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Nr. 08 – August 2016 – 182. Jahrgang
Sicherheit Schweiz
Artillerie heute
General J.R. Allen (USA) zum IS
Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift
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Sicherheit Schweiz
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Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift
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Nr. 03 – März 2014 – 180. Jahrgang
Nr. 05 – Mai 2014 – 180. Jahrgang
Sicherheit Schweiz
Sicherheit Schweiz
Bundesrat
Ueli Maurer
Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft
Zürich
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Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift
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8604 Volketswil
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www.asmz.ch
Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft
Gripen
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift
Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift
Name:
Luftpolizei
100 Tage
Kommandant HKA/SCOS
Finanzsicherheit
Instandhaltung FIS Heer
Editorial
3
Wirtschaft / Rüstung
Andreas Bölsterli
Peter Müller
39
Aktuelles
Kostenverteiler am WEF
überdenken
Peter Müller
Henrique Schneider
4
40
Südchinesisches Meer
Wehrtechnische
Kernfähigkeiten stärken
16 Militärisches «Gewissen»
Sicherheitspolitik
SOG Vorstand
Andreas Bölsterli, Andreas Cantoni
6
General a D John R. Allen
Stefan Holenstein
41
Jürgen Hübschen
10
Die Türkei und der IS
Luftwaffe
André Blattmann
12
Das Wort des CdA
Marcel Amstutz, René Meier
42
Stefan C.P. Hinz
13
Höhere Kaderausbildung
Bericht aus dem Bundeshaus
Daniel Lätsch
44
22 Neutraler Mediator
im Norden des Kosovo
Einsatz und Ausbildung
Marco Schmidlin, Pascal Martin
16
Militärisches «Gewissen»
Erich Muff, Stefan Bühler
20
Wann folgt der personelle
Kollaps?
Andrea Jaeggi
22
Echteinsatz der Fliegerabwehr
Nukleares Wettrüsten?
Heinrich L. Wirz
15
Besinnung auf
die Offizierstugenden
Moderne Verteidigung –
Konsequenzen für Führung
und Ausbildung
Internationale Nachrichten
46
Pascal Kohler, Henrique Schneider
Vermischtes
Neutraler Mediator im Norden
des Kosovo
51
Dieter Kläy
Markus Oetterli
24
Das System Artillerie heute
55
Eduard Hirt
26
42 Echteinsatz
der Fliegerabwehr
Bücher
Andrea Grichting-Zelenka
Integriertes
Risikomanagement
Andreas Bölsterli
30
Zwischenziel Spiez
Christoph Merki
32
Dienstleister mit
detektivischem Geschick
Eugen Thomann
33
Member of the European
Military Press Association
(EMPA) – ISSN 0002-5925
Titelbild
Kommandoübergabe
beim LVb Infanterie
Weiterentwicklung der Armee
Andreas Bölsterli
34
Der Umsetzung steht
nichts mehr im Weg
Angehörige der
Inf-Kaderschule bei
der Vorbereitung
einer Türsprengung.
Foto: ASMZ
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
1
Wirtschaftsnotiz
«Go for Gold» mit Victorinox
Auf Medaillenkurs mit dem Victorinox Climber Gold: Anlässlich
der Olympischen Spiele 2016 in Brasilien legt Victorinox das beliebte Modell Climber in einer limitierten, wahrhaft edlen Version auf. Der Name ist Programm.
Wenn am 5. August in Rio de
Janeiro der Startschuss für die Spiele der 31. Olympiade fällt, messen
sich die besten Sportler der Welt
in 28 Disziplinen. Diesem Ereignis
fiebern Sportfans schon seit Jahren
entgegen.
Messerfans dürfen sich gleich
doppelt auf dieses Event freuen,
können sie sich doch selbst auf die
Jagd nach «Gold» begeben: Denn
begleitend zu den Olympischen
Sommerspielen 2016 wird mit dem
Victorinox Climber Gold eines der
beliebtesten Victorinox-Modelle als
exklusive Sonderversion aufgelegt.
Limitiertes Schmuckstück
Die weltweit auf 20’000 Stück
limitierte Ausgabe des vielseitigen
und sportlichen Climber ist ein
Schmuckstück. Rundum. Denn die
beiden Griffschalen sind jeweils
rückseitig mit 24 Karat Echtgold,
2
mit einem Feingehalt von 99,9 Prozent, beschichtet. Die Griffschalen
selbst sind transparent und ermöglichen so den direkten Blick auf das
edle Metall. Und wie es «Edelmetall» zusteht, lässt sich der Victorinox Climber Gold perfekt präsentieren: Dank eines speziell designten Medaillenbändels (in der
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Grundfarbe Anthrazit und mit
goldfarbenen Elementen akzentuiert) kann man den Victorinox
Climber Gold um den Hals tragen
oder in der Sammlung ausstellen.
Ein Blickfang ist auch die schöne,
hochwertig gearbeitete Geschenkverpackung, die farblich passend
zum Bändel gestaltet wurde.
14 Funktionen
Wie gut der Victorinox Climber
Gold ist, beweist er übrigens gleich
im «Vierzehnkampf». Denn so viele Funktionen vereint das leichtgewichtige Taschenwerkzeug in seinem dreilagigen Aufbau. An Bord
sind eine kleine und eine grosse
Klinge, beide scharf und aus schnitthaltigem und rostfreiem Stahl gefertigt, eine präzise Schere, ein Korkenzieher, dessen Benutzung ein
Genuss ist, eine zielstrebige StechBohr-Ahle, ein sättigender Dosenöffner und ein durstlöschender
Kapselheber (beide mit Schraubendreher-Spitzen) und vieles mehr.
Ob Wertanlage oder Alltagsbegleiter – mit dem limitierten Victo-
rinox Climber Gold sind Sie bereit
für alle Abenteuer, die da kommen
mögen. Im Fachhandel wird das
Schmuckstück voraussichtlich ab
dem 20. Juni erhältlich sein. Auf
die Plätze, fertig…
Artikelnummer 1.3703.T88 –
Funktionen: Klinge gross, Klinge
klein, Dosenöffner, Schraubendreher 3 mm, Flaschenöffner, Schraubendreher 5 mm, Drahtabisolierer, Stech-, Bohr- und Nähahle,
Korkenzieher, Schere, Mehrzweckhaken, Zahnstocher, Pinzette mit
Schlüsselring.
Technische Angaben: Gewicht:
101 g. Klingenlänge: 68 mm. Schalenmaterial: Cellidor mit InnenBeschichtung aus 24 Karat Echtgold, mit einem Feingehalt von
99,9 Prozent.
www.victorinox.com
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
gen geprüft werden, bis sie zum Druck freigegeben
werden. Verpasst man da nicht eine Chance? Traut
Die Weiterentwicklung man den Leuten, die etwas schreiben möchten wirkder Armee (WEA) kann ge- lich nicht mehr?
mäss Parlamentsentscheid
Mit der Armee ist es ähnlich wie mit dem Schulsysvom 18. März umgesetzt tem – viele haben die Armee selbst erlebt und sind
werden, die nötigen Unter- deshalb Spezialisten. Aber, ist das Wissen noch aktuschriften für ein Referen- ell? Wer, wenn nicht die Fachleute der Armee wissen
dum gegen das Militärge- um die neuen Anforderungen an moderne Systeme,
setz konnten nicht beige- an Doktrin und Ausbildung? Wenn aber die Armee intern kaum mehr Informationen bereitstellt, um nicht
bracht werden.
Ist das jetzt eine gute politisch «zurückgepfiffen» zu werden, wer soll dann
oder eine schlechte Nachricht? Wie so oft ist es beides; dem Bürger noch erklären, was heute nötig ist?
Verstehen sie mich nicht falsch, am Schluss entGut, weil die Armee nun im Rahmen des politisch
Möglichen die Umsetzung der WEA anpacken darf. scheidet immer die Politik. Aber wenn die Information
Gut ist die Nachricht aber auch, weil kein Abstim- so kontrolliert – um nicht zu sagen gleichgeschaltet
mungskampf unter Armee-Befürworten stattfinden oder zensuriert wird – trägt sie nicht zur Entscheidmuss. Schlecht ist die Nachricht aber, weil es dem findung bei.
Die Einwohner dieses Landes wollen wissen, was
VBS und der Armee offensichtlich nicht gelungen ist,
die Notwendigkeit der Reform und die aktuelle Leis- nötig ist, damit ihre Sicherheit gewährleistet ist. Die
Leute wollen die Armee
tungsfähigkeit der Arsehen, verstehen und anmee der Bevölkerung
fassen
können, damit sie
so zu erklären, dass die
«Die Einwohner dieses Landes wollen
merken, was sich alles geVeranlassung zur WEA
wissen, was nötig ist,
ändert hat seit der eigeverstanden wurde. Die
Nachricht ist aber auch damit ihre Sicherheit gewährleistet ist.» nen Dienstleistung. Leider beschränkt sich die
schlecht, weil es nun
öffentliche Berichterstat«Verlierer» gibt, die sich
für Sicherheit und Armee einsetzen wollen – sie gilt tung über die Armee meist auf Spektakel- und Unfalles abzuholen, sie müssen überzeugt werden, dass die geschichten – es werden Lecks gesucht und intensiv
WEA nicht der Untergang ist, sondern eine Ausgangs- bewirtschaftet.
lage, um im Verständnis von Armee und Sicherheit weiZiel muss eine offenere Kommunikation mit mehr
ter zu kommen.
Vertrauen sein, damit alle abgeholt werden, damit jede
Es gelingt den offiziellen Stellen, also Politik, VBS und jeder seine Armee versteht und besser kennt. Forund Armee in letzter Zeit offensichtlich nicht, not- dern Sie die Menschen in Ihrem Umfeld auf, sich wiewendige Vorhaben, neue Gefahren, weiterführende der vermehrt mit der Sicherheit auseinanderzusetzen.
Abhängigkeiten oder neue Technologien so zu erklä- Denn wo ein Bedarf wächst, entsteht ein Markt, und
ren und dahinter zu stehen, dass es die Mehrheit der vielleicht berichtet dann auch die Tagespresse wieder
interessierten Bürger verstehen und nachvollziehen über Armeethemen und Sicherheit, statt nur über Spekkann. Beispiele gefällig? Gripen, Geländefahrzeug takel und Unfälle.
DURO, BODLUV oder eben die WEA.
Alle müssen abgeholt werden, alle die Dienst leisten und geleistet haben. Alle, die die verschiedenen
Armeen der letzten Jahrzehnte erlebt und mit Leben
Andreas Bölsterli, Chefredaktor
gefüllt haben, müssen verstehen, worum es geht – [email protected]
rum gelingt das nicht mehr?
Um ja nicht Gefahr zu laufen, einem Enthüllungsjournalisten Anlass zu Recherchen zu bieten, werden
alle Publikationen und Statements mehrfach «gegengelesen», kontrolliert und korrigiert. Es gibt Beiträge
in der ASMZ, die von drei KommunikationsabteilunAllgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
3
Aktuelles
Südchinesisches Meer:
Karten neu gemischt?
Die Philippinen ersuchten den Ständigen Schiedshof in Den Haag um
einen Schiedsspruch zum Südchinesischen Meer. Im Juli 2016
befand ein 5er-Gericht einstimmig, China hätte keine rechtlichen
Gründe, die Gewässer für sich zu beanspruchen. Eine Überraschung?
Henrique Schneider, Redaktor ASMZ
Insel oder Riff?
Eigentlich ist es keine Überraschung.
Das ist nämlich die Hauptfrage geweDenn alle Beobachter erwarteten einen sen. Sind die landähnlichen Entitäten im
solchen Ausgang. Aber nicht ausgerech- Südchinesischen Meer nun Inseln – und
net diesen. In vielen Nuancen ist es fast damit Hoheitsgebiete – oder Riffe – und
revolutionär. Zum Beispiel erwarteten nur
wenige einen einstimmigen Schiedsspruch
aller Richter. Ebenso blieben Elemente
«China hat nicht
für eine allfällige chinesische Gesichtseinmal historischen
wahrung fern; denn der Schiedsspruch gab
China in keiner der 15 adressierten Fragen
Anspruch auf das
Recht.
Die Richter waren unmissverständlich:
Südchinesische Meer.»
Das Südchinesische Meer ist internationales Gewässer. Mehr noch, es war nie chinesisch – China hätte nicht einmal histo- damit Teil der internationalen Gewässer?
risch einen belegbaren Anspruch darauf. Gegenstand dieser Erwägung ist die PraDamit sagten sie auch, die Neun-Striche- xis verschiedener Länder, Land um Riffe
Linie sei seerechtlich irrelevant. Mit die- zu gewinnen. Taiwans Taiping Dao ist beiser gestrichelten kartographischen Grenze markiert nämlich
Peking seinen Besitzanspruch über fast 85
Prozent des 3,5 Millionen Quadratkilometer grossen Südchinesischen Meers.
Dann gab es noch
andere Teile des Urteils. Zum Beispiel
befanden die Richter, China würde die
Gewässer illegal patrouillieren und die
Landaufschüttungen
des Landes der Mitte hätten dem lokalen Ökosystem geschadet. Im Übrigen Sitz des Ständigen Schiedshofs in Den Haag.
Bild: International Arbitration Court
kommt auch Taiwan
mit einem blauen
Auge davon. Das seit 1946 von Taipei be- spielsweise auch eine Frucht einer solchen
anspruchte und bevölkerte Taiping Dao Aufschüttung. Aber Itu Aba, wie es sonst
sei zwar eine Insel, begründe aber keine genannt wird, hatte einen Insel-ähnlichen
Ursprung. China geht weiter und schütHoheitsansprüche – so die Richter.
4
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
tet Riffe, die nicht einmal über dem Wasserspiegel stehen, auf.
Spektakulär sind die Bauprojekte Chinas in den Spratly, wo aus Riffen Inseln
mit Flugzeuglandepisten wurden. Aber
auch Vietnam und Philippinen haben sich
gelegentlich dieser Methode bedient, um
ihre Ansprüche baulich zu begründen.
Der ständige Schiedshof beurteilte zwar
nicht die Praxis an sich. Doch er befand,
dass aufgeschüttete Riffe noch keine Inseln sind. Und damit keine Hoheitsansprüche begründen. Er befand sogar, dass
gemäss internationalem Seerecht auch
Inseln, so es sie gäbe, im Südchinesischen Meer keine Hoheitsansprüche begründen.
Alles entschieden?
Wer aber meint, damit sei die – mindestens legale – Auseinandersetzung um
das Südchinesische Meer entschieden, irrt
sich. Zunächst: Der Ständige Schiedshof
ist eine administrative Einrichtung ohne
unmittelbare Entscheidungsbefugnis. Er
ist kein internationales Gericht im eigentlichen Sinne. Er bietet den Streitparteien
nur die Strukturen, um eine Streitigkeit
durch ein Schiedsgericht beizulegen. Und
so, wie die Parteien reagiert haben, ist es
eher unwahrscheinlich, dass sich alle dieser Verfahrensstrukturen bedienen.
Viel wichtiger noch: Manch grundlegende Frage wurde nicht gestellt – und nicht
beantwortet. Zwar verneinte der Schiedshof die historischen Ansprüche Chinas –
und indirekt der anderen Länder auch –
und entzog damit der Neun-Striche-Linie
ihre rechtliche Relevanz. Aber die Richter sagten nicht, die Linie an sich sei illegal. Ebenso beurteilten die Richter die
Konformität der Landaufschüttungen.
Sie stellten nur fest, diese begründen keine Hoheitsansprüche. Und überhaupt:
Der Schiedshof erwägte lediglich im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens.
Aktuelles
Alles, was ausserhalb davon ist, ist im
Schiedsspruch nicht berücksichtigt.
Reaktionen?
Trotz all dieser formalen Relativierungen zog der Schiedsspruch wie eine Böe
durch Ostasien. Auch Länder wie Südkorea, Singapur oder Indien, die am Meeresstreit gar nicht beteiligt sind, richteten
«Der Schiedsspruch
giesst Öl ins Feuer einer
nationalistischen und
militarisierten Region.»
ihre Aufmerksamkeit auf die Reaktionen
der Anrainer. China hat sich nicht nur
vom Urteil distanziert, das Land der Mit- Manila am Tag der Publikation des SchiedsBild: ABC News
te nannte es auch «null und nichtig». Die spruchs (ABC-News).
Armee ging noch weiter und dachte laut
über die Einrichtung von Verteidigungslinien nach. So nebenbei: faktisch gibt es
Das kann mittels gezielter Navigation
sie heute schon.
durch die Riffe oder durch «FischereiexDas philippinische Volk jubelte zwar peditionen» geschehen. Es ist nicht wahrauf der Strasse. Doch die neue Regierung scheinlich, dass auch militärische Mittel
war viel vorsichtiger. Beobachter gehen da- eingesetzt werden – doch ausschliessen
von aus, Manila hätte unter der vergange- kann man es nie. Lokale Beobachter meinen Regierung die Fragen an den Schieds- nen, Vietnam stelle das grösste Potenzial
hof deponiert, um den USA einen Gefal- dar, problematisch zu agieren. Brunei und
len zu tun. Der neue Präsident, Duterte, Malaysia – zwei weitere am Streit beteiligist China-freundlich und eher an bilate- te Akteure – haben den Spruch guten Muralen Lösungen interessiert. Trotzdem will tes entgegengenommen und nicht weiter
Duterte den Schiedsspruch
zur Bekräftigung eigener Territorialansprüche im Südchinesischen Meer.
Positionen verwenden. Manila jedenfalls mahnte zur
Besinnung und Ruhe. So tat
es auch Washington.
Was macht Vietnam?
Die grosse Frage betrifft
das Verhalten Vietnams. Bisher gab sich Hanoi bedeckt.
Anders als die anderen Länder in der Seestreitigkeit setzt
Vietnam auf die Internationalisierung des Konflikts.
Bilaterale Lösungen werden
als suboptimal eingestuft,
da Hanoi befürchtet, China
würde die anderen Staaten
gegeneinander ausspielen.
Es ist nicht ausgeschlossen,
dass Vietnam den Schiedsspruch gezielt testen wird.
Bild: Wikimedia
kommentiert. Taiwan hält ihn für unvollständig, «was aber wegen der Natur der gestellten Fragen zu erwarten war», liess Taipei verlauten.
Krieg oder Frieden?
Die Frage ist nun, wie in einer nationalistischen Region, die sich über die letzten Jahre zunehmend militarisiert hat, mit
dem Schiedsspruch umgegangen wird.
Die Regierungen – bis auf China – werden sich wohl zurückhalten. Und auch das
Land der Mitte wird zwar mit dem Säbel
rasseln, aber die Sache abkühlen lassen.
Das Militär zeigt seit längerem Gelüste,
doch wahrscheinlich werden sie die Lage
dazu benützen, ihre Stellung im Staatsund Partei-System zu stärken.
Problematischer sind die jeweiligen Bevölkerungen. Die chinesische Blogosphäre ruft nämlich schon zum Boykott philippinischer Güter auf. Radikale Elemente wollen sogar Gewalt anwenden. In Manila ging das Volk auf die Strasse und einige Fischer schifften schon in Richtung
Spratly Inseln los. In Vietnam waren sofort Protestbanner zu sehen «China ist der
Feind». Es stimmt nämlich keineswegs,
dass diese Regierungen das jeweilige Staatsvolk jederzeit unter Kontrolle haben. Gerade deswegen sind nationalistische Rhetorik und Nadelstiche gegen die anderen
Staaten zu erwarten.
Ein Beobachter aus Brunei brachte die
Bedeutung des Schiedsspruches auf den
Punkt: «Krieg wird es deswegen nicht geben. Aber der Friede ist auch erschwert.» ■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
5
Sicherheitspolitik
Vom Kommandant zu Obama’s Berater –
Gespräch mit General aD John R. Allen
John R. Allen, ein Vier Sterne General des United States Marine Corps
im Ruhestand[1] führte im Rahmen seiner letzten aktiven Verwendung als
von Barack Obama eingesetzter Sondergesandter des Präsidenten die
«globale Koalition gegen ISIL (Islamic State of Iraq and the Levant)» an [2].
Die ASMZ hatte, auf verdankenswerte Einladung von PwC Schweiz in Bern,
die besondere Ehre, mit General Allen im Juni 2016 ein längeres Interview
für die Leserinnen und Leser der ASMZ führen zu dürfen.
Interview: Andreas Bölsterli, Chefredaktor
und Andreas Cantoni, Redaktor ASMZ
Herr General, Ihre Erfahrungen im Gefecht reichen von der Operation «IRAQUI
FREEDOM» mit ihren Panzerschlachten
und «ENDURING FREEDOM» mit
Operationen zur Aufstandsbekämpfung
(engl. counterinsurgency operations) als
Teil des Kriegs gegen den Terrorismus bis
hin zu Ihrer diplomatischen Verwendung
als Sondergesandter des US-Präsidenten
in der globalen Koalition gegen Da’esh.
Wenn Sie auf Ihre über 30 Dienstjahre
zurückblicken, was hat sich verändert und
wie sind Sie persönlich damit umgegangen?
[1] John R. Allen ist ein pensionierter vier
Sterne General des U.S. Marine Corps.
Als letzte Funktion seiner eindrücklichen
Karriere war er Kommandant der International Security Assistance Force in
Afghanistan. Bevor er bei Brookings als
Senior Fellow und Co-Director des Center for 21st Century Security and Intelligence wurde, diente er 14 Monate lang
als Special Presidential Envoy der globalen Koalition zur Bekämpfung der ISIL.
In Folge seiner Pensionierung vom Marine Corps war Allen Senior Advisor des
Secretary of Defence on Middle East Security. In dieser Funktion leitete er während 15 Monaten den Sicherheitsdialog
der israelischen und palästinensischen
Behörden während derer Friedensverhandlungen.
[2] Zugunsten Einfachheit und Kohärenz
benutzen wir den einen Begriff Da’esh
anstelle von ISIS, IS oder anderen. Die
einzige Ausnahme stellt die «globale Koalition gegen ISIL (Islamic State of Iraq
and the Levant)» dar.
6
General Allen: Der wohl grösste Wandel erfolgte in den letzten 14 Jahren durch
unseren neuen Fokus auf Operationen zur
Aufstandsbekämpfung im Irak und Afghanistan; die Neuausrichtung aus dem Kalten Krieg mit unserem damals notwendigen Fokus auf den teilstreitkräfteübergreifenden Kampf der verbundenen Waffen zusammen mit unseren Alliierten gegen die sowjetische Bedrohung. Diese Fähigkeit kam letztmals im ersten Golfkrieg
gegen Saddam Hussein voll zum Tragen.
Zu den Veränderungen in den Doktrinen
kam die Weiterverbreitung und -entwicklung von Technologien zur Nachrichtengewinnung sowie der Führung und der
Steuerung von Operationen. Im Nachgang zu den langen Kriegen im Irak und
Afghanistan und mit neuen Bedrohungen
im Umfeld von Europa und Asien, müssen wir nun wieder gleichzeitig im ganzen
Einsatzspektrum militärischer Kräfte operieren können.
Sie sind einerseits ein Gelehrter und gleichzeitig ein in der Sicherheitspolitik aktiv
involvierter militärischer Praktiker. Wie
hat dies Ihre Laufbahn beeinflusst.
Schon früh in meinem Werdegang als
Hauptmann hatte ich die Gelegenheit, nationale Sicherheitspolitik an der Georgetown University in Washington, DC und
den strategischen Nachrichtendienst am
Defense Intelligence College zu studieren.
Darauf folgte ein Jahr als Marine Corps
Fellow des Center for Strategic and International Studies, wo ich extensiv an Studien und Diskussionen zur Strategie und
Politikentwicklung beteiligt war. Als Major unterrichtete ich an der United States
Naval Academy in der Abteilung für Politikwissenschaften. Meine Themen waren
internationale Organisationen, Nachrich-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
tendienst, nationale Sicherheitspolitik, internationale Beziehungen und Politik des
Mittleren Ostens. Diese frühe Auseinandersetzung mit der Theorie und Natur der
Politikwissenschaft, als auch meine Beiträge zur Definition der Sicherheitspolitik spielten eine entscheidende Rolle in
meinen nachfolgenden Funktionen mit
höherer Verantwortung; sowohl in Kommandanten- als auch in Stabsfunktionen.
General Allen im Gespräch mit der ASMZ.
Sicherheitspolitik
Kurz, meine frühe Berührung mit diesen
Themen bildete das Fundament meiner
Führungsfähigkeit in höheren Positionen.
Die fünf von der globalen Koalition gegen
ISIL formulierten Aktionslinien (engl. five
lines of effort) zielen offenbar darauf ab:
1) Da‘esh auf seinem eigenen Territorium
zu schlagen, 2) Finanzflüsse der Organisation zu unterbinden, 3) den Zufluss von
Kämpfern zu verhindern, 4) die Informationsflüsse zu unterbrechen sowie 5) die
Beeinträchtigung der befreiten Bevölkerung zu stabilisieren. Was ist aus Ihrer
Sicht der aktuelle Stand der Dinge und
welches sind die möglichen Entwicklungsszenarien?
Zu 1): Da’esh wurde bereits erheblich
geschlagen und erleidet gegenwärtig weitere Niederlagen am Boden. Dazu verliert Da‘esh erheblichen Einfluss auf die
Bevölkerungen sowohl im Irak als auch
in Syrien. In Syrien hat Da‘esh bereits die
grössten Teile der Grenze verloren; Palmyra wurde befreit; die Tasche von Manbij, eine Schlüsselkreuzung für Transporte, fällt gegenwärtig an die vom Westen
unterstützten Demokratischen Syrischen
Kräfte; der Druck auf Da’esh’s «Hauptort» Raqqa steigt. Im Irak sind Tikrit,
Baiji, Ramadi, Rutbah und Hit an die
aus der Bevölkerung mobilisierten Sicherheitskräfte gefallen. Fallujah ist eingekreist
und kurz davor zu fallen. Vorbereitende
Operationen für die finale Säuberungsoperation in Mosul laufen. Sonderoperationen laufen auf breiter Front gegen Führungskräfte, Schlüsselknoten und wichti-
«Wir müssen wieder
gleichzeitig im ganzen
Einsatzspektrum
militärischer Kräfte
operieren können.»
ge Verkehrsachsen. Das Ziel der Kampagne ist es, anhaltenden und kontinuierlichen Druck im gesamten Territorium von
Da’esh aufrecht zu erhalten, um die Organisation gleichzeitig in allen Richtungen zur Reaktion zu zwingen.
Zu 2): Die Aktionen Da’esh Finanzströme zu unterbinden, haben an Momentum gewonnen. Dies geschieht über
Angriffe auf Schlüsselknoten der ent-
sprechenden Erdölindustrie inklusive der
Transportlastwagen, welche das Öl dem
Schwarzmarkt und damit in die Hände
von Bashar al Assad zuführen. Die in Geldwäschereiaktivitäten involvierten Banken
und Bargelddepots auf dem Territorium
von Da’esh wurden angegriffen und zerstört. Die Besteuerung durch Da’esh – und
die damit verbundenen erheblichen Finanzmittel – von Lohnzahlungen an Zivilangestellte der Irakischen Regierung wurden unterbunden. Kurz, die finanziellen
Ressourcen von Da’esh wurden auf bis zu
50% eingeschränkt und damit auch die
Optionen zur Finanzierung von ausländischen Kämpfern erheblich eingeschränkt.
Zu 3): Dies war von Beginn weg eine
der grössten Herausforderungen. Hauptursache war hierbei anfänglich das fehlende Vertrauen der Nationen, relevante Informationen zu teilen. Während sich
dieser Aspekt stark verbessert hat, wurde gleichzeitig an der Durchsetzung der
Grenz- und Zollbestimmungen in den
Ursprungs- und Transitländern gearbeitet, um die Beweglichkeit der ausländischen Kämpfer von ihren Einsatzräumen
und zurück in ihre Heimatstaaten zu erschweren. Trotz des Ausrufs des Kalifats
und die damit verbundene verstärkte religiöse Motivation sind die Zahlen, auch
aufgrund der tieferen Entlöhnung und
schlechten Erfahrungen desillusionierter
ausländischer Kämpfer mit der versprochenen Rückführung, gesunken.
Zu 4): Obgleich der wichtigste Aspekt
der Strategie, war dies gleichzeitig auch
der schwierigste. Wir werden Da’esh physisch besiegen können, aber die Idee der
Da’esh wird vorher geschlagen werden
müssen. Da’esh hat eine einheitliche zweiseitige Botschaft: «Das Kalifat ist unausweichlich und unbesiegbar, und wir
(Da’esh) werden die Abtrünnigen und
Kreuzritter sowie die Juden vernichten.»
Da’esh beherrscht die Technologien zur
globalen Verbreitung dieser Botschaft
über soziale Medien. Eine derartige Kohärenz und Stärke in dieser Fähigkeit ist
bisher einzigartig und wir müssen darauf
gefasst sein, dass sich diese Fähigkeit auch
bei Nachfolgern dieser unsäglichen Organisation weiter verbreiten wird.
Da’esh kämpft in der Informationssphäre aus einer vorteilhaften Position aus internen Reihen. Die globale Koalition gegen ISIL musste derart organisiert werden,
dass eine strategische Gegenbotschaft auch
lokal implementiert werden konnte. Seine Majestät König Abdullah II von Jordanien hat uns den Kontext für diese Infor-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
7
Sicherheitspolitik
mationskampagne geliefert: «Dies ist eine
Auseinandersetzung, um den Glauben des
Islam wiederzugewinnen. Und um diese
Auseinandersetzung zu gewinnen, muss
die Gegenbotschaft ein arabisches Gesicht und eine muslimische Stimme haben.» Wir haben uns dies auf strategischer
Stufe zu Herzen genommen und arbeiten
hart daran, Bodenhaftung in den unterschiedlichen Bevölkerungen innerhalb der
Koalition von Nordamerika, über Europa, den Mittleren Osten, Westafrika bis
hin zu Asien zu gewinnen. Die Koalition
führt ihre Informationskampagne aus externen Reihen und muss sich dieses strategischen Themas in der Informationssphäre auf der taktischen Stufe annehmen.
Hier wartet noch viel Arbeit auf uns.
Zu 5): Es ist nicht damit getan Da’esh
zu besiegen und die Organisation aus den
General John R. Allen, Andreas Bölsterli,
Andreas Cantoni (von rechts). Bilder: ASMZ
8
Bevölkerungszentren zu verdrängen. Die
betroffene Bevölkerung muss nachhaltig
vor den Schrecken der Da’esh befreit werden. Dies erreichen wir über Stabilisie-
«Und um diese Auseinandersetzung zu gewinnen,
muss die Gegenbotschaft
ein arabisches Gesicht
und eine muslimische
Stimme haben.»
rungsoperationen, was auch den Schutz
mit erkennbar präsenten Sicherheitskräften, die gerechte Regierung durch anerkannte einheimische Führungsfiguren
und den Wiederaufbau der Infrastruktur
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
beinhaltet. Die Koalition hat enge und
konstruktive Beziehungen zur UNDP
(United Nations Development Program),
inklusive ihrer «Funding Facility for Immediate Stabilization (FFIS)», entwickelt,
um entsprechende Ressourcen rasch an
die notwendigen Bevölkerungszentren zu
verschieben. Alle diese Aktionen helfen
nicht nur, die letzten Spuren von Da’eshs
Präsenz und Einfluss zu tilgen, sondern
auch um die Bevölkerung mit der Zentralregierung zu verbinden und zu versöhnen.
Als Staat im Zentrum von Europa ist die
Schweiz bis zu einem gewissen Punkt auch
von folgenden Aspekten betroffen: a) Als
internationales Finanzzentrum, b) als Rekrutierungsbasis für ausländische Kämpfer, c) als Operationsbasis und d) durch
Flüchtlingsströme. Welche Konsequenzen
sollte die Schweiz in diesen Punkten in Betracht ziehen?
Zu a): Es ist entscheidend, dass wir
Da’eshs Fähigkeiten Finanzeinnahmen
zur Finanzierung seiner Operationen einschränken und schlussendlich unterbinden. Da’esh ist in seiner Art als terroristische Organisation einzigartig, indem es
ihr gelungen ist, von einer schwerbewaffneten kriminellen Gruppe, mit Terror als
primäres Mittel, zu einem Protostaat aufzusteigen, der ein Territorium mit einer
unterworfenen Bevölkerung besetzt. Dies
konnte Da‘esh lediglich erreichen, indem
es offenbar für die lokale Bevölkerung
attraktiv war, weil es als konventionelle
Streitkraft kämpfte und nahezu komplett
finanziell selbsttragend war. In diesem Zusammenhang kann die Schweiz, als globales Finanzzentrum und ein Schlüsselmitglied des internationalen Finanzsystems,
der globalen Koalition gegen ISIL eine
wichtige Rolle spielen, indem sie hilft,
Da’eshs Geldwäschereifähigkeiten und die
Zugänge zum internationalen Finanzsystem einzuschränken. Da’esh kann finanziell ausgehungert und damit seine operationellen Fähigkeiten indirekt reduziert
werden. Ohne Finanzmittel wird die Anwerbung von ausländischen Kämpfern
stark eingeschränkt. Zu diesem Zweck war
sowohl die USA als auch die Koalition in
andauernder Verbindung mit dem Bankensystem und hat, wo notwendig, entsprechende Sanktionen zur Isolierung von
Da’esh verfügt.
