Ein Stadtbaum für den Wald?

Foto: M. Tschannen
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Baumhasel sind als Stras­
senbäume bekannt (hier
in Schaffhausen) – aber
sie wachsen auch im Wald
und würden dem Klima­
wandel trotzen.
Baumhasel statt Roteiche
Ein Stadtbaum
für den Wald?
In zahlreichen Ortschaften kann man Baumhasel als Strassenbaum finden. Meist wird man auf den Baum aufmerksam,
wenn im Herbst Haselnüsse unter den Bäumen liegen und
weit und breit kein Haselnussstrauch zu sehen ist. In unseren
Wäldern ist Baumhasel bislang eine Rarität und die wenigsten
Förster kennen sie. Das könnte sich rasch ändern, da die
Baumhasel als eine derjenigen Baumarten angesehen wird,
die mit dem Klimawandel gut zurechtkommen könnten.
Von Eckhard Richter.
Die Baumhasel ist ein seltener Waldbaum,
der von Afghanistan bis zum Balkan
meist einzeln eingemischt in abgelegenen Gebirgswäldern auf steilen Hängen
steht. In den rumänischen Karpaten wachsen Baumhasel zu hervorragenden Stämmen und grossen Kronen auf Extremstandorten heran, wo andere Baumarten
an ihre Grenzen kommen: auf trockenen
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Karstfelsen mit ausgeprägter Dürrephase
im Sommer. Die Vorkommen auf diesen
Standorten beweisen nicht nur die ausserordentliche Trockenheitsresistenz dieser Baumart, sondern auch ihre Toleranz
gegen Kälte: Im Winter weht in den
Karpaten ein eisiger Wind aus dem
Osten, und die Temperaturen liegen wochenlang deutlich unter dem Gefrierpunkt.
Die Baumhasel hat eine Reihe von Eigenschaften, die sie als Waldbaum für
die Schweiz hoch interessant machen. Ihr
Holz ist sehr wertvoll und wird u.a. für
den Möbelbau verwendet. Deswegen
wurde sie im Mittelalter auf dem Balkan
fast ausgerottet, ähnlich wie bei uns die
Eibe. Die Baumhasel wächst wipfelschäftig auf, sie bildet wie eine Pappel oder
Erle einen geraden Stamm ohne Verzweigungen aus, was eine hohe Ausbeute an
Sägeholz ergibt. Sie wächst relativ rasch,
so dass ihr Holz viel früher geerntet werden kann als z.B. das der Eiche. An unser
Klima ist sie gut angepasst, wie die zahlreichen Strassenbäume seit vielen Jahrzehnten beweisen. Da sie früh austreibt,
besteht keine Gefährdung durch Spätfröste im Mai oder Juni.
Stattliche Grösse, hohes Alter,
gute Preise
In der Türkei wurden Baumhöhen von
35 m gemessen, die grössten deutschen
Baumhasel erreichen eine Höhe von
31 m. In einem Bestand bei Köln waren
54-jährige Baumhasel bereits 27 m hoch
und erreichten Brusthöhendurchmesser
bis zu 58 cm. Die Jahrringbreite bei Altbäumen, die als Strassenbäume solitär
stehen, kann bis zu 8 mm erreichen und
zeigt das Wuchspotenzial dieser Baumart.
Die Jahrringbreite von Bäumen im Waldbestand liegt naturgemäss tiefer, weil
dort kleinere Kronen ausbildet werden
könen.
Die Preise für Stammholz liegen zwischen 300 bis 450 Euro/Fm. Es liegen allerdings nur wenige Handelspreise vor, da
das Holz der Baumhasel in Westeuropa
nur sehr selten auf dem Holzmarkt angeboten wird.
