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SÜDWESTRUNDFUNK
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Elmar Brok (CDU) Vorsitzender Auswärtiger
Ausschuss im EU-Parlament, gab heute, 22.08.16,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Rest-Europa sortiert sich: Dreiergipfel mit Renzi,
Hollande und Merkel“. Das „SWR2 Tagesgespräch“
führte Marie Gediehn.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
22.08.2016
EU-Außenpolitiker Brok: EU muss sich besser aufstellen
Baden-Baden: Vor den EU-Beratungen von Frankreich, Deutschland und Italien betont der EUAußenpolitiker Elmar Brok, CDU, die Frage der Neuordnung der EU sei kein Prozess bei dem
man jetzt schon von einem Schlusspunkt sprechen könne. Brok sagte im SWRTagesgespräch, "es muss in die richtige Richtung gehen“, es müssten viele Einzelpunkte
angesprochen werden.
Die Europäische Union insgesamt funktioniere, so der Vorsitzende des Auswärtigen
Ausschusses im EU-Parlament. Man habe einen erfolgreichen Binnenmarkt, im Innern eine
Friedensstruktur, die vorbildlich in der ganzen Welt sei. Aber, mahnt Brok, „wir sind nicht
ausreichend aufgestellt um Herausforderungen gerecht zu werden: Terrorismus, innere und
äußere Sicherheit, Fragen von Migration, Klimawandel, hier müssen wir uns besser aufstellen.“
Er glaube, so der EU-Außenpolitiker, "dass man viele Probleme ohne Europa nicht bewältigen
kann“. Aber in manchen Bereichen sei Europa nicht ausreichend ausgestattet, man habe nicht
die notwendigen Instrumente die zum Teil von den nationalen Regierungen verweigert worden
seien. Deswegen sei es wichtig, dass man sich in der Frage beispielsweise des jetzt im Aufbau
befindlichen Grenzschutzes stärker vorangehe und mit vollem Einsatz daran arbeite, dass der
Bürger auch den Vorteil davon sehe, was seine Sicherheit angehe.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Gediehn: Die drei, die sich da heute treffen, die hatten schon vor zwei Monaten einen
neuen Impuls für Europa gefordert. Kommt der heute?
Brok: Ich hoffe, dass es in die Richtung geht. Das sind natürlich vorbereitende Gespräche, die
noch nichts Endgültiges mit sich bringen werden. Und ich finde wichtig, dass sich diese drei
großen innerhalb der Europäischen Union treffen. Aber ich finde es auch gut, dass die
Bundeskanzlerin mit auf ihrer Rundreise Polen einbezieht und kleinere, insbesondere die
neueren kleineren Länder von der Tschechischen Republik bis hin zu den baltischen Staaten.
Gediehn: Es war ja die Rede nach diesem Brexit-Votum von einer Phase des
Nachdenkens. Jetzt haben wir zusätzlich zur Phase des Nachdenkens auch die
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Sommerpause. In drei Wochen ist es soweit, Sie haben es gesagt oder angedeutet, der
EU-Gipfel in Bratislava, da geht jetzt die Reise-Diplomatie los. Wird denn dann geliefert?
Brok: Ich glaube, es ist nicht ein Prozess über den man sagen kann, das ist jetzt schon ein
Schlusspunkt. Sondern es muss in die richtige Richtung gehen, es müssen viele Einzelpunkte
angesprochen werden.
Gediehn: Aber Sie sagen Schlusspunkt. Es wäre ja gut, einen Anfangspunkt zu haben.
Also beispielsweise, einmal ein Datum ab wann wird verhandelt über diesen Austritt.
Brok: Also über wenn wir jetzt über Brexit verhandeln oder sprechen, dann glaube ich, dass das
bis Anfang des Jahres dauern wird. Denn das kann erst in Gang gesetzt werden, wenn
Großbritannien einen Antrag gestellt hat. Das ist die Vertragsregelung, die bestehen und
Großbritannien hat ja, so kann man es wörtlich sagen: „keinen Plan“. Denn sie sind völlig
unvorbereitet mit dieser Situation und wissen nicht, wie sie sich einlassen sollen. Denn alles,
was bisher diskutiert worden ist, ist zum Nachteil von Großbritannien. Hier eine Lösung zu
finden, wird aus britischer Sicht sehr schwierig. Und deswegen tun die sich auch schwer,
überhaupt das Verfahren in Gang zu setzen.
Gediehn: Man hat aber auch das Gefühl, dass Rest-Europa sich schwer tut, sich versucht
sich zu sortieren. Jetzt ist heute Italien mit Gastgeber Renzi eher auch nicht in
glänzender Position. Gravierende wirtschaftliche Probleme, da wird auf Flexibilität
gehofft bei der Drei-Prozent-Defizitgrenze. Wie erpressbar ist denn die EU inzwischen mit
diesem Brexit im Hintergrund. Denn weitere Austrittsreferenden gilt es ja zu vermeiden?
