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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
„Ich spiele nicht nur Klavier“
Komponistinnen: Francesca Caccini,
Barbara Strozzi, Isabella Leonarda (1)
Von Ulla Zierau
Sendung:
Montag, 15.08. 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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„Musikstunde“ mit Ulla Zierau
„Ich spiele nicht nur Klavier“
Komponistinnen: Francesca Caccini, Barbara Strozzi, Isabella
Leonarda
SWR2 15. bis 19. August 2016 9h05 – 10h00
Teil 1 – Komponistinnen: Francesca Caccini, Barbara Strozzi, Isabella Leonarda
Signet
Mit Ulla Zierau und weiteren Komponistinnen-Porträts in dieser Woche. „Ich spiele
nicht nur Klavier“, so lautet das Thema. Nein, sie tun vieles mehr: sie musizieren,
singen, komponieren. Heute geht es um die Renaissance- und FrühbarockKomponistinnen Francesca Caccini, Barbara Strozzi und Isabella Leonarda.
Herzlich willkommen.
Titelmusik
„Dieses Nachaußenkehren nicht gefühlter Gefühle, dieses Verleugnen seiner
eigensten Kraft, mit einem Worte, dies konventionelle Leben bricht alle
moralische und physische Kraft, erzeugt Nervenleiden und presst die Seele
gänzlich zusammen“, schreibt die deutsche Opernsängerin Wilhelmine SchröderDevrient, die erste Senta in Wagners Fliegendem Holländer.
Die äußeren Zwänge, unter denen Frauen im 19. Jahrhundert zu leiden haben.
Nur wenigen gelingt es, die eigensten Kräfte nach außen zu kehren, sich über
gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen und mit Kreativität in die
Öffentlichkeit zu treten. Diese Barrieren sind Gründe, warum es in den
vergangenen Jahrhunderten so wenige Komponistinnen gegeben hat. Das
Schöpferische war den Männern vorbehalten. Sagte doch Hans von Bülow mit
Blick auf die Pianistinnen Clara Schumann und Marie Jaëll: "Reproduktives Genie
kann dem schönen Geschlecht zugesprochen werden, wie ein Produktives ihm
unbedingt abzuerkennen ist. Eine Komponistin wird es niemals geben, nur etwa
eine verdruckte Kopistin. Ich glaube nicht an das Femininum des Begriffs
"Schöpfer“.
Tja, da hat er sich geirrt, der Hans von Bülow, der zwar ein bedeutender
Klaviervirtuose und Dirigent war, einer der ersten der Berliner Philharmoniker, aber
als Schöpfer, als Komponist kaum Spuren hinterlassen hat. Sie hingegen schon:
Clara Schumann. (1‟35)
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Musik 1:
Clara Schumann: Romanze op.22 Nr.2
Lisa Batiashvili, Geige Alice Sara Ott, Klavier
M0329004 004, 2„40
Lisa Batiashvili und Alice Sara Ott mit der Romanze Nr.2 von Clara Schumann.
In der SWR2 Musikstundenwoche im Juni habe ich Ihnen bereits zehn
Komponistinnen vorgestellt, unter ihnen Louise Farrenc, Emilie Mayer, Cécile
Chaminade, Mel Bonis und Ethel Smyth. In dieser Woche begegnen wir u.a. den
Geschwistern Boulanger, Lili und Nadia, den komponierenden Schwestern des
Preußenkönigs Friedrich II, Wilhelmine und Anna Amalie, wir treffen die weibliche
Gallionsfigur der französischen Groupe des six, Germaine Tailleferre und die erste
Amerikanerin, die eine Sinfonie komponiert, Amy Beach.
Heute geht es in die Renaissance und die frühe Barockzeit, da gab es einige
Frauen, die mit Musik ihr Geld verdient haben, meist als komponierende Sängerin,
sei es in der Öffentlichkeit oder hinter Klostermauern. Francesca Caccini, Barbara
Strozzi und Isabella Leonarda, alle drei in Italien geboren, im Mutterland der
Musik. Humanistische und musikalische Zentren, wie etwa die Höfe in Florenz,
Mantua, Ferrara oder die Republik Venedig sprießen wie Pilze aus dem Boden.