Herkunft und Verbreitung
Die ersten Baumhasel kamen über das
ehemalige Konstantinopel nach Österreich. Im Banat (heute im Südwesten Ru-
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Foto: E. Richter
region rund 40 km nördlich von Frankfurt a. M. liegt, suchte man nach Baumarten, die zukünftig unter veränderten
Bedingungen des Klimawandels gedeihen können. Die Waldflächen liegen auf
180 m ü. NN in der sogenannten «Wetterauer Trockeninsel». Die Niederschläge sind mit 550 mm pro Jahr gering,
die Jahresdurchschnittstemperatur mit
8,5 °C hoch; entsprechend hoch ist die
Verdunstung während der Vegetationszeit. Die Standorte auf Basalt sind nährstoffreich (eutroph), oftmals mit Lössüberdeckung.
Der Stadtwald Lich hat nach dem Hitzesommer 2003 die Hälfte seiner über
30-jährigen Fichtenbestände durch Käferund Sturmschäden verloren, hierdurch
entstanden 75 ha Freiflächen. Bei der
Aufforstung dieser Flächen kam es zu
Anwuchsproblemen bei Douglasie, und
die Eichenkulturen mussten mit sehr
hohem finanziellem Aufwand mehrfach
nachgebessert werden.
Suche nach passender Baumart
Die stärkste wipfelschäftige Baumhasel
in Oravita hat einen
BHD von 76 cm und
ein geschätztes Alter
von 320 Jahren.
mäniens) – und damit «in der Nachbarschaft» – kam die Baumart seit Langem
vor, allerdings in den sehr abgelegenen
Bergregionen. In einem urwaldartigen
Bestand bei Oravita wurden Baumhasel
mit einem Alter von 310 Jahren entdeckt.
Beck von Managetta schreibt in der 1890
erschienenen Flora von Niederösterreich
über Corylus colurna: Im Jahre 1582 aus
Constantinopel nach Niederösterreich
gekommen und hier in den Gärten cultiviert; auch manchmal verwildert, wie in
den Wäldern bei Merkenstein [in Niederösterreich].
In Wien stehen laut Baumkataster
76 Baumhasel, deren Brusthöhendurchmesser über 50 cm misst. Zwei Exemplare
sind sogar 100 cm dick. Am Ortsrand von
Alland, 30 km südlich von Wien, steht ein
106 cm dicker Baum mit einem absolut
geraden Stamm von 9 m Länge. Der
Baum ist rund 180 Jahre alt und wird
sogar im Wappen der Gemeinde Alland
geführt.
In Österreich und Deutschland wurden
Baumhasel bis zum Jahr 2009 nur auf
einer winzigen Fläche von etwa 15 ha
forstlich angebaut.
Daraufhin suchte man nach Alternativen.
Auf zahlreichen kleinen Freiflächen
wuchsen nur einzelne Weichhölzer
heran, doch Trockenperioden im Frühjahr
bereiteten den Kulturen Schwierigkeiten.
Auf Kleinflächen und in geringen Stückzahlen pflanzte man daher im Licher
Stadtwald trockenheitstolerante Baumar-
In der Schweiz wurden Baumhasel bislang wohl nur in Städten angepflanzt. So
stehen laut Baumkataster in Basel 184, in
Bern 140, in St. Gallen 70 und in Winterthur 107 Bäume. Die stärksten Baumhasel, die bekannt geworden sind, stehen in
Schaffhausen (Kesselstr., BHD 105 cm,
und Felsgasse, BHD 100 cm; beide
dreistämmig), in Basel (Horburgpark,
BHD 77 cm) und in Winterthur (InneresLind-Anlage, BHD 76 cm).
Erfahrungen im Stadtwald Lich,
in Hessen
In Deutschland gab es bislang nur einige
kleine Versuchsanbauten mit insgesamt
15 ha Fläche. In den letzten drei Jahren
wurden in 17 von 41 Forstämtern des
Bundeslands Hessen erstmalig Baumhasel
angepflanzt, insgesamt rund 25 000 Stück.
Hauptlieferant waren die Darmstädter
Forstbaumschulen, die sich seit längerer
Zeit mit der Produktion von Baumhaselpflanzgut beschäftigen, selbst Saatgut in
ausgewählten Beständen sammeln und
Baumhasel in bester Qualität liefern.
Für den 1570 ha grossen Stadtwald
Lich, der in einer trockenwarmen Klima-
Die Kombination von Wuchshülle und
Mulchplatten (verhindert das Hochwachsen von Begleitwuchs) hat sich in Lich sehr
bewährt.
