3sat-Magazin Stefanie Stappenbeck berichtet von ihren

Wissen
Neue Reihe:
Tipps für ein besseres Leben
Die Schauspielerin Stefanie Stappenbeck hat sich für uns durch den Produktdschungel geschlagen.
Als Ergebnis präsentiert sie uns Regeln, wie wir richtig gut leben können
Frau Stappenbeck, Ihre Sendung heißt „Richtig Gut
Leben“. Haben Sie herausgefunden, wie es geht?
Mir ist klar geworden, welchen Herausforderungen wir als
Verbraucher uns jeden Tag stellen. Unsere Ansprüche werden
immer höher. Wir wollen alles richtig machen – beim Einkaufen und Essen, beim Wohnen und Reisen, im Büro und
zu Hause. Doch die Informationen erschlagen uns und widersprechen sich. Im Dickicht der Zahlen und Fakten verlieren wir die Übersicht. Wir sind verunsichert und haben ein
schlechtes Gewissen. Gerade als Mama empfinde ich eine noch
größere Verantwortung – nicht nur für mein Kind und wie
ich es ernähre, sondern auch für die Welt, in der es aufwächst
und die wir ihm hinterlassen. Wir können mit unseren Kaufentscheidungen viel bewegen, wenn wir die richtigen Fakten
zur Hand haben! Es war spannend, durch diese Sendereihe zu
führen. Für mich war es das erste Mal, dass ich Expertengespräche geführt habe und mal alle Fragen loswerden konnte,
die ich mir Tag für Tag so stelle. Da geht es um verschiedene
Aspekte wie unsere Umwelt oder Gesundheit, aber auch um
Fairness im Handel und Preise. Jeder setzt ja beim Einkauf
andere Prioritäten. Die nehmen wir in die Sendung alle auf,
aber zum Schluss gibt es für jeden einfache Regeln, die helfen,
mit einem guten Gewissen durch den Alltag zu kommen und
richtig gut zu leben.
AUGUST
22 MO, 18.15
Richtig Gut Leben – Lachs
„Wir können mit unseren
Kaufentscheidungen viel
bewegen, wenn wir die
richtigen Fakten zur Hand
haben!“
30 3sat TV- & Kulturmagazin
3/2016
Fotos: Stefan Klüter · Getty Images/Hero Images
· NEU
4-teilige Doku-Reihe mit Stefanie Stappenbeck
(je 45 Min) · 3sat
23 DI, 18.15
Richtig Gut Leben – Wurst
24 MI, 18.15
Richtig Gut Leben – Soja
· NEU
· NEU
25 DO, 18.15
Richtig Gut Leben – Schokolade
3/2016
· NEU
3sat TV- & Kulturmagazin 31
Wissen
Wissen
Welcher Fisch darf
es denn sein?
Stefanie Stappenbeck fragt den Meeresbiologen Dr. Rainer Froese, auf was wir beim
Fischkauf achten sollen. Der Wissenschaftler
hat nicht nur die Fischbestände in unseren
Meeren im Blick, sondern weiß auch alles
über ihre Zucht und die Fangmethoden
In der ersten Folge geht es um das Thema Fisch. Wie entscheiden Sie jetzt, wenn Sie vor der Fischtheke stehen?
Ich greife nicht mehr gerne zu den herkömmlichen Fischen
wie Lachs und Thunfisch. Eine Ausnahme mache ich bei
Wildlachs aus Alaska, dessen Bestände zurzeit in Ordnung
sind. Und es gibt tolle und sogar preiswerte Alternativen zu
Lachs und Thunfisch. Unser Hering oder die Sprotte zum Beispiel könnten meiner Meinung nach eine Renaissance erleben.
Ich habe auch meine Vorurteile tiefgefrorenem Fisch gegenüber abgelegt. Es ist oft die ökologischere Variante, als frischen
Fisch zu kaufen, der eingeflogen wurde.
Gibt es etwas, das Ihnen beim Einkaufen nicht mehr
in die Tüte kommt?
Lustigerweise ist das Gegenteil der Fall! Aus lauter Verunsicherung habe ich in den letzten Jahren kaum noch Lachs, Wurst
oder Tofu gekauft. Mit all dem Wissen, das ich nun aber gesammelt habe, bin ich zumindest bei Fisch und Tofu wieder
mutiger geworden und kaufe beides regelmäßiger und benutze
dabei unsere praktischen Faustregeln! In den nächsten Folgen geht es um Soja, Wurst und
Schokolade. Welche Erkenntnisse erwarten uns da?