Die Geschichte des Ospedale della Pietà, des venezianischen Waisenhauses,
1346 gegründet, ist ein Paradebeispiel der kulturellen Entfaltung. Johann
Rosenmüller und später Antonio Vivaldi entwickeln es zu einer hervorragenden
Musikschule, einer blühende Musikerinnen- und Komponistinnenschmiede. Dort
leben meist uneheliche Kinder, vorwiegend Mädchen von Mätressen adliger
Herren. Sie erhalten eine Unterkunft und eine anspruchsvolle musikalische
Ausbildung und manche fangen Feuer. Vivaldi unterrichtet nicht nur, sondern
komponiert für seine Schülerinnen Konzerte für Soloinstrumente und manchmal
für alle zusammen - con molti stromenti. (1‟50)
Musik 2
Antonio Vivaldi: Concerto con molti stromenti C-dur RV 558, 3. Satz
Academy of Ancient Music, Leitung: Andrew Manze
M0012564 W06 018, 3‟03
Antonio Vivaldi – der 3. Satz aus dem Concerto con molti stromenti C-dur RV 558.
Andrew Manze leitete die Academy of Ancient Music.
Italien, die Wiege der Musik und Francesca Caccini eine der frühen bekannten
Komponistinnen der Renaissance, rund 100 Jahre vor Vivaldi. 1587 in Florenz
geboren, Tochter einer erfolgreichen Musikerfamilien. Der Vater, Giulio Caccini,
ein bekannter Musiker und Komponist am Hofe der Medici.
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Er gilt als Modernisierer und Mitbegründer der Oper und ist Mitglied des
Intellektuellen-Kreises „Camerata Fiorentina“, hier habe er mehr gelernt als in
jahrelangen Kontrapunktstudien. Caccini unterrichtet seine Tochter in Gesang
und Tonsatz, bildet sie zur Instrumentalistin aus und bringt sie mit 13 Jahren an den
Hof der Medicis. Auf der Hochzeit Heinrich des IV. von Frankreich mit Maria di
Medici singt sich die junge Frau in die Herzen und Seelen. Der König von
Frankreich lädt sie an seinen Hof nach Paris ein und würde die junge
charismatische Musikerin am liebsten behalten, doch die Medicis geben sie nicht
frei. Im kulturreichen Florenz und nur hier soll sie ihre Kunst zum Besten geben.
Francesca Caccini wird zum Star und zu einer der bestbezahlten Musikerinnen
am Hof der Medici. Claudio Monteverdi erlebt sie und schreibt an einen Freund:
„In Florenz hörte ich die Tochter des Signor Caccini sehr gut singen sowie Laute,
Gitarre und Cembalo spielen“. (1‟40)
Musik 3
Francesca Caccini:
“O vive rose”, Canzonetta für eine Singstimme und Basso continuo
Shannon Mercer, (Sopran), Sylvain Bergeron, Barockgitarre, Amanda Keesmaat,
Barockvioloncello, Luc Beauséjour, Cembalo
M0439757 001, 3‟00
Shannon Mercer und ihr Ensemble mit „O vive rose”, Canzonetta für eine
Singstimme und Basso continuo aus dem Primo libro delle musiche a una e due
voci, eine Sammlung von 36 Monodien, Francesca Caccinis erste
Veröffentlichung von 1618.
Ein paar Jahre später publiziert sie als erste Frau eine Oper: „La liberazione di
Ruggiero dall‟isola d‟Alcina“, für den Besuch des polnischen Erbprinzen Ladislaus
geschrieben. Der ist so angetan, dass er die Noten mit in seine Heimat nimmt und
die Oper in Polen aufführen lässt.