Zu b): Ausländische Kämpfer reisen aus
über 80 Ländern in den Irak und nach
Syrien, um Da’esh zu unterstützen. Einige europäische Länder stellen überdurch-
Sicherheitspolitik
schnittlich viele ausländische Kämpfer pro
Kopf ihrer Einwohner. Je aktiver und aggressiver die Strafverfolgung, desto tiefer ist die Zahl der Kämpfer, die sich in
einem fremden Land an Gefechtshandlungen beteiligen wollen. Die rechtlichen
Massnahmen in der Strafverfolgung sind
zu einem wichtigen Abschreckungs- und
Sanktionsfaktor für radikalisierte Individuen geworden. Die besten Erfolge, um
den Fluss der fremden Kämpfer einzudämmen, wurden durch staatlich konzertierte Ansprachen an muslimische Gemeinden und Risikogruppen erreicht. In
muslimischen Gettos, die getrennt von
der Mehrheit der einheimischen Bevölkerung existieren, entstehen leicht Plattformen für die Radikalisierung und die
Rekrutierung durch extremistische Organisationen. Die Erfahrungen zeigen,
dass der partnerschaftliche Austausch von
Religionsgemeinschaften mit staatlichen
Stellen dabei den besten Präventionserfolg
bringt.
Zu c): Die Herausforderung, der Da’esh
Operationen in unseren Heimatländern
zu verwehren, besteht in der Koordination zwischen den Behörden der Strafverfolgung, den Nachrichtendiensten und Sicherheitskräften. Es geht darum, die Bewegungsfreiheit und den Nachschub der
Gegenseite zu unterbinden. Die meisten
«In muslimischen Gettos,
die getrennt von der
Mehrheit der einheimischen
Bevölkerung existieren,
entstehen leicht Plattformen
für eine Radikalisierung.»
europäischen Staaten stehen vor erheblichen Hürden in Bezug auf Zusammenarbeit innerhalb (z.B. zwischen Strafverfolgung und Nachrichtendiensten) als auch
zwischen Staaten. So ist es zudem inzwischen klar, dass sich Da’esh, wie auch andere extremistische Organisationen, nicht
nur innerhalb ihrer eigenen Netzwerke,
sondern auch Hand in Hand mit etablierten kriminellen Organisationen grenzund ideologieübergreifend bewegen.
Zu d): Flüchtlingsströme tragen in sich
das Risiko, auch Terroristen und Kriminelle mit sich zu führen. Auch hier ist die
Zusammenarbeit unter den betroffenen
europäischen Staaten dringend angeraten. Nur durch den entsprechenden Informationsaustausch können die notwendigen Massnahmen zeitgerecht eingeleitet werden.
Gemäss unserer Wahrnehmung wird gegenwärtig in den Medien häufig von
Schwächen und Niederlagen von Da’esh
im Irak und in Syrien berichtet. Demnach verliert Da’esh wichtige Städte und
Sektoren und damit verbunden wichtige
Basen. Ist Da’esh bereits besiegt? Wie beurteilen Sie deren Verschiebung der Aktivitäten nach Libyen, dem Libanon und
andere Regionen?
Tatsächlich hat die Gegenseite schwere
Niederlagen hinnehmen müssen; Da’esh
ist jedoch noch weit von der Vernichtung
entfernt. In der Zeit von Anfang 2015 bis
heute hat sich Da’esh in ein dreiköpfiges
Monster verwandelt. Der Kern und damit der erste Kopf der Bewegung befindet sich nach wie vor im Irak und in Syrien.
Gleichzeitig hat es jedoch extensive Standorte, genannt Provinzen oder Wilayats, als
zweiten Kopf in Übersee gewonnen. Diese Gruppierungen waren bisher oder sind
derzeit noch Netzwerke von extremistischen Aufständischen oder Kriminellen,
die die Nähe zu Da’esh gesucht und dem
Kalifat und dem Kalifen ihre Treue bezeugt haben. Als Provinz ist dabei die Wilayat von Nordafrika, ehemals Ansar al
Sharia in Libyen, als störende Kraft in Libyen in Erscheinung getreten. Diese Organisation ist zurzeit unter erheblichem
Druck durch die libyschen Elemente der
Nationalen Einheitsregierung (engl. Government of National Unitiy), die vom
Westen mit Luftschlägen unterstützt wird.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sie die
Stadt Sirte verlieren und damit einen erheblichen Rückschlag erleiden. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf die zweite
Provinz, den Wilayat von Westafrika, ehemals Boko Haram. Ob die beiden Gruppierungen letztendlich kooperieren, bleibt
offen. Sie liegen geographisch weit auseinander und sind beide nicht besonders reich an Mitteln. Ihre Ursprünge
und Doktrinen sind einigermassen unterschiedlich, sodass über individuelle Zusammenarbeiten hinaus, schlimmstenfalls
koordinierte lokale terroristische Übergriffe resultieren könnten.
Der dritte Kopf dieses Monsters ist das
globale Netzwerk mit seiner Fähigkeit der
globalen Koordination. Bisher sind wir jedoch zum Glück von massiven über dieses Netzwerk gleichzeitig koordinierten
Aktionen verschont geblieben. Wir werden hier wachsam bleiben müssen.
Wie werden sich diese Entwicklungen oder
Verschiebungen auf mögliche Einsätze der
USA in Libyen, wie sie von General Dunford (aktueller Chairman of the Joint
Chiefs of Staff, USA) angetönt wurden,
auswirken?
Es kann damit gerechnet werden, dass
die USA einerseits den Druck auf die
Da’esh in Libyen erhöhen wird, andererseits gleichzeitig die Fähigkeiten ihrer
«Tatsächlich hat
die Gegenseite schwere
Niederlagen hinnehmen
müssen; Da’esh ist
jedoch noch weit von der
Vernichtung entfernt.»
Partner innerhalb der Koalition, insbesondere Frankreich und Italien sowie der
libyschen Elemente der Nationalen Einheitsregierung, weiter vermehrt unterstützen wird. Das Momentum wird sich damit weiter klar gegen Da’esh in Libyen
und Nigeria/Westafrika verschieben.
Wenn wir Sie zum Schluss noch um einen
Ratschlag bitten dürfen – was empfehlen
Sie aufgrund Ihrer langen Karriere als militärische Führungspersönlichkeit einem
jungen Offizier der Schweizer Armee.Wie
soll er sich als Leader weiterbilden?
Kurz gesagt – er sollte einen Körper so
fit wie ein 25-Jähriger haben und einen
Geist haben, der die Erfahrung von 5000
Jahren Geschichte kennt. Es war und ist
für mich entscheidend, sich mit der Geschichte und der Politik, insbesondere der
Sicherheitspolitik, auseinander zu setzen.
Dieses Wissen, gepaart mit der nötigen Fitness hat es mir ermöglicht, auch in schwierigen Situationen besser zu verstehen, warum Menschen, aber auch Staaten unter
Druck und in besonderen Umständen anders reagieren können. Wenn dann dieses
Wissen genutzt wird, werden hoffentlich
auch die situationsgerechten und angepassten Entscheide eben auf dieser Basis
von Erfahrung und Geschichte gefällt.
Herr General, wir danken Ihnen herzlich
für dieses sehr eindrückliche Gespräch! ■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
9
Sicherheitspolitik
Der Anschlag von Istanbul –
die Türkei und der IS
Der schwere Terroranschlag auf dem internationalen Flughafen vom 28. Juni
2016 ist der aktuelle Höhepunkt einer Serie von Attentaten in den letzten
Monaten, bei denen fast 200 Menschen ums Leben gekommen sind und eine
nicht genau bekannte Anzahl von Türken und Ausländern unterschiedlich
schwer verletzt und/oder traumatisiert wurde.
Jürgen Hübschen
Nach Aussage des türkischen Präsidenten Erdogan und verschiedener Regierungsstellen, ist die Terrorganisation Islamischer Staat (IS) für die Anschläge verantwortlich.
Der nachfolgende Bericht beschäftigt
sich nach einer zusammengefassten Sachdarstellung mit der Frage, ob allein der
IS hinter den Anschlägen steckt. Was
spricht für diese Behauptung und welche
Argumente widersprechen dieser Sichtweise?
In diesem Zusammenhang muss festgestellt werden, dass die Informationspolitik der offiziellen türkischen Stellen nur
bedingt dafür geeignet ist, wirklich belastbare Fakten darzustellen, weil Ankara aus
innenpolitischen Gründen naturgemäss
daran interessiert ist, die eigene Sicht der
Dinge zu publizieren und auch im Ausland den Eindruck vermitteln will, dass
es sich nicht um ein speziell türkisches Pro-
10
blem handelt, sondern alle Staaten mehr
oder weniger vom internationalen Terrorismus betroffen sind.
Fakten und Hintergründe
Im Folgenden soll kurz auf die wesentlichsten Entwicklungen und Ereignisse
eingegangen werden, die im Zusammenhang mit der aktuellen Lage von Bedeutung sind, bzw. wichtig sein könnten.
Am 21. März 2013, zum türkischen
Neujahrsfest Newroz, erklärte der inhaftierte Führer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, eine einseitige
Waffenruhe und den Rückzug der PKKEinheiten aus der Türkei.
Am 25. Juli 2015 griff die türkische
Luftwaffe Stellungen der PKK an, die daraufhin den Waffenstillstand vom Frühjahr 2013 für beendet erklärte. Seitdem
Sultan Ahmed Platz Istanbul,
Anschlag 12. Januar 2016. Bilder: Wikipedia
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
greifen türkische Kampfflugzeuge bis zum
heutigen Tage immer wieder Positionen
der PKK an, wobei von Ankara häufig
behauptet wird, Stellungen des IS zu bekämpfen.
Im Frühjahr 2011 eskalierte ein friedlicher Protest in Syrien zu einem Bürgerkrieg, der das Ziel hat, das ASSAD-Regime zu stürzen und bis zum heutigen
Tag andauert. Syrische Regierungstruppen kämpfen nicht nur gegen gemässigte
Oppositionelle, sondern auch gegen islamistische Extremisten, vor allem gegen die
Terrororganisation IS, die sich zum grössten Teil aus ausländischen Kämpfern rekrutiert.
Die Bürgerkriegsparteien werden zunehmend von ausländischen Staaten unterstützt. Zunächst stellte sich der Westen
auf die Seite der Opposition und liess dabei auch den IS gewähren, den man völlig
unterschätzte. Man traute ihm offensichtlich am ehesten einen Sturz des syrischen
Herrschers zu, verkannte aber die eigentlichen Ziele der Terrororganisation total.
Erst als der IS im Juni 2014 die irakische
Stadt Mosul erobert hatte und auch im
Irak immer mehr Fuss fasste, gingen den
westlichen Politikern die Augen auf, und
eine westliche Allianz begann unter Führung der USA, den IS aus der Luft zu bekämpfen. Die Türkei und auch Staaten
wie Saudi-Arabien und Katar hatten und
haben ebenfalls einen Regime Change in
Damaskus auf der Agenda und unterstützen den IS auch weiterhin, wobei die türkische Regierung das offiziell nach wie
vor bestreitet. Es steht aber zweifelsfrei
fest, dass die meisten der ausländischen ISKämpfer über die türkische Grenze nach
Syrien gelangt sind. Das belegen türkische
Einreisestempel in den Pässen vieler gefallener IS-Kämpfer und/oder auch türkische
Sim-Karten in deren Smart Phones. Auch
Waffenlieferungen über die türkisch-syrische Grenze wurden von türkischen Jour-
Sicherheitspolitik
nalisten dokumentiert, denen dafür mitt- von Ankara begann die türkische Luftwaffe zeitgleich ebenfalls Luftangriffe gegen
lerweile der Prozess gemacht wurde.
Es gibt seriöse Hinweise, dass dieser Waf- den IS zu fliegen. Es gab jedoch immer
fenschmuggel über die türkische Grenze Zweifel, ob die Türkei wirklich Einsätze
dem britischen Geheimdienst MI 6 und gegen den IS fliegt oder ob diese mit Masauch der amerikanischen CIA bekannt ist. se gegen die PKK gerichtet sind.
Jahrelang konnte der IS auch ungestört
Ebenfalls auf Drängen der internationaÖl aus den von ihm eroberten Gebieten in len Staatengemeinschaft versprach Ankadie Türkei exportieren und seinen Kampf ra eine effektivere Kontrolle der türkischdadurch entscheidend finanzieren.
syrischen Grenze, um den Schmuggel von
Während die Allianz der westlichen Waffen für den IS einzudämmen bzw. zu
Staaten das Ziel, Präsident Assad zu stür- verhindern und auch das Einsickern von
zen, offiziell aufgegeben hat, unterstützen IS-Kämpfern nach Syrien zu stoppen.
die USA trotzdem immer noch sogenannte gemässigte Oppositionelle, und die
Chronologie des Grauens
CIA kooperiert im Rahmen der OperatiKurz vor den ersten türkischen Lufton «Timber Sycamore» unter der Decke
sogar mit radikalen Islamisten wie z.B. angriffen gegen den IS begann eine Serie
von massiven Terroranschlägen in dem
der Al Nusra Front.
Russland, der Iran und auch die schiti- Land am Bosporus.
Es begann mit einem Selbstmordatsche libanesische Hisbollah stehen uneingeschränkt auf der Seite Assads und be- tentäter, der sich am 8. Juli 2015 in Sukämpfen konsequent alle Gruppierungen, ruc, an der Grenze zu Syrien, in die Luft
die den syrischen Herrscher stürzen wol- sprengte und mehr als 30 Menschen mit
len. Deshalb schoss die türkische Luft- in den Tod riss. Die Hintergründe der Tat
waffe am 24. November 2015 einen rus- wurden nicht zweifelsfrei aufgeklärt.
sischen Kampfbomber im syrisch-türkischen Grenzgebiet ab.
Der Pilot, der sich aus
der SU-24 katapultiert hatte, wurde am
Fallschirm hängend
erschossen. Das zweite Besatzungsmitglied
rettete sich mit dem
Fallschirm. Danach
wurden die türkischrussischen Beziehungen annähernd vollständig eingefroren.
Russland bekämpft
den IS auch wegen des Demirören Shopping Mall Istanbul, Anschlag vom 16. März 2016.
eigenen muslimischen
Bevölkerungsanteils und der muslimischen
Am 10. Oktober sprengten sich in AnRepubliken der ehemaligen Sowjetunion, kara zwei Selbstmordattentäter auf einer
die heute als souveräne Staaten zur Russi- prokurdischen Friedenskundgebung in
schen Föderation gehören und in denen die Luft. 101 Menschen starben. Die türder IS ebenfalls Kämpfer rekrutiert. Der kische Regierung machte den IS für das
schiitische Iran unterstützt den alawiti- Attentat verantwortlich, der sich allerschen syrischen Herrscher, einerseits weil dings bis heute nicht dazu bekannt hat.
es sich beim IS um eine sunnitische TerrorAm 12. Januar 2016 tötete ein Selbstorganisation handelt und weil Iran eben- mordattentäter in Istanbul zwölf deutsche
so wie Saudi-Arabien und die Türkei be- Touristen, als er in deren Reisegruppe seistrebt ist, in dieser Region der Erde die nen Sprengstoffgürtel zündete. Der IS wies
die Beschuldigung der türkischen Regiedominierende Macht zu werden.
Ende Juli 2015 erlaubte die türkische rung für das Attentat verantwortlich zu
Regierung nach massivem Druck aus Wa- sein, zurück.
Am 14. Januar starben in der Nähe von
shington der westlichen Allianz erstmals
die Nutzung der NATO-Basis in Incirlik Diyarbakir sechs Polizeibeamte durch ein
für Einsätze gegen den IS. Nach Angaben mit Sprengstoff präpariertes Auto. Die
PKK übernahm die Verantwortung für
den Anschlag
Am 17. Februar wurden in Ankara bei
einem Anschlag auf einen Militärkonvoi
28 Menschen getötet. Die der PKK nahe
stehende Organisation «Freiheitsfalken
Kurdistans» (TAK) bekannte sich zu dem
Verbrechen. Die TAK erklärte in ihrem
Schreiben, «ihren Rachfeldzug gegen den
faschistischen türkischen Staat» fortzusetzen.
Am 13. März bekannte sich die TAC
zur Explosion einer Autobombe mitten in
Ankara, durch die 35 Menschen starben.
Am 19. März riss im Zentrum von Istanbul ein Selbstmordattentäter drei Israelis und einen Iraner mit in den Tod. Die
türkische Regierung machte erneut den
IS für den Anschlag verantwortlich, von
dem es aber wiederum kein ansonsten für
den IS typisches Bekennerschreiben gab.
Am 31. März starben bei einem Anschlag auf einen Polizeibus in Diyarbakir
sieben Beamte. Der Hintergrund der Tat
wurde nicht bekannt. In Diyarbakir gibt
es seit dem Ende des Waffenstillstands
ständig heftige Kämpfe zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der PKK.
Am 7. Juni starben 11 Menschen durch
einen Bombenanschlag auf einen Bus der
Polizei in der Altstadt von Istanbul. Die
kurdische TAK bekannte sich zu dem Verbrechen.
Am 8. Juni wurden in der südtürkischen
Stadt Midyat sechs Menschen vor einem
Polizeirevier durch eine Autobombe getötet. Die PKK übernahm die Verantwortung für den Anschlag.
Am 28. Juni starben über 40 Menschen
durch einen Terroranschlag auf dem internationalen Flughafen von Istanbul. Fast
200 Menschen wurden verletzt, als drei Attentäter mit Sturmgewehren auf die Reisenden schossen und sich anschliessend in
die Luft sprengten.
Die türkische Regierung machte umgehend den IS für das Attentat verantwortlich.
Beurteilung
Die Sicherheitslage in der Türkei wird
aus verschiedenen Gründen zunehmend
instabil und der Einbruch des von den
Anschlägen extrem betroffenen Tourismus
führt zu einer massiven Verschlechterung
der wirtschaftlichen Situation des Landes.
Dafür gibt es zwei wesentliche Ursachen. Zum Einen führt die Türkei seit
Mitte 2015 wieder einen gnadenlosen
Krieg gegen die kurdische PKK und zum
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
11
Sicherheitspolitik
Anderen hat sie sich durch einen zumindest teilweisen Wechsel der Fronten den
Zorn des IS zugezogen. Die aktuellen Terroranschläge zeigen in beide Richtungen.
Der Kampf gegen die PKK hat im Südosten der Türkei zu bürgerkriegsähnlichen
Verhältnissen geführt. Es gibt Städte, in
denen die Bevölkerung seit Monaten in
den Kellern lebt. Die türkische Luftwaffe
greift nicht nur Stellungen der PKK im
eigenen Land an, sondern auch im NordIrak und bekämpft die der PKK nahe stehende syrische Kurden-Miliz YPG im tür-
«Die Sicherheitslage
in der Türkei wird
zunehmend instabil.»
kisch-syrischen Grenzgebiet aus der Luft
und mit Artillerie am Boden. Die YPG ist
der bewaffneter Arm der «Partei der Demokratischen Union» (PYD) und kämpft
in Syrien mit Luftunterstützung durch die
westliche Allianz gegen den IS.
Im politischen Bereich hat Präsident
Erdogan einen Beschluss des türkischen
Parlaments initiiert, durch den die Immunität vor allem von Abgeordneten der kurdischen HDP aufgehoben wurde, die sich
nun in vielen Fällen mit einer mehr als
fadenscheinigen Strafverfolgung konfrontiert sehen.
Die PKK und kurdische Splittergruppen sind bei ihrem Kampf gegen Präsident Erdogan und die Regierung mit Sicherheit für viele Anschläge in der Türkei
verantwortlich, wie unter anderem auch
die aktuellen Bekennerschreiben der TAK
deutlich machen.
Was den IS angeht, beginnt Ankara jetzt
offensichtlich den Preis dafür zu zahlen,
dass man die Terrororganisation jahrelang
nicht nur hat gewähren lassen, sondern
nachweislich unterstützt hat mit dem Ziel,
Präsident Assad zu stürzen. In wieweit diese Unterstützung unter der Decke noch
immer anhält, ist unklar. Es steht jedenfalls fest, dass die Türkei offiziell die Fronten gewechselt hat und sich am Kampf gegen den IS beteiligt. In welchem Masse
das geschieht, ist allerdings ebenfalls nicht
nachweisbar, weil viele Einsätze der türkischen Luftwaffe angeblich gegen den IS
gerichtet sind, in Wirklichkeit aber Stellungen der PKK zum Ziel haben.
Doch die Entscheidung, der westlichen
Allianz die Basis in Incirlik für Luftan-
12
griffe gegen den IS zur Verfügung zu stellen, war für den IS der Beweis, dass die
Türkei sich am Kampf gegen ihre Organisation beteiligt. Auch die aktuelle Aussöhnung mit Russland, das ja den IS am
konsequentesten bekämpft, ist, nach dem
Abschuss des russischen Kampfflugzeugs
durch die türkische Luftwaffe im November 2015, für die Terrororganisation ein
klarer Wechsel der Fronten. Ein weiterer
Hinweis eines Wechsels in der offiziellen
Politik gegenüber dem IS ist die Ende
Juni von Präsident Erdogan und dem
israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu getroffenen Entscheidung, wieder
diplomatische Beziehungen aufzunehmen und in Zukunft wieder eng zusammenzuarbeiten. Israel kann sicherlich
nicht als Verbündeter des IS bezeichnet
werden.
Die Tatsache, dass der IS sich bislang
nicht, wie sonst üblich, zu Terroranschlägen in der Türkei bekannt hat, könnte
damit erklärt werden, dass er noch immer
Männer in der Türkei rekrutiert und/oder
darauf setzt, unter der Decke weiterhin relativ ungestört vor allem im türkisch-syrischen Grenzgebiet agieren zu können.
Beides wäre nach einem Eingestehen
von Anschlägen wohl nur noch bedingt
möglich.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass
sowohl die türkische Kurden-Politik von
Präsident Erdogan als auch seine Haltung
gegenüber dem IS, verbunden mit der
nach wie vor bestehenden Absicht, Präsident Assad zu stürzen, Ursachen für die
aktuellen Anschläge und eine permanente Destabilisierung der türkischen Sicherheitslage sind.
Welche der beiden Ursachen schwerer
wiegt, ist dabei eher unwichtig.
Der türkische Präsident muss seine Politik ändern. Dazu gehören in erster Linie
eine Aussöhnung mit den Kurden und
eine konsequente Bekämpfung des IS.
Leider ist von einem solchen Politikwechsel bislang nichts erkennbar. Vielmehr
setzt Erdogan alles daran, das Land innenpolitisch in ein Erdogan-Sultanat zu verwandeln und aussenpolitisch eine türkische Vorherrschaft in der Region zu erreichen.
■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Oberst i Gst aD
Jürgen Hübschen
Beratung für
Friedenssicherung und
Sicherheitskonzepte
D-48268 Greven
Das Wort des CdA
Geschätzte Kader
unserer Armee,
geschätzte Leserinnen
und Leser der ASMZ
Ende Juni habe ich den
SWISSMEM-Industrietag 2016 besucht, dessen zentrales Thema
Digitalisierung respektive digitale Zukunft war. Die Digitalisierung hat die
(Arbeits-) Welt bereits fundamental verändert und wird das weiterhin tun. Die
Rede ist in diesem Zusammenhang von
der vierten industriellen Revolution.
Diese wurde auch schon beschrieben
als Fusion diverser Technologien, welche
die Grenzen zwischen physischen, digitalen und biologischen Sphären verschiebt. Heisst das also, dass Computer oder Grossrechner uns Menschen am
Arbeitsplatz ersetzen? So utopisch das
heute auch tönen mag, wir haben uns
damit auseinanderzusetzen.
Warum thematisiere ich das? Weil die
Parallelen zu unseren Führungstätigkeiten in der Armee offensichtlich sind. Wir
machen regelmässig Lagerapporte, weil
sich die Lage permanent ändern kann.
Das führt dann allenfalls dazu, dass wir
Handlungsbedarf erkennen.
Der Umgang mit Veränderungen ist für
uns, die wir mit den militärischen Führungstätigkeiten vertraut sind, nichts
Aussergewöhnliches. Wichtig ist jedoch,
dass man dann Liebgewonnenes nicht
für unantastbar erklärt, sondern die Konsequenzen zieht und auch bereit ist, Anpassungen vorzunehmen.
Was bedeutet die vierte industrielle Revolution für die Armee? Was bedeutet sie
punkto der Fähigkeiten der Armee? Was
bedeutet sie punkto Sicherheit im CyberRaum? Ist Handlungsbedarf erkannt, können wir mit dem militärischen Führungsrhythmus loslegen. Problemerfassung,
Beurteilung der Lage, Entschlussfassung,
Planentwicklung, Befehlsgebung / Revision der Pläne.
Wir machen Militär. Unaufgeregt, systematisch, konsequent. Das könnte im Ergebnis dazu führen, dass nicht alle einverstanden sind. Aber wir müssen uns
dieser Entwicklung stellen. Damit die Armee auch in Zukunft in der Lage ist, Land
und Leute zu schützen.
Korpskommandant André Blattmann
Chef der Armee
Sicherheitspolitik
Nukleares Wettrüsten? – Zur Krise
des INF-Vertrages im globalen Kontext
Laut US-Administration verletzt Russland den Intermediate Range Nuclear
Forces (INF)-Vertrag. Dieser Vertrag verbietet beiden Seiten dauerhaft
jegliche bodengestützten Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 km.
Russland bestreitet die Verletzung und erhebt Gegenanschuldigungen.
Eine gütliche Einigung erscheint bis auf weiteres fraglich.
Stefan C.P. Hinz
Ende 1987 läutete der Abschluss des
INF-Vertrages das Ende des Kalten Krieges ein. Das ungleiche Paar Reagan und
Gorbatschow beendete mit der lange nicht
für möglich gehaltenen bahnbrechenden
Nulllösung schlagartig eine Phase des massiven Wettrüstens mit vor allem SS-20-Raketen auf der einen Seite und in Reaktion
Pershing II-Raketen und Cruise Missiles
auf der anderen Seite. Nulllösung bedeutete Rüstungskontrolle ohne Wenn und
Aber: alle Raketen waren abzurüsten, unabhängig von ihrer Bewaffnung. Schlupflöcher soll es keine mehr geben. Bereits
Tests von bodengestützten Mittelstreckenraketen und dazugehörigen Abschussgeräten sind verboten. Die Vertragsdauer ist
unbegrenzt – es sei denn, eine Partei kündigt aus übergeordneten nationalen Interessen. Wird der Vertrag möglicherweise
sein 30-jähriges Jubiläum nicht mehr erleben? Wäre dies ein Kollateralschaden der
neuen Spannungen zwischen Russland
und dem Westen? Oder hat sich der Vertrag schlicht überlebt? Wie sind die Zusammenhänge mit anderen strategischen
Fragen zu sehen, prominent mit den Raketenabwehrplänen (Missile Defense) der
USA und ihrer Verbündeten?
Sommer 2014 –
offizieller Beginn der Krise
Mitte 2014 haben die USA offiziell
festgestellt, dass die Russische Föderation
den INF-Vertrag verletzt («Non-Compliance»). Im Juni 2015 und im April 2016
hat das State Department erneut den Finger in die Wunde gelegt. Vertragsbrecher
sei eine neue Rakete, die als bodengestützter Marschflugkörper innerhalb der
vertragswidrigen Reichweite von 500 bis
5500 km erprobt worden sei. Ergänzenden Informationen zufolge hätten die ent-
sprechenden Tests bereits 2008 begonnen
und ab 2011 habe man die Rakete als verbotenen Marschflugkörper identifiziert.
Natürlich habe man, guten Gepflogenheiten folgend, die russische Seite bereits
«INF – Wird der Vertrag
möglicherweise
sein 30-jähriges Jubiläum
nicht mehr erleben?»
Software ändern. Das merkt sogar keiner. Selbst Rumänen nicht». Recht unverhohlen wird gedroht: «…welche Möglichkeiten wir haben, hat die ganze Welt
gesehen. Sie haben gesehen, welche Luftund See-Mittelstreckenraketen sowie
Landkomplexe mit einer Reichweite von
500 Kilometern wir haben. Die Iskander
haben sich bewährt».
Iskander ist eine moderne ballistische
Kurzstreckenrakete, die seit 2005 in die
russischen Streitkräfte eingeführt wird. Sie
gilt als vergleichsweise punktgenau. Ihre
Dislozierung im Oblast Kaliningrad ist
seit Jahren in Rede stehend, die Annexion
der Krim eröffnet neue Stationierungsoptionen. Die explizite Erwähnung der vertragsrelevanten 500 km-Grenze bei bodengestützten Systemen («Landkomplexen»)
soll offenkundig gleichzeitig den fortge-
vorab (2013) mit den Vorwürfen konfrontiert und somit Zeit für eine Reaktion, das
heisst optimalerweise für eine Rückkehr
zur Vertragstreue, gegeben. Gründlichkeit ging der Obama-Administration vor
Schnelligkeit.
Russland fordert
demgegenüber die
Vorlage von belastbaren Beweisen, soweit
wir wissen vergeblich.
Es leugnet die NonCompliance beharrlich – und erhebt Gegenanschuldigungen,
die im Kern auf die
neuen Raketenabwehrfähigkeiten von
USA und NATO zielen. Der russische Präsident nutzte jüngst Mikhail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichnen
im Mai 2016 seinen den INF-Vertrag, 1987.
Besuch in Athen zu
entsprechenden Botschaften. Demzufolge setzten russischen Willen unterlegen, am
würden die stationären Raketenabwehr- INF-Vertrag festzuhalten. Dem entspricht,
basen in Rumänien (frisch in Betrieb ge- dass sich Moskau im Frühjahr 2015 im
nommen) und Polen (Inbetriebnahme Rahmen des Reviews des Atomwaffen2018 geplant) auch offensiven Zwecken sperrvertrages explizit zum INF-Vertrag
dienen können. O-Ton Putin: «Man kann bekannt hat. Warum den USA nacheifern
ganz einfach eine Rakete durch eine an- und einen wesentlichen Rüstungskontrolldere ersetzen. Dafür muss man nur die vertrag unilateral kündigen?
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
13
Sicherheitspolitik
Das Problem im Kontext
der Raketenabwehr
Im Rahmen einer durchaus konsistenten Strategie hat Russland nach Ende des
Kalten Krieges frühzeitig Fundamentalopposition bezogen gegenüber den Raketenabwehrplänen der USA. Diese Pläne
stehen in einer jahrzehntelangen Traditionslinie, stets zwischen Wünschenswertem und Machbarem oszillierend. Unter
«Ziel Moskaus bleibt
es aber, bei Bedarf jegliche
Missile Defense-Einrichtung
in Europa schnell und
effektiv ausschalten
zu können.»
Präsident Reagan nannten sie sich «Strategic Defense Initiative» (SDI), unter
Bush I‚ «Global Protection Against Limited Strikes» (GPALS), unter Clinton
dann «National Missile Defense» (NMD).
Quer dazu lag stets der Anti Ballistic Missile (ABM)-Vertrag von 1972, der den
USA und (Sowjet)Russland strategische
Raketenabwehr bis auf ein Feigenblatt verbot. Im Gegensatz zu SDI und GPALS
war NMD aber nicht irreal und in Konsequenz mit dem ABM-Vertrag nicht mehr
in Einklang zu bringen. Russland verweigerte sich einer Anpassung des Vertrages.
So oblag es Präsident Bush II, wegen
NMD im Jahr 2002 den ABM-Vertrag
unilateral aufzukündigen. Seitdem unterliegt Raketenabwehr global keinerlei Rüstungskontrolle.
Präsident Obama adaptierte die Raketenabwehrpläne im Sinne eines flexiblen,
bündnisorientierten Ansatzes. Der neue
Missile Defense «European Phased Adaptive Approach» (EPAA) wurde im November 2010 vom NATO-Gipfel in Lissabon
indossiert. Demzufolge verleihen vor allem see- und landgestützte Abwehrsysteme Europa schrittweise einen verbesserten Schutz gegen begrenzte Raketenangriffe. Beim Warschauer Gipfel 2016 soll
die Erstbefähigung (IOC) erklärt werden
und bis 2018 die finale Befähigung des
EPAA erreicht sein.
Waren die russischen Positionierungen
gegen den westlichen Raketenabwehrschirm bis 2008 noch explizit begleitet
14
von der Drohung, Mittelstreckensysteme
stationieren und daher den INF-Vertrag
aufkündigen zu müssen, so ist dies heute
wie dargestellt nicht mehr der Fall. Erklärtes (und im Grunde nachvollziehbares) Ziel Moskaus bleibt es aber, bei Bedarf jegliche Missile Defense-Einrichtung
in Europa schnell und effektiv ausschalten zu können. Zu diesem Zweck stehen grundsätzlich boden-, see- und luftgestützte Systeme zur Verfügung. Für einen
gegebenenfalls schnellen Schlag «aus dem
Stand» gelten gemeinhin bodengestützte,
zumal strassenmobile Systeme als Mittel
der Wahl.
Ausgang der aktuellen
Hängepartie ungewiss
ven Mix Abschreckung und Verteidigung
sicherstellen.
Schwierige technische
Fragestellungen
Wie aber konkret mit Moskau über ein
neues System sprechen, das es nach russischer Auffassung gar nicht gibt? Problematisch in diesem Zusammenhang ist,
dass nach Beseitigung aller Raketen und
Trägermittel das Verifikationsregime für
den INF-Vertrag inaktiv geworden ist.