Brok: Ja, die können aber nur dadurch vermieden werden, dass man jetzt nicht zu nachlässig
ist gegenüber Großbritannien. So muss klar sein, dass derjenige, der raus geht, auch dafür die
Lasten zu tragen hat. Die Verhandlungen werden sehr hart sein. Sie sind
Scheidungsverhandlungen. Und damit ist nicht automatisch die Perspektive verbunden, wie es
in Großbritannien und der EU selbst weiter geht. Hier muss man sehen, dass Großbritannien,
wenn es volles Mitglied des Binnenmarktes bleiben möchte, auch dieselben Verpflichtungen
übernehmen kann. Man kann nicht Rosinenpickerei betreiben. Und das wird, glaube ich, klar
sein, wenn es sich lohnt, mit einem Referendum so etwas in Gang zu setzen und dann hat,
bekommt man alles, aber man muss nicht mehr dafür bezahlen, dann macht man einen Punkt,
dass es sich lohnt, Brexit auch in anderen Ländern zu organisieren,
Gediehn: Sie haben gerade gesagt, wie es mit der EU selbst weitergeht, da scheint der
Gastgeber, um noch einmal auf Italiens Ministerpräsident Renzi zurückzukommen, eher
an einem großen Wurf interessiert, an einer grundlegenden Neuordnung der EU. Das
sind doch sehr symbolträchtige Orte, auf die er heute einlädt. Der Flugzeugträger
„Garibaldi“, die historische Insel Ventotene. Kanzlerin Merkel betont dagegen eher, die
europäischen Strukturen im Kern, die funktionieren. Wer hat Recht?
Brok: In gewisser Weise beide. Ich glaube, dass die Europäische Union insgesamt funktioniert.
Wir müssen sehen, dass wir einen sehr funktionierenden, erfolgreichen Binnenmarkt haben.
Dass wir im Ausland so stark sind, dass wir doppelt so viel Export haben, wie die USA oder
China zusammen. Dass wir im Innern eine Friedensstruktur haben, die vorbildlich in der ganzen
Welt ist. Ich würde aber sagten, dass wir nicht ausreichend aufgestellt sind, um
Herausforderungen gerecht zu werden, die mit Terrorismus, innerer und äußerer Sicherheit,
Fragen von Migration, Klimawandel usw. zu tun haben. Und hier müssen wir uns besser
aufstellen.
Gediehn: Ich wollte gerade sagen, Italien würde Ihnen widersprechen. Europa
funktioniert: Eine ganz hohe Jugendarbeitslosigkeit, die großen wirtschaftlichen
Probleme insgesamt. Aber vor allem eben dieses Alleingelassen sich fühlen in der
Flüchtlingskrise nach wie vor.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Brok: Dass man sich auf dem Schiff „Garibaldi“ trifft, zeigt ja, dass Europa schon viel macht.
Denn dieses Schiff gehört zu der Flotte „Sophia“, die vor der libyschen Grenze, vor den
libyschen Gewässern steht. Wo wir mit viel Druck heran gehen, dass man gegen die
Menschenhändler dort vorgeht in den libyschen Häfen. Um auf diese Art und Weise die
Flüchtlingsflut aus Afrika zu stoppen und gemeinsame Politik betreibt nicht nur in Nordafrika,
sondern sehr zielgerichtet, systematisch bereits in Ländern wie Somalia, Niger usw. tätig ist, die
ja Ausgangspunkte von diesen Fluchtbewegungen sind. Das sind die Versuche, Italien zu
helfen, so, wie wir den notwendigen Deal mit der Türkei haben, was die Flüchtlinge angeht.
Aber es soll doch so sein, dass wir das nur gemeinsam machen können. Und dass man auf
diese Insel gegangen ist, ist der große Wurf, denn das ist die Insel von Altiero Spinelli, der dort
in Haft war unter Mussolini und dort einen großen Entwurf gemacht hat für die Einigung der
europäischen Länder.
Gediehn: Aber verstehen Sie ein bisschen die Sehnsucht oder die drängende Frage
vieler nach einem konkreten Fahrplan, wenn wir da solche gravierenden Unterschiede
haben zwischen dem großen Wurf und der Sehnsucht nach einer Neuordnung,
gleichzeitig aber diese vielen, vielen Baustellen?
Brok: Ich glaube, dass der Druck deutlich wird und das haben wir ja auch nach einer Umfrage
gesehen nach Brexit, es deutlich wird, dass man viele Probleme ohne Europa nicht bewältigen
kann. Aber dass wir sehen, dass in manchen dieser Bereiche Europa noch nicht ausreichend
ausgestattet ist. Dass wir nicht die notwendigen Instrumente haben, die uns zum Teil von den
nationalen Regierungen verweigert worden sind. Deswegen ist es wichtig, dass man etwa in der
Frage des jetzt im Bau befindlichen Grenzschutzes und Meereskontrollen hier stärker
vorangeht. Und hier mit vollem Einsatz daran arbeitet, dass der Bürger auch den Vorteil davon
sieht, was seine Sicherheit angeht.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)