Die Wurst zum Beispiel hat einen schlechteren Ruf, als sie verdient. Aus heutiger Sicht ist sie ein nachhaltiges Produkt, bei
dem viel hochqualitatives Fleisch genutzt wird, das sonst keine
Verwendung finden würde. Ich habe einiges über Soja gelernt,
zum Beispiel, dass der größte Anteil von Soja an Tiere für die
Fleischzucht verfüttert wird. Das hat enorme ökologische Auswirkungen. Wie übrigens auch alle aufwendig verarbeiteten
Fleischersatzprodukte, die im Moment sehr stark nachgefragt
sind. Besser ist es, wenn man zu purem Tofu greift. Daraus
kann man tolle Sachen machen. Oder beim Thema Schokolade, da schaue ich jetzt genauer hin. Denn mir ist bewusst geworden, dass bei der Herstellung von Schokolade auch Kinder
als Arbeitskräfte eingesetzt werden. Deshalb unterstütze ich
beim Kauf kleine Initiativen und ziehe Fair-Trade-Schokolade
vor. Ein Boykott würde den Kakaobauern nur schaden. Man
muss sich beim Konsum von Schokolade einfach klarmachen,
wie viel Arbeit in diesem Produkt steckt und es dann genießen.
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3/2016
Herr Dr. Froese, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, zweimal in der Woche Fisch zu essen.
Das soll gesund sein, aber reicht der Fisch in unseren
Meeren dafür?
Fisch ist ein sehr gesundes Nahrungsmittel, denn die berühmten Omega-3-Fettsäuren haben enorm positive Auswirkungen. Frauen in der Schwangerschaft und während der Stillzeit
werden sie besonders empfohlen. Omega-3 finden wir überwiegend in fettreichen Meeresfischen wie Heringen und Makrelen. Zum Glück sind das Bestände, die einigermaßen in
Ordnung sind. Dem Hering in der Nordsee geht es sehr gut,
dem in der Ostsee leider nicht. Der Makrelenbestand ist prinzipiell gut, auch Sprotte kann man bedenkenlos essen. Und
ich habe nichts gegen zweimal Fisch in der Woche, wenn er
aus diesen Beständen kommt. Grundsätzlich bin ich allerdings
der Meinung, dass wir unseren Fischkonsum – ebenso wie den
Fleischkonsum – herunterfahren sollten.
Worauf sollte ich denn beim Fischkauf noch achten?
Wenn man an der Fischtheke steht und überlegt, was man kaufen soll, gibt es mehrere Kriterien. Eine Regel lautet: Kaufen
Sie Fische mit Kopf und Schwanz! Warum? Sie sind noch nicht
verarbeitet, möglicherweise frisch und einheimisch, haben also
keine langen Transportwege hinter sich. Eine weitere Regel ist:
Meistens geht es den Fischen, die kleiner sind, besser als den
großen Arten. Auch deshalb sind Hering und Sprotte eine gute
Wahl. Den Verzehr dieser beiden Fischarten ziehe ich nicht
nur deshalb vor, weil man aus ihnen köstliche Gerichte machen kann, sondern auch, damit sie nicht für die Herstellung
von Fischmehl verwendet werden. Das ist keine gute Nutzung,
weil dabei am Ende viel weniger Fisch herauskommt; nur etwa
ein Fünftel des Herings landet dann auf unserem Teller, zum
Beispiel als Lachs.
Wenn ich also auf einer Packung Zuchtlachs lese
„Reich an Omega-3-Fettsäuren“, dann heißt das mit
anderen Worten: Dieser Fisch hat besonders viel
Fischmehl zu fressen bekommen?
Das heißt es, ja. Lachse sind Raubfische und haben daher hohe
Omega-3-Werte. Deswegen muss man sie in der Aquakultur
Fotos: Getty Images/Hero Images · ZDF/Dirk Eisermann · photocase (2)
3/2016
3sat TV- & Kulturmagazin 33
Wissen
Aber Alaska-Lachs ist schon für 5 Euro pro Kilo
im Supermarkt erhältlich. Wie ist ein solcher
Preis möglich?
