Araminta kann sich gar nicht so richtig auf ihren Geburtstag freuen: Tante Tabby und Onkel Drac haben eine Reise nach Transsylvanien gewonnen und ausgerechnet die gefürchtete Großtante Emilene soll auf Araminta und Wanda aufpassen. Doch dann kommt alles anders und Araminta steckt mal wieder mitten in einem haarsträubenden Abenteuer. Angie Sage, 1952 in London geboren, lebt als Autorin und Illustratorin in Cornwall. Sie studierte Grafik-Design an der Art School of Leicester. In der Reihe Hanser erschienen von ihr die Reihen ›Septimus Heap‹ und ›Araminta Spuk‹. Informationen zu allen ›Araminta Spuk‹-Bänden findest du unter www.araminta-spuk.de. Jimmy Pickering studierte Film und Animation und arbeitete für Hallmark, Disney und Universal. Als Illustrator hat er zahlreiche Bilder- und Kinderbücher gestaltet. Angie Sage –5– Araminta Spuk Allein zu Haus Mit Bildern von Jimmy Pickering Aus dem Englischen von Ulli und Herbert Günther Deutscher Taschenbuch Verlag Für Charlie Denchfield Das gesamte lieferbare Programm der Reihe Hanser und viele andere Informationen finden Sie unter www.reihehanser.de 2010 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München © 2008 by Angie Sage © der Illustrationen 2008 by Jimmy Pickering Titel der Originalausgabe: ›Araminta Spookie: Ghostsitters‹ Katherine Tegen Books, New York (Imprint of HarperCollins New York) Published by arrangement with HarperCollins Children’s Books, a division of HarperCollins Publishers, Inc. © 2009 der deutschsprachigen Ausgabe: Carl Hanser Verlag München Umschlagillustration: Jimmy Pickering Gesetzt aus der Goudy Old Style 13/18˙ Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch Druck und Bindung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany · isbn 978-3-423-62461-9 Inhalt –1– Nacktschnecken 7 –2– Fledermäuse 26 –3– Schwester Watkins 38 –4– Mädchen! 54 –5– Ned und Jed 68 –6– Pizza 88 –7– Fang-das-Schwert 102 –8– Geheimnisse 115 –9– Geburtstagsprobleme 124 – 10 – Pferd mit Pedalen 139 – 11 – Der Ring 155 – 12 – Geisterkampf 170 – 13 – Überraschung, Überraschung! 188 –1– Nacktschnecken ein Onkel Drac sagt manchmal komische Sachen. Letzte Woche sagte er: »Das Leben ist ein Salatsandwich, Minty: Es ist immer eine Schnecke drin.« Ich musste erst eine Weile nachdenken, ehe ich verstand, was er meinte. Man muss nämlich wissen, Onkel Drac liebt Salatsandwiches über alles, aber Nacktschnecken hat nicht einmal er gern. Ich glaube, er wollte einfach sagen: Immer wenn man sich gerade an etwas freut – zum Beispiel an seinem Lieblingssandwich –, kommt et- M 7 was Abscheuliches dazwischen (man findet zum Beispiel eine Schnecke zwischen den Salatblättern) und schon ist einem die Freude verdorben. Manchmal ist Onkel Drac ein bisschen trübsinnig, deshalb höre ich nicht immer auf das, was er sagt, aber letzte Woche konnte ich mir so richtig vorstellen, was er meinte. Ich dachte mir immer wieder: Ja, er hat recht, es passieren supergute Sachen und dann stellt sich heraus, dass eine große fette Schnecke drinsteckt. Letzten Montag war der erste Ferientag und Wanda und ich hatten uns sehr darauf gefreut. Außerdem habe ich in drei Tagen Geburtstag und darauf freue ich mich ganz besonders – ob Wanda auch, weiß ich nicht. Wanda heißt mit ganzem Namen Wanda Gaukel-Wizzard und wohnt bei uns im Spukhaus. Sie hat nicht immer hier gewohnt, aber seit sie, ihre Mama Brenda und ihr Papa Barry eingezogen sind, ist es viel lustiger. Und dann wohnt hier natürlich mein Onkel Drac, der manchmal auch ganz witzig sein kann, außerdem meine Tante Tabby, die überhaupt nie witzig ist – auch nicht, wenn sie meint, sie wäre es. Wanda und ich saßen beim Frühstück in der Dritten-Küche-links-neben-dem-Boilerraum. Tante Tabby, die im Haferbrei rührte und gleichzeitig ihre Post öffnete, stieß auf einmal einen spitzen Schrei aus. Wanda und ich schossen wie von der Tarantel gestochen von unsernStühlenhoch, weil Tante Tabby normalerweise nie schreit (es sei denn, Onkel Drac lässt ihr einen Schrank auf den Fuß fallen). Sie war sogar so aufgeregt, dass ihr die übrige Post in den Topf fiel und die Tinte auf den Umschlägen den Haferbrei ganz blau färbte, sodass wir stattdessen Brendas Schokocracker zum Frühstück essen durften. Tante Tabby warf den Brief auf den Tisch und kreischte: »Ich habe gewonnen!