Folgt man der Diskussion in den einschlägigen Expertenkreisen, so kann dort
mangels Fakten keine Klarheit über den
von den USA indizierten Marschflugkörper herrschen. Mögliche «innerfamiliäre» Adaptionen zwischen See-, Luft- und
Landsystemen gestalten die Lage unübersichtlich. Möglicherweise liegt genau hier
der Ursprung der Krise des INF-Vertrages. Vorstellbar ist durchaus, dass Russland es bei Tests im Verborgenen nicht so
genau genommen hat. Von den USA damit konfrontiert, hätte Moskau dann
Vor- und Nachteile eines Verlassens des
Vertrages neu abgewogen und sich in Folge für die dargestellte Position pro Vertrag
entschieden. In Konsequenz wird Russland, so die Prognose, in absehbarer Zeit
keinen Anlass mehr für Vorwürfe der Vertragsuntreue geben. Möglicherweise waren
Wie geht es weiter? Der Ausgang der
Hängepartie um den INF-Vertrag ist nicht
abzusehen. Die Obama-Administration
wird bis zum Ende ihrer Amtszeit das als
ernst dargestellte Problem «businesslike»,
das heisst primär auf Expertenebene behandeln und in jedem Fall nicht einem
gewissen innenpolitischen Druck nachgeben, dass die USA ihrerseits als erste den
INF-Vertrag kündigen. Klar ist aber seit
Mitte 2014 auch, dass die Geduld der
USA endlich ist. Zur Debatte steht dort
mittlerweile ein breites Spektrum von ökonomischen und militärischen Optionen,
von defensiven Massnahmen («improve the
defense of Europe»)
bis hin zur Wiedereinführung offensiver
Mittelstreckensysteme
(«Pershing III»). Sollte Russland sich allerdings nunmehr strikt
an seine eigenen politischen Verlautbarungen und damit an den
INF-Vertrag halten
(das heisst keine neuen Vertragsverstösse
mehr produzieren),
dürften derartige dras- Präsident Reagan und Edward Teller, Erfinder der Wasserstofftische offensive Ge- bombe und Befürworter des SDI-Programms.
genmassnahmen zumindest im Bündnis erst einmal vom genau dies die taktischen Ziele der USA:
Tisch sein. Zumal mit Blick auf die öf- politisch ein Bekenntnis Moskaus zum
fentliche Meinung und die Bündnisko- INF-Vertrag und militärisch ein Ende
häsion. Michael Krepon, ein Altmeister der verbotenen Tests bzw. die Nicht-Einder Rüstungskontrolle, empfiehlt vor al- führung eines neuen verbotenen Systems.
Und wie über gleichermassen nicht exislem politisch-diplomatische Anstrengungen und daneben militärisch asymmetri- tente offensive Fähigkeiten land- und seesche Gegenmassnahmen zu See und in gestützter europäischer Raketenabwehrder Luft, die mit einem offensiv-defensi- potenziale sprechen? Gerade aus europä-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Sicherheitspolitik
ischer Sicht wären Anstrengungen wünschenswert, vor Ort von den rein defensiven Fähigkeiten der neuen westlichen Raketenabwehr zu überzeugen. Die zitierten,
sehr konkreten Anschuldigungen hinsichtlich eines möglichen Software- und Raketenwechsels sind jedenfalls durchaus ein
geschickter Schachzug Moskaus. Im Gegensatz zu einem offiziell nicht nachgewiesenen neuen russischen System geht es bei
Missile Defense um handfeste Systeme.
Die vertikalen Abschlusssysteme der USA
(Mark-41 oder -57) sind wie letztlich alle
bodengestützten Raketensysteme durchaus in einer offensiven Rolle denk- bzw.
modifizierbar. Gerade in Zeiten mangelnden Vertrauens ist hier Verifikation gefragt.
Kooperation bei Raketenabwehr?
Das Angebot des genannten NATOGipfels von 2010 an Russland, bei der Raketenabwehr zu kooperieren, liegt bis auf
weiteres auf (dickem) Eis. Von Anfang an
waren die konzeptionellen Vorstellungen
beider Seiten nicht wirklich vereinbar. Im
Gegenteil, es mehren sich nun Stimmen
im Westen, die eine Neuausrichtung der
NATO-Missile Defense gegenüber russischen Raketen, prominent bei der Verteidigung des Baltikums, fordern. Auf diese
Weise könnten, so die These, begrenzte
(auch nukleare) russische Raketenangriffe,
wenn vielleicht nicht gänzlich abgewehrt,
so aber doch in ihrer Wirkung minimiert
werden. Hierzu ist zweierlei anzumerken:
Zum einen entsprechen bis auf weiteres
weder politische Absichten noch militärtechnische Fähigkeiten des EPAA einem
derartigen Ambitionsniveau. Zum anderen würfe eine derartige Neuausrichtung
ex post ein neues Licht auf die russische
Fundamentalopposition: Missile Defense
würde eben doch gegen Russland wirken,
wenn auch erst einmal am «unteren» Ende
des Eskalationsspektrums. Im Endeffekt
droht eine Art Teufelskreis, in dem beider Seiten Fähigkeiten, Absichten, Wahrnehmungen und Unterstellungen sich jeweils verstärken und das Rüstungsniveau
auf beiden Seiten beständig anheben.
Helmut Schmidts Prophetie
Helmut Schmidt prognostizierte 2004
in seinem Werk «Die Mächte der Zukunft», dass vor dem Hintergrund neuer
Nuklearwaffen und Raketenabwehrsysteme «ein abermaliger Rüstungswettlauf auf
dem Gebiet der nuklearen Raketen» bevorsteht. 2016 wäre festzuhalten, dass ein
derartiger Wettlauf bereits eingetreten ist;
im Unterschied zu den 1970er und 1980er
Jahren allerdings weniger quantitativ, sondern mehr qualitativ geprägt. Die Potenziale Chinas, Indiens, Nordkoreas, Pakistan, Irans, Saudi-Arabiens und Israels
tragen das ihre zu diesem Prozess bei. Für
alle diese Staaten sind gerade Mittelstreckenraketen eine zunehmend harte Währung in den internationalen Beziehungen. Eine mögliche Multilateralisierung
des INF-Vertrages (so 2007 die russischamerikanische Initiative bei den Vereinten
Nationen) ist unwahrscheinlicher denn je.
Insgesamt keine guten Zeiten für die Rüstungskontrolle.
Die zwischen Russland und dem Westen 2014 neu aufgebrochenen Konfliktlinien werfen ein schärferes Schlaglicht auf
das Raketendossier, sind aber nicht ursächlich für das Problem. Ende 2015 haben Vertreter der US-Administration deutlich gemacht, dass die in Rede stehende
Verletzung des INF-Vertrages im Kontext
eines insgesamt aggressiven russischen Verhaltens steht. Demzufolge stellten sich
die USA grundsätzlich neu auf («comprehensive response») – unabhängig von
der Entscheidung Russlands, zur INFVertragstreue zurückzukehren oder nicht.
Appelliert wird im Übrigen an das Eigeninteresse Russlands («to remind Russia
why it signed this treaty in the first place»),
das von einem kostspieligen Aktions-Reaktionsschema letztlich nichts zu gewinnen habe. Unausgesprochen steht dabei
zweierlei im Raum: Geographie, Entfernungen und damit Vorwarnzeiten gereichen Russland nicht zum Vorteil, nach
der NATO-Osterweiterung noch weniger.
Und die USA und das westliche Bündnis
verfügen sowieso über die grösseren Ressourcen und die besseren Möglichkeiten.
SDI lässt grüssen.
Die Botschaften Washingtons sind klar.
Allein es kann nicht erkannt werden, dass
sie beim Empfänger ankommen. Inwieweit eine rüstungskontrollpolitische Einhegung der dargestellten Wechselwirkung
von Offensive und Defensive und damit
auch eine Bewahrung des für Europa unverändert wichtigen INF-Vertrages gelingen kann, bleibt also abzuwarten.
■
Oberst i.G.
Stefan C.P. Hinz
Dipl-Kfm (univ)
Deutsche Luftwaffe,
sekundiert zum GCSP
1211 Genf
Aus dem Bundeshaus
Es geht insbesondere
um ein Rüstungsprogramm 2017sowie um
das Rüstungs- und Immobilienprogramm in
der «Armeebotschaft
2016» vom 24. Februar 2016.
Am 12. April 2016 reichte die Sicherheitspolitische Kommission Nationalrat (SiKNR) folgende Motion ein (16.3266). «Der
Bundesrat wird beauftragt, das Rüstungsprogramm 2017, allenfalls 2017 plus, so
auszugestalten, dass die Finanzen der
Armee für die Rüstungsausgaben ausgegeben werden können und keine Restkredite entstehen. «Eine Minderheit (7)
beantragte Ablehnung. Begründung der
SiK-NR: Das Parlament habe der Armee
für die nächsten Jahre mehrmals ein Budget von je fünf Mrd. Franken zugestanden. Mit der vorläufigen Sistierung «Boden-Luftverteidigung 2020 (BODLUV)»
sei das Rüstungsprogramm 2017 nicht
mehr klar. Der Bundesrat beantragte am
25. Mai 2016, die Motion abzulehnen.
Er teile die Ansicht der Motionäre, «dass
die der Armee für Investitionen zur Verfügung stehenden Mittel schwergewichtig für Rüstungsbeschaffungen eingesetzt werden sollen». Das VBS habe daher infolge des abgebrochenen Vorhabens «Gripen» zurückgestellte Projekte zeitlich vorgezogen, damit sie nicht in
die Zeit einer erneuten Kampfflugzeugbeschaffung fielen. Mit BODLUV 2020
entfalle im RP 2017 ein geplanter Verpflichtungskredit von 700 Mio Franken.
Die Rüstungsplanung 2017bis 2020 werde mit anderen Vorhaben angepasst. Am
15. Juni 2016 stimmte der NR der Motion
zu (126 : 63 : 0).
Die SiK-NR schloss sich am 5. Juli 2016
dem SR an, beantragt ihrem Rat, nicht
auf die bundesrätliche Vorlage zum Zahlungsrahmen der Armee von 18,8 Mrd.
Franken einzutreten (16 : 8 : 0) und verweist auf den Bundesbeschluss vom 7.
März 2016, enthaltend einen Zahlungsrahmen der Armee von 20 Mrd. Franken
in den Jahren 2017–2010. Sie befürwortet das Rüstungs- und das Immobilienprogramm in der «Armeebotschaft
2016» (16.026).
Oberst a D Heinrich L.Wirz
Militärpublizist/Bundeshaus-Journalist
3047 Bremgarten BE
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
15
Einsatz und Ausbildung
Ein militärisches «Gewissen»
für miliztaugliche Systeme
Der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie
ist heute unerlässlich, um die Führungsfähigkeit der Armee gewährleisten
zu können. Zugleich müssen die dementsprechend komplexen technischen
Lösungen miliztauglich bleiben. Ein Kommando mit rund 30 Mitarbeitern
der Führungsunterstützungsbrigade 41/SKS ist zu diesem Zweck in
Beschaffung, Einführung und Betrieb neuer Systeme zur Führungsunterstützung involviert.
Marco Schmidlin, Pascal Martin
Das Kommando Führungsunterstützung-Systeme, -Kurse, und -Support (Kdo
FU SKS) ist seit 2012 Teil der Führungsunterstützungsbrigade 41/SKS (FU Br 41/
SKS). Im Folgenden werden die Aufträge,
Leistungen und Ansprüche an das Kdo
FU SKS mit seinen rund 30 Mitarbeitern (Berufsoffiziere, Berufsunteroffiziere, Fachlehrer und zivile Mitarbeiter) beleuchtet.
Komplexe Systeme für die Milz
Die Führungsunterstützungsbasis (FUB)
stellt die Führungsfähigkeit der Armee in
Bedürfnisformulierung
allen Lagen sicher. Sie gewährleistet Verbindungen und Datenaustausch zu jeder
Zeit und überall. Die FU Br 41/SKS ist
der militärische Arm der FUB und verantwortlich für die einsatzbezogenen Leistungen. Die Leistungserbringung erfolgt dabei durch Milizangehörige der Armee. Die
Truppe muss in relativ kurzer Zeit an komplexen Systemen ausgebildet werden, um
diese erfolgreich für diverse Leistungsbezüger der Armee einsetzen zu können. Daher
ist die oft geäusserte Forderung nach der
Miliztauglichkeit von technischen Systemen berechtigt und zentral. Zur erfolgreichen Auftragserfüllung müssen die entsprechenden Systemkomponenten vorab
evaluiert, getestet, beschafft und bei der
Truppe eingeführt werden. Dies ist die
Hauptaufgabe des Kdo FU SKS.
Fachwissen für FUB
und armasuisse
Das Kdo FU SKS garantiert bereits im
Beschaffungsprozess die militärische, miliztaugliche und einsatzbezogene Sicht auf
Systeme zur Führungsunterstützung. In
sämtlichen Grossprojekten wie «Telekommunikation der Armee», «Führungsnetz
Schweiz» sowie rund 34 weiteren FU-Projekten stellt das Kdo FU SKS die Truppen-
Die Rolle des Kdo FU SKS im Rüstungsablauf
schematisch dargestellt und grün markiert.
Abnahme
Koordination mit FUB
Einführung
Betriebskonzept
Qualitätssicherung Truppensicht
Ei Konzept
Militärische Vorschriften
Spezifikationen
Ausb Konzept
Train the Trainer
Truppentauglichkeit
Impuls
MS10
Anmeldung
Idee/Problem
16
Programm- oder Projektphasen
Definition
Umsetzung
Initialisierung
MS20
Auftrag
Lösungsansatz/
Business Case
MS25
MS30
Umsetzung
definitive Lösung
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Nutzung
Einführung
MS40
Einführungsantrag
abgenommene
Lösung
MS50
Übergabe
produktive
Lösung
MS60
Erfolgsbericht
nutzbringende
Lösung
Einsatz und Ausbildung
Verifikationsumgebung in einer ehemaligen
Lagerhalle in Rümlang: Hier sind militärische
Testprozesse auf engstem Raum möglich.
vertreter und unterstützt die FUB fachtechnisch bei der Erstellung der militärischen Pflichtenhefte und Einsatzkonzepte. Im Rahmen des Rüstungsablaufs
unterstützt das Kdo FU SKS zudem die
armasuisse bei der Evaluation von Telematik- und IT-Systemen, es leitet entsprechende Truppenversuche und beantragt die Truppentauglichkeit. Das Kdo
FU SKS ist nicht «Beschaffer», unterstützt den Beschaffungszyklus aber «militärisch». Es begleitet zudem das Lebenswegmanagement von bereits eingeführten Systemen (vgl. Infobox).
Das Ausbildungszentrum Haselbach in
Rümlang ist der Standort des Kdo FU SKS.
Kurse und Unterstützung
vor Ort
Die Mitarbeiter des Kdo FU SKS sind
auch für die Einführung von neuen Systemen verantwortlich. Sie erstellen die entsprechenden Ausbildungskonzepte und
-unterlagen und schulen das Berufspersonal der Lehrverbände nach dem Prinzip «Train the Trainers». Zudem leisten
sie bei WK-Verbänden Ausbildungsunterstützung vor Ort. Damit ist sichergestellt,
dass die Einführung von neuen Systemen
bei der Truppe durch Ausbildner mit militärischem Vorwissen geschieht. Denn
um zu garantieren, dass die Ausbildung
technisch, militärisch, methodisch und
auch didaktisch adäquat auf das Zielpublikum ausgerichtet ist, wird von allen
Mitarbeitern des Kdo FU SKS ein militärischer Hintergrund und die entspre-
Die Rolle des Kdo FU SKS
im Rüstungsablauf
Das Kdo FU SKS ist der militärische Partner im Rüstungsablauf von Projekten
zur Führungsunterstützung. Der Rüstungsablauf gliedert sich in folgende
Projektphasen: Impuls, Initialisierung,
Definition, Umsetzung, Einführung und
Nutzung. Das Kdo FU SKS unterstützt
dabei die armasuisse (Projektleitung)
und die FUB als Benutzervertreter über
alle Phasen.
Vielschichtiger Prozess
mit zahlreichen Tests
Essentiell aus Truppensicht ist die fachtechnisch kompetente Unterstützung
bei der Bedürfnisformulierung und bei
der Einführung von zu beschaffenden
Systemen (siehe Infografik). Dazwischen zeichnet das Kommando verantwortlich für Kompatibilitätstests, Spezifikationstests, Truppenversuche, Abnahme und Einführung der Systeme.
Militärisch genutzte Systeme werden
durch die militärischen Vertreter des
Kdo FU SKS in enger Zusammenarbeit
mit dem Nutzer respektive mit der
Truppe begleitet (Lebenswegmanagement).
Fokus auf Truppenversuche
Ohne diese Leistungen würden bei der
Truppe Systeme ohne besondere Berücksichtigung der Miliztauglichkeit
eingeführt. Zudem bestünde ohne vorgelagerte Truppenversuche das Risiko, dass erst im Einsatz allfällige Systemmängel von der Truppe entdeckt
würden, was nicht nur die Auftragserfüllung gefährden, sondern auch zu
massiven Folgekosten führen könnte.
Damit die Truppensicht auch tatsächlich einfliesst, sind neben den Berufsmilitärs auch sämtliche zivile Mitarbeiter des Kdo FU SKS militärdienstpflichtig.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
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ASMZ
auf Facebook
Die ehemalige Facebookgruppe «ASMZ – Forum junge
Offiziere» wurde überarbeitet und heisst nun «ASMZ –
Sicherheit Schweiz». Um dem Puls der Leser näher zu
sein, werden in dieser Gruppe Diskussionsanregungen,
aktuelle Informationen, die wichtigsten Artikel usw. gepostet und zwar neu in allen Bereichen, die die Armee,
die Landessicherheit und das Offizierskorps betreffen.
Einerseits sollen Informationen schneller als mit der
monatlichen Publikation an die Leser gelangen, andererseits sollen die Leser die Möglichkeit erhalten, Anregungen an die Zeitschrift (beispielsweise Fragen für Interviews, gewünschte Artikel) anzubringen oder Publiziertes zu kommentieren. Die Mitglieder der Gruppe
können selber ebenfalls posten und weitere Mitglieder
einladen. Die ersten Wochen haben sich als Teilerfolg
erwiesen, den wir nun ausbauen wollen.
Interessiert? Melden Sie sich bei der Gruppe an und
diskutieren Sie mit! Das Redaktorenteam freut sich auf
einen angeregten, kritischen und niveauvollen Meinungsaustausch!
«ICH BIN FAN VOM ROTEN KREUZ.
DANK IHM KANN ICH ALS SANITÄTERIN
MENSCHEN IM NOTFALL HELFEN.»
Tina Hasler (22), Freiwillige, Militärsanitäterin SMSV
Engagieren Sie sich freiwillig!
freiwillige.redcross.ch
Mehr Infos über Freiwilligenarbeit beim
Schweizerischen Militär-Sanitäts-Verband:
www.smsv.ch
Taktische Funkkommunikation neu definiert.
Das ¸SDTR als Rückgrat der vernetzten
Operationsführung.
Das R&S®SDTR markiert einen revolutionären Meilenstein:
Ɗ Multiband Funk TVHF/VHF/UHF
Ɗ 5KOWNVCPG5RTCEJWPF&CVGPMQOOWPKMCVKQP
Ɗ $TGKVDCPFKIG+28GTPGV\WPI
Ɗ /QDKNG#FJQE0GVYQTMKPI
/#0'6(ÀJKIMGKV
Ɗ5VCVGQHVJGCTV8GTUEJNØUUGNWPIWPF(TGSWGP\URTWPIXGTHCJTGP
Ɗ-QUVGPIØPUVKIGU4GRNCEGOGPVWPFRNCV\URCTGPFG(CJT\GWIKPVGITCVKQP
Ɗ*QJGT+PXGUVKVKQPUUEJWV\FCPM5QHVYCTG%QOOWPKECVKQPU#TEJKVGEVWTG
YYYTQUEJKTQJFGUEJYCT\EJ
Einsatz und Ausbildung
Modernste Mittel zur Führungsunterstützung
werden für die Miliz in Rümlang getestet.
chenden Zertifikate des Schweizerischen
Verbandes für Weiterausbildung (SVEB)
gefordert. Für Spezialisten der Führungsunterstützung aus der gesamten Armee
führt das Kdo FU SKS zudem jährlich
rund 150 Kurse in den Bereichen IMFS,
Funk, Bedienung KOMPAK-, RAP-,
Komm Panzer durch.
de der Armee bereitgestellt. Und in Zusammenarbeit mit der LBA und der FUB
wird die Vorbereitung, Lieferung und
Rücknahme dieser sensitiven Komponenten im Funk und Richtstrahlbereich sichergestellt. Diese auf den ersten Blick
unspektakuläre Aufgabe im sensitiven Bereich muss mit höchster Präzision erfüllt
werden. Letztendlich hängt damit die
Führbarkeit von allen Verbänden der Armee über Funk oder Richtstrahl davon ab.
sätze. Neben den organisatorischen Veränderungen wird das Kommando im
Jahr 2022 zudem mit dem Kernstab der
FU Br 41/SKS an einen neuen Standort
umziehen: Von Rümlang respektive Bülach nach Frauenfeld. Die entsprechenden Planungsarbeiten laufen auf Hochtouren.
Support für alle Verbände
der Armee
Polyvalentes Kommando
mit neuem Standort
Das Kdo FU SKS ist ein unverzichtbarer
Leistungserbringer für die ganze Armee,
denn die Leistungen in den Rüstungsprojekten, in den Kursen, aber auch im Support und Einsatz müssen truppennah und
einsatzbezogen erbracht werden. Das Kommando FU SKS ist überspitzt formuliert:
Der Garant respektive das militärische
«Gewissen» für die Miliztauglichkeit von
modernen Systemen zur Führungsunterstützung, heute und morgen.
■
Im Kdo FU SKS werden darüber hinaus alle FU-Datenträger (Fill Gun und
Security Module) für sämtliche Verbän-
Am 1. Januar 2018 wird das Kdo FU
SKS eine wichtige Änderung erfahren:
Ihm werden die FU Ber Kp 104 sowie
die FU Detachemente
aus dem FU Bat 41
Die Panzerhalle im Kdo FU SKS in Rümlang: Geballte Ladung
und Ristl Bat 4 der
Technik an einem Standort.
Bilder: VBS
FU Br 41/SKS unterstellt, welche zur ganzjährigen Leistungserbringung zugunsten
der ganzen Armee benötigt werden. Mit
diesen Einsatzkomponenten verändert sich
der Charakter und der
Personalbestand des
Kdo FU SKS vom ursprünglichen Versuchsstab hin zu einem polyvalenten Profikommando für Versuche,
Ausbildung und Ein-
Militärisches «Gewissen»
für die Miliztauglichkeit
Brigadier
Marco Schmidlin
Kommandant
FU Br 41/SKS
8180 Bülach
Oberst
Pascal Martin
Kommandant FU SKS
FU Br 41/SKS
8153 Rümlang
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
19
Einsatz und Ausbildung
Wann folgt der personelle Kollaps
in den Kompanien?
Die Schieflage im Dienstverschiebungswesen ist auf keinen
Fall mit zusätzlichen angeordneten Urlaubstagen zu
korrigieren. Die aktuellen Massnahmen führen das Urlaubswesen in den Einheiten geradezu in den personellen Ruin.
Erich Muff, Stefan Bühler
Auch wenn es die Militärverwaltungen
schmerzt, muss das Problem letztlich an
der Wurzel angepackt werden.
Ausgangslage:
Was bisher geschah?
Im Oktober (ASMZ 10/2015) hatten
wir in unserem Artikel «Dienstverschiebungswesen in Schieflage: Es braucht Korrekturen» die Dienstverschiebungspraxis
der Kantonalen Militärbehörden konstruktiv kritisiert. Dabei haben wir die
entscheidenden drei unhaltbaren Proble-
THINK TANK
Die OG Panzer stellt mit dem THINK TANK
eine Plattform zur Verfügung, um die Entwicklung ausländischer Doktrinen, Fakten und Erfahrungen rund um das Thema
Kampf der verbundenen Waffen zu diskutieren und gemeinsam Lösungsvorschläge als Beitrag an eine zukünftige
Doktrin, Ausbildung und Weiterentwicklung der Kampftruppen in der Schweiz
auszuarbeiten. Interessenten – auch von
ausserhalb der Panzertruppen – melden
sich per E-Mail an [email protected].
20
me für einen reibungslosen Dienstbetrieb
aufgezeigt:
1. Unter-/Überbestände;
2. Administrativer Aufwand;
3. Lücken beim Ausbildungsstand.
Das Grundproblem im Dienstverschiebungswesen liegt im «fehlenden persönlichen Kontakt und Mut, den Dienst einzufordern». Das Thema Dienstverschiebungen und Urlaubswesen ist das seit Jahren ungelöste Hauptproblem eines jeden
Kommandanten.
Einigkeit über Schieflage
Als Reaktion auf die Öffentlichkeitsbestrebungen der Autoren im Frühjahr 2015
hat das Personelle der Armee am 1. Oktober 2015 sämtliche Kantonalen Militärbehörden über Anpassungen im Dienstverschiebungswesen instruiert:
1. Restriktive DVS-Praxis zwingend notwendig: «Die teilweise äusserst prekäre
Situation betreffend der Einrückungsund Einsatzbestände erfordert, dass
Dienstverschiebungen wenn immer möglich mit Entscheid «DVS innerhalb des
Jahres» vorzunehmen sind […] nur so
kann mittelfristig die Grundbereitschaft
der Armee sichergestellt werden».
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Einrückungs- und Einsatzbestände
sind auf kritischen Niveau.
2. Anordnung eines persönlichen Urlaubs oder einer Teildienstleistung:
«Die aktuelle Bestandessituation verlangt
eine restriktivere DVS-Praxis. Deshalb
hat generell bei «Handlungsspielraum»
eine Ablehnung zu erfolgen […] Falls
anstelle einer Dienstverschiebung keine
einvernehmliche Urlaubslösung zwischen
dem Kdt und dem AdA gefunden werden kann, ist die Anordnung eines persönlichen Urlaubs oder einer Teildienstleistung zu prüfen (MDV Art. 30 Abs. 3
und Art. 39 Abs.1). Wichtig: Der Kommandant muss den persönlichen Urlaub /
diese Teildienstleistung gewähren und
verfügt hierbei über keinen Handlungsspielraum!».
Die eingeschlagene Stossrichtung zeigt
ein klares Bestreben der Verwaltung in
Bern, die Quote der derzeit genehmigten
DVS zu reduzieren. Auch die Dringlichkeit lässt sich an der gewählten Sprache
eindeutig ablesen.
Wie ist der oben zitierte Lösungsansatz
der Verwaltung zu beurteilen? Richtig ist
grundsätzlich restriktiver vorzugehen und
die wahren Gründe für eine Verschiebung
im Detail zu verstehen und zu prüfen.
Falsch ist, «grosszügiger Urlaub zu erteilen», um mehr DVS-Gesuche ablehnen
Einsatz und Ausbildung
Vertrauen der AdA in sich
selbst fördern
Mehr DVS sind abzulehnen.
Mehr Urlaube liegen nicht drin
zu können. Man versucht hier, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. So
steigt wohl vordergründig der Einrückungsbestand, jedoch erfährt der Einsatzbestand durch noch mehr Urlaube
massivere Schwankungen, auch der administrative und logistische Aufwand steigt
dadurch erneut weiter beträchtlich an.
Der vorgeschlagene Kuhhandel zeigt die
Schwäche des heutigen Systems, die Gründe für ein DVS (aber auch Urlaub) mit
griffigen Richtlinien effizient und mit der
notwendigen Strenge zu prüfen und zu
führen.
Das Urlaubswesen ist Sache
der Kommandanten
Die Kompetenz über Urlaube zu entscheiden, liegt einzig in der Kompetenz des
Einheitskommandanten. Er beurteilt, ob
«der Dienst Urlaub erlaubt». Nur der Einheitskommandant weiss, wann welches
Personal einsatzbereit sein muss und er ist
es auch, der die Verantwortung für den Urlaubsentscheid tragen und das persönliche
Gespräch mit dem jeweiligen Gesuchsteller führen muss.
Gemeinsam anpacken. Bilder: PIO OG Panzer
Wie grosszügig sind wir heute bereits
mit Urlauben? Dazu zeigen wir die Realität
an einem Zahlenbeispiel und messen dieses
an der gängigen Praxis in der Wirtschaft.
Ein Wiederholungskurs (WK) dauert
grundsätzlich 19 Tage, 100% besoldet (bezahlt!) von der Ausgleichskasse (durch den
Steuerzahler), auch an «dienstfreien» Wo-
«Die wahre Freiheit besteht
nicht darin, das tun
zu können, was man will,
sondern darin, das tun
zu wollen, was man muss.»
Matthias Ackeret, 2010, «Das Blocherprinzip – Ein Führungsbuch», S.107
chenenden. 19-4 Tage (2 Wochenenden à
2 Tage pro WK) = 15 Arbeitstage. Auf dieser Basis wird Urlaub erteilt.
Wie viele Tage Urlaub soll es denn sein?
2 Tage pro WK (=13.3% Abwesenheit),
4 Tage (=26.7%) oder 6 Tage (= 40%).
6 Tage sind eine absolut realistische Forderung, fällt doch der Schulbesuch in der
Regel an mindestens zwei Tagen pro Woche an (z.B. Montag und Mittwoch oder
2 Tage in Folge Donnerstag und Freitag).
In Prozent ausgedrückt, fängt in der Regel
also die Urlaubsdiskussion mit der Frage
an «kann ich 40% vom WK-Urlaub nehmen? Es ist wichtig, ich studiere/gehe in
die Schule». Eine happige Forderung, wenn
man sich das einmal konkret vorstellt!
Fragen wir also einen beliebigen zivilen
Chef z.B. einen Unternehmer oder Teamleiter in einem Grosskonzern, ob er einverstanden wäre, dass einer seiner Mitarbeiter zusätzlich zum regulären Urlaub
und bei notabene 100% Lohn jede Woche ab Freitagvormittag (13.3%) zwecks
Schule abwesend ist oder Montag und
Dienstag (26.7%) bezahlt frei nimmt für
eine Gruppen-, Projektarbeit oder Prü-
Wir tun unseren Soldaten einen Bärendienst, wenn wir ihnen einreden, dass
sie nur eine Sache auf einmal richtig
machen können, z. B. Ausbildung oder
Arbeit. Vielmehr müssen wir unseren
Nachwuchs befähigen, mehrere Projekte erfolgreich unter einen Hut zu bringen (Ausbildung, Arbeit, Familie, Verein, Sport und eben auch den Dienst an
der Gesellschaft in der Armee). Wir müssen das Grundvertrauen in die eigenen
Fähigkeiten unseres Nachwuchses wieder fördern. Das tun gute Chefs!
fungsvorbereitung. Wie entscheidet der
zivile Chef?
Bei der Armee wird ein anderer Massstab angesetzt: Schulbesuch und Studium
allein als Begründung werden oft bereits
ohne Detailprüfung als «zwingende Gründe» beurteilt. Zwei bis vier genehmigte
Urlaubstage sind weit verbreitete, grosszügige Praxis. Die Armee bezahlt dabei
auch noch den vollen Lohn und ist heute
somit de facto bereits grosszügiger als jeder Arbeitgeber, der die personellen und
finanziellen Konsequenzen selber zu tragen
hat. Noch mehr Urlaub liegt nicht drin.
Wir fordern das Personelle
der Armee auf,
in die Offensive zu gehen
Wie wird die Situation bezüglich Dienstverschiebungs- und Urlaubswesen vom
Personellen der Armee und von den Kantonalen Militärbehörden beurteilt? Was
wird aktuell unternommen, damit das
Dienstverschiebungswesen wieder ins Lot
kommt? Diese und weitere Fragen gilt es
in den nächsten Monaten ehrlich und
transparent aufzuarbeiten. Wir bieten mit
unserem Think Tank einen Gesprächspartner an. Wir bleiben dran!
■
Hauptmann
Erich Muff
M.A. HSG
Finance Projects
Kdt Pz Gren Kp 29/4
4051 Basel
Hauptmann
Stefan Bühler
Dipl. Ing. FH
Einsatzoffizier EOD,
Kdo KAMIR, Kdt Pz Kp 12/1
3657 Schwanden
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
21
Einsatz und Ausbildung
Als neutraler Mediator unterwegs
im Norden des Kosovo
Geplant war ein Jahr, geworden sind es 17 Monate. Solange stand
Oberst Hansjörg Fischer als Kommandant des Joint Regional
Detachement North (JRD-N) im Kosovo im Einsatz. Wir haben ihn
kurz vor seiner Kommandoübergabe getroffen.
Andrea Jaeggi
Was waren und sind die Herausforderungen in dieser Funktion?
Ich durfte das JRD-N zu einer Zeit führen, in der sich der nördliche Teil des Kosovo an einem Scheideweg befand. Auseinandersetzungen und Roadblocks gehören der Vergangenheit an, der Weg des
Dialoges steht heute im Vordergrund. Eine
Herausforderung ist das multikulturelle
Umfeld, nicht nur in Bezug auf die Bevölkerung, sondern auch der Kosovo ForceTruppen (KFOR). Dies verlangt eine grosse Flexibilität, die Fähigkeit, den Blick
auf das Gesamte zu haben, ohne den Sinn
für das Detail zu verlieren.