Unsere Ketten haben natürlich Möglichkeiten, Sonderangebote massiv zu nutzen und Preise anzubieten, bei denen die Konkurrenz nicht mithalten kann. Darauf beruht
das gesamte System. Beim Fleisch finde ich das ehrlich
gesagt pervers, diese Werbebroschüren im Briefkasten,
auf denen die ganze Titelseite blutig aussieht. Da wird
mit unglaublich niedrigen Preisen für Schweinefleisch geworben. Ich kann das nicht nachvollziehen. Das ist nicht
gut. Und ich finde es auch nicht gut, wenn das mit Fisch
gemacht wird. Fisch ist ein hochwertiges Produkt, ein
hochwertiges Nahrungsmittel, das seinen Preis hat. Das
muss man auch nicht jeden Tag essen. Solche Kampagnen finde ich nicht gut.
Eine Orientierungshilfe bieten ja bestimmte Produktsiegel wie zum Beispiel MSC. Was halten Sie
davon?
mit entsprechenden Fischen füttern. Wenn Lachs Omega-3
haben soll, kann ich ihn nicht mit Tofu-Ersatzfutter füttern,
was ja experimentell durchaus gemacht wird, sondern muss
ihm schon Futter verabreichen, in dem Omega-3 drin ist. Also
unsere Sprotten, unsere Sardinen, Sardellen, Makrelen. Das
sind natürlich alles Fische, die wir auch direkt essen können,
aber okay, die werden halt als Lachsprodukt veredelt und mit
schönem roten Farbstoff serviert.
Dieses Färbemittel ist ja mit 1.500 Euro pro Kilo extrem
teuer. Muss das denn sein? Ich habe einen Lachsfarbfächer gefunden, der anzeigt, welche Farbstufen man erreichen kann, wenn man dieses Färbemittel E 161 einsetzt. Ist das ein gängiges Verfahren bei der Zucht von
Lachsen?
Ja, es ist üblich, bei der Zucht von Lachsen dem Futter in den
letzten Monaten Farbstoffe zuzusetzen, damit das Fleisch diese rötliche Färbung bekommt. Bei den Wildlachsen brauchen
wir das natürlich nicht, die fressen Krebstiere, und Krebstiere haben in ihrer Schale einen Farbstoff, der zu dieser roten
Färbung des Wildlachsfleisches führt. In der Aquakultur, bei
der überwiegend mit anderen Fischen gefüttert wird, hat man
diesen Effekt nicht, also wird dieser Farbstoff zugesetzt. Das
hat keinen Einfluss auf den Geschmack, das sind übliche Nahrungsfarbstoffe. Allerdings weiß ich nicht, ob wir das wirklich
brauchen.
Wenn es aber doch Lachs sein soll: Welchen kann ich
denn in meinem Supermarkt guten Gewissens kaufen?
In unseren Supermärkten findet man ja Wildlachs, wie er so
schön heißt, aus Alaska, und der ist auch in Ordnung. Es gibt
in Alaska mehrere Arten und mehrere Bestände. Man weiß
nicht genau, warum, aber dem geht es im Augenblick gut.
Also, man kann guten Gewissens Wildlachs aus Alaska essen,
und der schmeckt auch ganz wunderbar.
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Also beim pazifischen Wildlachs ist das MSC-Siegel in
Ordnung. Bei anderen Arten kann man das durchaus kritisch sehen. Wir haben gerade eine Studie veröffentlicht,
für die wir alle zertifizierten Fischbestände in unserem
Gebiet angesehen haben. Von diesen zertifizierten Beständen waren 40 Prozent überfischt. Das erwartet man
natürlich nicht, wenn ein Öko-Siegel drauf klebt – da
muss deutlich nachgebessert werden.
Also kann man sich auf diese Siegel nicht verlassen?
So ist es. Trotzdem würde ich sagen: Mit Siegel ist besser
als ohne, denn ohne Siegel ist das Risiko immer höher,
dass man Fische aus Beständen bekommt, die überfischt
sind. Wenn ein Siegel auf der Verpackung ist, kann man
sich zumindest sicher sein, dass der Bestand nicht zusammengebrochen ist.
Greenpeace bietet einen Ratgeber für den Fischeinkauf an, den es jetzt auch als App gibt. Ist die
immer auf dem neuesten Stand?
Die ist auf dem neuesten Stand. Sie haben unter anderen
mich gefragt, ob sie die Bestände richtig beurteilen – und
der Umweltschutzorganisation gelingt das überwiegend.