« »Was gewonnen, Tante Tabby?«, fragte ich. »Das Preisausschreiben!«, sagte Tante Tabby. Das überraschte mich, denn eigentlich ist Wandas Mutter Brenda diejenige, die bei unzähligen Preisausschreiben mitmacht, und nicht Tante Tabby. »Da wird sich Drac aber freuen!«, sagte Tante Tabby. Obwohl das nicht gerade eine Antwort auf meine Frage war, kam es einer Antwort doch ziemlich nahe, weil es nämlich nicht viele Dinge gibt, über die Onkel Drac sich freut. Im Wesentlichen liebt er Fledermäuse, die Dunkelheit und 10 Schlafen, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. »Hast du einen neuen Schlafsack gewonnen?«, fragte ich. »Nein, Araminta«, sagte Tante Tabby. »Etwas viel Besseres!« »Zwei neue Schlafsäcke?«, sagte Wanda, die nicht viel Fantasie hat. »Oder drei neue Schlafsäcke oder vielleicht sogar vier …« »Nein, Wanda«, sagte Tante Tabby sehr geduldig. »Was hast du denn nun gewonnen?«, fragte ich sehr ungeduldig. Tante Tabby warf mir ihren Das-wüsstest-duwohl-gerne-Blick zu. »Sag doch, Tante Tabby … bitte«, bettelte Wanda, die sehr neugierig ist und es nicht ertragen kann, wenn sie etwas nicht weiß. »Sieh mal«, sagte Tante Tabby und gab Wanda den Brief. »Eine gute Leseübung für dich, Wanda.« 11 Ich war ein bisschen sauer, dass Tante Tabby Wanda den Brief gegeben hatte, weil die zum Lesen eine Ewigkeit braucht und ich ihr also wohl oder übel über die Schulter schauen musste. »Atme mir nicht dauernd in den Nacken, Araminta«, beschwerte sich Wanda. »Ich atme nicht, ich lese«, erklärte ich. »Du atmest wohl!«, sagte Wanda. »Die ganze Zeit atmest du, Araminta. Es ist furchtbar lästig.« »Tut mir ja soo leid, Wanda! Ich werde versuchen, in Zukunft nicht mehr zu atmen.« »Araminta! Wanda!«, zischte Tante Tabby und warf uns einen ihrer typischen Tante-Tabby-Blicke zu. »Ihr hört sofort auf!« Wir hörten also auf und Wanda las den Brief vor; er war höchst interessant. 12 FLATTERSATZ Das Magazin für Fledermausliebhaber überall auf der Welt Sehr verehrte Mrs Tabitha Spuk, herzlichen Glückwunsch! Sie sind die Gewinnerin unseres Preisausschreibens! Als Einzige haben Sie, Mrs Tabitha Spuk, die nachstehende Frage richtig beantwortet: Welche der folgenden Fledermäuse schläft nicht mit dem Kopf nach unten? 1. die kleine Langnasenfledermaus 2. die mexikanische Langzungenfledermaus 3. die Geistermaskenfledermaus 4. die Baseballfledermaus Richtig ist Antwort Nummer vier. 13 Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie unseren Hauptpreis gewonnen haben: eine Reise für vier Personen in die Höhlen der Riesenvampirfledermäuse von Transsylvanien! Sie und Ihre drei glücklichen Begleiter werden von unserer Redaktionslimousine am Zehnten dieses Monats um sechs Uhr morgens vor Ihrem Haus abgeholt. Bitte fledermausgeeignete Kleidung, Stiefel und einen robusten Regenschirm mitbringen. Die Flattersatzredaktion gratuliert nochmals sehr herzlich und wünscht Ihnen eine interessante Fledermaus-Exkursion. Hochachtungsvoll Reginald Noctule PS: Die Annahme des Preises erfolgt auf eigenes Risiko. 14 Ich war beeindruckt. Was für ein toller Preis! »Das ist ja fantastisch, Tante Tabby«, sagte ich. »Die Riesenvampirfledermäuse von Transsylvanien wollte ich schon immer mal sehen!« Tante Tabby sah mich überrascht an. »Ach ja?« »Klar! Das wird aufregend! Super, dass wir zu meinem Geburtstag so was Tolles vorhaben!« Tante Tabby schien ein bisschen verlegen. »Es tut mir leid, Araminta«, sagte sie. »Aber ich habe schon Brenda und Barry versprochen, dass sie mitfahren dürfen, falls ich gewinne.« »Brenda und Barry?« Ich konnte es nicht fassen. Brenda und Barry konnten Fledermäuse nicht einmal leiden. Brenda schrie jedes Mal auf, wenn eine auf sie zuflog, und Barry beklagte sich dauernd, weil er den Fledermauskot zusammenschaufeln musste. Ich dagegen liebe Fledermäuse. Es war einfach nicht fair! Tante Tabby versuchte, die Sache zu erklären. »Brenda hat mir das Preisausschreiben gezeigt«, sagte sie. »Es stand in einer ihrer Zeitschriften. Normalerweise hätte ich es gar nicht gesehen. Es ist also nur gerecht, Araminta.