Ein Schweizer als Kommandant JRD-N,
wie ist da die Akzeptanz?
Die Wertschätzung, die der Schweiz
– nicht nur durch die KFOR – entgegengebracht wird, ist gross, und unsere
Professionalität und Verlässlichkeit werden sehr geschätzt. Wir erbringen die erwarteten Leistungen und werden dank
unserer Neutralität von allen Gesprächspartnern anerkannt. Dies ist ein wichtiger Aspekt, gerade in Bezug auf die Arbeit
unserer Liaison and Monitoring Teams.
Mitrovica in den Fluss Ibar gefallen war
und vermisst wurde.
Eine grossangelegte Suchaktion wurde
gestartet, und ich erhielt vom Kommandanten KFOR den Auftrag, als regionaler
Kommandant diese Aktion zu koordinieren. Neben den Liaison and Monitoring
Teams (LMT) des JRD-N waren auch
Bürgermeister, die Kosovo Polizei, Carabinieri und Taucher der Kosovo Security
Force (KSF) involviert. Gerade das war
aussergewöhnlich, denn grundsätzlich darf
die KSF nicht nördlich des Ibar eingesetzt
werden. Doch sie war die einzige, die über
Taucher verfügte und der Kommandant
der KFOR hat den Einsatz der KSF-Taucher in diesem Gebiet autorisiert.
20 Tage dauerte die Suche und als der
Junge tot gefunden wurde, waren die Angehörigen trotz der Tragik dankbar für die
Gewissheit und alle Beteiligten erleichtert,
dass der Einsatz ohne Zwischenfall beendet werden konnte.
Siebzehn Monate Einsatz, gibt es da das
eine prägende Erlebnis?
Ja. Im April 2015 ereignete sich ein Vorfall, der durchaus Potenzial für ethnische Unruhen hatte. Die Ausgangslage
war ähnlich wie damals bei den Märzunruhen 2004. Wiederum waren kosovoalbanische (KOA) und kosovoserbische
(KOS) Teenager involviert, wobei ein
KOA-Teenager im nördlichen Teil von
Oberst Hansjörg Fischer (re), Kommandant
des Joint Regional Detachement North
(JRD-N) im Kosovo zusammen mit Major
General Guglielmo Luigi Miglietta (li).
22
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Ohne die engen und guten Kontakte,
die ich in meiner Funktion als Kommandant JRD-N schon vorgängig zu den Bürgermeistern von Mitrovica Nord und Süd,
den Vertretern der politischen Gemeinden und den Kommandanten der Kosovo Polizei aufbauen konnte, hätte ich den
Auftrag nicht so gut erfüllen können. Ich
übernahm in dieser Suchaktion die Rolle
des neutralen Mediators, der die verschiedenen Parteien zur Zusammenarbeit zusammenfügen konnte. Eine Rolle, die gerade uns Schweizern sehr vertraut ist, denn
in unseren Territorial-Regionen übernehmen wir die Funktion des Bindegliedes
zwischen militärischen und zivilen Partnern.
Was war weniger erfreulich oder gar frustrierend?
Das menschliche Elend, das man sieht.
Das riesige soziale Gefälle. Auf der einen
Seite Reichtum, auf der anderen grösste
Einsatz und Ausbildung
lung von Investoren behindert wird. Gerade deshalb ist das Engagement der internationalen Gemeinschaft umso wichtiger und nach wie vor nötig. Es gilt nicht,
pfannenfertige Lösungen auf den Tisch zu
legen, sondern aufzuzeigen, wie etwas getan werden könnte.
Gibt es einen Rat für den Nachfolger?
Den persönlichen intensiven Kontakt
zur Bevölkerung, zu den zivilen Behörden und weiteren KFOR-Kommandanten kontinuierlich zu pflegen.
COM JRD-N, Oberst Hansjörg Fischer mit
Brigadier Heinz Huber und Nicolas Plattner,
erster Mitarbeiter der Schweizer Mission in
der NATO in Brüssel auf der Austerlitzbrücke
in Mitrovica, Oktober 2015. Bilder: SWISSINT
Armut. Teilweise gibt es keine richtigen
Behausungen, kein fliessendes Wasser,
keinen Strom oder Kinder, die nicht zur
Schule gehen können.
Dieses Land hat viel Potenzial. Es bietet Platz um Industrie anzusiedeln, es hat
Bodenschätze und Arbeitskräfte, eigentlich alles, was es braucht. International
wird die Situation jedoch so beurteilt,
dass gerade mit den unklaren Land-Besitzverhältnissen, der instabilen Politik,
der Korruption und der noch zu wenig
ausgeprägten Rechtsstaatlichkeit das wirtschaftliche Wachstum und die Ansiede-
Ihre Pläne nach dem Einsatz?
Das ist noch nicht festgelegt. Es könnte ein weiterer Einsatz folgen, oder auch
eine Zeit in der Schweiz, in der ich im Rahmen von «Return of Investment» mein
Wissen und meine Erfahrung zur Verfügung stelle. Es wird sich zeigen.
■
Fachoffizier
Andrea Elisabeth Jaeggi
Presse- und
Informationsoffizier
SWISSCOY Kontingent 33
5400 Baden
Einsatz und Ausbildung
Das System Artillerie heute
Die Artillerie muss als Gesamtsystem verstanden werden. Dieses umfasst
neben der Waffe (Effektor) inkl. Munition, die Aufklärung (Sensor) und
die Führung (Entscheidträger). Die Logistik ist ein integraler Bestandteil
des Systems Artillerie. Die Aufgaben des Systems Artillerie umfassen
die Artillerieaufklärung, die unmittelbare Feuerunterstützung sowie den
allgemeinen Feuerkampf.
Markus Oetterli
Um diese Aufgaben erfüllen zu können,
muss für jedes Element der Wirkungskette Sensor-Entscheidträger-Effektor jeweils
mindestens eine Plattform vorhanden sein.
Beim Sensor ist dies heute der Schiesskommandant (SKdt). Beim Entscheidträger
sind dies Feuerführungszentren (FFZ),
Feuerunterstützungsoffiziere (FUOf ) und
Feuerleitstellen (Flst). Nach der Ausserbetriebnahme des Panzerminenwerfers und
aufgrund des Verzichts auf die Festungsartillerie, ist die Panzerhaubitze M-109
KAWEST der einzige Effektor. Damit
deckt das Schweizer System Artillerie die
Wirkungskette heute vollständig ab. Allerdings bestimmt immer das schwächste
Kettenglied die Wirkung des Gesamtsystems. Dieser Artikel analysiert mit der
Frage «Was kann die Schweizer Artillerie
heute?» die Ist-Situation. In einem folgenden Artikel wird dann der Frage nachgegangen «Was muss die Schweizer Artillerie morgen können?». Es geht dann darum, aufzuzeigen, über welche
Fähigkeiten Sensoren, Entscheidträger und Effektoren in
Zukunft verfügen müssen.
de (KIUG) eingesetzt werden. Die Genauigkeit der Zielbestimmung reicht für den
Einsatz von Präzisionsmunition allerdings
nicht aus. Für letzteren fehlt es auch an
Arbeitsplatz des mechanisierten SKdt
im Fahrzeuginnern.
Entscheidträger/Führung
Die FFZ der Brigaden, die FUOf der
Kampfbataillone und die Flst der Artillerieabteilungen (Art Abt) bilden zusammen den Führungsverbund der Artillerie. In diesen Führungsverbund sind die
SKdt, Kommandoposten, Logistikeinrichtungen und Wetterzüge über INTAFF eingebettet, so dass heute ein nahezu zeitverzugsloser Datenaustausch innerhalb des
Systems Artillerie möglich ist. INTAFF
Fahrzeug des mechanisierten SKdt.
INTAFF-Arbeitsstation.
Sensor/Aufklärung
Die Artillerieaufklärung basiert heute auf dem Auge des
SKdt. Dieses wird unterstützt
durch Zielbestimmungs- und
Vermessungsanlagen auf Fahrzeugen (Mowag EAGLE oder
Puch) und der Drohne ADS-95
RANGER. Abhängig von den
Wetterbedingungen ist damit
Lage-, Ziel- und Wirkungsaufklärung bei Tag und bei Nacht
möglich. Nur der motorisierte SKdt (Puch) kann im abgesetzten Betrieb zum Beispiel im
Kampf im überbauten Gelän-
24
der Verfügbarkeit von Wetterdaten entlang der Flugbahn sowie im Zielgebiet.
Die SKdt sind über das Integrierte Artillerie Feuerführungs- und Feuerleitsystem
(INTAFF) in den Nachrichtenverbund
der Brigaden eingebunden. Allerdings ist
das Netz von Aufklärung, Nachrichtenbeschaffung und Beobachtung für den
Artillerieeinsatz gegen einen schwer identifizierbaren Gegner zu wenig dicht.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Einsatz und Ausbildung
ermöglicht nicht nur den Feuerführungsund Feuerleitprozess, sondern unterstützt
auch den Austausch von Befehlen, Nachrichtenmeldungen, Lagekarten und Logistikdaten. Die an den Geschützen einzustellenden Schiesselemente werden mit
dem über dreissigjährigen, in den neunziger Jahren kampfwertgesteigerten FargoSystem berechnet und an alle Geschütze
einer Batterie übermittelt.
Effektor/Wirkung/Munition
Im Jahr 2009 wurden die 12-cm-Panzerminenwerfer ausser Dienst gestellt, so
dass heute die Infanterie- und Panzerbataillone über keine indirekte Feuerunterstützung auf kurze Distanz (– 10 km) verfügen. Mit dem im Rüstungsprogramm
2016 enthaltenen Mörser soll diese Lücke bis im Jahr 2022 geschlossen werden.
Die Feuerunterstützung auf mittlere Distanz basiert heute auf der Panzerhaubitze
«Die Feuerunterstützung
auf mittlere Distanz
basiert auf
der Panzerhaubitze
M-109 KAWEST.»
M-109 KAWEST. Mit der Ratifizierung
des Übereinkommens über Streumunition vom 30. Mai 2008 (per 1.1. 2013 in
Kraft) reduzierte sich die Reichweite der
Schweizer Artillerie um einen Drittel auf
20 km. Die verfügbaren konventionellen
Stahlgranaten mit Momentan-, Verzögerungs- oder Zeitzünder wirken gegen gepanzerte Ziele ungenügend und erfüllen
die Anforderungen an eine präzise Feuerunterstützung im überbauten Gelände
bei gleichzeitiger Vermeidung von Kollateralschäden und «friendly fire» nicht.
Die Suchzündermunition für die Artille-
SOGART
Die Schweizerische Offiziersgesellschaft
der Artillerie (SOGART) ist die Fach OG
für Feuerunterstützung. Derzeit sind rund
820 aktive und ehemalige Art Of, Mw Of,
SKdt und FUOf Mitglied. Dieser Artikel ist
der erste Beitrag einer zweiteiligen Serie.
Der zweite Beitrag folgt in der nächsten
Ausgabe der ASMZ.
rie (SMArt 155) ist primär auf die Bekämpfung gepanzerter Fahrzeuge im offenen Gelände ausgelegt. Ausserdem verfügt die Schweizer Artillerie über Beleuchtungsgeschosse zur Gefechtsfeldbeleuchtung zugunsten der Kampftruppen und
zur Beobachtung der Wirkung von Artilleriefeuern bei Nacht. Über die Fähigkeit
operatives Feuer (Distanz von mindestens
50 km) zu schiessen, verfügte die Schweizer Artillerie noch nie. Seit der Ausserdienststellung der als Jagdbomber eingesetzten Hunter-Kampfflugzeuge im Jahr
1994 verfügt die Schweizer Armee über
keine Fähigkeiten mehr, Bodentruppen
auf grosse Distanz mit Feuer zu unterstützen oder den allgemeinen Feuerkampf
zu führen.
Logistik
Die Einsatzlogistik einer Art Abt besteht aus den Mitteln einer Logistikbatterie, die in den Prozessen Nach- und Rückschub, Instandhaltung, Sanität sowie Verkehr und Transport unterstützend eingesetzt wird, sowie den Mitteln der Logistikzüge der Artilleriebatterien. In den
letzteren sind Raupentransportfahrzeuge
(M-548) auf der Basis der über 50-jährigen Schützenpanzer M-113 im Einsatz.
Die Logistikprozesse sind Bestandteil von
INTAFF, welches die Durchführung von
Bedarfs- und Verbrauchsanalysen sowie
von Prognosen unterstützt.
Fazit
Einleitend wurde festgehalten, dass
das Schweizer System Artillerie über alle
Elemente der Wirkungskette Sensor-Ent-
Panzerhaubitze M-109 KAWEST.
Bilder: LVb Pz/Art
scheidträger-Effektor verfügt. Mängel und
Fähigkeitslücken bestehen bei der Reichweite, der Präzision und der Mobilität des
Artilleriefeuers, aber auch bei den Einsatzverfahren für Bogenfeuer in überbautem
Gelände und für die Luftraumkoordination sowie bei der Artillerieaufklärung. In
rund zehn Jahren werden verschiedene
Elemente des Schweizer Systems Artillerie die Grenze ihrer technischen Nut-
«Das Schweizer System
Artillerie verfügt über
alle Elemente der
Wirkungskette SensorEntscheidträger-Effektor.»
zungsdauer erreicht oder überschritten
haben. Unter Berücksichtigung der üblichen Dauer von Beschaffungsprozessen
der öffentlichen Hand ist es daher heute
keineswegs zu früh, sondern höchste Zeit,
sich mit der Frage «Was muss die Schweizer Artillerie morgen können?» zu befassen.
■
Oberst
Markus Oetterli
lic. oec. HSG
Präsident SOGART
6005 Luzern
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
25
Einsatz und Ausbildung
Integriertes Risikomanagement
Das Risikomanagement wurde mit dem Reglement «Führung und
Stabsorganisation der Armee (FSO XXI)» 2004 eingeführt.
Vorgesehen als begleitende Tätigkeit für den Aktionsplanungsund Aktionsführungsprozess, wurde das Risikomanagement
aufgrund der tragischen Unfälle im Jungfraugebiet und auf der
Kander im Jahr 2008 durch die Armeeführung zur entscheidenden
Führungsaufgabe erhoben.
Eduard Hirt
Nachdem in der ASMZ 07/2016 der
Anpassungsbedarf der Probeausgabe der
FSO 17 1 aufgezeigt wurde, beschreibt dieser Beitrag Gestaltungshinweise zur Weiterentwicklung dieses Reglements. Dabei
steht die Frage im Zentrum, wie das Risikomanagement in die militärischen Führungsprozesse der Schweizer Armee integriert werden kann und welcher Mehrwert dadurch entsteht.
Aufbau
Damit die Zusammenhänge zwischen
den Führungsprozessen, den Führungstätigkeiten und dem Risikomanagement
besser zur Geltung kommen, sind die Kapitel 3 «Führungstätigkeiten» und 4 «Prozesse der Führung» sowie der Anhang 3
«Risikomanagement» in ein gemeinsames
Kapitel «Führungsprozesse» zusammenzuführen.
Abb.1: Führungsprozesse.
derfolgende Führungsprozesse und bilden
einen Zyklus. Ihre Prozessübergänge sind
fliessend, einzelne Prozesse können sich
überlagern. Die Lageverfolgung und die
Stabssteuerung sind fortlaufende Prozesse
und bilden den führungsmässigen Rah-
Führungsprozesse
Die Führungsprozesse umfassen die
Lageverfolgung, die Planung, die Vorbereitung, die Durchführung, die Nachbereitung und die Stabssteuerung.2 Auf die
Bezeichnung von Kern- und Unterstützungsprozessen kann verzichtet werden.
Grundsätzlich sind alle Prozesse gleich
wichtig, obwohl die Durchführung entscheidend ist, weil in dieser Phase der
Auftrag erfüllt wird.
Die bewährten Führungstätigkeiten
Problemerfassung, Sofortmassnahmen,
Zeitplanung, Beurteilung der Lage, Entschlussfassung, Planentwicklung und Befehlsgebung kommen in allen Führungsprozessen in angepasster Form zur Anwendung.3 Diese sind gegenseitig vernetzt
und laufen grundsätzlich immer gleich ab.
Die Planung, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung sind aufeinan-
26
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
men der vier übrigen Prozesse. Die Zeitverhältnisse bestimmen den Umfang und
die Form der Beurteilungsverfahren und
der Entscheidungsfindung. Je grösser der
Zeitdruck, desto rascher laufen die Führungsprozesse ab. Im Extremfall entscheidet der Kommandant nach kurzer Beurteilung der Lage aufgrund seiner Erfahrung intuitiv.
Im Rahmen der Lageverfolgung erfolgt
die Problemerfassung mit dem Ziel, den
Handlungsbedarf zu ermitteln, in den
drei Teilschritten Lageerfassung, Lagevergleich und Lagebewertung. Diese entsprechen den Teilschritten Problementdeckung, Problemklärung und Problembeurteilung der Problemerfassung.
Falls Sofortmassnahmen notwendig
sind, werden diese nach kurzer Beurtei-
Abb. 2: Anwendung der Führungstätigkeiten
in den Führungsprozessen.
Einsatz und Ausbildung
lung der Lage direkt befohlen und umgesetzt bzw. durchgeführt. Falls umfassendere Massnahmen notwendig sind, wird
die Lage zuerst eingehender beurteilt. Anschliessend müssen Lösungsmöglichkeiten erarbeitet und zum Entscheid gebracht werden. Der Entschluss wird in
der Folge zu einem detaillierten Plan weiterentwickelt und befohlen. Nach gründlicher Vorbereitung erfolgt schliesslich die
Durchführung.
Integration
des Risikomanagements
Das Risikomanagement ist ein integraler Bestandteil der Führungsprozesse und
umfasst die Phasen Identifikation, Beurteilung, Massnahmen, Bewältigung und
Überwachung.4 Die Abbildung 2 veranschaulicht die Anwendung der Führungstätigkeiten in den Führungsprozessen. Darauf aufbauend zeigt die Abbildung 3
die Vernetzung und Synchronisation mit
dem Risikomanagement auf. Die Vernetzung ist wichtig, damit die Synergien der
entsprechenden Prozesse genutzt werden
können.
Die Identifikation der Risiken erfolgt
fortlaufend, mit Schwergewicht während
der Problemerfassung. Im Rahmen der
Beurteilung der Lage folgt die Analyse,
Bewertung und Beurteilung der Risiken.
Abb. 3: Integration des Risikomanagements.
Abbildungen: Autor
Innerhalb der Entschlussfassung geht es scheinlichkeit und zu den Auswirkungen
darum, Massnahmen zur Risikobewälti- beziehen sich auf Referenzsysteme.
gung zu entwickeln und zur Entscheidung
Die Abbildung 5 zeigt die fünf Auswirzu bringen. Die Massnahmen werden im kungsdimensionen. Die Bewertung der
Laufe der Planentwicklung verfeinert und Auswirkungen folgt einer vierstufigen Skamit dem Aktionsplan
synchronisiert. Während der Durchführung erfolgt die Umsetzung der Massnahmen zur Risikobewältigung. Mit der Lageverfolgung werden die
Massnahmen überwacht, allenfalls neu
auftretende Risiken
identifiziert und bei
Bedarf die Phasen des
Risikomanagements
erneut durchlaufen.
Die erkannten Risi- Abb. 4: Risikomatrix.
ken finden fortlaufend
Eingang in einer Risikoliste und einer Ri- la. Die Referenzwerte sind fallspezifisch
sikomatrix. Die erstellten Unterlagen sind und müssen für jeden Auftrag ermittelt
nicht bloss Hilfsmittel für die Planung, werden. Für jedes Risiko sind die Aussondern bilden auch eine wichtige Grund- wirkungsdimensionen zu bestimmen. Für
lage für die Bewältigung und die Überwa- die Dimension mit der höchsten Bewerchung der Risiken im Rahmen der Durch- tung ist anschliessend mit Hilfe der Refeführung.
renztabelle in Abbildung 4 die EintrittsDie Risikomatrix schafft einen Gesamt- wahrscheinlichkeit zu schätzen.
überblick über die erfassten Risiken, zeigt
Die Referenzgrössen sind abhängig vom
Zusammenhänge und Veränderungen auf Auftrag und vom Gesamtrahmen und stuund dient als Grundlage zur Festlegung fengerecht zu wählen. Zur Ermittlung der
quantitativen Risikohöhe sind die Zahlender Szenarien.
Eine einfache 4×4-Matrix bewährt sich werte der Eintrittswahrscheinlichkeit mit
am besten. Die Angaben zur Eintrittswahr- der Auswirkung zu multiplizieren. Das Produkt ergibt dann Abstufungen zwischen
1 bis 16. Es ist wichtig zu berücksichtigen,
dass es sich beim Resultat bzw. der Risikohöhe um geschätzte Zahlenwerte handelt.
Eine Risikohöhe von 1 entspricht einem
unwahrscheinlichen Risiko mit kleiner
Auswirkung, eine Risikohöhe von 16 bezeichnet ein sehr wahrscheinliches Risiko
mit katastrophaler Auswirkung. Die Einteilung der erhaltenen Werte bzw. Beschreibungen erfolgt in den drei Abstufungen tiefes (grün), mittleres (gelb) und
hohes Risiko (rot). Dabei ist ein direkter
Bezug zur Auftragserfüllung anzustreben.
Die präzise Kenntnis über den Zustand
und die Verfügbarkeit der eigenen und
der gegnerischen Verbände ist eine wichtige Grundlage für alle Führungstätigkeiten. Je genauer und besser die Planung
und Führung, desto erfolgsversprechender die Aktion. Die Angaben zum Risikomanagement lassen sich auf einfache Art
und Weise in die vorhandenen Formulare
zur Beurteilung der Lage und zur Entschlussfassung integrieren.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
27
Einsatz und Ausbildung
Abb. 5: Referenztabelle Auswirkung.5
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Abb. 6: Referenztabelle Eintrittswahrscheinlichkeit.6
Lageentwicklungsmöglichkeiten
Das Szenario zur weiteren Bearbeitung
entspricht der gefährlichsten wahrscheinlichen Lageentwicklungsmöglichkeit und
umfasst eine Kombination aus Elementen der Gefährlichkeit und Eintretenswahrscheinlichkeit.7 Die gegnerischen
Möglichkeiten sind Teil der Lageentwicklungsmöglichkeiten. Der Kommandant
entscheidet,
• welches Szenario bzw. welche Lageentwicklungsmöglichkeit als Grundlage für
die weitere Planung dient;
• wo die Risikoakzeptanzschwelle liegt
bzw. ab welcher Höhe er Risiken nicht
mehr akzeptiert und Bewältigungsmassnahmen umsetzt.
mit den handlungsrelevanten Konsequenzen aus der Beurteilung der Lage und den
Beurteilungskriterien des Kommandanten zu kombinieren. In Abhängigkeit der
Gewichtung der verschiedenen Faktoren und der Priorisierung der Massnahmen ergeben sich die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten bzw. Varianten. Die
Phasierung sowie die zeitliche Festlegung
von Zielen in einer Synchronisationsma-
Abb.7: Lageentwicklungsmöglichkeit.
Entwicklung von Massnahmen
Die eigenen Möglichkeiten werden auf
der Grundlage der Lageentwicklungsmöglichkeiten entwickelt. Dabei sind aus den
Lageentwicklungsmöglichkeiten Konsequenzen in Form von Massnahmen abzuleiten, damit positive Entwicklungen verstärkt und negative Entwicklungen verhindert oder mindestens abgeschwächt
werden können. Diese Massnahmen sind
28
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
trix dienen der Koordination der Umsetzung.
Vergleich und Auswahl
der Varianten
Das Risikomanagement ist eine wichtige Beurteilungsgrundlage für den Vergleich und die Auswahl der Varianten. Der
systematische Einbezug der Ergebnisse der
Beurteilung der Risiken als Kriterien für
den Vergleich und die Auswahl der Varianten erlaubt zu prüfen, mit welcher Kombination von Massnahmen die Risiken am
besten zu bewältigen sind. Zudem wird damit sichergestellt, dass die Massnahmen
auf die Auftragserfüllung ausgerichtet sind.
Das Ziel ist, diejenige Variante zu bestimmen, welche die umfassendsten Fähigkeiten zur Risikobewältigung vereinigt.
In der Regel ist es nicht möglich, alle
Risiken zu erkennen. Zudem gelingt es
meist auch nicht, allen erkannten Risiken
mit geeigneten Massnahmen zu begegnen. Für die verbleibenden Restrisiken
sind deshalb im Rahmen der Eventualplanung vorbehaltene Entschlüsse zu erarbeiten. Die Bereitstellung von Reserven
ist dabei notwendige Grundlage zur Aufrechterhaltung der Handlungsfreiheit.
Befehlsgebung
Die Verwendung von Vor- und Teilbefehlen verhindert, dass unnötig Zeit verloren geht und Unterstellte zu wenig Zeit
zur eigenen Vorbereitung einer Aktion zur
Verfügung haben. Gleichzeitig wird den
Unterstellten die Möglichkeit geboten,
frühzeitig im Gesamtrahmen mitzudenken und Vorbereitungen von Bewältigungsmassnahmen mit erhöhtem Aufwand zeitgerecht auszulösen.
Einsatz und Ausbildung
Abb. 8: Zusammenspiel von Lageverfolgung,
Planung, Vorbereitung und Durchführung.
Die Angaben zum Risikomanagement
bilden eine wichtige Grundlagen für die
zielgerichtete Aktionsplanung der unterstellten Kommandanten. Sie sind direkt
in die Befehle zu integrieren:
• die gegnerischen Möglichkeiten sind
Teil der Lageentwicklungsmöglichkeiten;
• die Beurteilung der Risikohöhe einer
Aktion wird in die Beurteilung des
Kommandanten integriert;
• die besonderen Anordnungen sind
durch einen Teil Risikomanagement
zu ergänzen, welcher die notwendigen
Weisungen an die Unterstellten zur Koordination der Massnahmen enthält
und mit der Risikoliste in der Beilage
illustriert wird.
Lageverfolgung
Mit der Lageverfolgung wird sichergestellt, dass die durchgeführten Aktionen
die notwendigen Wirkungen zur Auftragserfüllung erzielen. Hierfür sind die Risiken
und die getroffenen Massnahmen permanent zu überwachen. Während der Lageerfassung können Lageveränderungen erkannt und bestehende Risiken neu beurteilt oder allenfalls neue Risiken frühzeitig identifiziert werden. Im Rahmen des
Lagevergleichs geht es darum, die getroffenen Massnahmen zu überwachen und
durch die Lagebewertung hinsichtlich
ihrer Wirksamkeit zu überprüfen.
Handlungsbedarf entsteht dann, wenn
eine Lageveränderung eintritt, die zu einer Anpassung des Entschlusses führt.
Getroffene Massnahmen sind unter Umständen dann nicht mehr zweckmässig.
Wenn immer möglich, wird der erarbeitete Plan mit den angepassten Massnahmen oder eine Eventualplanung umgesetzt. Falls diese Aktionen nicht die gewünschte Wirkung erzielen oder die Lageveränderung so gross ist, dass ein umfassender Handlungsbedarf besteht, muss
neu geplant werden. Der erhöhte Zeitbedarf ist nicht zu unterschätzen, sind doch
zuerst neue Massnahmen zu entwickeln
und anschliessend umzusetzen.
Die Abbildung 8 zeigt das Zusammenspiel der vernetzten Führungsprozesse Lageverfolgung, Planung, Vorbereitung und
Durchführung auf. Die Zeitverhältnisse
bestimmen den Umfang und die Form
der Prozessabläufe. Je grösser der Zeitdruck, desto schneller der Ablauf.
Die stetigen Veränderungen der Faktoren Kraft, Raum, Zeit und Information
verursachen Lageveränderungen. Jede
neue Lage führt selbstredend zu neuen
Risiken. Diese Tatsache erfordert, dass im
Verlauf einer Aktion nicht nur die Aufträge und die Mittelzuordnung unterstellter Verbände oder der Zeitplan, sondern auch die Produkte des Risikomanagements bedarfsgerecht anzupassen sind.
In Lageberichten wird die Lageentwicklung eingeschätzt. Der Zustand der eigenen Truppen ist ebenso Inhalt wie die Entwicklung der Risiken, ihrer Wechselwirkungen und der aktuelle Stand der Massnahmenumsetzung.
Fazit
Die Integration des Risikomanagements
in die Führungsprozesse bringt einen vielfältigen Nutzen mit sich. Die Integration
führt durch die Vernetzung der Führungsprozesse zu einer verbesserten Synergienutzung und trägt zur Sensibilisierung aller Beteiligten im Umgang mit den Risiken in ihrem Verantwortungsbereich bei.
Der Fokus auf die effektive und effiziente
Auftragserfüllung führt zu einem zielgerichteten und wirksamen Mitteleinsatz.
Die Entscheidungsfindung auf allen Führungsstufen wird erleichtert, beschleunigt
und auch verbessert. Ich bin gespannt, ob
es gelingt, das Risikomanagement nicht
bloss in einem Reglement festzuschreiben, sondern vielmehr täglich systematisch anzuwenden.
Die Unterlagen können beim Verfasser
angefordert werden ([email protected]■
min.ch).8
1 ASMZ 07/2016.
2 Die Vorbereitung und die Durchführung werden in der FSO 17 nicht erwähnt.
3 Sie sind nicht bloss «Planungstätigkeiten», wie
in der FSO 17 in Ziff. 74 beschrieben.
4 In der FSO 17 wird die Beurteilung auf die zwei
Phasen «Bewertung» und «Beurteilung» aufgeteilt. Die Entwicklung von Massnahmen wird
nicht erwähnt.
5 Die kursiven Inhalte der Tabelle sind ein Beispiel
für einen Kampfeinsatz. Die Referenzwerte müssen fallspezifisch festgelegt werden. Auftrag, Personal und Systeme müssen aufgeführt werden,
damit die Auswirkungsdimensionen möglichst
genau bezeichnet werden können. Beispiel für
eine mittlere Auswirkung: Eine Kompanie kann
bei personellem und/oder materiellem Ausfall
von mehr als einem Zug seinen Auftrag in der
Regel nicht mehr selbständig erfüllen.
6 Die kursiven Inhalte der Tabelle sind ein Beispiel.
Die Referenzwerte müssen fallspezifisch festgelegt werden. Die Prozentangaben beziehen sich
auf eine angenommene Einsatzdauer von 10 Stunden. Ein wahrscheinliches Risiko trifft dann alle
2 – 3 Stunden einmal ein.
7 Entspricht in der Abbildung 7 dem Szenario A.
8 Masterarbeit im Rahmen des Lehrgangs MAS
ETH SPCM 2013 –2015 zum Thema «Integration des Risikomanagements in die Führungsprozesse der Schweizer Armee».
Oberst i Gst
Eduard Hirt
Berufsoffizier
MA Defence Studies KCL,
MAS SPCM ETHZ
3653 Oberhofen
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
29
Einsatz und Ausbildung
Zwischenziel Spiez –
Angriffsziel Zugführer in den Brigaden
Anfangs Juni konnte der Kommandant der Panzer/Artillerie
Offiziersschule (Pz/Art OS) 2-15/16, Oberst i Gst Nicolas Weber,
in Spiez 47 Aspiranten zum Leutnant befördern. Eine grosse Zahl
von Angehörigen, Freunden und Gästen liessen sich diesen für
die jungen Offiziere entscheidenden Schritt nicht entgehen.
Andreas Bölsterli, Chefredaktor
Nach langen Ausbildungswochen in
der OS, nach anstrengenden Praktikumswochen in den Panzer-Rekrutenschulen
(RS) 21/22, der Artillerie RS 31 und der
Infra/Hauptquartier RS 35 trafen sich die
Aspiranten erneut im OS-Rahmen. Die
drei Klassen mit ihren Ausbildern und den
Kadern der Schule kamen zur gemeinsamen Brevetierung im Lötschberg Saal in
Spiez zusammen.
Auch aufgrund dieser Tatsache wählte
der Kommandant der OS Moltke’s Grundsatz «Getrennt marschieren – vereint schlagen» als roten Faden seiner Worte an die
Aspiranten. Dieses Vorgehen gelte im übertragenen Sinne auch für die OS, meinte
Die Brevetierung der Pz/Art OS war auch
die Ablösung von Oberst i Gst Weber als
deren Kommandant. Unmittelbar nach
dem Anlass übernahm er neu die Funktion Stabschef Armeestab, weil Oberst
i Gst Peter Baumgartner diesen Posten
verlassen hat, um Kdt a i der Geb Inf Br
12 zu werden. Nachfolger von Weber ist
Oberstlt i Gst Patrik Reiniger.
30
er. Man habe gemeinsam begonnen, nach
der Durchhalteübung VERITAS habe man
sich getrennt, weil die Praktika in den verschiedenen Schulen zu absolvieren waren
und nun zur Beförderung sei man wieder
Bilder: Autor
zusammen. Der Grundsatz gelte aber auch
in Ausbildung und Einsatz – auch hier sei
der Erfolg nur gemeinsam zu erreichen
und auch nur, wenn jeder seinen Beitrag
dazu einbringt. Klassisches Beispiel hier
Hat es sich gelohnt, die OS zu besuchen?
Was nehmen Sie als bestes Erlebnis mit?
Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, die OS
zu machen – eine einmalige Erfahrung
und Chance im Leben. Ich nehme die tolle Kameradschaft mit und dass man im
Team alles erreichen kann, wenn man
daran glaubt. In schwierigen Situationen
weiss man, dass es den Kameraden links
und rechts gleich geht, das motiviert einen,
das Beste zu machen, damit man gemeinsam zum Ziel kommt.
Was raten Sie dem Kollegen, der vor der
Entscheidung steht – Offiziersschule ja
oder nein? – Was geben Sie ihm auf den
Weg?
Auf jeden Fall weitermachen, diese Chance
kommt nur einmal. Einmalig ist die Erfahrung des Führens – in der Schweiz gibt es
keine andere vergleichbare Führungsausbildung in diesem Alter, darum – auf jeden
Fall weitermachen.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Leutnant Alex Reber
Einsatz und Ausbildung
ist das Gefecht der verbundenen Waffen.
Kein Erfolg ohne Kampfformationen und
Unterstützungsformationen die «vereint
schlagen».
«Sie sind die Zugführer, sie werden Entscheidungen herbeiführen können und
müssen – sie tragen von nun an die umfassende Verantwortung für ihren Zug.
Mit dem symbolischen Brevetierungsakt soll ihnen das bewusst werden», sagte
Weber zu seinen (noch) Aspiranten.
«Wenn ich in diese Reihen
schaue, sehe ich
stolze Soldaten, Männer,
die ihre Zukunft
an die Hand nehmen.»
Oberst i Gst Yves Gächter
Und weiter: «Motivieren sie ihre Soldaten durch ihr Vorbild und ihre Begeisterungsfähigkeit – benutzen sie so wenig wie möglich ihre Gradautorität, die
ihnen heute verliehen wird.»
Nach der eigentlichen Brevetierung
wandte sich der Stellvertretende Kommandant des Lehrverbands Panzer-Artillerie, Oberst i Gst Yves Gächter, an die
jungen Leutnants. Er gratulierte ihnen
zur Beförderung und rief ihnen zu, dass
sie im Wissen um die Bedeutung ihres
neuen Grades diesen in Ehren halten sollen – denn unabhängig, ob man im Dienst
sei oder am Arbeitsplatz, «Offizier sind sie
von nun an immer und in jeder Situation.» Auch Gächter rief die jungen Kader
Hat es sich gelohnt, die OS zu besuchen?
Was nehmen Sie als bestes Erlebnis mit?
Gelohnt hat es sich in jedem Fall. Ich
nehme mit, dass ich mich als Persönlichkeit auf allen Ebenen weiter entwickelt
habe – das ist für mich ein extrem wichtiger Mehrwert, von dem ich in vielen Lebenssituationen profitieren kann.
Was raten Sie dem Kollegen, der vor der Entscheidung steht – Offiziersschule ja oder
nein? – Was geben Sie ihm auf den Weg?
Leutnant Nicolas Cron
Ich gebe ihm ein ganz klares Ja auf den
Weg, er soll weitermachen. Er wird sich sicher auf diesem Weg auch hin und wieder
fragen, warum er das auf sich genommen
habe. Aber genau in diesen Momenten
kommt es eben darauf an, dass man den
Willen hat und als Persönlichkeit zu seiner Entscheidung steht, die Motivation
wieder findet bis zum Schluss, bis zu diesem besonderen Moment, den wir hier bei
der Brevetierung erleben.
auf, zur Verantwortung zu stehen und Verantwortung zu übernehmen – denn Verantwortung lässt sich nicht delegieren.
Und, «Offiziere sind nicht aussergewöhnliche Menschen, die eine gewöhnliche Aufgabe haben, sondern gewöhnliche Menschen, die eine aussergewöhnliche Aufgabe übernehmen». Er dankte Kommandant und Kadern der Pz/Art OS für ihre
grosse und hingebungsvolle Arbeit, denn
ohne deren seriöse Ausbildung und ohne
diese Unterstützung hätten wahrscheinlich nicht alle heute brevetierten Offiziere ihr Ziel erreicht. Er schloss mit einem
Zitat von Goethe: «Es ist nicht genug, zu
wissen, man muss auch anwenden; es ist
nicht genug, zu wollen, man muss auch
tun.»
Nach den Worten des Armeeseelsorgers
und der Landeshymne haben die frisch
brevetierten Leutnants ihre Angehörigen
und die Gäste in sympathischen Worten
zum gemeinsamen Apéro eingeladen. Mit
Stolz und Freude wurden Erlebnisse und
Erfahrungen ausgetauscht und manch bewundernde Blicke fielen auf die jungen
Kader, die nun für die nächste Aufgabe
als Zugführer bereit sind. Eine würdige
und schöne Feier als Einstieg – damit ist
eine gute Ausgangslage für die nächste
Etappe sichergestellt.
■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
31
Einsatz und Ausbildung
Dienstleister mit Passion
und detektivischem Geschick
Unermüdlich, gar rund um die Uhr, hilft «Büro Schweiz» Angehörigen
der Armee, aber auch Zivilisten, auf der Suche nach militärischen Adressen
ihrer Liebsten im Dienst – auch heute noch mit spürbarer Begeisterung.
Christoph Merki
Diese Entwicklung habe jedoch grösstenteils ihren Ursprung in der Digitalisierung
der Armee. Telefonnummern oder auch
Mailadressen können anhand des armeeinternen Mailsystems selbst in Erfahrung
gebracht werden. Die abnehmende Tendenz hat sich über die Jahre verstärkt, wohl
auch aufgrund der grossen Verbreitung
Bild: Autor
Nicht nur Beruf, sondern Berufung.
Der Chef, Hans Ulrich Kauer, und seine
Mitarbeiterin, Annekäthi Graf, gehen ihrer
Arbeit mit Passion nach. Das Wort «unmöglich» existiert nicht in deren Wortschatz. Als eigentliche Dienstleister steht
für die beiden bei der Feldpost
angestellten auf dem Kasernenareal in Bern die Zufriedenheit des Kunden im Vordergrund. Von 7 Uhr in der Früh
bis um 18 Uhr wird unter der
Telefonnummer 031 38125 25
geholfen, unbürokratisch und
effizient. «Was wir nicht beantworten können, leiten wir an
die richtigen Stellen weiter», erklärt Kauer. Vor allem Telefonnummern von militärischen
Stellen, Truppenstandorte, mi- Das Team von «Büro Schweiz» findet jeden Empfänger.
litärische Adressen von Soldaten, aber auch die Vermittlungen von Kon- von Mobiltelefonen, jedoch glauben Kautakten zu Truppen mit geheimen Standor- er und Graf beide an die Zukunft von
ten macht das Team von «Büro Schweiz» «Büro Schweiz».
möglich. «Also immer unter Berücksichtigung der militärischen Geheimhaltung»,
Tintenfisch im Paket gefunden
wie Kauer mit Nachdruck versichert.
Von den Angaben zum Kommandanten
Nebst dem telefonischen Auskunftsbis hin zum zuständigen Korpskontrollfüh- dienst kümmert sich das Büro Schweiz
rer, die gewünschten Informationen sind ebenfalls um den Versand der Truppenfelddank den zur Verfügung stehenden Daten- poststempel an die jeweiligen Feldpost-Unbanken meist in Sekunden verfügbar. Da- teroffiziere, pflegt die Daten über Standbei stützen sich Kauer und Graf auf PISA orte und Telefonnummern, ist regionale
und die Militärdatenbank Post (MDP). Auskunftsstelle über militärische SchiesDie Mehrsprachigkeit der Schweiz stellt so sen (Rams) und besorgt den Nachsendeauch an Kauer und Graf grosse Heraus- dienst für fehlerhaft adressierte Sendunforderungen. Mit der gegenseitigen Un- gen.Vor allem die Nachsendungen würden
terstützung aber würden die sprachlichen jeweils ein detektivisches Vorgehen verlanBarrieren immer gemeistert werden kön- gen. Gründe dafür, dass eine Postsendung
nen. Auch sogenannte «Stammgäste» hät- im Büro in den ehemaligen Rossstallunten sich mittlerweile etabliert. «Es ist schon gen eintrifft, können vielfältig sein. «Bei
speziell, nur die Stimme zu kennen, aber uns landen Briefe und Pakete, die entwenie ein Gesicht dazu zu sehen», erklärt der falsch oder unvollständig adressiert
Graf. Insgesamt rund 15000 Anrufe wer- sind sowie entweder vor oder nach der
den jährlich beantwortet. Im Vergleich zu Dienstleistung des Empfängers aufgege1990, als noch 33500 Anfragen beant- ben wurden», erklärt Graf. Meist könnten
wortet wurden, hat sich die Zahl halbiert. sodann innert kürzester Zeit die richtigen
32
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Adressen gefunden und die Postsendung
wieder auf den Weg geschickt werden.
«Dieses detektivische Suchen macht mir
Spass», meint sie strahlend, aber auch die
Vielseitigkeit ihres Jobs sei sehr erfüllend
und «kein Tag ist wie der andere, das
schätze ich.» Ungemütlicher jedoch seien
manchmal die Scherzpakete für Rekruten, die dann aufgrund der unvollständigen Adresse im Büro landeten. «Wir mussten auch schon einen stinkenden Tintenfisch entsorgen», plaudert Kauer aus dem
Nähkästchen. Im Dienstgrad eines Adjutanten schätzt er aber auch die Zusammenarbeit mit dem Team der Feldpost: «Wir
sind eine Familie.»
Erfolgsgeschichte seit 1939
In den ersten Tagen der Generalmobilmachung 1939 gegründet, ist das «Büro
Schweiz» eine Institution geworden, welche vor allem auch Kadern die alltägliche
Arbeit erleichtert. Seit 1966 bis heute ist
das Büro Schweiz in die Feldpostdirektion
eingegliedert. Während anfangs der Betrieb noch durch die Feldpostkompanien
sichergestellt wurde, wechselte auch der
Standort der «militärischen Auskunftszentrale» alle drei Wochen den Standort. Erst
1982 wurde die einheitliche und ständige
Telefonnummer eingeführt und seit 1995
sodann die Räumlichkeiten in Bern bezogen, was die Vernetzung mit den Informatiksystemen erst ermöglichte. Auskünfte
über die Nummer 031 381 25 25 sind jedoch nicht nur während den Öffnungszeiten von Büro Schweiz erhältlich. «Nach
18 Uhr werden die Telefone an die Einsatzzentrale der Militärischen Sicherheit weitergeleitet», erklärt Kauer.
■
Major
Christoph Merki
C Komm a i Geb Inf Br 9
8226 Schleitheim
Einsatz und Ausbildung
Feierliche Kommandoübergabe
beim Lehrverband Infanterie
Im kleinen Hof des Schlosses von Colombier gab Brigadier Lucas
Caduff sein Feldzeichen dem Kommandanten des Heeres zurück.
Divisionär Daniel Baumgartner reichte es an Brigadier Franz Nager
weiter, der künftig den Lehrverband führt.
Eugen Thomann, Redaktor ASMZ
«Aufgewühlt und erfreut» begrüsste
Lucas Caduff die Kommandanten und
Mitarbeiter des Lehrverbandes wie seine
Gäste, angeführt von dem Neuenburger
Staatsrat Alain Ribaux und von Kkdt Dominique Andrey. Militärmusikalisch eingerahmt von einem Bläserquartett und
Tambouren führte der Stellvertreter des
Lehrverbandskommandanten, Oberst i
Gst Bernhard Schneider, durch den Anlass.
Grosse Dankbarkeit empfand Caduff,
verbunden mit der Freude auf eine neue
Aufgabe; zum Divisionär befördert, kommandiert er seit der Jahresmitte die Territorialregion 3.
Lucas Caduffs grosse Verdienste
Als Erster drückte Staatsrat Ribaux, im
Kanton Neuenburg zuständig für Justiz,
Br Lucas Caduff gibt sein Feldzeichen
dem Kdt HE zurück.
Bilder: ASMZ
Sicherheit und Kultur, tiefen Respekt und Nur unentwegtes Üben kann dorthin
herzlichen Dank aus, verkörpert durch führen.
Weil die WEA in vielen Einzelheiten
das Geschenk eines historischen Säbels.
Selbstverständlich vergass er nicht, Franz noch Gestalt annehmen muss, erwartete
Nager willkommen zu
niemand vom neuen Lehrheissen und ihm die gleiverbandskommandanten
eine verbindliche Antwort
che enge Zusammenarbeit
auf die Frage, wie die Inanzubieten.
fanterie in einem Gross«Auftrag erfüllt», stellte
verband ohne nennensDiv Daniel Baumgartner
fest, denn Caduff hinwerte Kampfunterstütterlässt eine modern gezungsmittel die Verteidiformte Infanterie, deren
gung schult.
Geschlossenheit er erreichte und mit durchdachSchlussakkord
ten Reglementen sicherte.
Die ehrwürdige «SoDer Zustand der grössten
ciété Militaire des CaraSchweizer Waffengattung Vom Lehrverband Infanterie
biniers Genevois» stellund ihre Glaubwürdigkeit zur Territorialregion 3:
te einerseits die historisch
spiegeln sich nicht zuletzt Lucas Caduff.
montierte Ehrenwache und
darin, dass sie mehr Stellungspflichtige anzieht, als sie Ausbil- überreichte anderseits durch ihren Prädungsplätze zu vergeben hat. Den Früch- sidenten, Oberst i Gst Pierre-Michel
ten seines Wirkens wird Caduff be- Auer, Caduff ein gediegenes Ensemble
gegnen, wenn im Rahmen der Weiter- von Schützenhut mit Hahnenfedern und
entwicklung der Armee
Epauletten.
(WEA) vier InfanteriebaDie Mitarbeiter des
taillone zur TerritorialdiLehrverbandes bedachten
vision übertreten. Wie der
ihren scheidenden Chef
mit dem traditionellen AbHeereskommandant klarbild ihrer geschichtsträchstellte, heisst es für die
tigen Residenz, des SchlosInfanterie auch danach
ses von Colombier, um«Kämpfen – Schützen –
ringt von ihren Portraits.
Helfen».
Das letzte «Wort» sprach
die
Artillerie, gleich einem
Franz Nagers Akzente
Sinnbild des weiterhin für
Dort knüpfte der neue
glaubwürdige Ausbildung
Lehrverbandskomman- Von der Gebirgsinfanterieunentbehrlichen Kampfes
dant an, dem Baumgart- brigade 12 zum Lehrverband
der verbundenen Waffen.
ner das Glück des Solda- Infanterie: Br Franz Nager.
Eine in Kampfanzüge der
ten wünschte und der seiArmee 61 gewandete Generseits dem Vorgänger Dank und Res- schützbedienung schoss mit einer Haubitpekt zollte: Das Dienstreglement stellt ze vom historischen Kaliber 10,5 cm sechsin seiner Ziffer 32 verbindlich fest, dass mal Ehrensalut, eingedenk der sechseindie Fähigkeit zum Bestehen im Krieg das halb erfolgreichen Kommandojahre von
■
Ziel der militärischen Ausbildung bildet. Lucas Caduff.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
33
Weiterentwicklung der Armee
«Der Umsetzung steht nichts
mehr im Weg»
Nach dem Differenzbereinigungsverfahren haben National- und Ständerat
in der Frühlingssession 2016 der Vorlage zur Weiterentwicklung der
Armee (WEA) zugestimmt. Das Referendum gegen das Militärgesetz als
zentrale Rechtsgrundlage zur WEA ist nicht zu Stande gekommen –
damit steht der Umsetzung der WEA nichts mehr im Weg. Der Projektleiter
WEA, Brigadier Sergio Stoller spricht im Interview mit dem Chefredaktor
der ASMZ über die Projektorganisation und benennt wichtige Meilensteine
und Herausforderungen der WEA.
Das neue Leistungsprofil und die Sicherstellung der damit verbundenen BeHerr Brigadier, welche wichtigen Grundreitschaft sind herausfordernd. Deshalb
lagen erarbeiten Sie momentan in der Prowird in den ersten Wiederholungskursen
jektorganisation WEA?
schwergewichtig die Mobilmachung traiIm Moment arbeiten wir im Projekt
niert. Auch in den Lehrgängen der HKA
mit viel Elan an den Führungsreglemenwird das neue Bereitschaftssystem und
ten «Operative Führung»
die Mobilmachung ausge(OF 17) und «Taktische
bildet werden. Grundlage
Führung» (TF 17) und den
dazu ist das neue Regle«Die Überführung ist am 1. Januar 2018
direkt davon abhängigen
ment «Bereitschaft der Armilitärischen Vorschriften.
formell abgeschlossen, die Umsetzung dauert mee», das mittlerweile ferDaneben befassen wir uns
tig redigiert und genehmigt
bis zum Ende des Jahres 2021.»
intensiv mit den neuen Abist. Auch die Basierungen
läufen und Prozessen. Ausund Mobilmachungsplätze
serdem erstellen wir wichtisind bereits festgelegt. In
ge Grundlagen wie z.B. Geschäftsordnun- fahrungen auszuwerten sowie Strukturen den nächsten Monaten geht es noch um
gen und Organisationsbefehle auf Stufe und neue Abläufe zu festigen. Die Über- die Erstellung der Mobilmachungsdosder zukünftigen Direktunterstellten des führung der Armee in die neuen Struk- siers.
CdA, damit die Milizverbände rechtzei- turen ist demnach am 1. Januar 2018 fortig befohlen werden können. Diese Do- mell abgeschlossen, die Umsetzung der Gibt es damit auch wieder Kompaniekumente basieren auf dem Armeebefehl WEA als Gesamtsystem dauert bis zum fächli?
für den Start der WEA auf 01.01.2018.
Ende des Jahres 2021.
Ja, zumindest für die Milizformationen
mit hoher Bereitschaft (MmhB). Deren
Was regelt der Überführungsbefehl konkret? Und welche Inhalte beschreibt die Gesamt- Material wird an einem Ort kommissioDer Befehl enthält detaillierte Vorgaben konzeption WEA?
niert eingelagert.
für die personelle Überführung der MilizSie erläutert alle Massnahmen zur Weisoldaten und -kader und des Berufsperso- terentwicklung der Armee: die Doktrin, Man hat in letzter Zeit viel von den
nals. Dazu kommen weitere Punkte wie die Strukturen, das Ausbildungsmodell MmhB als neuem Element der BereitEckwerte für die Durchführung von Auf- und das neue Bereitschaftssystem der schaft gesprochen. Was ist mit den übrilösungsfeiern, die Archivierung der Akten, Armee. Dargestellt wird auch, wie die gen Verbänden?
das Erstellen von neuen Verbandsabzei- Logistik und die Führungsunterstützung
Die mit der WEA eingeführte höhere
chen, die Handhabung klassifizierter Ak- künftig funktionieren sollen. Die Ge- Bereitschaft der Armee sieht die Wiederten, die Reorganisation der Informati- samtkonzeption beruht auf der Botschaft einführung der Mobilmachung für alle
ons- und Kommunikationsinfrastruktur des Bundesrats zur WEA vom Septem- Verbände vor, also auch für diejenigen,
und die Gremien auf Stufe Armee im ber 2014 und den Beschlüssen des Parla- die nicht als MmhB bezeichnet sind. Ihr
ments.
Material wird nicht kommissioniert einÜbergang.
gelagert, es wird im Falle einer MobilmaIst die Überführung am 1. Januar 2018 Sie haben mit dem neuen Ausbildungs- chung bedarfsgerecht zusammengestellt
modell und dem Bereitschaftssystem zwei und gefasst. Auch diese Abläufe müssen
abgeschlossen?
Die Umsetzung der WEA besteht aus zentrale Pfeiler der WEA angesprochen. intensiv geschult werden. Wir haben mit
drei Phasen: der Vorbereitung (in der wir Wie wird die Bereitschaft konkret umge- ersten Übungen bereits Erfahrungen gesammelt und sind daran, die Prozesse zu
uns gerade befinden), der Überführung in setzt?
Andreas Bölsterli, Chefredaktor
34
die neuen Strukturen und der daran anschliessenden Konsolidierungsphase, die
bis zum Ende des Jahres 2021 abgeschlossen sein soll. Unmittelbar nach der Überführung und während der gesamten Konsolidierungsphase bis zum Jahresende
2021 wird es vor allem darum gehen, Er-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Weiterentwicklung der Armee
optimieren, damit das Ganze ab 2018
funktioniert.
Berufskader soll sie primär als Coach anleiten. Schliesslich werden auch die Offiziere auf Stufe Truppenkörper einen praktischen Dienst absolvieren, aber nicht in
einer RS, sondern bei einem WK-Verband.
Aus den Doktringrundlagen (DG 17)
wurden die Reglemente OF17, TF17 und
die Begriffe abgeleitet. Die OF liegt nun
bereinigt vor und kann in den nächsten
Monaten finalisiert und gedruckt werden.
Die TF und die Begriffe liegen im Entwurf
vor und werden jetzt nach weiteren Stellungnahmen bereinigt. Diese Phase wird
noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Eine armeeweite Einführung ist vor dem
Start der WEA geplant.
Kommen wir zur Kaderausbildung. Was
wird besser?
Bei der Kaderausbildung wird wieder
ein Schwergewicht auf die praktische Führungserfahrung der Kader gelegt. Bis zur Was bedeutet dies für das DienstleistungsFunktion Leutnant wird jeder den letzten modell?
Grad in einer ganzen Rekrutenschule abDas Dienstleistungsmodell wurde unverdienen. Auch Kompaniekommandan- ter Berücksichtigung der angepassten Katen leisten einen praktischen Dienst während eiEine weitere Verbesserung
ner kompletten Rekrutenbetrifft die Vollausrüstung.
«Die zentrale Herausforderung ist
schule. Neu ist auch, dass
Ja, sie ist eine zwingende
angehende Kader wieder
Voraussetzung,
damit das
die zeitgerechte Überführung
neue Bereitschaftssystem
eine ganze Rekrutenschule
des Miliz- und Berufspersonals.»
funktioniert.Wesentlich ist
als Rekrut absolvieren und
in diesem Zusammenhang,
künftige Offiziere und hödass die Armee genügend
here Unteroffiziere einen
praktischen Dienst als Unteroffiziere.
derausbildung im Mai 2016 der Armee- Hauptsysteme (z.B. Kampf- und Schütführung präsentiert und von ihr bewil- zenpanzer, Artilleriegeschütze usw.) beHier kehrt man also wieder zum ehema- ligt. Neu muss ein Offizier oder höherer sitzt, um die Verbände ab 2018 vollstänligen System zurück.
Unteroffizier, wenn er seine neue Funk- dig auszurüsten. In einigen Bereichen werJa, die Kader kennen damit diejeni- tion oder seinen neuen Grad antritt, 240 den aber nach wie vor temporäre Ausrüsgen Stufen, die sie später führen – ein Diensttage leisten. Nach 120 Tagen kann tungslücken bestehen, z. B. bei Funkgegrosser Vorteil in einer Milizarmee! Hin- er aber auch für weitere Funktionen vor- räten oder bei diversem Kleinmaterial
zu kommt, dass die Milizkader in den gesehen werden. Es bleibt auch dabei, dass (Gabelstapler, leichte Maschinengewehpraktischen Diensten wieder mehr Ver- in zwei Jahren maximal 75 Diensttage ge- re, Zielfernrohre usw.). Diese Lücken sollen teils durch Nachbeschaffungen eingeantwortung übernehmen werden. Das leistet werden dürfen.
führter Systeme, teils im Rahmen von ErWie werden die doktrinellen Neuerungen satzbeschaffungen bis Anfang der 2020er
Br Stoller PL WEA und der Chefredaktor
in die Ausbildung integriert?
ahre geschlossen werden.
im Gespräch.
Bild: ASMZ
Was müssen wir uns unter
dem vierten Pfeiler, der Regionalisierung, vorstellen?
Die generell schlankeren
Einheiten können in der Regel an einem einzigen Standort untergebracht werden.
Den Territorialdivisionen –
Räume und Partner der
heutigen Territorialregionen
bleiben unverändert – wird
zusätzlich ein Teil der Truppenkörper der heutigen Infanterie- und Gebirgsinfanteriebrigaden (Inf/Geb Inf
Bat, Genie Bat) zugeteilt, sie
sind damit noch stärker regional verankert.
Warum ist die Regionalisierung für die Armee wichtig?
«In Krisen Köpfe kennen», das ist in einem Einsatz zentral – und wird
durch die Regionalisierung
begünstigt. Ebenfalls wird
speziell den Kadern dank
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
35
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Weiterentwicklung der Armee
der Regionalisierung wieder eine Plattform für den Aufbau eines künftigen, lebenslange Netzwerkes geboten, das weit
ins zivile Leben mitgenommen werden
kann.
Wie ist Ihre Projektorganisation aufgestellt
oder anders gefragt, wie stellen Sie sicher,
dass die erwähnten Teilprojekte miteinander synchronisiert sind? Wie ist eine allfällige Differenzbereinigung geregelt?
Die Projektleitung besteht, neben mir,
aus einem kleinen Team von drei Berufsoffizieren, das die insgesamt 19 Teilprojekte koordiniert und steuert. Ergänzt wird
diese Zelle durch meinen zugeteilten Stabsoffizier und die Chefin Kommunikation
WEA. Zudem ist mir der Bereich WEA
der Armeeplanung zur Zusammenarbeit
zugewiesen. Anders als beispielsweise bei
der AXXI geniessen die Teilprojekte und
deren Chefs mehr Handlungsfreiheit und
Spielraum. Die Maxime soll sein: «So
wenig wie möglich, soviel wie nötig eingreifen». Die Koordination, Steuerung
und Beauftragung erfolgt an zwei Rapporten im Monat, im Vorfeld und Nachgang zu den Armeeführungsseminaren.
Dort beurteilt jeweils die Armeeführung
als Projektaufsicht unter dem Vorsitz des
CdA die erarbeiteten Produkte und Zwischenziele und erteilt entsprechend Aufträge.
Gibt es auch eine Aussensicht auf das
Projekt?
Ja, mit dem «Think Tank» und dem
«Expertenrat» bestehen zwei unabhängige
Gremien, die beratend und unterstützend
diese Aussensicht wahrnehmen und konstruktiv einbringen.
Br Stoller in einer Besprechung.
Bild: VBS
und mit fortschreitender Planung im Bereich Ausbildung und Einsatz weiter laufend anzupassen.
Sie sprechen damit das Stationierungskonzept an. Gehört es auch in Ihren Aufgabenbereich und wie ist der Stand in diesem
Teilprojekt?
Das Stationierungskonzept ist ohne
Übertreibung eines der schwierigsten Vorhaben und eines der wichtigsten Produkte
des Teilprojektes Stationierung. Es fällt
also auch in meinen Aufgabenbereich.
Auf diesem Konzept basiert der sogenannte «Sachplan Militär», den man sich
als eine Art militärisches Pendant zur zivilrechtlichen Raumplanung vorstellen
muss. Seit der C VBS das Konzept im November 2013 präsentiert hat, haben sich
Vollausrüstung schrittweise bis zum Abschluss der Umsetzung der WEA Anfang
der 2020er Jahre zu erreichen. Die Armee
muss bis zum 31.12. 2017 ihre Aufgaben
friktionslos erfüllen können. Gleichzeitig
gilt es in einer Projektorganisation die Voraussetzungen zu schaffen, damit die WEA
mit der Überführung auf den 01.01.2018
in einem Zug gelingen kann. Weil dafür
kein zusätzliches Berufspersonal zur Verfügung steht, gilt es alles bis zum letzten
uns bekannten Detail sorgfältig zu planen und vorhandene Ressourcen nicht zu
überfordern.
Eine grosse Zahl an Rechtserlasse müssen
für die Armee ab 2018 angepasst werden.
Ist das Projekt WEA damit auf Kurs?
Im Rahmen des Teilprojekts Rechtsetzung WEA sind in den Jahren 2018
bis 2022 Total- und Teilrevisionen von
rund 70 Verordnungen der
In welchen Teilprojekten steStufen Bundesrat und Dehen Sie im 2016 vor besonpartement vorgesehen. Da«Die Armee muss bis
deren Herausforderungen?
von sind ca. 20 VerordnunEine nicht zu untergen mit Inkrafttreten auf
zum 31. Dezember 2017 ihre Aufgaben
schätzende Aufgabe dürfte
den 1. Januar 2018 geplant.
friktionslos erfüllen können.»
die Vorbereitung und FinaDie Zeitpläne der einzellisierung der Planung aller
nen Rechtsetzungspakete
aufzulösenden beziehungssind durchwegs straff abweise umzugliedernden Milizverbände nur marginale Änderungen ergeben. Die gefasst und ertragen nicht den geringssein – gilt es doch unter anderem tausen- Wünsche der Kantone wurden nach Mög- ten Aufschub, soll die Umsetzung ab dem
de Dienstbüchlein zu bearbeiten.
lichkeit berücksichtigt. Der «Sachplan Mi- 01.01.2018 nicht ernsthaft gefährdet werFerner stellt die weiterentwickelte Ar- litär» wird den Kantonen im Herbst 2016 den. Bis heute sind die Rechtsetzungsprojekte auf Kurs.
mee andere Anforderungen an die Immo- zur Stellungnahme unterbreitet.
bilien. Im Hinblick auf eine angemessene
Investitionsquote ist es nötig, den Immo- Gibt es weitere Hürden und Herausforde- Herr Brigadier Stoller, ich danke Ihnen
für dieses Interview und wünsche Ihnen
bilienbestand zu reduzieren. Gleichzeitig rungen bis zur Umsetzung der WEA?
müssen zur Sicherstellung der höheren BeDie zentrale Herausforderung ist die in Ihrer wichtigen Aufgabe viel Erfolg,
reitschaft bestimmte Infrastrukturen reak- zeitgerechte Überführung des Miliz- und Genugtuung und die nötige Portion Soltiviert werden. Dieser Prozess ist im Gang Berufspersonals. Wesentlich ist auch, die datenglück.
■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
37
Wirtschaftsnotiz
SAP Integration mit Schub
Suchen Sie eine Beschreibung und Erklärung
der heutigen Abzeichen in der Armee? Sie finden diese wie folgt:
Zertifikat für VBS-Projekt beim ASCO Award 2016
www.lba.admin.ch
Anlässlich des Tages der Beratung vom 28. Juni 2016 verlieh
ASCO, der Berufsverband Schweizer Unternehmensberater in Zü-
rich die begehrten ASCO Awards
«Best Business Transformation».
BearingPoint und NOVO Business Consultants waren zusammen
mit der Luftwaffe und der Logistikbasis der Armee für das Projekt
«Integration SAP System der Luftwaffe» des Eidg. Departements VBS
für den Award nominiert. Das Ziel
des Projekts war die Einbindung der
Logistikprozesse in das neue SAPSystem der Armee. Das gewählte
Vorgehen ermöglichte eine zielgerichtete, planmässige Ergänzung
und Optimierung der Logistikprozesse. Die grundlegende und nachhaltige Neuausrichtung sowie die
erfolgreiche Beziehung zwischen
Kunden und Beratern wurde von
der ASCO mit einem Zertifikat
gewürdigt.
Auf der Homepage der LBA wählen Sie zuerst
«Themen», dann «Persönliche Ausrüstung»
und schlussendlich «Abzeichen».
Dort finden Sie auch das Reglement «Abzeichen der Schweizer Armee», 51.009.
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38
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Wirtschaft / Rüstung
Kostenverteiler am WEF Davos
überdenken: Nachlese
Der Assistenzdienst am WEF Davos verursache der Armee keine
Mehrkosten. So steht es in der Botschaft zuhanden des Parlaments.
Die neuesten Zahlen zu den Kosten pro Diensttag lassen jedoch
ernsthafte Zweifel aufkommen. Damit akzentuiert sich die Notwendigkeit, den Kostenverteiler am WEF Davos kritisch zu hinterfragen.
Wir regten in der ASMZ 04/2016 an,
den Kostenverteiler am WEF Davos im
Hinblick auf die neue dreijährige Leistungsvereinbarung zu überdenken. Dies
vor allem wegen der Geldmaschinerie des
Veranstalters, der horrenden Preise und
der Strukturprobleme der örtlichen Hotellerie. Es sei nicht Aufgabe der Armee, den
Anlass mit – je nach Lesart – bis knapp
33 Mio. CHF aus eigenen Mitteln zu subventionieren. Zum gleichen Zeitpunkt
kommunizierte dasVBS die neuesten Zahlen zu den Kosten pro Diensttag und Armeeangehörigen. Die Diskussionsnotwendigkeit des Kostenverteilers akzentuierte
sich dadurch zusätzlich: Offenbar geht die
Armee von extrem unterschiedlichen Kostenbegriffen aus, je nach Verwendungszweck der Daten. Um was geht es genau?
Kosten ≠ Kosten
In der letzten Botschaft des Bundesrats
zuhanden des Parlaments über den Assistenzdienst der Armee stand auf S. 10 (Ziff.
6.2) unmissverständlich: «Insgesamt kann
beim Einsatz der Armee zugunsten des
WEF mit gleich hohen Kosten gerechnet werden, wie wenn die beteiligten Verbände ihren regulären Wiederholungskurs
leisten würden. In den vergangenen Jahren entstanden Kosten für die Armee von
durchschnittlich 28 Millionen Franken
pro Jahrestreffen.» Diese Aussage bezieht
sich allein auf den Assistenzdienst, ohne
die kostenbefreite Vermietung von Material und Fahrzeugen an die Kantonspolizei Graubünden.