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ten wie Libanonzeder, Esskastanie, Walnuss, Hybridnuss, SilvaSelect-Kirschen,
Lindenblättrige Birke, Frühlingsahorn,
Ungarische Eiche, Wildbirne, Mehlbeere,
Speierling und Elsbeere. Man wollte herausfinden, welche Baumart mit den trockenwarmen Bedingungen am besten
zurechtkommt. Auf der Suche nach einer
Laubbaumart, die wipfelschäftig wächst
und daher in geringen Stückzahlen angepflanzt werden kann, war man auch auf
die Baumhasel gestossen. Sie wurde im
Weitverband von 3  3 m und, auf acht
Teilflächen von insgesamt 1,5 ha, im
engen Pflanzverband von 2,5  1 m angepflanzt, um die Ergebnisse vergleichen
zu können.
Ausserdem wurden lückige Eichenkulturen mit Baumhasel nachgepflanzt,
nachdem mehrmalige Nachbesserungen
mit Eiche erfolglos waren. Die Baumhaselpflanzen wachsen mit einem Gipfeltrieb deutlich besser und mit längeren
Jahrestrieben hoch als die benachbarten
Eichen.
Anbaumethode in Lich
Zukünftig sollen in der Försterei Lich in
Kulturen, die grössere Lücken aufweisen,
«Nesterpflanzungen» mit Baumhasel erfolgen. Die Nesterzentren sollen einen
Abstand von 15 m haben. Dadurch bleibt
Raum für den Aufwuchs anderer Baumarten.
Pro Nest werden 13 bzw. 24 Pflanzen
gesetzt, die Pflanzverbände liegen zwischen 1 und 1,5 m. In lückigen Buchennaturverjüngungen sollen Baumhaselreihen gepflanzt werden, die Abstände
zwischen den Reihen betragen ebenfalls
15 m, in der Reihe liegt der Pflanzabstand
bei 1,5 m.
Die Baumhasel müssen grün geästet
werden, wenn nicht genügend Dichtstand durch Mischbaumarten ein rechtzeitiges Absterben der Äste bewirkt.
Fällt der Jungwuchs zwischen den
15 m auseinanderliegenden Reihen zu
spärlich aus, werden dort Bergahorn und
Kirsche nachgepflanzt. Dadurch dienen
auch diese Flächen der Holzproduktion.
Pflanzung und Pflege
Da die Baumhasel sehr früh austreibt, sollte
sie bis Anfang April gepflanzt werden.
Die Pflanzen dürfen nicht zu klein sein,
damit sie nicht in der Begleitvegetation
untergehen. Geeignet sind Sortimente
zwischen 50 und 80 cm Grösse, bei
denen das Spross-Wurzel-Verhältnis günstiger ist als bei Heister-Grossflanzen.
Wichtig ist das rechtzeitige Freischneiden bei üppigem Unkrautwuchs. Auf sehr
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Interessenten für Versuchsanbau gesucht!
Zukünftig könnte die Baumhasel in unseren Wäldern einen Stellenwert einnehmen, den
gegenwärtig die Roteiche hat, unsere häufigste fremdländische Laubbaumart.
Viele Anbauten vielversprechender Baumarten aus Übersee sind in der Vergangenheit
fehlgeschlagen. Es stellte sich heraus, dass diese Arten nicht an unsere Standortsbedingungen angepasst sind. Die Baumhasel stammt dagegen aus dem Balkan, aus einer
Nachbarregion. Sie kommt daher mit dem Klima und den Wuchsbedingungen (Pilzen,
Insekten etc.) in Westeuropa zurecht. Nun sollten Versuche mit Baumhasel aus verschiedenen Regionen und Ländern zeigen, welche Herkünfte für unsere Anbaugebiete am
besten geeignet sind.
In der Schweiz sollten kleine Versuchsanbauten z.B. auf einer Fläche von 20  20 m im
Verband 2  1 m mit 150 Pflanzen erfolgen. Günstig wäre etwa die Anlage in einem
Eichengatter in Wegenähe, um die Entwicklung besser beobachten zu können. Man
kann bei der Baumhasel auch Nesterpflanzung durchführen, wobei pro Nest 13 bzw.