« »Und was ist mit meinem Geburtstag?«, sagte ich. Tante Tabby schien irritiert. Wenn ihr mich fragt, ich glaube, sie hatte meinen Geburtstag vergessen. »Nun, Araminta«, antwortete sie in dem besonders munteren Ton, den sie immer anschlägt, wenn man etwas nicht merken soll. »Du und Wanda, ihr werdet es sehr schön haben miteinander und dann, wenn wir nach Hause kommen, werden wir alle gemeinsam feiern. Ist das nicht eine gute Idee?« 16 Nein, dachte ich, das ist überhaupt keine gute Idee. Wenn sie nämlich nach Hause kommen, ist nicht mehr mein Geburtstag, sondern irgendein Tag. Das war die erste Schnecke in meinem Salatsandwich – aber nicht die letzte. Wanda starrte immer noch auf den Brief. »Aber der Zehnte ist doch heute!« Tante Tabby schrie zum zweiten Mal auf. »Heute? Ach du liebe Güte, ich muss sofort Drac Bescheid sagen.« Und schon war sie aus der Küche. »Araminta …«, sagte Wanda nachdenklich. Ich lächelte, weil ich dachte, Wanda wolle etwas Nettes sagen, zum Beispiel, dass ich mich nicht ärgern solle, weil sie für meinen Geburtstag schon jede Menge tolle Pläne hätte. »Ja?« »Gib mal die Schokocracker rüber.« Da ließ ich Wanda stehen. Sie machte sich über die Schokocracker her, und wenn Wanda 17 Gaukel-Wizzard ihr Frühstück in sich hineinmampft, ist das kein besonders schöner Anblick. Während ich die Treppe zu unserem Montagszimmer hinaufging, dämmerte mir, dass die Dinge gar nicht so schlecht aussahen, wie ich erst gedacht hatte – im Gegenteil, eigentlich sahen sie ganz gut aus. Wenn nämlich Tante Tabby, Onkel Drac, Brenda und Barry alle weg wären, würden Wanda und ich das Spukhaus für uns allein haben – abgesehen natürlich von Sir Horace, Fang und Edmund, unseren ständigen Hausgeistern. Sir Horace ist ein Ritter, der in einer alten Rüstung haust, Fang ist sein treuer Wolf und Edmund sein mickriger Knappe. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto besser fand ich das Ganze, weil mir plötzlich klar wurde, dass ich ja doch eine Geburtstagsparty feiern konnte. Eine Geburtstagsparty, besonders eine mit Geistern, habe ich mir schon immer gewünscht, aber Tante Tabby hält grundsätzlich nichts von Geburtstags18 partys. Sie sagt immer: »Eine Geburtstagsparty regt dich viel zu sehr auf, Araminta, und du bist schon aufgedreht genug.« Ich war so begeistert von der neuen Aussicht, dass ich Tante Tabby anbot, ihr beim Packen zu helfen. Sie war kein bisschen dankbar. »Nein danke, Araminta«, wehrte sie ab. »Ich will nicht wieder einen Goldfisch in meinem Kosmetikkoffer finden.« Das fand ich unfair, denn ich war immerhin viel jünger gewesen, als ich Tante Tabbys Kosmetikkoffer mit Wasser gefüllt und meinen Goldfisch hineingesetzt hatte. Und ich hätte es auch gar nicht getan, wenn ich das Goldfischglas mit in die Ferien hätte nehmen dürfen. Ich beschloss, stattdessen lieber Onkel Drac zu helfen. Also klopfte ich an die kleine rote Tür am Ende des Treppenabsatzes, die in Onkel Dracs Fledermausturm führt. »Komm rein, Minty«, murmelte eine griesgrämige Stimme. 19 Vorsichtig schob ich die Tür auf. »Woher hast du gewusst, dass ich es bin?«, fragte ich. »Außer dir kommt doch niemand mich besuchen«, antwortete Onkel Drac und es klang sehr selbstmitleidig. Tante Tabby sieht es nicht gern, wenn ich in den Fledermausturm gehe; sie sagt, es sei gefährlich. Ich glaube, es ist wirklich gefährlich, aber ich kenne mich ja schließlich aus. Onkel Drac hat alle Zwischenböden herausgenommen, damit seine Fledermäuse frei im Turm umherfliegen können. Er selbst schläft in seinem alten geblümten Schlafsack, der von einem Dachbalken herunterhängt. Als ich kam, saß er auf einem Balken neben seinem Koffer – der geblümt war wie sein Schlafsack – und hielt seine Lieblingsfledermaus Big Bat auf der Hand. »Hallo, Onkel Drac«, sagte ich mit aufmunterndem Ton. »Ich wette, du bist schon schrecklich aufgeregt!« »Nein«, sagte Onkel Drac. 20
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