Zur jährlich aktualisierten Publikation
des Bereichs Verteidigung («Die Armee in
Zahlen») steht unter anderem folgender
Zwischentitel in der Medienmitteilung
vom März 2016: «Ein Diensttag kostet gut
35 Franken.» Und im anschliessenden Text
Kosten der Schulen und Kurse der Armee (2015)
(in CHF pro Angehörigen der Armee und Diensttag)
Quelle: VBS/LBA (Graphik: ASMZ)
Peter Müller, Redaktor ASMZ
ist unter anderem zu lesen: «Die Durchschnittskosten pro geleisteten Diensttag
stiegen im Verhältnis zum Vorjahr um 22
Rappen auf 35.28 Franken.» Somit zwei
glasklare Aussagen zu den Kosten der Armee – jedoch offenbar aus unterschiedlichen Quellen und mit stark divergierendem Inhalt! Dividiert man nämlich (naheliegend) für das Jahr 2016 die 28,8 Mio.
CHF der Gesamtkosten für den Assistenzdienst durch die Anzahl geleisteter Diensttage am WEF (47100), so ergeben sich
plötzlich Durchschnittskosten von 611
Franken, also rund das 17-fache des sonst
üblichen Werts pro Diensttag! Das ruft
nach Erklärungen.
Kostenrechnungen offenlegen
Das VBS wehrte sich vehement gegen diese Berechnung: «Ein direkter Vergleich dieses Betrags (Kosten pro Diensttag, Anm. der Red.) mit den Kosten für
das WEF sei nach übereinstimmender
Aussage sämtlicher Finanzverantwortlicher der betroffenen Bereiche nicht möglich.» Namentlich handle es sich bei den
Kosten pro Diensttag um die sogenannten Truppenaufwände (Details siehe Grafik). Die betreffende Tabelle trage den
Titel «Kosten der Schulen und Kurse der
Armee im Kommissariatsdienst». Was immer diese für den Aussenstehenden nachgereichten, unverständlichen Präzisierungen auch heissen mögen: Das VBS weigerte sich ebenso dezidiert, die Kosten am
WEF analog der Grafik aufzuschlüsseln;
die Stellungnahme schloss betreffend Kosten für das WEF mit dem Hinweis: «Diese Zahlen hat die Armee nicht weiter zu
interpretieren.»
Unbestritten ist: In den ausgewiesenen Kosten von 35 Franken pro Diensttag fehlen wesentliche Kostenbestandteile wie Material, Fahrzeuge, Betriebsstoffe,
Munition, Flugstunden, Löhne Berufsmilitär und allenfalls Erwerbsersatz. Dies
scheinen die wahren Kostentreiber zu sein.
Der Informationsgehalt der ausgewiesenen und minutiös aktualisierten Kosten pro Diensttag tendiert folglich gegen
null; mehr Kostenwahrheit täte not. Umgekehrt: Bei 17-fach höheren Kosten am
WEF in Davos wird offensichtlich: Die
Aussage in der Botschaft ans Parlament
ist – gelinde gesagt – irreführend und
intransparent, die Kosten am WEF seien
gleich hoch wie jene in regulären Wiederholungskursen. Die Forderung wird politisch entsprechend dringlicher, den Kostenverteiler am WEF Davos kritisch zu
hinterfragen.
■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
39
Wirtschaft / Rüstung
Wehrtechnische Kernfähigkeiten stärken
Die Schweizerische Gesellschaft Technik und Armee hat ihre sieben
Thesen zur Sicherheitspolitik überarbeitet. Sie richtet den Fokus vermehrt
auf die industriellen Kernkompetenzen sowie deren internationale
Wettbewerbsfähigkeit. Wissenschaft und Technologie seien tragende
Elemente der künftigen Rüstungspolitik. Der Vorstand der Gesellschaft
ist arg dezimiert.
wicklungsschritt 08/11 wie auch das Aufwuchskonzept der Schweizer Armee –
Die Schweizerische Gesellschaft TechDer Präsident der STA, Dr. Fritz Gan- zwei wesentliche Rahmenbedingungen
nik und Armee (STA) mit ihren rund 300 tert, konnte die statutarischen Geschäfte des früheren Positionspapiers – sind hinMitgliedern versteht sich als unabhängiges effizient und diskussionslos abwickeln. fällig geworden.Wichtig ist neu der Link
Bindeglied zwischen Armee, Beschaffungs- Das Schwergewicht lag auf den überar- zur WEA, ohne diese allerdings im überinstanzen, Wirtschaft und
arbeiteten Dokument explizit zu erwähnen. Die STA
Wissenschaft. Sie veröffentlegt weiterhin als Wesenslichte vor rund zehn Jahren
«Das aktuelle schweizerische
merkmal viel Wert auf ihre
ein Positionspapier mit siesicherheitspolitische Umfeld ist herausfordernd Unabhängigkeit.
ben Thesen, um damit zur
Globalisierung, technisicherheitspolitischen Meiund geprägt durch das fehlende Bewusstsein,
scher Fortschritt und die
nungsbildung beizutragen.
dass Sicherheit einen hohen Wert hat
sich laufend verändernde
Angesichts der seither verglobale Sicherheitslage maänderten politischen und
und die mangelnde Bereitschaft,
chen es nach Auffassung der
militärischen Rahmenbedie Kosten für die Sicherheit zu tragen.»
STA nötig, den sicherheitsdingungen entschloss sich
politischen Diskurs neu zu
der Vorstand im Jubiläumslancieren. Das Bedrohungsjahr (siehe ASMZ Nr. 08/
2015), das Positionspapier zu überarbei- beiteten sieben Thesen; diese wurden spektrum sei heute sehr diffus und breit;
ten. Der neue Inhalt mit weiterhin sieben durch den Vizepräsidenten, Urs Breit- die Veränderungen der Bedrohungen seiThesen wurde anlässlich der 61. General- meier (CEO RUAG Holding AG), prä- en schwieriger zu erkennen und ihr Einversammlung vom 21. Juni 2016 in Erst- sentiert: Eine Arbeitsgruppe nahm eine treffen zeitlich nicht vorhersehbar. Ursabreite Lageanalyse vor. Sowohl der Ent- che und Wirkungen könnten heute auch
feld den Mitgliedern vorgestellt.
örtlich weit auseinander liegen. Die Sicherheitselemente müssten deshalb breit
Sieben Thesen zur Sicherheitspolitik
und robust aufgestellt sowie rasch verfügbar sein.
• These 1: Die heutige Zeit ist von Unstetig wandelnden Umfeld Rechnung
Peter Müller, Redaktor ASMZ
sicherheit geprägt. Es gibt ein breites
Spektrum an Bedrohungen, es ist aber
unmöglich, eine Vorhersage in Bezug
auf Wirkung und Eintreffen zu machen.
• These 2: Die Sicherheits- und Rüstungspolitik muss an politischer, gesellschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Bedeutung gewinnen und langfristig ausgerichtet werden.
• These 3: Mit einem abgestuften Bereitschaftssystem wird die Bereitschaft der
Armee sichergestellt. Durch den Erhalt
von adäquaten Kapazitäten einer exportfähigen eigenen Rüstungsindustrie mit
genügend breiter Technologiebasis werden die Durchhaltefähigkeit der Armee
gestärkt und deren längerfristige Weiterentwicklung ermöglicht.
• These 4: Ausrüstung, Ausbildung und
Führung der Armee müssen einem sich
40
Geänderte Herausforderungen
tragen.
• These 5: Eigene industrielle Kernfähigkeiten in der Wehrtechnik stärken
die strategische Handlungsfreiheit der
Schweiz.
• These 6: Das wirtschaftliche Überleben
der Schweizer Rüstungsindustrie erfordert Exportpraxis nach europäischem
Rechtsstandard sowie internationale
Kooperationen beim Rüstungsbeschaffungsprozess.
• These 7: Ein auf den Armeebedarf ausgerichtetes Technologiemanagement
unterstützt die nationale, sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis und fördert deren Innovationskraft.
Quelle: Schweizerische Gesellschaft
Technik und Armee (STA)
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Zusammenhang zwischen
Sicherheit und Rüstung
Die STA legt in ihren sieben Thesen ein
Schwergewicht auf den Erhalt industrieller Kernfähigkeiten in der Schweiz, verbunden mit gleich langen Wettbewerbsspiessen im europäischen Umfeld. Angesichts des beschränkten heimischen Marktes und der begrenzten Fähigkeit, komplexe Gesamtsysteme im Alleingang zu
entwickeln, seien sowohl internationale
Kooperations- wie auch Exportmöglichkeiten für die Schweizer Wehrtechnikindustrie unabdingbar. Gleichzeitig sei zu
vermeiden, dass in definierten Schwerpunkttechnologien eine völlige Abhängigkeit vom Ausland entstehe. «Der Zusammenhang zwischen Sicherheit, Rüstung
Wirtschaft / Rüstung
Vorstand STA ab 2016
• Dr. Fritz Gantert, unabhängiger Verwaltungsrat (Präsident)
• Urs Breitmeier, CEO RUAG Holding AG
(Vizepräsident)
• Peter Huber, Präsident Meggitt Sensing
Systems
• Walter Kägi, CEO Atos Schweiz AG
• Dr. Thomas Rothacher, Leiter armasuisse W+T
• KKdt André Blattmann, Chef der Armee
• Pascal Vörös, armasuisse (Leiter Geschäftsstelle STA)
und Erhalt eigener Fähigkeiten und Kapazitäten muss vermehrt ins öffentliche
Bewusstsein gerufen werden.»
Daraus leitet die STA unter anderem die
Forderung ab, die Rüstungspolitik müsse
sich künftig derart organisieren, dass auch
in Krisenzeiten (wenn der Zugang zu Rüstungsgütern erschwert sei) eine angemessene Durchhaltefähigkeit der Armee garantiert werden könne. Notwendig seien
dazu vertiefte Instandhaltungs-, Werterhaltungs- und Wertsteigerungsfähigkeiten im Inland als Teil der sicherheitsrelevanten Technologie und Industriebasis.
Dies wiederum bedinge eine erhöhte Beschaffungssicherheit, welche mehrjährige
militärische Planungs- und Finanzierungszyklen voraussetze. Die STA befürwortet
deshalb im Rüstungsbereich idealerweise neu vierjährige Rahmenkredite; es entspricht dies einer Forderung, welche auch
die ASMZ kürzlich in Erinnerung gerufen hat (siehe ASMZ Nr. 06/2016).
Gesucht: Innovationskraft
Wissenschaft und Technologie spielen
nach Auffassung der STA eine wesentliche
Rolle bei der künftigen Rüstungspolitik
als Teil der Sicherheitspolitik. Nötig sei
ein umfassendes, aktives Technologiemanagement mit hoher Transparenz, ausgerichtet auf den künftigen Armeebedarf.
Beispielsweise solle mittels Technologiefrüherkennung gewährleistet werden, sicherheitsrelevante Technologieentwicklungen rechtzeitig zu erfassen. Durch den
breiten Einbezug industrieller Partner könne der Komplexität moderner Rüstungsgüter und Dienstleistungen sowie der
Dynamik technologischer Entwicklungen Rechnung getragen werden. Die öffentliche Hand müsse gezielt Forschungsaufträge an die heimische Industrie ver-
geben und ihre Einbindung in internationale Projekte unterstützen.
Damit schliesst sich indirekt der Kreis
zu den Finanzen und zur beklagten «mangelnden Bereitschaft, die Kosten für die
Sicherheit zu tragen». Unter diesem Blickwinkel ist denn auch zu bedauern, dass
die STA ihre frühere prägnante These 7
nicht mehr in das überarbeitete Positionspapier aufgenommen hat: «Die Finanzen
dürfen nicht das bestimmende Element
der Sicherheitspolitik sein.» Betrachtet
man die aktuellen politischen Diskussionen um die künftigen Armeefinanzen, so
wird offensichtlich, dass die Grossbaustelle «Finanzsicherheit – Planungssicherheit – Beschaffungssicherheit» noch lange unerledigt bleibt.
Der Vorstand blutet aus
Eher beiläufig und für die meisten wohl
auch überraschend, erfuhren die Teilnehmenden an der GV, dass sich der Vorstand
wegen fünf Rücktritten ab sofort praktisch halbiert. Neben zwei berufsbedingten Rücktritten (Daniel Neuenschwander, SBFI, und Giovanni Giunta, Stiftung KMU Next), erfolgten drei weitere
Demissionen aus einem ganz anderen Anlass: Angeblich aus Gründen der «good
governance» oder der «compliance» ordnete das Generalsekretariat VBS den
Rückzug folgender Personen aus dem
Vorstand der STA an: Martin Sonderegger (Rüstungschef ), Div Hans-Peter Walser (früher Chef Armeestab, heute Kdt
Ter Reg 2) sowie Div Daniel Baumgartner (früher Chef LBA, heute Kdt Heer).
Dieser Aderlass kam für den Vorstand der
STA wohl eher kurzfristig: Es wurde an
der GV keine einzige Ersatzwahl vorgeschlagen; vielmehr stellte man eine intensive Suche und Nachwahlen bis in einem
Jahr in Aussicht.
Man kann zu «good governance» oder
«compliance» sowie deren Umsetzung stehen wie man will. Im vorliegenden Fall
scheint es sich entweder nur um einen
halbherzigen oder um einen inkonsequenten Beschluss des VBS zu handeln: Unerwünschte Abhängigkeiten/Verflechtungen
entstehen sowohl zwischen Auftraggeber
und Auftragnehmer wie auch umgekehrt.
Sieht man sich die restliche Zusammensetzung des Vorstands und der Geschäftsstelle an, so dürfte die «logische» Lösung
unter dieser Optik momentan wohl nur
noch aus höchstens drei Personen bestehen. Und das kann es dann wohl nicht
ernsthaft gewesen sein!
■
Das bewegt die SOG
Besinnung
auf die
Offizierstugenden
Am Tag meiner Wahl zum neuen SOG-Präsident habe ich Folgendes festgehalten: Ich
möchte die SOG als die Stimme der Schweizer Offiziere und als einflussreiche sicherheitspolitische Kraft stärken und weiterentwickeln. An Themen und Gelegenheiten
hierzu mangelte es in den ersten Monaten
meiner Amtstätigkeit wahrlich nicht.
Das Jahr 2016 hat es mit richtungsweisenden sicherheits- und militärpolitischen Herausforderungen in sich. Ich erwähne die
parlamentarische Schlussabstimmung Weiterentwicklung der Armee (WEA), den Bericht über die Dienstpflicht, die Sistierung
des Rüstungsprojekts BODLUV, die Vorbereitung der Evaluation eines neuen Kampfflugzeugs, den Sicherheitspolitischen Bericht 2016 und das Nachrichtendienstgesetz.
Mit Genugtuung stelle ich fest, dass die
SOG dank der tatkräftigen Arbeit im Vorstand, Generalsekretariat und in den Arbeitsgruppen, aber auch dank der schlagkräftigen Unterstützung durch die kantonalen, lokalen und Fach-Offiziersgesellschaften Wirkung erzielt hat. Wir haben uns als
landesweit abgestützte, dialogfähige und
kritisch-konstruktive Organisation im Spannungsfeld von Armee, Politik, Gesellschaft
und Wirtschaft gut positioniert.
Weniger positiv waren die Ereignisse rund
um Indiskretionen beim Projekt BODLUV
und die heimlichen Aufnahmen eines Vortrags des Chefs der Armee im Rahmen eines
internen Gst Of-Seminars. Solche Vorkommnisse schaden dem Offizierskorps. Auch
über die teilweise unsachliche und unausgewogene Diskussion der Befürworter des
WEA-Referendums war ich wenig erbaut.
Ich wünsche mir deshalb die Besinnung auf
die Offizierstugenden: Respekt füreinander,
Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander, Verantwortungsbewusstsein mit
anvertrauten Informationen und loyales Mittragen von gefassten Entscheiden. Oder in
der Sprache der SOG: Halten wir unsere über
180 Jahre bewährten Werte der Glaubwürdigkeit, Hingabe und Loyalität hoch!
Oberst i Gst Stefan Holenstein,
Präsident SOG
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
41
Luftwaffe
Erneut Echteinsatz der Fliegerabwehr:
diesmal in den Kantonen Uri und Tessin
Es war bereits der zweite Echteinsatz der Fliegerabwehr in diesem Jahr:
Rund um die offiziellen Eröffnungsfeierlichkeiten des Gotthardbasistunnels
vom 1. Juli 2016 kam die 35mm Mittelkaliberfliegerabwehr (M Flab)
mit der Tessiner M Flab Bttr 32/1 (+) zum Einsatz, nachdem
die M Flab Abt 34 im Januar zum Schutz des WEF eingesetzt wurde.
Marcel Amstutz, René Meier
Der Bedarf «Schutz von Konferenzen»
nimmt mit der aktuellen Bedrohung zu.
Nicht zuletzt deshalb hat das Parlament
der Nutzungsverlängerung M Flab (M
Flab NUV) im RP 15+ zugestimmt. Damit bleibt dieses Waffensystem für die
nächsten zehn Jahre operationell und gewinnt mit dem Ausbau des Sensorverbundes von 8 auf 24 Feuereinheiten zusätzlich an Leistung, Handlungsfreiheit und
Sicherheit.
Mit dem Auftrag «Schutz des Festgeländes Erstfeld, Schutz des Festgeländes
Pollegio und Beiträge zum Luftlagebild»,
begann im Herbst 2015 die Aktionsplanung GOTTARDO im LVb Flab 33.
Weil der Fortbildungsdienst der Truppe
(FDT) für die in Frage kommende M
Flab Abt 32 unter dem Kommando von
Oberstlt Nicola Ballabio als Schiess- und
Detailkurs auf dem Flab-Schiessplatz
S-chanf geplant war und der Mittelansatz
für den Einsatz GOTTARDO mit einer
taktischen Einheit ausreichte, wurde die
M Flab Bttr 32/1 (+) unter der Führung
von Hptm Marco Parisi der Fliegerabwehrkampfgruppe 33 (Flab K Gr 33) von
Oberst René Meier für die Dauer des Ein-
42
satzes unterstellt, welcher dem Kdt Einsatzverband Luft (EVL) direkt rapportierte. Damit konnte die M Flab Abt 32 (-)
ihren Kurs im Engadin weitgehend unverändert durchführen.
Der unbekannte Einsatzraum, die geografische Lage der beiden Festgelände, die
parallel geforderte Gefechtsleistung und
die sehr kurze Einsatzdauer waren im Vergleich zum Einsatz WEF völlig andere Einflussfaktoren. Die Planung der Luftraumstruktur führte zu einer intensiven und anspruchsvollen Beurteilung, ging es doch
nebst der Auftragserfüllung auch darum,
den zivilen Flugverkehr möglichst wenig
einzuschränken.
Die Aktionsplanung
Mit der ab Herbst 2015 begonnenen
Planung stand die Erkundung der Einsatzstandorte im Vordergrund. Mit je einer
Sensorstellung (genannt SKY) im nördlichen wie auch im südlichen Raum soll
die Überwachung des untersten Luftraumes sichergestellt werden. Die «Kronjuwelen» bildeten die beiden Fliegerabwehrstellungen LEO in unmittelbarer Nähe zu
den Festgeländen, welche als komplette
Feuereinheiten einen Sensor (Feuerleitge-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Eine Flab Kan der südlichen Feuereinheit
LEO im Raum Pollegio.
rät 75/10) und zwei Flab Kan 63/12 beinhalteten.
Die unterschiedlichen geographischen
Situationen der beiden Regionen, die Feststellung, dass sich alle Stellungen an Gewässer oder in der Nähe von Stromleitungen befanden und der Umstand, dass die
optimale Stellung LEO im Süden mitten
im Dorf bezogen werden sollte, führten
zu intensiven Abklärungen mit militärischen und vor allem zivilen Partnern.
Der Einsatz in unmittelbarer Nähe zum
Gotthard forderte das Variantendenken
heraus, weil uns die topografischen Gegebenheiten zwangen, Fliegerabwehrstellungen in Steinbrüchen über dem eigentlichen Talkessel zu prüfen. Es war nicht
zuletzt ein gutes Lehrstück für uns FlabTaktiker. Die Varianten wurden nach den
Erkundungen geprüft und bewertet. Dabei wurden auch die Einsatzerfahrungen
aus ABACO, ALCEO oder ALPA ECO
genutzt, damit der Flab-Entschluss die
bestmögliche Kraftanwendung in Raum
und Zeit gewährleistete und die Auftragserfüllung nie in Frage gestellt werden
musste.
Luftwaffe
Der taktischen Einheit bzw. der M Flab
Bttr 32/1 wurden zusätzliche Mittel und
Materialen wie Elektrifizierung der Stellungen über das öffentliche Stromnetz,
Container oder Härtungsmaterial zur Verfügung gestellt. Somit stand dem Einsatz,
mit dem einvernehmlichen Nebeneinander mit der Urner und Tessiner Bevölkerung, nichts mehr im Wege.
Die Einsatzbezogene
Ausbildung
Weil die M Flab Abt 32 ihren FDT auf
dem Fliegerabwehrschiessplatz S-chanf absolvierte, konnte ein Teil der Ausbildung
im scharfen Schuss stattfinden. So wurde
der Bekämpfungsablauf mit den Einsatzregeln (ROE) 1:1 gezielt trainiert. Nach
einer mehrstündigen Anfahrt aus dem
Engadin über den Julier, fand am Freitag
der 1. FDT-Woche der erste Stellungsbezug statt. Die Mob LW Radar Abt 2 und
die LT Abt 2 unterstützten die M Flab
Bttr 32/1 zusätzlich mit FU-Spezialisten.
Die Sicherstellung stabiler Verbindungen und die Beherrschung der Abläufe waren zentral, weil in GOTTARDO die Flab
nicht mittels autonomer Bekämpfung eingesetzt wird, sondern sowohl die Feuerfreigabe als auch die Feuerauslösung zentral
durch das Air Operation Center (AOC)
erfolgt, nachdem der politische Entscheidungsträger den Feuerbefehl erteilt hat.
Dieses Verfahren ermöglicht enorm kurze
Entscheidungswege, sofortige Wirkung
nach der zentralen Feuerauslösung und
maximale Sicherheit.
Die Lageverfolgung
Mit Beginn der 2. FDT-Woche, am
Montag, 30.05.2016 startete der eigentliche Einsatz, der sich mit dem Stellungsabbruch und Rückmarsch ins Engadin bis
Donnerstag, 02.06.2016 erstreckte. Die
Einsatzführung im Bereich der Luftraumüberwachung durch die Flab oblag dem
Einsatzoffizier BODLUV im AOC der
Luftwaffe. Alle weiteren Belange hingen
unverändert an der Kommandostruktur
der Einheit.
Für GOTTARDO wurden pro Einsatzraum zwei Flab Kan 63/12 in einer
Feuereinheit zum Schutz der Festivitäten
eingesetzt, was dem ordentlichen Mittelansatz von je einer M Flab FE entspricht.
Damit konnte die notwendige Redundanz
geschaffen werden, um die technisch bedingten Kontrollintervalle bei einem Geschütz durchzuführen und gleichzeitig die
Feuerbereitschaft mit dem zweiten Geschütz aufrechtzuerhalten.
Auch wenn die Einsatzdauer im Vergleich zu einem Einsatz am WEF massiv
kürzer war, die Herausforderungen in den
Begleit- und Supportprozessen präsentierten sich geradezu in identischer Art und
Weise. Nach nur drei Tagen in den Stellungen, davon einem Einsatztag am 1. Juni
2016, erfolgte die Auftragsentbindung und
die Rückverlegung.
Gegen die terrestrischen Bedrohungen
(wie Störungen, Demonstrationen, Sabotage und Blockaden) wurde jede Flab-Stellung durch eine Sicherungsgruppe der Flab
verstärkt.
Konzentriertes Arbeiten der Bedienmannschaften, konsequente Führung der
Kader, standardisierte Abläufe, systematische Kontrollen und stufengerechte Einflussnahme waren die entscheidenden Erfolgsfaktoren in der Lageverfolgung.
Nach dem Einsatz ist
vor dem Einsatz
Mit GOTTARDO hat die Kanonenfliegerabwehr der Schweizer Armee erneut
Geschichte geschrieben. Zwar ist die Einsatzdoktrin der M Flab FE erprobt, etabliert und bildet die Grundlage jeder Aktionsplanung. Hingegen konnten neue Erfahrungen im Einsatz von Flab-Effektoren
derselben taktischen Einheit in zwei vollständig voneinander getrennten Einsatzräumen gesammelt werden.
Bereits laufen die Planungen und Vorbereitungen für den nächsten Einsatz auf
Hochtouren. Die M Flab Abt 45 wird anlässlich ALPA ECO 17 bereits im Januar
2017 in der etablierten Standardkonfiguration eingesetzt.
Ein Feuerleitgerät der nördlichen Feuereinheit SKY im Raum Seedorf.
Bilder: VBS
Fazit
Im RP 15+ hat das Parlament der Nutzungsverlängerung M Flab (M Flab NUV)
zugestimmt. Mit diesem Entscheid bleiben Schutzaufgaben zu Gunsten kritischer Infrastruktur und Konferenzen gegen Luftbedrohungen als Mittel der letzten Meile für die nächsten zehn Jahre
möglich. Zusätzlich wird durch den Ausbau des Sensorverbundes von heute 8 auf
24 Feuereinheiten die Leistung, Handlungsfreiheit und Sicherheit erhöht. Eine
auf die aktuelle Bedrohung zeitgerechte, einfache und stimmige Lösung.
Aus militärischer Sicht ist die Fliegerabwehr in der nächsten Dekade vollständig zu ersetzten.* Erst mit einer Bodengestützten Luftverteidigung (BODLUV) ist es möglich, komplementär zu
den Kampfflugzeugen glaubwürdig zu
wirken.
■
* Lebenswegende von TRIO (M Flab, Rapier, Stinger
mit Alert) wird zwischen 2020 und 2025 erreicht.
Brigadier
Marcel Amstutz
Kdt LVb Flab 33
3626 Hünibach
Oberst
René Meier
Kdt Flabverbund FDT /
Flab K Gr 33
6023 Rothenburg
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
43
Höhere Kaderausbildung
Moderne Verteidigung – Konsequenzen
für Führung und Ausbildung
Das Kriegsbild verändert sich laufend. Treibende Kraft in diesem
Prozess sind neben der technologischen Entwicklung insbesondere
auch die zunehmende Urbanisierung. Reichweite, Treffergenauigkeit
und Wirkung im Ziel der Waffensysteme nehmen laufend zu.
Eine wachsende Palette von hoch entwickelten Sensoren erlaubt
im Verbund mit Führungsinformationssystemen immer schnellere
und präzisere Wirkung im Ziel.
Daniel Lätsch
Während bis vor wenigen Jahren davon
ausgegangen wurde, dass diese Systeme
weitgehend ausserhalb der überbauten Gebiete eingesetzt würden, so zwingen heute moderne Aufklärungs- und Wirkungsmittel, aber auch die Methoden der hybriden Kriegführung sowie die rasche Urbanisierung des schweizerischen Mittellandes dazu, den Kampf im überbauten Gebiet zu suchen. Das Reglement Taktische
Führung XXI (TF XXI) hält fest, dass die
Bedeutung von überbautem Gelände von
seiner Lage und Ausdehnung abhängt. Es
kann Schlüsselgelände sein und aufgrund
seiner Hinderniswirkung sowie der Deckungs- und Schutzmöglichkeiten für die
Truppe den Rückhalt eines Verteidigungsdispositives bilden.1
Der kontinuierlich wachsende urbane
Gürtel von St.Margrethen bis Genève, die
urbane Zone im Grossraum Basel sowie
zwischen Lugano und Mendrisio lassen
den Schluss zu, dass künftige Konflikte
nicht im Alpengebiet, dem ehemaligen Reduit, ausgetragen werden, sondern dort,
wo mehrheitlich die Bevölkerung und die
Wirtschaft angesiedelt sind.2
Der Kampf im überbauten Gelände ist
in der Regel nicht nur für Verteidiger und
Angreifer sehr verlustreich. Er kann auch
schwerwiegende Auswirkungen für die Zivilbevölkerung und die Wirtschaft nach
sich ziehen. Entsprechend müssen Mittel
und Methoden der Kampfführung angewendet werden, die Verluste unter der
Zivilbevölkerung und Schäden an deren
Infrastruktur möglichst gering halten.3
Insbesondere ist der wahllose Beschuss
mit Flächenfeuer keine Option. Hingegen kann auf Bogenfeuer auch im überbauten Gebiet nicht verzichtet werden.
Allerdings muss das Feuer entsprechen-
44
den präzis sein, damit das Risiko von zivilen Opfern und Kollateralschäden minimiert werden kann.4
Der Kampf im überbauten Gebiet ist
gefechtstechnisch ausserordentlich anspruchsvoll. Die TF XXI sieht für die
Verteidigung in überbautem Gelände vor
allem infanteristische Kampftruppen vor.
Diese können aber durch mechanisierte
Verbände wesentlich verstärkt werden. Da-
«Der Kampf
im überbauten Gebiet
ist gefechtstechnisch
ausserordentlich
anspruchsvoll.»
bei sollen Panzerverbände eng mit Panzergrenadier- und Infanterieverbänden zusammen kämpfen, weil sie in überbautem
Gelände meist nicht geschlossen eingesetzt
werden können.5 Es reicht aber nicht aus,
wenn im überbauten Gebiet mechanisierte und infanteristische Kräfte zusammenarbeiten. Einerseits müssen Panzersappeure an vorderster Front die Mobilität sicherstellen. Andererseits stellt das überbaute
Gebiet an die Führungsunterstützung besonders hohe Anforderungen. Funkschatten und damit Verbindungsunterbrüche
in kritischen Gefechtsphasen können für
Erfolg und Misserfolg entscheidend sein.
Der Wahl von Antennenstandorten ist deshalb besondere Beachtung zu schenken.
Eine hohe Zahl von Radio Access Points
und Relaisstationen ist erforderlich. Deren
Standorte müssen zudem mit dem sich
entwickelnden Gefecht häufig gewechselt
werden. Für verteidigende Kräfte können
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
zudem Drahtverbindungen trotz deren
Störungsanfälligkeit erfolgsentscheidend
sein.
Enge Vernetzung
und Zusammenarbeit
Die Forderung, die Verluste unter der
Zivilbevölkerung und Schäden an deren
Infrastruktur möglichst gering halten, hat
Konsequenzen für die Zusammenarbeit
mit zivilen Behörden und Kräften. Eine
klare Trennung zwischen der Zivilbevölkerung und irregulären Streitkräften ist
oft nicht möglich. Die Zuständigkeiten
von Polizei und Armee sind deshalb klar
zu regeln. Die zivilen Behörden dürften so
lange wie möglich auf den ordentlichen
Aufgabenteilungen und Verantwortlichkeiten beharren. Die Zuständigkeit der
Kantone für die innere Sicherheit auf deren Gebiet 6 wird deshalb nicht bei erster
Gelegenheit an die Armee übertragen
werden, auch wenn Bundesrat und Bundesparlament grundsätzlich die Pflicht haben, Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zu treffen7. Eine bewaffnete Gruppierung oder ein Terrorkommando dürfte auch in einer äusserst angespannten Lage durch Polizeikräfte bekämpft und nicht durch Infanteriekräfte
«zerniert» werden. Insbesondere vor Ausbruch von intensiven Kämpfen dürfte die
Truppe auch in hohem Mass auf einen
Nachrichtenverbund mit den zivilen Kräften angewiesen sein. Erst ein integriertes
Lagebild, welches aus den bestehenden Lagebildern von Polizei, Verkehrslenkungsorganen (v.a. ASTRA und «Via Suisse»)
und Armee zusammengeführt wird, kann
die notwendigen Entscheidgrundlagen für
einen wirksamen und koordinierten Einsatz der knappen Mittel ergeben. Gerade
im überbauten Gebiet ist es aber auch
Höhere Kaderausbildung
nicht zielführend, mit mechanisierten Mitteln Aufklärung zu betreiben. Einerseits
sind sich bewegende mechanisierte Mittel leicht erkennbar, andererseits dürften
irreguläre Kräfte und gegnerische Sonderoperationskräfte damit auch nur schwer erkannt werden. Umso wichtiger ist die enge
Kooperation von infanteristischen Aufklärungsmitteln, insbesondere Patrouillen,
mit den zivilen Polizeikräften.
Der hybride Charakter der Bedrohung
erschwert nicht nur die Aufklärung. Das
Bestreben des Gegners, so lange wie möglich unterhalb der Kriegsschwelle zu agieren und damit unsere Mittel abzunützen
sowie die Kampfmoral zu zersetzen, stellt
besonders hohe Anforderungen an die
Führung. Unser Ziel muss es deshalb sein,
durch Eigenschutz die Kampfkraft hoch
zu halten, durch physische Präsenz, in Zusammenarbeit mit den zivilen Kräften,
stabilisierend zu wirken und durch eine
flexible Grundaufstellung den raschen
Übergang zur Kampfführung sicherzustellen.
Was heisst das
für die Ausbildung?
Erstens gilt es, den Blick für den Gesamtrahmen zu schärfen. Keine Ter Reg/
Div und keine Br kann den Kampf mit
Aussicht auf Erfolg selbständig führen.