Die haben ganz simple Kriterien: Der Bestand muss groß
genug sein, er wird nicht zu hart befischt und es werden
keine Fangmethoden eingesetzt, die die Umwelt schädigen, etwa durch Grundschleppnetze. Nur wenn diese Kriterien erfüllt sind, gibt Greenpeace grünes Licht. Und das
kommt natürlich nicht sehr oft vor.
Was ist zum ökologischen Aspekt von Importfisch
zu sagen? Vieles kommt ja aus der Region Asien.
Ist das von der Ökobilanz her bedenklich?
Scampi und Shrimps sind ja sehr beliebte Fischereiprodukte auf unseren Tischen. Die kommen überwiegend
aus einer Aquakultur, die sehr problematisch ist. Das ist
leider eine Boom-and-Bust-Industrie, für die Mangroven
Fotos: photocase/Deyan Georgiev · ZDF/Dirk Eisermann
abgeholzt, Teiche ausgehoben und Shrimps ausgesetzt werden,
die mit Pellets aus gepresstem Fischmehl gefüttert werden. Das
geht zwei oder drei Jahre gut, dann schleichen sich Krankheiten ein, dann wird das Unternehmen verkauft, das nächste
macht es noch zwei Jahre und wird dann ebenfalls geschlossen.
Zurück bleibt im Grunde versalzene und mit Antibiotika und
Medikamenten verseuchte Erde, auf der es dann ganz schwierig ist, wieder etwas anzubauen, und die man kaum renaturieren kann. Shrimps werden auch mit Grundschleppnetzen
gefangen. Das ist unvorstellbar, da sind Riesenflotten parallel
unterwegs und fischen ein ganzes Gebiet ab für Garnelen, für
Shrimps. Und man sieht hinterher das aufgewühlte, braune
Wasser, kilometerbreit und lang. Die Umweltschäden, die da
verursacht werden, sind verheerend. Also, wenn man auf noch
etwas verzichten sollte, dann auf Scampi. Sorry.
Was gibt es noch zu bedenken, wenn man Importfisch
essen möchte?
Auch hier gibt es viele Aspekte. Wichtig ist, dass nachhaltig
gefischt wird. Wenn weltweite Flotten mit ihren Fabrikschiffen
Fisch direkt an Bord verarbeiten und tieffrieren, ist das durchaus eine vernünftige Methode, um die Qualität sehr hoch zu
halten. Direkt gefangen, direkt verarbeitet, direkt tiefgefroren
in der Packung, die wir dann in der Tiefkühltruhe finden – das
ist eine sehr gute Methode.
Wie sicher sind wir eigentlich mit dem Fisch, den wir
konsumieren, zum Beispiel im Hinblick auf Giftstoffe?
Es gibt eine einfache Regel: Die kurzlebigen Fische – das sind
meistens die kleinen – haben eine sehr wenig angereicherte
Nahrungskette. Die großen Fische dagegen sind oft Räuber,
da akkumuliert sich alles, was sie gefressen haben, in der Nahrungskette. Besonders Fische, die alt werden, reichern viel an.
Und es gibt natürlich auch Fische, die durchaus den Bodengrund fressen und dabei alles Mögliche aufnehmen. Ein Beispiel ist der Aal. Aber den sollte man sowieso nicht essen, dem
geht es nicht gut. Aal ist überfischt, auch die Gewässer sind
verbaut und verschmutzt, die Bestände gehen runter. Wirklich
nicht essen!
Werden die Fische eigentlich auf Giftstoffe hin kontrolliert, bevor sie in den Handel kommen?
Unsere Behörden nehmen Stichproben, und es gibt durchaus Grenzwerte, unter anderem für Quecksilber und Dioxin.
Manchmal sind die Werte erreicht, manchmal nicht. Und es
sind eben auch nur Stichproben. Aber insgesamt ist Fisch ein
gesundes Nahrungsmittel, und man sollte sich nicht zu viele
Gedanken machen. In den USA gibt es durchaus Vorschriften und Vorschläge, dass schwangere Frauen keinen Fisch essen sollten, weil die Sorge so groß ist, dass man Quecksilber
und Ähnliches zu sich nimmt. Aber in den USA gibt es auch
viele Tiefseefische und viele alte Fische aus dem Pazifik, da ist
die Gefahr größer als bei uns. Ich denke, wenn man bei uns
Heilbutt vermeidet, Haifische vermeidet, was man sowieso
sollte, und Aale vermeidet, dann hat man kein Problem mit
Giftstoffen.
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