Artikel FrauenSicht - Hacker bringt Frauen in Lebensgefahr

Zeynep Tufekci: «Hacker gefährdet Millionen Frauen ohne Grund und ohne öffentliches Interesse».
Hacker bringt Frauen in Lebensgefahr
fs / 16. Aug 2016 - Ein Hacker hat persönliche Daten von Millionen Frauen
veröffentlicht. WikiLeaks hat den Link an Millionen Follower weiter verbreitet.
Ein privater Hacker hat aktuelle persönliche Daten aller erwachsenen Frauen in 79
von 81 Provinzen der Türkei online gestellt. Darunter sind Telefonnummern,
Adressen und Parteizugehörigkeit. WikiLeaks verbreitete den Link über die sozialen
Medien an Millionen Follower.
Wertvolle Informationen für Ex-Partner und Stalker
Einige Stunden nach der Veröffentlichung hat der Hacker zwar den Datensatz
entfernt. Der Schaden war jedoch angerichtet, schreibt die Techniksoziologin Zeynep
Tufekci in der «Huffington Post». Der Hacker habe das Leben von Millionen
unschuldiger Frauen in der Türkei ohne Grund und ohne öffentliches Interesse in
Gefahr gebracht. Jeder Stalker, Ex-Partner, missgünstige Verwandte oder Verrückte
könne nun leicht herausfinden, wo er die Frauen finden könne. «In der Türkei werden
jedes Jahr hunderte Frauen ermordet, meist von ihren aktuellen oder ehemaligen
Partnern, und tausende Frauen müssen sich aus Sicherheitsgründen verstecken.»
Diese seien nun alle in Gefahr. Da auch die nationale Identifikationsnummer
veröffentlicht wurde, müssten alle Frauen damit rechnen, dass jemand ihre Identität
klaue und sich als sie ausgebe – mit unabsehbaren Folgen.
Kein Thema für westliche Medien
Tufekci kritisiert, dass westliche Medien kaum über diese «unverantwortliche» DatenVeröffentlichung berichtet haben. Die Privatsphäre dürfe nicht mit dem Argument der
freien Meinungsäusserung im Internet willkürlich und ohne öffentliches Interesse
verletzt werden. Der Datensatz enthalte ausschliesslich Frauen, weil der Hacker die
Daten bei der AKP erlangt hat, erklärte Tufekci gegenüber «heise online». Die
Regierungspartei habe die Daten der Frauen wohl für gezielten Wahlkampf
zusammengetragen.
«Narzisstischer Frauenhasser»
WikiLeaks hatte die Verbreitung der türkischen Daten entscheidend befördert. Die
britische Frauenrechtsaktivistin und Publizistin Joan Smith bezeichnete im
«Guardian» WikiLeaks-Gründer Julian Assange als «narzisstischen Frauenhasser».
Er habe auch die E-Mails der US-Demokraten zum Parteitag veröffentlicht, um
gezielt Hillary Clinton zu schaden. Assange sei keine Ausnahme, schreibt Smith.
Frauenhass sei heute in der Öffentlichkeit so verbreitet wie nie zuvor. Als Beispiele
nennt sie den Mord an der britischen Politikerin Jo Cox und die Hasstiraden gegen
Hillary Clinton am Parteitag der US-Republikaner.
Polarisierung fördert Frauenhass
Smith befasst sich seit über dreissig Jahren mit dem Thema Frauenhass. Diesen
habe es schon immer gegeben. In guten wirtschaftlichen und Friedenszeiten sei er
öffentlich weniger präsent als in Zeiten von Rezession, Unsicherheit und
Fundamentalismus. Die Polarisierung der Gesellschaft lasse ihn aufblühen, denn
Frauenhass sei am rechten und linken Rand verbreitet. Er müsse ernst genommen
und dürfe nicht ignoriert werden. Es brauche eine «Null-Toleranz-Haltung», damit
Frauenhass nicht Teil unserer Gesellschaft werde, sagt Smith.