24 Pflanzen im Abstand von 1 bis 1,5 m gepflanzt werden. Die Zentren der Nester sollen
mindestens 14 m Abstand zueinander haben. Dies entspricht den Distanzen der späteren Zukunftsbäume (Z-Bäume).
Auf nährstoffreichen Basaltstandorten gedeiht die Baumhasel nach bisherigen Erfahrungen sehr gut. Von besonderem Interesse ist das Wuchsverhalten auf Standorten, die
relativ schlecht mit Nährstoffen versorgt und zusätzlich trocken sind. Die Anbauten sollten rasch erfolgen, um baldmöglichst Aussagen über die Eignung der Baumhasel für
unsere Wälder unter den Bedingungen des Klimawandels treffen zu können.
Der Autor ist sehr an der Meldung von Versuchsanbauten interessiert, um Erfahrungen
über diese neue Baumart zu sammeln!
nassen, wechselfeuchten Flächen sterben
die Baumhasel ab, auf trockenen Standorten haben sie keine Anwuchsprobleme.
Beim Weitverband wurden die Baumhasel mit Wuchshüllen geschützt. Auf
den eutrophen, stark unkrautwüchsigen
Böden haben sich Mulchplatten besonders bewährt. Diese verhindern in den
ersten zwei Jahren, dass Begleitvegetation in den Wuchshüllen hochwächst und
die kleinen Bäumchen ausdunkelt.
Die Bäume der Weitverbände müssen
geästet werden, wenn zu wenig Naturverjüngung auf den Flächen ankommt
und sich dann zu dicke Äste entwickeln.
Bei Engverband in flächigen Kulturen
oder bei Nesterpflanzung kann auf Ästung verzichtet werden.
Erste Erfolge in Lich,
Süddeutschland und Österreich
Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. So ist das Wachstum der
Baumhasel wesentlich besser als der benachbarten Eichenkulturen. Im vierten
Standjahr sind in Lich einige Baumhaselpflanzen, die als 60 cm grosse Setzlinge
gepflanzt wurden, bereits über 3 m hoch
und haben Jahrestriebe von maximal
115 cm gebildet.
Manfred Schölch, Waldbauprofessor in
München-Weihenstephan, liess 2,5 ha
Baumhasel an vier verschiedenen Standorten in Süddeutschland anpflanzen.
Nach sechs Jahren waren seine Baumhasel im Durchschnitt bereits 4,3 m hoch,
das Maximum betrug 6,1 m. Das jährliche Höhenwachstum lag bei durchschnittlich 87 cm und bei maximal 140 cm.
Werner Ruhm (Bundesamt für Wald,
Wien) legte im Jahr 2001 eine 0,56 ha
grosse Versuchsfläche bei Glaswein im
Weinviertel an. Auf dieser Fläche wurde
Baumhasel in Reihenweitverbänden von
4  1,5 m und 8  1,5 m gepflanzt. Im
zehnten Standjahr der Kultur betrug die
mittlere Höhe bereits 7,5 m und der
mittlere Brusthöhendurchmesser 6,8 cm.
80% der Stämmchen waren gerade und
wipfelschäftig.
Eckhard Richter
Revierförsterei Lich (Forstamt Wettenberg),
DE-35410 Hungen
[email protected]
Weitere Infos
1. Richter, E. (2012): Baumhasel – ein Baum für
den Klimawandel?! AFZ (Allgemeine Forstzeitschrift) – Der Wald; Heft 8/2012; S. 8–9
2. Richter, E. (2013): Baumhasel – anbauwürdig
in Mitteleuropa?; AFZ (Allgemeine Forstzeitschrift) – Der Wald; Heft 5/2013; S. 7–9
3. Richter, E. (2014): Baumhasel – Bestandesstruktur und Wachstum, AFZ (Allgemeine Forstzeitschrift) – Der Wald, Heft 5/2014, S. 13–16
4. www.waldwissen.de, Stichwort «Baumhasel»