Ab und an geht Francesca mit dem Hofstaat der Medicis auf Reisen, gastiert in
Pisa, in Rom, Mailand, Genua, wo der Dichter Gabriello Chiabrera ein Konzert
von ihr besucht und vollmundig verkündet: „Hier wurde sie von allen einstimmig
wie ein Wunder gehört; nur in wenigen Tagen breitete sich ihr Ruhm weit aus“.
Als sich immer mehr europäische Höfe um Francesca Caccini bemühen, legen
die Medicis nach, nicht nur in der Bezahlung, sondern auch in der Würdigung.
Caccini ist nicht mehr nur Bühnen- und Kammersängerin, sondern auch offiziell
Komponistin am Hof und wird als Dichterin in lateinischer, italienischer und
toskanischer Sprache geschätzt.
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Auf Texte des Dichters Michelangelo Buonarroti, der Jüngere, ein Großneffe des
berühmten Bildhauers, schreibt Caccini Bühnenwerke, mindestens 13, alle sind
verschollen. Buonarroti gesteht sie einmal, dass sie, bevor sie den Wunsch zu
studieren aufgäbe, eher ihr Leben verlöre.
Ihre Musik ist voller Wärme und Leidenschaft, voller Spannung und Dramatik,
gekonnt lotet sie das Vermaß der Texte aus, geht aber über den schlichten „stile
recitativo“ hinaus und schreibt brillante Arien mit Verzierungen oder auch ganz
schlichte Melodien. Alles akkurat passend für ihre eigene wandlungs¬fähige
Stimme. Der Text bleibt immer verständlich. (1‟55)
Musik 4
Francesca Caccini: Maria dolce Maria
Maria Cristina Kiehr, Sopran / Jean-Marc Aymes, Orgel
M0298840 004, 2‟50
Die Sopranistin Maria Cristina Kiehr und der Organist Jean-Marc Aymes mit dem
Lied „Maria dolce Maria“ von Francesca Caccini.
Mit 20 wird Francesca am Hofe der Medici mit einem Sänger verheiratet, das ist
üblich unter den Bediensteten. Die große Liebe ist es nicht, zumindest haben wir
keine Aussagen dazu.
Nach 15 Jahren Ehe wird die einzige Tochter Margerita geboren. Auch sie wird
von Francesca zur Musikerin ausbildet. Nach dem Tod ihres Mannes heiratet sie
einen Adligen aus Lucca. Durch diese Heirat steigt Francesca in die Aristokratie
auf und kümmert sich um das Konzertleben in Lucca. In der „Accademia degli
Oscuri“ tritt sie als Komponistin, Sängerin und Organistin auf. Ihr Ehemann Raffaelli
ist ebenfalls ein passionierter Musikliebhaber und eifriger Instrumentensammler.
Die beiden bekommen einen gemeinsamen Sohn, zwei Jahre nach dessen
Geburt stirbt Raffaelli. Er hinterlässt seiner Frau Olivenhaine, Weinberge, Felder,
Wälder und Mühlen. Ihr Einkommen ist damit gesichert. Francesca lässt ihre
Ländereien verwalten und kehrt zu den Medicis nach Florenz zurück. Als
verwitwete Adlige bekommt sie eine Stelle als Hofdame. Offiziell tritt sie nicht
mehr als Musikern auf, aber in den Privatgemächern der Herzogin macht sie
immer noch gerne Kammermusik, auch zusammen mit ihrer Tochter. (1‟25)
Musik 5
Francesca Caccini:
Ciaccona für Violine und Basso continuo
Cappella di Santa Maria degli Angiolini
M0439756 005, 4‟30
6
Ciaccona für Violine und Basso continuo von Francesca Caccini, gespielt von
der Cappella di Santa Maria degli Angiolini.