Einerseits ist in der Wahl der Mittel und
Methoden immer wieder vor Augen zu
halten, dass es das ausschliessliche Ziel des
Truppeneinsatzes ist, günstige Voraussetzungen für das Weiterleben der Zivilbevölkerung und das Weiterfunktionieren von
Gesellschaft und Wirtschaft zu schaffen.
«Das gegnerische Handeln
ist stärker zu antizipieren.
Eine Lagefortschreibung
durch das FGG2 reicht nicht.»
Andererseits ist auf taktischer Stufe von
Anfang an in der Aktionsplanung zu berücksichtigen, welche Wirkung die Nachbartruppen und insbesondere die vorgesetzten Kommandostellen im Sinne des
gestaltenden Gefechtes zu erbringen vermögen. Die taktischen Kommandanten
können direkt oder indirekt von Aufklärungs- und Feuerunterstützungsverbänden, von Logistik- und Führungsunter-
Stabsarbeit in der U NEPTUN im KombiLehrgang der Gst Schule.
Bild: Gst Schule
stützungsverbänden profitieren. Gleichzeitig müssen sie aber auch die Wirkung
der Luftwaffe, der Sonderoperationskräfte und der Verbände der elektronischen
Kriegführung optimal nutzen.
Zweitens ist das gegnerische Handeln
stärker zu antizipieren. Eine Lagefortschreibung durch das Führungsgrundgebiet Nachrichten (FGG2) im Stab reicht
nicht. Dem Kommandanten sind mögliche gegnerische Aktionen frühzeitig aufzuzeigen, so dass die notwendige Eventualplanung zeitgerecht veranlasst werden
kann. Bei der Erarbeitung gegnerischer Varianten ist das uns inhärente menschenfreundliche Denken durch eine gehörige
Portion Brutalität und Hinterhältigkeit
zu ergänzen, ohne dabei die Regeln des
Kriegsvölkerrechtes zu ritzen. Wer aber zu
harmlos denkt, wer nur das Lehrbuch des
mechanisierten Angriffs anwendet, wird
die hybriden, gegnerischen Methoden
nicht ansatzweise richtig erkennen.
Drittens muss die Flexibilität geschult
werden. Selbst die beste NachrichtendienstZelle (G2-Zelle) wird die gegnerischen
Varianten nicht immer rechtzeitig und
richtig erkennen. Dispositive und Methoden müssen deshalb rasch angepasst und
Schwergewichte verlegt werden. Flexibilität kann bereits in der Aktionsplanung
geschaffen werden. Flexibilität ist aber
nicht nur eine materielle, sondern vor allem auch eine intellektuelle Fähigkeit. Das
Schwergewicht der Ausbildung muss des-
halb wieder vermehrt auf die Lageverfolgung, statt auf die Aktionsplanung verlegt werden. Übungen auf Gegenseitigkeit, insbesondere auch in der Form von
Stabsübungen, können dabei besonders
wertvoll sein, indem jede Partei den Willen hat, zu gewinnen und somit Mittel
und Methoden erarbeiten wird, mit dem
sie die Gegenpartei aushebeln kann.
Viertens muss der Schritt von der Form
zu den Inhalten geschafft werden. Selbstverständlich sind in jeder Stabs- und Truppenübung die Führungstätigkeiten und
die Stabsarbeit im Sinne des Handwerks
zu schulen. Das alleine reicht aber nicht.
Es ist das Richtige richtig zu trainieren.
Deshalb muss am Schluss jeder Übung
die Frage beantwortet werden, ob der Auftrag erfüllt wurde und ob die dabei erlittenen personellen und materiellen Verluste tragbar sind.
■
1 Regl 51.020 TF XXI, Ziff 847.
2 http://www.nzz.ch/schweiz/neu-vermesseneagglomerationen-1.18447541
3 Regl 51.020 TF XXI, Ziff 848.
4 Vetsch Matthias, Artillerieeinsatz in der modernen Schweiz von heute?, in: ASMZ 08/2013, 30.
5 Regl 51.020 TF XXI, Ziff 850 - 852.
6 BWIS, Art. 4
7 BV, Art. 52, 173, lit. b und 185, Abs. 2
Brigadier
Daniel Lätsch
Kdt Generalstabsschule
6000 Luzern 30
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
45
Internationale Nachrichten
Frankreich/Italien
Update der
ASTER Flugabwehrrakete
Die als «Anti-Alles-Rakete»
geltende Flugabwehrrakete
ASTER 30 aus europäischer
Koproduktion von THALES
und MBDA Missile Systems,
wird bis 2023 unter dem Projektnamen ASTER 30 Block
1 NT generalüberholt. An
der jährlichen Rüstungsmesse
EUROSATORY haben am
14. Juni der französische Verteidigungsminister Jean-Yves
Le Drian und seine italienische Amtskollegin Roberta
Pinotti ein entsprechendes
Übereinkommen in Paris unterzeichnet. Damit wird die
Reichweite der Rakete von
derzeit ca. 100 km auf etwa
ASTER 30 SAMP/T Werfersystem beim Abschuss.
1000 km vergrössert. Dereinst
vom landgestützten Werfer
des Typs SAMP/T oder auch
schiffsbasiert, soll die Rakete
unter anderem ihren Teil zum
NATO-Schutzschild gegen
die ballistische Raketenbedrohung beitragen. Das mache
das System gemäss dem CEO
der MBDA, Antoine Bouvier
zum anspruchsvollsten (europäischen) taktischen Raketenabwehrprogramm. Damit wird
ASTER zu einem noch universelleren mobilen Flugabwehrsystem, welches einzeln oder
Bild: MBDA Missile Systems
im Verbund (im Abwehrnetzwerk mit weiteren Systemen
oder Radarstationen) zum
Schutz von kritischer Infrastruktur oder ganzen Truppenkörpern gegen alle Arten von
Raketen und Flugkörpern eingesetzt werden kann.
Russland
Konsolidierung
des Status Quo
Um seine Kampffähigkeit
aufrecht zu erhalten, wird Russland dieses Jahr insgesamt etwa
2000 Manöver durchführen.
Verteidigungsminister Sergei
Shoigu erklärte anfangs Juni,
dass für all diese Übungen
die in Syrien gemachten Erkenntnisse direkt in die Ausbildung und das Training der
taktischen Kampfverbände
einfliessen werden. Trotz der
vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen müsste (gerade deshalb) weiter aufgerüstet werden. So werden Aufklärungs- und Sonderoperationseinheiten mit dem neuen
minengeschützten TAIFUN
6×6 Fahrzeug aus den Werkstätten von Ural und KaMAZ
beliefert. Ebenfalls wurde mit
der Auslieferung des sechsten und letzten U-Boots der
Kilo-Klasse die konventionelle Schlagkraft der Pazifikflotte sichergestellt. Auch für
den Luftpolizeidienst über der
baltischen See hält Shoigu neue
Anordnungen bereit: ein mass-
46
geschneidertes System an vertrauensbildenden Massnahmen
soll die Flugsicherheit verbessern. Denn, die NATO wirft
den Russen regelmässige Luftraumverletzungen, das Ausschalten der Transponder sowie gefährliche Flugmanöver
(wie zuletzt im April der 15
Meter Vorbeiflug einer SU-24
am Raketenzerstörer USS Donald Cook) vor. Im Gegenzug
erklärte Vladimir Putin vor
dem Russland-NATO-Gipfel
Mitte Juli, dass NATO-Flug-
zeuge etwa doppelt so oft ohne
Transponder über russischem
Gebiet fliegen würden. Doch
zuvor wurde er via seinem Verteidigungsminister konkret
und befahl nach einer einmonatigen Inspektion der Baltischen Flotte, diese einerseits
mit einem zusätzlichen Armeekorps zu verstärken und andererseits deren Kommandant
Admiral Viktor Kravchuk mitsamt Stabschef und 50 weiteren Offizieren seinem Kommando zu entheben. Neuer
General Shoigu (Mitte) auf Truppenbesuch in Syrien.
Bild: Russisches Verteidigungsministerium
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Kommandeur der Baltischen
Flotte ist der gebürtige Ukrainer Admiral Sergey Yeliseyev.
Dieser lief 2014 im Zuge der
Krim-Annexion zu Russland
über und ist seither in seiner
Heimat wegen Landesverrat,
Fahnenflucht und weiteren
Delikten zur Verhaftung ausgeschrieben. Russland konnte
seinen Einfluss auch in der
Arktis konsolidieren, die Militärbasen in Novaya Zemlya
und Severnaya Zemlya sowie
Franz-Josef-Land und auf der
Wrangel Insel sind fertiggestellt und werden bis Ende
Jahr der Truppe übergeben.
Und nach einem unangekündigten Besuch in Damaskus
beim syrischen Präsidenten Assad Mitte Juni, versprach Shoigu weitere Verstärkung. Um die
militärische Zusammenarbeit
und den gemeinsamen Kampf
gegen terroristische Gruppierungen zu intensivieren, so der
Sprecher des Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor
Konashenkov, wird Russland
die Admiral Kuzetnov (grösster
Flugzeugträger) bis Herbst ins
östliche Mittelmeer verlegen.
Internationale Nachrichten
Vereinigtes Königreich
BREXIT und seine
Sicherheitspolitischen
Konsequenzen
Nach dem demokratischen
Entscheid die EU zu verlassen,
könnte auch die kontinentaleuropäische Sicherheitspolitik
in Mitleidenschaft geraten. Bereits warnte NATO-Generalsekretär Stoltenberg, dass die
Rolle Grossbritanniens in der
Terrorismusabwehr innerhalb
der EU äusserst wichtig sei und
nach dem BREXIT in Frage
gestellt ist.
Fast alle europäischen Rüstungsunternehmen fuhren in
den Tagen vor und nach dem
Referendum massive Verluste
ein, welche teilweise wieder
kompensiert werden konnten.
Multinationale Waffenschmieden wie AIRBUS (A-400M),
BAE Systems (schottische
Schiffswerften), Finmeccanica/
Leonardo (Agusta Westland),
uvm. fürchten einen Dominoeffekt auf den gesamten
Sektor. Dabei geht es um die
britischen Ambitionen in Afghanistan und im Kampf gegen den Islamischen Staat,
aber auch die Rolle der EU in
einem durch Russland geprägten sicherheitspolitisch ungewissen Umfeld. Als einziges europäisches Land im «Five Eyes»
Kollektiv (die nachrichtendienstliche Allianz von USA,
Kanada, Neuseeland, Australien und dem Vereinigten Königsreich) wusste London um
die Ab- und Ansichten der
Israel
Amerikaner Bescheid. Damit
verfügte die angelsächsische
Welt auch über direkten Einfluss in Europa. Nicht erstaunlich, dass bereits am Tag nach
dem BREXIT massive Aufrüstungspläne aus Deutschland
zu vernehmen waren.
Insofern scheint es möglich, dass die EU ihre militärischen Ambitionen neu, und
damit eigenständiger definieren könnte. Wie sich die Briten in einem solchen (neuen)
Machtgefüge zurecht finden,
ist derzeit nicht absehbar.
Aber, während die nukleare
Abschreckung der Briten in
Schottland ankert, nämlich
die derzeit unter Generalerneuerung stehende königliche Atom-U-Bootflotte, ist
es fraglich, ob diese Stationierung nach einem möglichen
Ausscheiden der Schotten aufrechterhalten bleibt. So basiert
die gesamte britische sicherheitspolitische Strategie auf
dem 2015 verfassten, knapp
30 Mia. Pfund an Investitionen umfassenden «Strategischen Verteidungs- und Sicherheitsbericht» und damit
auf dem Status quo ante. Den
nachhaltigsten Effekt auf die
Rüstungspolitik wird aber
wohl der Verfall des Pfund
Sterlings haben. Denn sollte es
zu einer (von Finanzexperten
angekündigten) Langzeit-Rezession kommen, werden automatisch weniger Mittel für
die Verteidigung des Königreichs bereit stehen.
Massgeschneiderte
F-35I
Mitte Juni wurde in Fort
Worth, Texas der erste F-35
LIGHTNING II der Israelischen Luftwaffe (IAF) der Öffentlichkeit präsentiert. Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman meinte schlicht: Israel sei stolz darauf, das erste Land in der Region zu sein, welches den F-35
erhält. Es sei das beste Flugzeug überhaupt und die erste
Wahl der militärischen Führung. Damit, so Lieberman, ist
es nun für den gesamten Nahen Osten klar, dass Israel seine
Abschreckungsfähigkeit auch
längerfristig aufrechterhalten
kann. Derzeit spricht man von
einem zehn Jahre garantierten
Exklusivmonopol für Israel.
Als erstes nicht NATO-Land
beschafft es 33 Exemplare (mit
antizipierten Folgeaufträgen
bis 75 Stück), welche bis 2021
ausgeliefert werden sollen. Der
IAF Stabschef, Brigadegeneral
Tal Kelman, äusserte sich ebenfalls durchwegs positiv über
seine neue Flotte, fügte aber
hinzu, dass dem F-35I ADIR
(hebr. für «mächtig, machtvoll») genannten Flugzeug eigene Cyberabwehrkapazitäten
eingebaut werden. Der Produzent Lockheed Martin nimmt
darüber hinaus in Kauf, dass
sämtliche kritischen Arbeiten
am neuen Jet durch israelische
Rüstungsunternehmen ausgeführt werden. Das dem F-35
eigene «Autonomic Logistics
Information System» wird einem einheimischen Produkt
weichen. Auch wird Israel Aerospace Industries eine eigene
Command and Control Software einbauen. Gepaart mit
von Rafael gelieferten Spice1000 Präzisionsbomben steht
der IAF also ein Tarnkappenjet zur Verfügung, der 500 kg
Bomben bis 60 Meilen vom
Abschusspunkt entfernt ins
Ziel bringen wird.
Israelischer Verteidigungsminister im Cockpit. Bild: Lockheed Martin
Deutschland
Bundeswehr mit sich
selbst beschäftigt
Wie berichtet, sind die deutschen AIRBUS A-400M Maschinen von massiven Problemen betroffen. Zwar bestätigte sich nicht, dass die Luftwaffe aus dem A-400-Debakel
ganz aussteigen wird. Jedoch
ist unterdessen klar, auch die
deutschen Maschinen sind von
Triebwerksschäden betroffen.
Zwei der drei bereits ausgelieferten Transportflugzeuge wurden infolge Abnutzungen in
der «Propeller Gear Box» gegroundet. Konkret bedeutet
dies, dass der einzige verbleibende Flieger infolge des nun
nochmals verkürzten Wartungsintervalles auf aussereuro-
päische Flüge verzichten muss
und es mittlerweile völlig offen
ist, wie viele weitere Flugzeuge
noch ausgeliefert werden können. Nebst all den weiteren
rüstungs- und budgetbedingten Rückschlägen wird mittlerweile aber auch am «Prinzip
der Inneren Führung» gerüttelt. Die als Antwort auf den
Kadavergehorsam der Nazizeit
hervorgegangene Umsetzung
und Einbettung der im Grundgesetzbuch verankerten Menschenwürde, Gleichheit und
demokratischen Grundwerte
im Dienstalltag (in der Bundeswehr «Innere Führung» genannt) sei offenbar zum Lippenbekenntnis degeneriert.
Der Bürger in Uniform als Soldat humanistischer und auf-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
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Internationale Nachrichten
klärerischer Prägung, streng
nach dem Modell von General Wolf Graf von Baudissin,
hat offenbar bemerkt, dass
kritisches Denken der Karriere schadet. Der ehemalige
(deutsche) Oberbefehlshaber
des NATO Allied Joint Force
Command in Brunsum, General a. D. Egon Ramms, stellt
ernüchternd fest, dass über
die Hälfte der Generalstabsoffziersanwärter «Ja-Sager» wären. Er meinte, dass «Offiziere
als militärische Ratgeber die
Pflicht hätten, auch mal unliebsame Tatbestände bei ihren
Vorgesetzten anzusprechen.
Aber weil darunter die Laufbahn leidet, passiert das kaum
noch». Ramms hält sich dabei
kurz und fasst damit zusammen, dass hier ganz einfach die
falschen Leute gefördert werden. Diese Entwicklung steht
diametral entgegen dem Sinn
der Inneren Führung und spült
letztendlich die falschen, charakterschwachen und ungeeigneten Personen nach oben,
so der General. Kombiniert
mit Politikverdrossenheit und
Misstrauen gegenüber den
militärischen und politischen
Führern führe dies dazu, dass
sich Offiziere nur noch um ihre
Karriere kümmern, Entscheide
aussitzen und vor allem keine
Verantwortung mehr übernehmen würden, so ein anonym
bleibender Offizier. Generalleutnant a. D. Rainer Glatz,
ehemaliger Kommandeur des
Einsatzführungskommandos
für Auslandsmissionen fügt
dem dann noch hinzu, wenn
er meint, dass es heute kaum
mehr Generäle gäbe, welche
sich in der Öffentlichkeit
selbstbewusst gegenüber der
Politik behaupten und die
engen Grenzen des militärischen Handelns aufzeigen
würden. Da hilft es auch wenig, wenn Bundeskanzlerin
Merkel meldet, die Bundeswehr nun doch noch aufzurüsten und den Wehrhaushalt
NATO-kompatibel zu gestalten. Das heisst, bis 2020 sollen
Mehrausgaben von vorerst derzeit 34,3 auf 39,2 Mia. Euro
ergehen. Um danach von derzeit 1,2% auf die vorgeschriebenen 2% des BIP aufzustocken, wären dann aber zusätzlich noch ca. 60 Mia. Euro
(pro Jahr) nötig.
USA
Widerstand
gegen den
Überwachungsstaat
In den USA soll es Strafverfolgern künftig deutlich leichter gemacht werden, Computer aus der Ferne zu hacken
und zu überwachen. Eine entsprechende Regeländerung ist
bereits auf den Weg. Doch Widerstand formiert sich.
Es geht um die Änderung
der «Rule 41» der sogenannten Federal Rules of Criminal
Procedure. Das sind die Regeln, wie in den USA straf-
rechtliche Verfolgungen abgewickelt werden. Bei der kritisierten Änderung geht es demnach darum, Bundesbezirksrichtern zu erlauben, Durchsuchungsbefehle für Computer anzuordnen, die nicht in
ihrem Zuständigkeitsgebiet
stehen.
Der oberste Gerichtshof der
USA hat eine Änderung der
«Regel 41» abgesegnet, mit der
Richter den Fernzugriff auf
Computer erlauben können,
auch wenn nicht klar ist, wo
diese stehen. Das kann etwa
bei der Benutzung des Ano-
nymisierungsdienstes Tor der
Fall sein oder wenn Nutzer über
einen VPN-Dienst ins Internet
gehen, um ihren Standort zu
verschleiern.Weiterhin können
Richter Strafverfolgern erlauben, Computer zu hacken, die
Teil eines Botnetzes sind. Damit könnten Hunderte oder
Tausende Rechner durch den
Beschluss eines einzigen Richters für staatlich sanktioniertes Hacking freigegeben werden.
Die Regeländerung liegt nun
dem US-Kongress vor und tritt
automatisch in Kraft, sollte die-
ser keinen Widerspruch einlegen. Eine Gruppe von Senatoren beider Parteien hat aber genau zu diesem Zweck ein Gesetz eingebracht. Ob es verabschiedet wird, ist unklar, denn
in beiden Parteien bestehen
Differenzen in Fragen der intrusiven Staatsüberwachung.
Unterstützt werden sie jedoch
bereits von einer breiten Gruppe aus Bürgerrechtlern und ITUnternehmen. Dazu gehören
etwa Google, PayPal, die American Civil Liberties Union und
die Electronic Frontier Foundation.
USA – Saudi Arabien
Nach langer Abwesenheit
fand wieder einmal ein hochrangiger Besuch Saudi Arabiens in den USA statt. Für
viele nichtsaudische Kommentatoren schien das interessanteste Faktum zu sein, dass es
eben der Vizekronprinz und
nicht der Kronprinz war, der
die ausführliche Tour absolvierte und auch von Präsident Barack Obama empfangen wurde. Prompt wurde berichtet, der Kronprinz, Mohammed bin Nayef, sei dem
Tode nah. Die Gerüchte, dass
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Bild: Wikimedia
USA empfangen
saudischen Superprinzen
US-Aussenminister John Kerry und Mohammed bin Salman.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
es mit seiner Gesundheit nicht
zum besten steht, gibt es schon
länger.
Wer ist nun dieses Wunderkind aus dem Hause Ibn
Saud? Vizekronprinz Mohammed bin Salman ist der neue
starke Mann: Nummer zwei
in der Thronfolge. Zudem ist
er Verteidigungsminister. Als
Vorsitzender des Wirtschaftsund Entwicklungsrats ist er
auch für die «Vision 2030»,
die Saudi Arabien ökonomisch
auf ganz neue Beine stellen
soll, verantwortlich. Und Vizepremier ist er auch noch.
Der gerade mal 30-jährige
Mohammed bin Salman hat
Internationale Nachrichten
in den eineinhalb Jahren, die
sein Vater regiert, viel Macht
angesammelt. Als Verteidigungsminister kontrolliert er
Milliardengeschäfte, den Krieg
im Jemen und die neue «AntiTerror-Allianz», die mehr an
die Adresse des Iran als die
der sunnitischen Jihadisten
weltweit gerichtet ist. Vor allem hat er jedoch das Ohr
seines gesundheitlich schwachen Vaters und das Sagen bei
Hof.
Mohammed bin Salman ist
heute vielleicht der von US-Experten am meisten beobachtete Politiker in Nahost. Das
hat aber noch weitere Gründe, denn bis zu seinem Aufstieg zum Vizekronprinzen war
er ein völlig unbeschriebenes
Blatt. Anders als alle anderen
hochrangigen saudischen Prinzen verfügt er über so gut wie
keine Auslandserfahrung, etwa
im Rahmen eines Studiums.
Der US-Besuch diente nun
zum gegenseitigen Kennenlernen – es ist ja nicht auszuschliessen, dass der Superprinz
bald einmal auf dem Thron
landet.
Doch sein impulsiver Stil
stösst nicht überall auf Gegenliebe. In Saudi Arabien verübeln ihm die Menschen eher,
dass das ihm zugeschriebene
Ölpreis-Dumping zu einem
Budgetloch und Sparmassnahmen geführt hat. Die Beziehungen zwischen den USA
und Saudi Arabien waren zuletzt auch schwierig. Riad fühlt
sich von Washington mehrfach
im Stich gelassen: durch die
US-Zurückhaltung im SyrienKrieg, wo die Saudis auf den
schnellen Sturz des Assad-Regimes setzten, und noch mehr
durch den Atom-Deal mit dem
Iran und dessen Rückkehr in
das internationale Wirtschaftsgeschehen. Zuletzt gab es auch
saudischen Ärger über eine
Kongress-Gesetzesvorlage, die
US-Gerichten erlauben würde, Saudi Arabien wegen einer
immer wieder vermuteten Verwicklung von Offiziellen in die
Anschläge von 9/11 zu verfolgen.
Neuseeland
Interesse an Antarktis
Die Regierung von Neuseeland hat das sogenannte Verteidigungs-Weissbuch, die Gesetzesvorlage für den Verteidigungsetat für die nächsten 15
Jahre vorgelegt, der 14 Milliarden US-Dollar betragen
soll. Wie der neuseeländische
Verteidigungsminister Gerry
Brownlee sagte, sollen die im
Entwurf vorgesehenen Massnahmen den Streitkräften des
Landes ermöglichen, ihre Herausforderungen im Bereich
Verteidigung und Sicherheit
bis zum Jahr 2040 erfolgreich
zu meistern.
Unter diesen Massnahmen
seien «neue kybernetische
Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der Informationsnetzwerke der neuseeländischen Armee sowie die
Eisverstärkung der Patrouil-
lenschiffe und Kriegstanker,
weil wir darauf aus sind, unsere Interessen in der Antarktis zu erweitern», so Brownlee.
Ausserdem will die Regierung in den Bau von Schiffen
für küstennahe Gefechtsführung, die Verbesserung der
Luftraumüberwachung in der
Heimat und in Übersee, die
Entwicklung von Systemen
zur Cyber-Sicherheit von Verteidigungsnetzwerken, Plattformen und einzelnen Menschen sowie in den Ausbau des
Aufklärungspersonals investieren.
Das vorangegangene Weissbuch war 2010 erschienen, die
veränderte internationale Lage
erforderte aber die Ausarbeitung einer neuen Version. Bis
2030 sollen die Verteidigungsausgaben ein Prozent des
Bruttoinlandsprodukts ausmachen.
Kolumbien
Anti-Farc-Demo.
Friedensabkommen
zwischen Regierung
und Guerilla
Etwa ein Achtel Kolumbiens
ist noch in der Hand der Fuerzas Armadas Revolucionarias
de Colombia (Farc). Die marxistisch-inspirierte Guerilla
steht seit den 1960er Jahren
im Bürgerkrieg gegen die offizielle Regierung des Landes.
Im Juni 2016 wurden Waffenstillstand und Friede vereinbart. Um den historischen Moment zu markieren, reisten viele Staatsoberhäupter und auch
der UN-Generalsekretär zur
offiziellen Zeremonie an.
Nach dreieinhalb Jahren
Verhandlungen soll der Friedensvertrag zwischen den Konfliktparteien so schnell wie
möglich unter Dach und Fach
gebracht werden. Der bilaterale und definitive Waffenstillstand und die darin implizierte Entwaffnung und
Demobilisierung der Guerilla sind für die Befriedung
ganz Südamerikas wichtig.
Doch das letzte Wort hat das
kolumbianische Volk, das über
dieses Abkommen abstimmen
muss.
Um die Farc zu entwaffnen,
soll die bis zu 7000 Kämpfer
zählende Guerilla in 23 sogenannten Übergangszonen und
8 Camps konzentriert werden.
Dort findet die Wiederein-
Flick Bild von xmascarol
gliederung der Kämpfer statt.
Die Entwaffnung soll innert
maximal 180 Tagen nach der
Unterzeichnung des Friedensvertrags abgeschlossen sein.
Sie wird unter der Aufsicht
der beiden Konfliktparteien
sowie der UNO stattfinden,
welche die Waffen konfiszieren wird.
Auch der Kampf gegen kriminelle Organisationen, die
sich das entstehende Vakuum
in den einst durch die Farc
kontrollierten Regionen zunutze machen wollen, darf
nicht ausser Acht gelassen werden. Sie könnten den Prozess
und damit den Frieden gefährden.
Lokale Sicherheitsexperten
sind überwiegend optimistisch, dass die Umsetzung des
Abkommens gelingen sollte.
Einige Zweifel bestehen trotzdem: Es ist nicht sicher, ob
es nicht zu Bildung von FarcSplittergruppen kommt, welche weiterhin kämpfen wollen. Ebenfalls möglich ist, dass
solche Splittergruppen von
Venezuela oder von kriminellen Vereinigungen finanziert
werden. Zudem besteht die
Chance, dass das kolumbianische Volk sich gegen den Waffenstillstand und für eine härtere Gangart mit der Farc prononciert.
Pascal Kohler,
Henrique Schneider
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
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Wirtschaftsnotiz
Museum Burg Zug:
Sonderausstellung 14/18
Der Erste Weltkrieg erschütterte die Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ihren Grundfesten. Als
neutraler Staat blieb die Schweiz
von kriegerischen Auseinandersetzungen zwar verschont, die Folgen
des Krieges auf die politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse waren aber enorm.
Die vom Verein «Die Schweiz
im Ersten Weltkrieg» konzipierte
Wanderausstellung «14/18 – Die
Schweiz und der Grosse Krieg»
zeigt diese zunehmende Erschütterung in den Bereichen Politik,
Wirtschaft, Gesellschaft und Militär. Eingebettet in die Wanderausstellung behandelt das Museum Burg Zug spezifische Zentralschweizer Themen. Der Blick nach
Zug, Luzern, Schwyz, Uri, Ob- und
Nidwalden verdeutlicht, dass die
Zentralschweiz geographisch zwar
fernab des Krieges lag, sich von den
Auswirkungen her aber doch mittendrin befand.
Museum Burg Zug
Kirchenstrasse 11
6300 Zug
Telefon 041 728 29 70
www.burgzug.ch
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Sicherheit Schweiz
Berghilfe-Projekt
Nr.8960:
Neuer Barfussweg
sorgt für
mehr Touristen.
Die Schweizer Berghilfe unterstützt Projekte von Einzelpersonen und Gemeinschaften, wenn diese
ihre Existenz aus eigener Kraft nicht mehr sichern können. So verbessert sie die harten Lebens- und
Arbeitsbedingungen von Menschen in Berggebieten. Mit einer Spende an die Schweizer Berghilfe
kann die Zukunft aktiv mitgestaltet und das Leben in den Bergen erhalten werden. Mehr Informationen
unter www.berghilfe.ch, Spenden-Postkonto 80-32443-2
50
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Vermischtes
Integrale Sicherheit im VBS und der Armee in der Verantwortung
des Generalsekretariats VBS
Der Bundesrat setzt per
1. Juli 2016 eine Änderung
der Organisationsverordnung
für das VBS in Kraft. Die Thematik der Integralen Sicherheit im VBS und der Armee
erhält einen noch höheren Stel-
lenwert. Damit die erhöhten
Anforderungen an die Sicherheit erfüllt werden können,
wird die bisher im Armeestab
integrierte Abteilung Informations- und Objektsicherheit
(lOS) umstrukturiert und ins
Generalsekretariat VBS (GSVBS) transferiert. Die IOS
wird direkt der Generalsekretärin VBS unterstellt. Die IOS
ist als Teil des GS-VBS verantwortlich für das Sicherheitsmanagement des VBS und der
Armee und führt die Fachstelle Personensicherheitsprüfung
im VBS sowie die Koordinationsstelle für den Informationsschutz im Bund.
dk
Kontrollschiessen mit Stinger-Lenkwaffen
1994 beschaffte die Schweizer Armee die schultergestützte Boden-Luft-Lenkwaffe Stinger. Im Rahmen der technischen Überwachung des Systems und der eingelagerten
Munition werden regelmässige Kontrollschiessen durch-
geführt. Bereits zum vierten
Mal überprüfte die Schweizer
Armee im Rahmen eines technischen Munitionsüberwachungsschiessen ihre StingerLenkwaffen auf ihre Funktionstüchtigkeit. Das letzte Kontrollschiessen fand 2012 statt.
Für die Durchführung technischer Kontrollschiessen ist
ein weiträumig absperrbarer
Lenkwaffen-Schiessplatz mit
spezifischer Infrastruktur nötig. Da in der Schweiz eine
derartige Infrastruktur nicht
vorhanden ist, muss für das
Kontrollschiessen auf einen
Versuchsschiessplatz im Ausland ausgewichen werden. Der
Schiessplatz in Sile, Türkei, der
auch von anderen europäischen
Staaten genutzt wird, bietet
die für ein solches Schiessen
nötigen Voraussetzungen. dk
Generalversammlung der OG Winterthur und Umgebung
Rund 60 Mitglieder und
Gäste folgten Mitte Juni der
Einladung der Offiziersgesellschaft Winterthur und Umgebung auf die Kyburg an die
210. Generalversammlung. Der
Präsident, Fach Of (Hptm)
Marc Boesch, konnte auf ein
erfolgreiches Jahr mit gut besuchten Anlässen zurückblicken. 17 Neumitglieder sind
2015 der Offiziersgesellschaft
beigetreten. Per Akklamation
wurden in der Gesamterneuerungswahl der Präsident und
alle bisherigen Vorstandsmitglieder bestätigt. Unter Applaus
und mit dem besten Dank für
die geleistete Arbeit wurden
Oblt Jan Baumgartner und
Oblt Remo Fedi aus dem Vorstand und Hptm Walter Nydegger als Revisor verabschiedet.
Neu in den Vorstand wählten
die versammelten Mitglieder
Hptm Thomas Gross. Oblt Lukas Klöti ersetzt Hptm Walter
Nydegger als Revisor.
Das Referat im Anschluss an
den statutarischen Teil der Versammlung hielt Div Claude
Meier, Chef des Armeestabes. Er stellte die Organisation und Aufgaben des für
die Zukunftsplanung entscheidenden Stabes vor und be-
tonte die Notwendigkeit der
Weiterentwicklung der Armee
(WEA). Damit verbunden seien die Erhöhung der Bereitschaft, eine verbesserte Kaderausbildung, die Vollausrüstung der Einsatzverbände und
eine Regionalisierung mit einer Stärkung der Territorialdivisionen.
dk
www.ogw.ch
Schützenpanzer Lynx an der Eurosatory 2016
Auf der Eurosatory 2016
stellte Rheinmetall der Weltöffentlichkeit erstmals seinen
neuen Schützenpanzer Lynx
vor. Das feuerstarke, hochgeschützte und agile Kettenfahrzeug trägt zur Überlegenheit
auf dem Gefechtsfeld bei und
eignet sich für alle Operationsarten – von der friedensstabilisierenden Mission bis
hin zum hochintensiven Gefecht. Er zeichnet sich durch
vier Kernfähigkeiten aus: Feuerkraft, Schutz, Führbarkeit
und Beweglichkeit.
Feuerkraft: Der Lynx ist mit
Rheinmetalls LANCE-Turm
ausgestattet und verfügt als
Hauptbewaffnung über eine
stabilisierte fremdangetriebene und luftsprengpunktfähige
Maschinenkanone wahlweise
im Kaliber 30mm oder 35mm.
Damit kann der Lynx Ziele mit
hoher Präzision und Wirkung
auf bis zu 3000 Meter bekämpfen – auch aus der Bewegung.
