zu
gewähren. Zudem stellt sich die allgemeine Frage nach der praktischen
Umsetzbarkeit dieser auf dem Papier interessant klingenden Idee.
Überhaupt bemängelt die Programmkommission die zahlreichen ungenauen
Formulierungen im Dokument („à définir ultérieurement“), die den Eindruck
vermitteln, dass die Reformbestrebungen noch nicht ganz durchdacht sind. Es wäre
zum Beispiel interessant zu erfahren, welche Wochenstundenzahl für den
Sprachenunterricht vorgesehen ist.
Luxemburgs Stärke liegt in der Mehrsprachigkeit – dies ist kein Geheimnis. In Zeiten
wirtschaftlicher
Krisen
und
zunehmenden
Konkurrenzdenkens
kann
die
Programmkommission eine klar intendierte Hierarchisierung der Sprachen nicht
akzeptieren, zumal angesichts der klaren Bestrebungen seitens der deutschen
Regierung, Deutsch, übrigens die meistgesprochene Sprache in der Europäischen
Union, als dritte Amtssprache der EU zu etablieren – gleichberechtigt neben Englisch
und Französisch. Diese Gleichberechtigung auf höchster Ebene sollte sich auch in
unserem Schulsystem widerspiegeln, denn eine Schulpolitik, in der bestehende
Werte geschwächt werden, schadet der Zukunft des Landes.