FREIRAUM IGNAZ SCHWEGLER, BERUFSFEUERWEHRMANN FOTO: Gaëtan Bally INTERVIEW: Rebekka Haefeli Einsatz um Leben und Tod 8 Raum und Wohnen 8/16 Geht der Alarm los, bleibt keine Zeit zum Trödeln. Spätestens siebzig Sekunden nach dem Gong sitzen wir im Fahrzeug und fahren los. Stiefel, Brandschutzhose, Jacke, Handschuhe, Helm und Funkgerät befinden sich jederzeit griffbereit in der Garage der Brandwache von Schutz & Rettung Zürich. Geht bei der Einsatzleitzentrale ein Notruf ein, wird anhand dieser Schilderung blitzschnell entschieden, welche Fahrzeuge mit welchen Gerätschaften ausrücken. Bei einem Brandalarm rüsten wir uns je nach Art und Umfang zusätzlich mit Atemschutzgeräten, mit der Wärmebildkamera oder mit Werkzeugen wie der Feuerwehr-Brechaxt aus. Mit dieser Axt können wir Türen oder Fenster aufwuchten oder ein Dach aufbrechen, um möglichst rasch zum Brandherd vorzudringen und ihn zu bekämpfen. Manchmal geht es bei unseren Einsätzen um Leben und Tod. Tagsüber befinden wir uns meist irgendwo in der Brandwache an der Arbeit, bei einer Übung oder beim Sport, wenn ein Alarm losgeht. Als gelernter Elektriker gehört es unter anderem zu meinen Aufgaben, den Funk und das Beleuchtungsmaterial der Fahrzeuge zu reparieren. Die Nächte verbringen wir während der 24-StundenSchichten in unseren Zimmern, die wir mit jeweils einem Kollegen teilen. In diesem kleinen Reich geniesst man ein wenig Privatsphäre; man kann ein Poster aufhängen oder Familienfotos aufstellen. Allerdings schlafe ich im Dienst viel oberflächlicher als zu Hause. Während ich daheim drei Wecker brauche, bis ich mich morgens aus dem Bett schäle, werde ich hier sofort wach, wenn im Alarmfall automatisch das Licht angeht. Gleichzeitig ertönt der Gong, und es folgt eine Durchsage mit ersten Angaben zum bevorstehenden Einsatz. Zudem geht der persönliche Pager los. Unruhig sind die Nächte aber nicht nur dann, wenn ich selber ausrücken muss. Ist mein Zimmerkamerad auf einem anderen Fahrzeug eingeteilt, kommt es vor, dass in einer Nacht dreimal das Licht angeht und der Gong erklingt. Ich kann dann zwar jedes Mal liegen bleiben, bin aber trotzdem kurz wach geworden. Der Schichtbetrieb und die Nachteinsätze machen mir nichts aus, denn Berufsfeuerwehrmann zu werden, war mein Kindheitstraum. Dennoch empfinde ich unseren Job jeden Tag als Gratwanderung: Einerseits freuen wir uns, wenn wir die Bevölkerung unterstützen und helfen können. Anderseits darf man nicht vergessen, dass mit den Einsätzen manchmal schlimme Schicksale verbunden sind. Den Anblick, vor allem aber auch den Geruch eines toten Menschen vergisst man nicht so schnell. Charakteristische Gerüche erkennt man als Feuerwehrmann mit einigen Jahren Erfahrung sofort. Brennendes Papier, Karton, Elektrokabel oder auch angebranntes Kochgut riechen unverwechselbar. Mit der Zeit lernt man auch, den Rauch zu lesen. Brennender Kunststoff, etwa von Baumaterialien, erzeugt dicken, pechschwarzen Rauch, durch den man nichts mehr sieht und gegen den man auch mit der Wärmebildkamera nicht ankommt. Da tastet man sich unter Umständen wie ein Maulwurf durch ein Haus in Vollbrand. Bei langen und schwierigen Einsätzen kommt jeder körperlich an seine Grenzen. Der Brandschutzanzug ist schwer und dick isoliert, so dass man im Sommer bei 30 Grad stark schwitzt und schnell dehydriert. Man muss sich zwingen zu trinken, sonst ist man bald leer wie ein Akku. Spannend an unserem Beruf ist die Abwechslung. Der Tagesablauf ist stets unvorhersehbar, man kommt in Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen und sieht Luxus-Lofts genauso wie Wohnungen von Messies. Einmal waren wir wegen eines Wasserschadens in die Notenbank-Druckerei ausgerückt. Während wir unserer Arbeit nachgingen, wurde jeder von uns von einer Art Schatten begleitet. Der Sicherheitsdienst liess uns keine Sekunde aus den Augen. 8/16 Raum und Wohnen 9
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