Ob Francesca Caccini eventuell ein drittes Mal heiratet, weiß man nicht, ebenso
unbekannt bleibt ihr Sterbedatum. 1640, da ist sie 53, scheidet sie aus dem
Hofstaat der Medicis aus, meist wird das als ihr Sterbejahr angegeben. 1640, da
ist Barbara Strozzi gerade mal 21 Jahre alt. Sie ist neben Caccini die bekannteste
Renaissance beziehungsweise frühe Barock-Komponistin. In Venedig geboren,
vermutlich als uneheliche Tochter von Giulio Strozzi und einer Haushälterin. Im
Taufregister steht nur der Name der Mutter. Der Dichter und Intellektuelle Giulio
Strozzi adoptiert Barbara, fördert sie und vieles spricht dafür, dass er nicht nur ihr
Adoptiv-, sondern auch ihr leiblicher Vater ist.
Ein Glück für Barbara, denn Giulio Strozzi ist eine der wichtigsten Figuren im
Kulturleben Venedigs. Er gehört mehreren Akademien an, verkehrt in literarischen
und musikalischen Kreisen, schreibt Libretti für Monteverdi, engagiert sich in der
Theater¬szene und trifft sich mit der politischen Elite. Giulio Strozzi lässt seiner
Tochter die beste humanistische Ausbildung zukommen, ungewöhnlich für ein
junges Mädchen aus nicht adligem Hause. Barbara nimmt Kompositionsunterricht
beim venezianischen Opernkomponisten Francesco Cavalli, sie erhält
Gesangsstunden und ist Teil der von ihrem Vater gegründeten Accademia degli
Unisoni. Hier stellt sie ihr Können zur Schau, präsentiert eigene Werke, singt mit
ihrer hellen Sopran¬stimme, macht Kammermusik. Der Dichter Nicolo Fontei
widmet der jungen Künstlerin seine Bizzarie poetiche und nennt Barbara eine
„virtuosissima cantatrice“. (1‟35)
Musik 6
Barbara Strozzi: Che si può fare. Aria a voce sola
Gabriella Aiello, Vokal und Ensemble Oni Wytars
M0423873 010, 5‟17
Gabriella Aiello und das Ensemble Oni Wytars mit der Aria „Che si può fare” von
Barbara Strozzi.
Im Venedig der aufblühenden Opernzeit groß geworden, ist es erstaunlich, dass
Strozzi selbst nie in einer Oper aufgetreten ist und keine Oper geschrieben hat,
zumindest wissen wir nichts davon. Ihr Wirkungskreis bleibt die Akademie des
Vaters, dort gestaltet sie den musikalischen Rahmen, singt und begleitet sich
selbst auf verschiedenen Instrumenten. Sie steht im Mittelpunkt des Geschehens,
übernimmt die Rolle des Zeremonienmeisters und stellt intellektuelle Themen zur
Diskussion. Man debattiert über Kunst, Literatur, Philosophie und Politik.
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Wenn man bedenkt, dass Frauen zu der Zeit in Akademien offiziell gar nicht
zugelassen sind, allenfalls als Gäste geladen werden, schafft sich Barbara Strozzi
hier einen enormen Freiraum.
