SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 20.08.1940: Frère Roger kommt nach Taizé Von Johannes Weiß Sendung: 20.08.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autor: Der kleine Ort Taizé in Burgund muss im Sommer 1940 ein wirklich gottverlassenes Dorf gewesen sein. Aber gerade das war der Grund dafür, dass ein junger schmächtiger Theologe entschied, sich dort zusammen mit gleichgesinnten Männern niederzulassen. Heute gibt es nur wenige Orte auf der Erde, die so sehr mit dem Glauben an Gott in Verbindung gebracht werden wie Taizé. Jedes Jahr zieht es ZigTausende aus allen Erdteilen dorthin, wo sie singen und beten. Vor allem die Gesänge von Taizé sind weltberühmt. O-Ton Taize-Gesang Autor: Alles begann am 20. August 1940. An jenem Tag fährt der junge Theologe Roger Schutz mit dem Fahrrad zum ersten Mal nach Taize. Schutz stammt aus der Schweiz, gerade hat er sein evangelisches Theologiestudium beendet. Während des Studiums hat er eine christliche Bruderschaft ins Leben gerufen. Er könnte als protestantischer Pfarrer ein richtig gutes Leben führen. Doch ein bequemes Leben im Pfarramt ist nicht das, was er als seinen christlichen Auftrag erkannt hat. O-Ton Roger Schutz: „Bleibe niemals stehen. Ziehe voran mit deinen Brüdern. Laufe dem Ziel zu auf den Spuren Christi. Seine Spur ist ein Weg des Lichts.“ Autor: Und so führt ihn der Weg nach Taizé. Dort gibt es damals keine Elektrizität, keine befestigten Straßen, etliche der Häuser stehen leer und sind verfallen. Hinzu kommt, dass die Deutschen Frankreich besetzt haben. Allerdings gehört Taizé damals noch zum unbesetzten Teil – was die Situation nicht viel besser macht. Taizé liegt unweit der Demarkationslinie. Das hat zur Folge, dass viele Flüchtlinge hierher kommen, vor allem Juden. Roger Schutz und seine Mitbrüder helfen ihnen, manchen bringt Schutz selbst über die Grenze in die sichere Schweiz. Von dem 20. August 1940, als er zum aller ersten Mal nach Taizé kam, hat Frére Roger später oft erzählt. Roger Schutz erzählt vom 20. August O-Ton Roger Schutz: ...erzählt, wie er damals erstmals nach Taizé kam. Autor: Roger Schutz also kauft damals das Haus, um dort mit seiner ordensähnlichen Gemeinschaft von Brüdern zu leben. Weil die Kommunität vielen Flüchtlingen und Nazi-Gegnern hilft, wird ihr Haus mehrfach von der Gestapo durchsucht. Im November 1942 wird es von den Deutschen beschlagnahmt, Roger Schutz geht in die Schweiz und kehrt erst 1944, als der deutsche Spuk zu Ende ist, nach Taizé zurück. Im Laufe der Jahrzehnte wird der Ort weltberühmt. Aus allen Erdteilen kommen die Menschen, vor allem Jugendliche. In Taizé hält niemand Referate, es gibt keine TalkRunden, kein buntes Programm - die Menschen suchen hier Spiritualität im gemeinsamen Singen, Beten und Abendmahl-Feiern. 1 O-Ton Taize-Gesang Autor: Roger Schutz praktizierte einen Glauben jenseits aller konfessionellen Abgrenzungen. Weshalb die Debatte am Ende seines Lebens, ob er evangelisch geblieben oder doch katholisch geworden sei, dem tiefen Ernst seines Christ seins nicht gerecht wurde. Dass am 16. August 2005 ausgerechnet der sanftmütige Prior von Taizé während eines Abendgebets im Alter von 90 Jahren von einer psychisch kranken Frau mit einem Messer getötet wurde, löste eine weltweite Erschütterung aus. 2
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