Sie heiratet nie, hat vier uneheliche Kinder, die sie alleine groß zieht. Immer heißt
es, der Vater sei unbekannt. Biographen vermuten, dass drei ihrer Kinder von
einem Freund ihres Vaters seien, ein verheirateter Mann aus der Venezianischen
Oberschicht. Er bezahlt für die Kinder und die Mutter, wahrscheinlich wird
Barbara noch von anderen Männern ausgehalten. Sie führt das Leben einer
Künstlerin und das einer Kurtisane. Mit Mitte zwanzig veröffentlicht Barbara Strozzi
erste Werke, Madrigale, Kantaten, Arien und Duette. Vermutlich braucht sie
Geld. Nach dem Tod des Vaters, der ihr nicht mehr als ein paar Bücher, Möbel,
Kleider und ein paar Silbersachen hinterlassen hat, muss sie selbst für ihren
Lebensunterhalt sorgen. Barbara publiziert ihre Werke, widmet sie wohlhabenden
Persönlichkeiten, in der Hoffnung auf finanzielle Unterstützung, so zum Beispiel
dem Prinzen von Belvedere, dem Marquis von Anzi, dem Dogen von Venedig
oder der Erzherzogin von Innsbruck. In ihren Zueignungen gibt sie sich als
unterwürfige Komponistin, wenn sie von der „bescheidenen Mine armseliger
Frauenfantasie“ schreibt, „die kein Metall hervorbringen kann, jene kostbaren
goldenen Kronen zu schmieden, die erhabenen Regenten würdig sind“. (2‟05)
Musik 7
Barbara Strozzi: „O Maria“ aus Sacri musicali affetti, op. 5 (Venedig, 1655)
Maria Cristina Kiehr und das Ensemble Concerto Soave
M0083745 016, 5‟42, kürzer: 2‟16
Maria Cristina Kiehr und das Ensemble Concerto Soave mit einem Marienlied aus
den Sacri musicali affetti, op. 5 von Barbara Strozzi.
Über hundert Werke hat Strozzi geschrieben, bis auf das Opus 5 sind es alles
weltliche Kantaten, Arien, Madrigale. Meist handeln ihrer Vokalkompositionen
von Liebe, Leidenschaft und dem lustvollen Schmerz des Verlustes. Sie
durchwandert barocke Gefühlswelten, arbeitet mit Affekten, lehnt sich in der
Wortgestaltung an ihr großes Vorbild Claudio Monteverdi an und schafft sich mit
instrumentalen Zwischenstücken einen freien Gestaltungsraum. Strozzi vertont
Texte unter-schiedlicher Dichter, auch Texte ihres Vaters, wie das Lied „La
vendetta“ – die Rache, darin heißt es:
Rache ist süß, die Kränkung will Kränkung, sich schadlos halten ist ein großes
Vergnügen … um eine beleidigte Frau zu beruhigen, denke nicht, dass sie dir
verzeiht. Eine Frau, die sich nicht gerächt hat, führt Friede im Mund und Krieg im
Herzen“. (1‟05)
8
Musik 8
Barbara Strozzi: La vendetta Arie für Sopran und Basso continuo
Susanne Ryden, Sopran / Musica Fiorita
M0087621 011, 2‟14
„La vendetta“ von Barbara Strozzi, ein Lied auf einen Text ihres Vaters mit
Susanne Ryden und der Musica Fiorita. 1
664 veröffentlicht Strozzi ihren letzten Kantatenband, da ist sie 45 Jahre alt,
danach verliert sich die Spur. Über ihre letzten Jahre wissen wir nichts. Eine finale
Notiz findet sich im Gesundheitsamt Padua ,11. November 1677 der Eintrag ihres
Todes. Sie wurde 58 Jahre alt.
Eine Zeitgenossin Barbara Strozzis ist Isabella Leonarda, ein Jahr nach ihr im
piemontesischen Novara als Tochter einer einflussreichen Familie geboren. Der
Vater, ein angesehener Jurist. Über ihr Leben wissen wir so gut wie nichts, nur dass
sie mit 16 in den Ursulinenorden ihrer Heimatstadt Novara eingetreten ist und dort
bis zu ihrem Tod, mit 83, bleibt. Sie führt ein ganz anderes Leben als die beiden
ersten Komponistinnen der heutigen SWR2 Musikstunde, Caccini und Strozzi. Sie
komponiert hinter Klostermauern. Im Konvent zählt Isabella zu den gebildeten
Nonnen, sie kann lesen, schreiben und ist äußerst musikalisch, sie wird „magistra
musicae“ genannt und später zur Mutter Oberin berufen. Ziemlich sicher gehört
zu dem Kloster eine Mädchenschule, an der Isabella als Musiklehrerein
unterrichtet. Mit ihren Schülerinnen studiert sie auch ihre Werke ein und bringt sie
hinter den Klostermauern zur Aufführung.
Die Novareser Ursulinen stehen nicht unter strenger Klausur. Sie können in Kontakt
mit der Außenwelt bleiben. Nur zu gut für Isabellas musikalischen Studien. Beim
Novareser Domkapellmeister Gaspar Casati nimmt sie Kompositionsunterricht.
In einem Vorwort schreibt sie: „Die Stunden, die ich meinem musikalischen
Schaffen widme, ziehe ich ausschließlich von meinen Mußestunden ab, um den
von der Ordensregel vorgeschrieben Pflichten im vollen Maße nachkommen zu
können“.
Isabella Leonarda schreibt rund 200 Werke, geistliche Vokalmusik, Solomotteten,
Psalmen, Responsorien, Messen, Marienvespern und ganz modern Instrumentalmusik. Sie gilt als Pionierin der Solo- und Triosonaten, die Arcangelo Corelli später
berühmt und populär machen wird. Warum sie sich im Alter verstärkt der
Instrumentalmusik zuwendet, bleibt ein Geheimnis. Vielleicht hat sie den Trend
der Zeit wahrgenommen, Giovanni Legrenzi hat einige Sonate da chiesa
veröffentlicht oder sie findet im Kloster Partnerinnen, die mit ihr zusammen
musizieren, sie selbst spielt Geige und das vermutlich nicht schlecht. (2‟30)
9
Musik 9
Isabella Leonarda: Sonata Nr. 7 a tre
Concerto Soave mit Amandine Beyer
M0298840 009, 5„24
Amandine Beyer und das Concerto Soave mit der Sonata Nr. 7 a tre von Isabella
Leonarda. Zwölf Sonate da chiesa veröffentlicht Leonarda, die erste Publikation
von Sonaten aus der Hand einer Komponistin.
„Alle Werke dieser erhabenen und unvergleichlichen Isabella Leonarda sind so
schön, so anmutig, so glänzend und gelehrt, dass ich es auf Höchste bedaure, sie
nicht alle zu besitzen“, klagt der französische Komponist und Musikpädagoge
Sébastien de Brossard in seinem „Catalogue des livres de musique théorique et
pratique“. Die Notensammlung erscheint 1724 in Paris, zwanzig Jahre nach
Isabellas Tod. Auch in Frankreich ist ihre Musik populär.
Zum Glück veröffentlicht Isabella Leonarda schon zu ihren Lebezeiten viele ihrer
Werke. Sie wird von Freunden der Familie und anderen wohlhabenden Förderern
unterstützt. So gelangt ihre Musik an die oberitalienischen Höfe in Ferrara und
Mantua, den Zentren der Mehrstimmigkeit. Hätte sie das nicht getan, wären viele
ihrer Werke heute verschollen, denn während Napoleons Eroberungszügen
wurden viele Klöster in Oberitalien aufgelöst und zerstört. Aus dem Collegio di
Sant Orsola in Novara sind keine Handschriften oder Bücher aus der
umfangreichen Bibliothek erhalten. Aber es gibt außer den Veröffentlichungen
einige Abschriften, die in Dresden, Prag und Zürich gefunden wurden.(1‟15)
Musik 10
Isabella Leonarda:
Ave suavis dilectio. Für Sopran und Instrumentalensemble
María Cristina Kiehr, Concerto Soave
M0298840 001, 5‟20
María Cristina Kiehr und das Concerto Soave mit “Ave suavis dilectio” von
Isabella Leonarda – das waren Renaissance und frühe Barockkomponistinnen in
der heutigen SWR2 Musikstunde, morgen geht es um zwei musikalische
Schwestern des Preußenkönigs Friedrich II, Wilhelmine von Bayreuth und Anna
Amalie, Prinzessin von Preußen, wir werden hören, was die beiden auf die Beine
gestellt haben, morgen ab 9.05. Bis dahin – Ihre Ulla Zierau (0‟30)