Ebenso lassen sich Panzerabwehrlenkflugkörper und eine
mit der Hauptoptik verbundene sekundäre Waffenstation
(Main Sensor Slaved Armament/MSSA) einrüsten. Hierdurch verfügt der Lynx nicht
nur über eine Hunter-Killer,
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
51
Vermischtes
sondern auch über eine KillerKiller-Fähigkeit, da Kommandant und Richtschütze unabhängig voneinander beobachten und kämpfen können.
Schutz: Sowohl die Fahrzeugarchitektur mit dem im
Bug liegenden Dieselaggregat
als auch das modulare Panzerungskonzept bieten ein hohes
Schutzniveau. Die ballistische
Panzerung schützt gegen Panzerabwehrwaffen, Mittelkalibermunition, Artilleriesplit-
ter, IED und Bomblets. Die
gesamte Besatzung ist zudem
durch Spall-Liner im Inneren
geschützt. Minen- und IEDSchutzpakete, entkoppelte Sitze sowie das optional einzurüstende aktive Hardkill-Schutzsystem Active Defense System
(ADS) erhöhen die Überlebensfähigkeit zusätzlich.
Führbarkeit: Sowohl Kommandanten als auch Richtschützen steht mit dem Stabilisierten Elektrooptischen
Sichtsystem (Stabilized Electro Optical Sight System/
SEOSS) eine stabilisierte digitale TV- und IR-Optik mit
integriertem Laserentfernungsmesser und Feuerleitrechner zur
Verfügung. Die Besatzung hat
zudem über Displays sowohl
bei Tag als auch bei Nacht aus
dem Kampfraum heraus eine
nahtlose 360-Grad-Rundumsicht. Rheinmetalls Situational
Awareness System (SAS) mit
automatisierter Zielerkennung
und -verfolgung steigert die
Hunter-Killer-Fähigkeit und
senkt die Reaktionszeiten auf
ein Minimum. Aufkommende
Bedrohungen können schnell
mit Haupt- oder Zweitbewaffnung bekämpft werden. Laserwarnsensoren und das akustische Schützenlokalisierungssystem (ASLS) sind ebenfalls integriert. Ein Gefechtsführungssystem und eine Bordverständigungsanlage zur taktischen
Kommunikation ergänzen die
Echo aus der Leserschaft
ASMZ 06/2016: «Ein Nein zur WEA ist keine Option»
Der SOG-Präsident irrt sich!
In seinem Artikel stellt Oberst
i Gst Stefan Holenstein fest,
dass «die WEA nicht die perfekt
moderierte Lösung darstellen
mag», dass aber diese politische Entscheidung «bisweilen
auch zähneknirschend» durch
die Milizverbände zu akzeptieren sei. Der SOG-Präsident
irrt sich, die WEA ist nicht nur
«eine nicht perfekt moderierte
Lösung», sie ist eine Katastrophe.
Die Aufgabe einer Armee ist es,
sich auf den gefährlichsten Fall
vorzubereiten. Die Wahrscheinlichkeit der Bedrohung und der
Zeitfaktor spielen – weil nicht
zuverlässig beurteilbar – keine Rolle. Der militärisch gefährlichste Fall ist der Krieg.
Und genau für diesen Fall hat
die Schweizer Armee bereit zu
sein; gemäss dem ihr in der
Bundesverfassung gegebenen
Auftrag «sie verteidigt das
Land und seine Bevölkerung».
Die durch die WEA geschaffene Mini-Armee mit vier Territorial-Divisionen und nur zwei
Kampf-Brigaden kann aber diesen Auftrag nicht erfüllen!
Dies ist deshalb ein klarer Verfassungsbruch und nicht nur
«eine verlockende Argumentation der WEA-Gegner», wie Holenstein schreibt. Eine Armee
52
Der ASMZ ist jeder Leserbrief willkommen
Diskussionen dienen der Meinungsbildung und können
zur Objektivität beitragen.
Die beiden folgenden Einsendungen setzen sich mit dem
Statement des SOG-Präsidenten zur WEA auseinander
(ASMZ 06/2016). Sie erscheinen erst jetzt, weil sie länger
als reguläre Leserbriefe sind (ASMZ Policy: 1600 Zeichen
pro Leserbrief).
BOA
kann zudem im Ernstfall nicht
einfach so schnell aus dem Hut
gezaubert werden. Wir wissen
dies, weil wir es das letzte Mal
erlebt haben. Dieser Verteidigungsauftrag wird übrigens
(ausser von der GSoA) von niemandem in Frage gestellt.
Die Schweizer Bevölkerung hat
in den letzten 30 Jahren dreimal über die Abschaffung seiner Armee abgestimmt. Dreimal wurden die Initiativen der
GSoA wuchtig abgelehnt. 1989
mit 69%, 2001 mit 78% und
2013 mit 73% Nein-Stimmen
– dies in der Meinung, sie, die
Bevölkerung, würde dann bei
einem Ernstfall von ihrer Armee verteidigt. Auch darum
ist der Verteidigungsauftrag
verbindlich!
Holenstein meint auch, die
«WEA sei aus militärischen,
politischen, finanziellen und
gesellschaftlichen Gründen mit
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Abstand die beste Lösung».
Wieso ist er sich da so sicher?
Europäische Demokratien, die
wie die Schweiz auch nur eine
reine Defensiv-Armee unterhalten, geben jährlich die folgenden Prozentsätze des BIP
für die Verteidigung aus. Finnland 1,47%, Dänemark 1,41%,
Norwegen 1,4%, Deutschland
1,35%, Niederlande 1,2% und
Schweden 1,18%. Und die
Schweiz, eines der reichsten
Länder der Welt? 0,78%! Was
diese Staaten können, können
wir Schweizer auch!
Es ist für mich völlig ausgeschlossen und mit meinem Wissen und Gewissen als Offizier
unvereinbar, dass ich mich je
mit einer Gesetzesrevision zufrieden gebe, bei der die Armee ihren Verteidigungsauftrag,
also ihre raison d’être, nicht
erfüllt. Ich schlage deshalb vor,
dass wir Offiziere aktiv werden
und dass die SOG zusammen
mit der Pro Militia und auch der
Gruppe Giardino gemeinsam
mit einer Volksinitiative eine
kriegstaugliche Armee verlangt.
Konkret heisst dies, «eine Armee, die unsere Freiheit, unsere Unabhängigkeit und unser Volk verteidigen kann –
eine Armee von 200 000 Angehörigen und einem jährlichen
Verteidigungsbudget von 1,2%
des BIP» zu fordern. Ausgearbeitete Vorschläge für eine solche Armee liegen vor und es
ist nicht so, wie Holenstein
schreibt, «dass keine brauchbaren Lösungsvorschläge der
WEA-Gegner vorlägen».
Die erforderliche Anzahl von
100000 Unterschriften für eine
Initiative wäre mit Unterstützung der verschiedenen Offiziers- und Unteroffiziers-Organisation und der bürgerlichen
Parteien sicherlich in kurzer
Zeit beizubringen.
Die kleine Gruppe Giardino
hat für ihr (gescheitertes) Referendum allein 40 000 Unterschriften gesammelt. Natürlich wird es Stimmen geben,
die meinen, dieser Vorschlag
komme zu spät. Aber um sich
gegen ein drohendes Desaster zu wehren, ist es nie zu
spät.
Heinz Steuri
Oberst i Gst a D
Vermischtes
Ausstattung. Aufgrund des
bemannten Turmes kann der
Kommandant weiterhin «über
Luke» führen. Auch Richtschütze und Fahrer verfügen
über Luken, zudem können
zwei Soldaten aus dem hinteren Kampfraum ebenfalls über
eine Luke das Fahrzeugumfeld
beobachten.
Beweglichkeit: Lynx zeichnet
sich durch ein hervorragendes
Leistungsgewicht aus. Er kann
Steigungen von bis zu 60 Pro-
zent und seitliche Schrägen von
über 30 Grad meistern, Gräben
von bis zu 2,5 Metern überschreiten und Gewässer bis zu
einer Tiefe von 1,50 Metern
durchwaten. Weiterhin kann
er bis zu ein Meter hohe Hindernisse überklettern. Wahlweise lassen sich Gummi- oder
Leichtmetallketten verwenden.
Ein weiteres Kennzeichen
des Lynx ist seine Vielseitigkeit. So ist der Schützenpanzer Lynx in zwei Klassen ver-
fügbar: KF31 und KF41, wobei KF für «Kettenfahrzeug»
steht. Der auf der Eurosatory
vorgestellte Schützenpanzer
Lynx KF31 wiegt bis zu 38
Tonnen und bietet 3+6 Soldaten Platz. Lynx KF41 ist etwas
grösser und kann 3+8 Soldaten transportieren.
Beide Fahrzeugklassen –
Lynx 31 und Lynx 41 – lassen
sich auch für andere Einsatzzwecke konfigurieren: neben
dem Schützenpanzer auch
als Führungsfahrzeug (Command&Control), Spähpanzer
(Reconnaissance), Gefechtsschadensinstandsetzungsfahrzeug (Repair&Recovery) oder
Sanitätspanzer (Ambulance).
Die gesamte Lynx-Familie
zeichnet sich durch eine hohe
Teilegleichheit aus. Das macht
sich nicht nur bei der Logistik,
sondern auch bei der Ausbildung positiv bemerkbar. dk
www.rheinmetall.de
Glaubwürdige WEA?
Der SOG Präsident, Oberst i Gst
Stefan Holenstein spricht in seinem Artikel in der ASMZ 06/16
von zahlreichen Verbesserungsvorschlägen, welche in die WEA
eingeflossen seien. Armee, Bundesrat und Parlament hätten
sich in einem langen Prozess für
diese Variante entschieden. Da
äussert die SOG viel Selbstzufriedenheit, der Berg hat eine
Maus geboren! Die WEA sei dringend notwendig, «um die jeweils fortgepflanzten Mängel
aus den früheren Reformen und
namentlich in der aktuellen Armee XXI endlich zu beheben».
– Warum ist es den bisherigen
Armeereformen nicht gelungen,
diese Mängel zu beheben? Für
eine Mängelbehebung braucht
es keine Armeereform!
Vernachlässigungen
Die verantwortlichen Offiziere
hätten «zur Genüge gelernt, in
Varianten und Optionen zu denken und diese … gegeneinander
abzuwägen», so Holenstein. Da
ist die WEA wenig überzeugend
ausgefallen! Die sich verändernde geopolitische Lage und der
Sicherheitspolitische Bericht
2010 sind in die Armeereform
eingeflossen. Da ist in der Armee die Zeit stehen geblieben!
Mit der Rückweisung des Berichts 2015 durch den Schweizerischen Gewerbeverband (das
VBS ist kritikunfähig, so der Tenor) und die FDP wurde ersicht-
lich, dass die WEA in Frage gestellt werden muss.
WEA-Ziele hätten längst
erreicht werden müssen!
1. Vollständige Ausrüstung
2. Verbesserte Ausbildung
3. Verbesserte Bereitschaft (erneute Mobilisierungsfähigkeit)
4. Stärkung der regionalen Verankerung
Warum wird die Armee just im
Moment verkleinert, wo sich die
geopolitische Situation drastisch verschlechtert?
Fehlende Legitimation
Holenstein weist auf den langen politischen Prozess hin.
Wo bleibt der Souverän? Hat er
zu dieser signifikanten Bestandesreduktion der Armee nichts
zu sagen? Ist der Souverän im
Bilde, was in der Armee abläuft? Fühlt er sich nicht in falscher Sicherheit, was auch die
Resultate der publizierten Studie «Sicherheit 2016» der ETH
Zürich nahelegen?
Am 18. Mai 2003 hat das Volk in
einer Referendumsabstimmung
die «Armee XXI» gebilligt und
sich für 220000 Angehörige ausgesprochen. Nun soll mit der
WEA die Grösse der Armee auf
100 000 Aktive (ohne Reserve)
reduziert werden. Wie rechtfertigt sich damit die Wehrgerechtigkeit, welche die Bundesverfassung fordert? – Warum wurde
die Armee XXI im Bundesbüchlein 2003 von Bundesrat und Parlament als die «richtige» Armee
bezeichnet? Bei der Unterschriftensammlung für das Referendum zeigte sich, dass die Bürger über die Armee schlecht informiert sind, Ahnungslosigkeit
war festzustellen. Die SOG wollte dieses Referendum vereiteln,
warum? Wollte man den Bürger
ruhigstellen? Kann unter dieser
Prämisse von VBS und SOG gefordert werden, dass die Reihen
geschlossen werden? Ist dies im
Interesse einer glaubwürdigen
Sicherheitspolitik? Der «kleinste gemeinschaftliche Nenner»
kann der Konkordanzdemokratie nicht genügen!
Wenig Perspektiven
Präsident Holenstein hielt fest:
«Auch aus der Sicht der SOG mag
die WEA nicht die perfekt modulierte Lösung darstellen». Damit
bietet die SOG Hand für eine unausgegorene Lösung! Wie stellt
sie sich die Zukunft der Armee
vor? Eine weitere Armeereform
könnte nur eine weitere Reduktion der Truppenbestände
bedeuten. Der «Point of no return» ist erreicht! Alt Nationalrat Andreas Gross, Gründungsmitglied der «GSoA» hielt vor
einigen Jahren fest: «Die Armee
muss man nicht abschaffen, sie
schafft sich selbst ab». Gross
wird Recht erhalten.
Holenstein warnt vor einem «ge-
fährlichen Teufelskreis ohne
Ausweg». Darin befindet sich
die Armee seit der Reform Armee 95! Sie hat es nicht geschafft, ihren Auftrag zu definieren und die Kredite im Parlament durchzusetzen. Und die
WEA als vierte Reform innert
20 Jahren läuft Gefahr, auf halbem Wege stecken zu bleiben!
Warum wurden die Umbauten
der Armee seit den 1990er Jahren nicht umgesetzt und warum
soll dies nun mit der WEA gelingen? Die Glaubwürdigkeit der
Armee wird weiter geschwächt!
Dies wird sich bei Rüstungsinvestitionen zeigen, welche nicht
mit dem ordentlichen VBS-Budget bestritten werden können.
Das Parlament und auch der
Souverän werden sie als unnötig und zu teuer erachten. Aufgrund der weiter reduzierten Bestände ist die Armee nicht mehr
in der Bevölkerung verankert.
Dies wird sich bei einer Abstimmung über ein neues Kampfflugzeug zeigen, der Souverän
hat den Glauben an die Armee
verloren! Mit dem «Grounding»
der Luftwaffe ab dem Jahr 2025
muss gerechnet werden. – Der
SOG scheint der Kompass abhanden gekommen zu sein. Holenstein hat keine Argumente
für die WEA liefern können!
Beda Düggelin
Hauptmann und Bttr Kdt aD
lic. oec. HSG, 8006 Zürich
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
53
Vermischtes
Auszeichnung für SatellitenbildVertrieb
Das Bundesamt für Landestopografie swisstopo wurde an
der Partner-Konferenz von Airbus Defence & Space in Toulouse zum besten Lieferanten
von kurzfristig programmierten Satellitendaten für die Region Europa, Mittlerer Osten
und Afrika ausgezeichnet. Airbus Defence & Space gehört
weltweit zu den grössten Anbietern von Satellitenbildern.
Den Preis erhielt swisstopo als
erfolgreicher Vermittler von
sogenannten Instant Tasking
Bildern. Damit beziehen Kunden sehr kurzfristig angeforderte und auf ihre Bedürfnisse
zugeschnittene Satellitenbilder
einer beliebigen Region. Befehle zur Bildaufnahme können mit höchster Priorität we-
Echo aus der Leserschaft
nige Stunden vor dem Überflug direkt an den Satelliten gesendet werden.
Der National Point of Contact (NPOC) ist seit 35 Jahren
die zentrale Anlaufstelle in der
Schweiz für Satellitendaten
und davon abgeleiteten Produkten. Datenbezüger sind
die Fachstellen von Bund und
Kantonen, kommunale Behörden und Private. swisstopo ist
beim NPOC für den Datenvertrieb und technischen Support verantwortlich. Die wissenschaftliche Beratung ist an
der Abteilung Fernerkundung
am Geografischen Institut der
Universität Zürich angegliedert.
www.swisstopo.ch
Am 6. Juli ist unser ehemaliger Chefredaktor Dr.
Charles Ott im Alter von 89
Jahren verstorben. Damit ging
ein aktives und engagiertes
Leben in Familie, Wirtschaft,
Diplomatie, Armee und Militärfachpresse zu Ende. Als
passionierter Flieger machte
er nicht nur bei der Swissair,
sondern auch in unserer Luftwaffe als Militärpilot eine glänzende Karriere. Der welterfahrene und aufmerksame Beobachter Oberst i Gst Charles
Ott diente dem Land auch als
Verteidigungsattaché. Die Berufung zum Chefredaktor der
ASMZ 1993 war deshalb ein
Glücksfall für unsere Militärzeitschrift. Bis zu seinem
Rücktritt Ende 1999 leitete
er die ASMZ souverän durch
eine kritische Zeit des Umbruchs: Anti-Armee-Initiativen (Abschaffung, FA-18),
Armeereform 95, Würgegriff
auf die Armeefinanzen, Folgen
der Balkankriege, Beitritt zum
PfP-Programm der NATO. In
seiner letzten ASMZ-Ausga-
54
Bild: Luftwaffe
Charles Ott gestorben
Charles Ott als Kdt Fl Rgt 2, 1975.
be vom Dezember 1999 legte
er in einem für ihn typischen
hochsubstanziellen Editorial
Zeugnis ab von seinem klaren, unbestechlichen Blick
auf die Verhältnisse und dem
Wert unserer Milizarmee. Mit
Charles Ott verlieren wir aber
auch einen Freund mit gütigem Herz und hellem Gesicht, der offene Diskussionen
liebte und bereicherte – immer bereit, aufs Neue aufzusteigen und Grenzen zu überwinden.
AM
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Vollautomatik bei der persönlichen
Waffe – Sinn oder Unsinn?
Unter obigem Titel wird in der
ASMZ 06/2016 informiert,
dass das Folgemodell des
Stgw 90 wieder eine halbautomatische Waffe sein könnte. Die heutige Kampfform verlangt aber einen Vollautomaten. Der gezielte Einzelschuss
mit einem Stgw hat längst ausgedient.
Wäre es denkbar, dass die
Gegner eines echten Stgw bei
den Schützenvereinen zu su-
chen sind? Weil das Obligatorium mit einer vollautomatischen Waffe nicht mehr durchführbar wäre und abgeschafft
werden müsste, würden die
Schützenvereine als Organisatoren der jährlichen Schiesspflicht ihre «vaterländische»
Daseinsberechtigung und damit auch die Bundessubventionen verlieren.
Jürg Sidler, Maj a D
VBS gewinnt Gold in Los Angeles
Das Zentrum elektronische
Medien (ZEM) des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS)
gewinnt am US International
Film & Video Festival eine sogenannte GOLD CAMERA
für den Film «TOUCH THE
LIMITS – Besser sein, wenn’s
zählt!»
Die VBS-Filmproduktion
«TOUCH THE LIMITS –
Besser sein, wenn’s zählt!» wurde am US International Film &
Video Festival in Los Angeles
mit einer GOLD CAMERAStatuette in der Kategorie Professional Development & Continuing Education Medium
ausgezeichnet. Gemeinsam mit
nur gerade elf weiteren Einreichungen wurde «TOUCH
THE LIMITS» zudem für eine
der vier BEST OF FESTIVALAuszeichnungen nominiert.
Ebenfalls ausgezeichnet wurde
eine weitere Filmproduktion
des ZEM: «COOPERANTE –
Retten im Verbund» erhielt ein
CERTIFICATE FOR CREATIVE EXCELLENCE zugesprochen.
Das US International Film
& Video Festival in Los Angeles zeichnet seit 1967 herausragende Leistungen in den Bereichen Unternehmens- und
Dokumentarfilm sowie TV aus.
In diesem Jahr wurden über
1000 Beiträge aus 29 Ländern
eingereicht.
Der Film «TOUCH THE
LIMITS» wurde bereits im
Mai am WorldMediaFestival
in Hamburg mit Gold ausgezeichnet. Fallschirmaufklärer beschaffen Schlüsselinformationen für die Armeeführung und betreiben bis zu zehn
Tage verdeckte Aufklärung in
feindlichem Gebiet. Dieser
Film zeigt auf eindrückliche
Art und Weise, was Aspiranten auf ihrem herausfordernden Selektionsweg zum Fallschirmaufklärer erwartet und
wie sich die künftigen Fallschirmaufklärer auf die harten
Selektionsmonate vorbereiten
können.
Der Film «COOPERANTE – Retten im Verbund» erzielte das CERTIFICATE FOR
CREATIVE EXCELLENCE.
Er beschreibt das gemeinsame
Vorgehen verschiedener Blaulichtorganisationen mit dem
Zivilschutz und der Schweizer
Armee bei einem Grossereignis. Hierfür wurde in Wangen
an der Aare eine fiktive Explosion inszeniert, um die Zusammenarbeit eindrücklich und
realistisch zu präsentieren. dk
Bücher
Andreas Koellreuter, Hans-Ulrich Seidt (Hrsg.)
Peter Lieb
40 Jahre Bibliotheca Afghanica
Unternehmen Overlord
Beiträge zu Recht, Politik und Kultur in Afghanistan
Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas
Liestal: Verlag Basel Landschaft, 2015, ISBN 978-3-85673-331-5
München: C.H. Beck, 2014, ISBN 978-3-406-66071-9
Ein spannendes, sehr aktuelles Zeitdokument von vielen verschiedenen Autorinnen
und Autoren, die sich schon
sehr lange und intensiv mit
Afghanistan beschäftigen, mit
dem Schwerpunkt Kultur im
Umfeld von Kriegen und Extremismus. So entstanden erschütternde Berichte, die aufzeigen, was geschehen kann,
wenn in einem Land wie Afghanistan nur noch Macht
und Fanatismus zählen, die
gleichzeitig aber auch aufzeigen, dass Einzelne mit ihrem
Einsatz und Wissen etwas dagegen unternehmen können
und dabei auch Erfolge erzielt
haben. In den einzelnen Abschnitten wird der tragische
Niedergang und werden die
Rettungsversuche, dem entgegenzuwirken, aufgezeigt. Da
die ganze Weltpolitik mit ihren vielen Facetten von den
70er Jahren bis zur Gegenwart
Operation Overlord war der
Deckname der alliierten Landung in der Normandie vom
6. Juni 1944 sowie die anschliessende Invasion und Befreiung Frankreichs. Das Unternehmen endete also per definitionem mit der Kapitulation der deutschen Besatzer in
Paris. Bis sich das Dritte Reich
endgültig und bedingungslos
ergab, blieb das europäische
Festland allerdings noch in
Teilen deutsch besetzt. Folgerichtig müssen die der Befreiung Frankreichs anschliessenden Schlachten ebenfalls in
eine Betrachtung der Operation Overlord miteinbezogen
werden. Peter Lieb, der Autor
der vorliegenden Studie, konstatiert, dass ein noch entschiedeneres Vorgehen der Alliierten bei den Gefechten im Kessel von Falaise und im RohneTal Mitte bis Ende August den
Krieg «erheblich verkürzt», kla-
mit vielen Akteuren hineinspielen, bei denen selbst die
Direktbeteiligten nicht immer
sicher sind, auf welcher Seite
sie stehen, macht es die Lektüre auch für Kenner sehr anspruchsvoll. Es spiegelt sich
der grosse Unterschied dieser Kulturen zu unserem Verständnis für Recht und Ordnung und fordert von den Lesern viel Toleranz. Artikel über
die Entwicklung und Einmischung fremder Mächte geben uns einen Einblick in die
damals weltpolitische Situation. Aber die Vernichtung von
Kultur wie sie in Afghanistan
und heute in weiteren Ländern geschieht, muss uns aufschrecken. In diesem Zusammenhang ist das Buch aktueller als sich das die Autorinnen
und Autoren wahrscheinlich
vorgestellt haben.
Joseph Häfliger
re Siege sogar unter Umständen sofort beendet hätten. So
gesehen ist es richtig, dass die
Studie über die Zeit der Befreiungsgefechte in Frankreich
hinaus auch die Operation
Market Garden und die Ardennen-Schlacht, die letzte deutsche Grossoffensive im Westen, untersucht. Nicht vergessen werden darf dabei, dass
mit dem Andauern des Krieges
auch die Todeszahlen noch einmal exponentiell zunahmen.
Lieb zeichnet mit der vorliegenden Arbeit ein differenzierteres Bild der Gefechte um die Rückeroberung des
westeuropäischen Festlandes
als viele Autoren vor ihm.
Trotzdem vermag er nicht nur
die Fachleute zu überzeugen,
sondern auch die Laien mit
einer lebendigen Sprache mitzureissen.
Philippe Müller
Alois Camenzind / Urs Fueglistaller
Strategisches Denken in KMU und die Lehren von Clausewitz
Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2014, ISBN 978-3-03823-917-8
Alois Camenzind und Urs
Fueglistaller beantworten in
ihrem lehrreichen Werk zwei
Fragen zur unternehmerischen
Handlungsfähigkeit. Erstens:
Können die militärstrategischen Lehren des Clausewitz
auf die Wirtschaft übertragen
werden? Zweitens: Wie können agile Unternehmen daraus
Nutzen ziehen? Die Clausewitz‘schen Lehren umfassten
viel mehr als die Grundsätze
von Konzentration der Kräfte
oder Einfachheit und Überraschung. Zuerst werden Marktwirtschaft und Kriegslehren
und deren Nutzen und Ideologien erläutert. Es folgt die zen-
trale Begriffsbestimmung des
«agilen Unternehmens». Vom
Wandel sowie der Instabilität und Unsicherheit als fundamentale Tatsachen unserer
Welt handelt Kapitel 3. Geschichtliches und Kriegslehren nach Clausewitz werden
im ausführlichen Kapitel 4
dargestellt. Agile Unternehmen und Strategien sind der
Inhalt von Kapitel 5. In 6
und 7 folgen Beispiele strategischen Clausewitz-Denkens
agiler Unternehmen. Wie
kann die Überlebensfähigkeit
sowie die Markt- und Konkurrenzfähigkeit erreicht und
gehalten werden? «Unsere Dar-
stellungen zeigen, dass strategisches Denken für agile Unternehmen ein unabdingbares
Muss ist, um im wirtschaftlichen Nebel von Instabilität
und Unsicherheit zu bestehen.» Das Gedankengut von
Clausewitz helfe mehrfach –
einerseits eine klare Unterscheidung von Zweck, Ziel
und Mitteln und entsprechende Verhaltens- und Vorgehensgrundsätze. Andererseits genüge allein weder das
strategische Denken noch das
taktische Handeln nach gefühlter Eingebung. Die Überlegenheit strategischen Entscheidens und Führens grün-
de auf einem oft mühsamen
Denkvorgang einschliesslich
sorgfältiger Lagebeurteilung.
Zu den praktischen Anwendungsbeispielen gehören die
Schwyzer Kantonalbank und
die Goba AG, Mineralquelle
und Manufaktur in Gontenbad, Appenzell Innerrhoden.
Gezeigt wird, wie die Grundsätze von Clausewitz umgesetzt werden, darunter Einfachheit, Überlegenheit der
Zahl, Konzentration und Ökonomie der Kräfte, Überraschung, List und feste Regeln
sowie Flexibilität und Sicherheit.
Heinrich L.Wirz
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
55
Bücher
Nadine Ritzer
Der Kalte Krieg in den Schweizer Schulen
Eine kulturgeschichtliche Analyse
Bern: hep verlag ag, 2015, ISBN 978-3-0355-0275-6
Die umfangreiche (566 Seiten) Studie von Nadine Ritzer, Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Bern, ist
die Buchausgabe ihrer an der
Universität Fribourg eingereichten Dissertation. Sie bietet einen umfassenden Überblick über die Beschäftigung
der Schule mit der Schweiz
und der Schweizer Geschichte
zur Zeit des Kalten Krieges
und über die Sicht der Schweizerinnen und Schweizer und
der Schweizer Behörden auf
die Schule und die Lehrerinnen und Lehrer in dieser Zeit.
Nach einer Einführung legt
die Autorin die Grundlagen
und Rahmenbedingungen der
Schulen auf beiden Seiten des
Eisernen Vorhanges dar. Besonders widmet sie sich dem
Geschichtsunterricht in der
Zeit des Kalten Krieges in den
Schweizer Schulen. Im dritten
Teil geht es darum, welche
Aufgaben der Schule im Kalten Krieg vor dem Hintergrund der sogenannten «Geistigen Landesverteidigung», die
noch bis in die 1960er Jahre
eine Rolle spielte, zugewiesen
wurden. Dann analysiert Nadine Ritzer die Rolle der Lehrpersonen im Spannungsfeld
von gesellschaftlichen Erwartungen. Im letzten Kapitel geht
sie auf verschiedene Brennpunkte des Kalten Krieges im
schulischen Diskurs ein.
Für jemanden, der wie der
Rezensent die Zeit des Kalten
Krieges wenigstens teilweise
miterlebte, ist besonders interessant, dass die Autorin auf-
zeigt, wie in einer Gesellschaft,
die vom Antikommunismus
gleichsam durchdrungen war,
die Schule als Schauplatz der
ideologischen Auseinandersetzung wahrgenommen wurde.
Der Rezensent selber fühlte
sich damals nicht als «Kalter
Krieger», sondern wollte einfach seine Pflichten im Dienste der Armee und von Staat und
Gesellschaft erfüllen, ohne ein
glühender Antikommunist zu
sein. Doch auch er kann sich
noch lebhaft an die Auseinandersetzungen um Lehrer erinnern, welche den Militärdienst
verweigert hatten, an die Versuche, die Kenntnis der Gesamt- und Militärischen Landesverteidigung als «Lehrplan
für Landesverteidigung» in den
obligatorischen Schulstoff ein-
zubauen, an die Auseinandersetzungen um den «Subversivenjäger» Ernst Cincera oder
an die Oswald-Reform, bei der
es um nichts weniger ging als
um die Frage, ob sich die Gesellschaft an die Armee oder
die Armee an die Gesellschaft
anzupassen habe. Daher war
die Lektüre der Studie von Ritzer für den Rezensenten eine
sehr willkommene Gelegenheit, sich mit dieser Zeit vertieft und auf soliden wissenschaftlichen Grundlagen auseinanderzusetzen.
Zusammenfassend: Die Studie von Ritzer ist nicht nur
für Historiker, sondern für alle
Zeitgenossen des Kalten Krieges sehr lesenswert.
spannend sind die Kapitel zum
Personenschutz und zu einzelnen Spionagefällen. Polarstern
bleibt bei der Special Branch
das Recht, bleibt der Wille,
Straftäter vor Gericht zu bringen und so die demokratische Gesellschaft vor ihnen zu
schützen. Den Abschluss des
Buches bildet ein verlorener
bürokratischer Machtkampf –
die Übernahme des Dossiers
«irischer Terror» durch den zugriffigen MI5 (Security Service,
britischer Inlandnachrichtendienst), welcher am Ende des
Kalten Krieges Angst vor Budgetkürzungen und Relevanzverlust hat, neue Aufgaben
sucht und Fehler der Special
Branch erbarmungslos ausnützt. Wer grosse Verwaltungen über mehrere Jahrzehnte
kennengelernt hat, wird hier
zahlreiche eigene Erfahrungen
in einem britischen Kontext
belegt finden. Das Buch komplettiert die vor einigen Jahren erschienenen – und in der
ASMZ besprochenen – Geschichten von MI5 und MI6
(Secret Intelligence Service,
britischer Auslandnachrichtendienst). «Special Branch»,
das Buch, ist in der Tiefe des
gewährten Einblicks für alle
Länder einzigartig und wird
relevant bleiben, solange es
Terrorismus und Spionage
und Personenschutz geben
wird, also wenn vielleicht
nicht bis ans Ende aller Tage,
so jedenfalls noch geraume
Zeit.
Josef Inauen
Ray Wilson, Ian Adams
Special Branch
London: Biteback Publishing, 2015, ISBN 978-1-84954-910-3
Ray Wilson und Ian Adams
legen eine ebenso eigenwillige
wie packende Geschichte der
Special Branch der britischen
Metropolitan Police über die
123 Jahre ihrer Existenz (1883–
2006) vor. Wer den Kampf gegen den Terror in seiner historischen Entwicklung über
mehr als ein Jahrhundert näher kennenlernen will, findet
hier eine Darstellung von anderswo nicht erreichter Authentizität, die für die jüngste
Zeit durch den Einbezug von
Zeitzeugen noch erhöht wird.
Wilson und Adams schildern
eine oft sehr erfolgreiche Prävention, ohne die dramatische
Ausnahmefälle eines Versagens
zu verschweigen: Premierministerin Margaret Thatcher
wird am 12. Oktober 1984 im
56
Hotel in Brighton um ein Haar
Opfer eines Bombenanschlags
der IRA und ihr Nachfolger
John Major überlebt den 7. Februar 1991 an der Downing
Street 10 in Westminster wohl
einzig, weil die Terroristen der
IRA nur eine Rakete ihres ganz
ruhig in Position gebrachten
improvisierten Mehrfachraketenwerfers ins Ziel und zur
Explosion bringen. Leserinnen
und Leser warten mit den Polizisten tagelang, in unbequemer Stellung, auf Terroristen,
die ein entdecktes Waffenversteck aufsuchen, nur um dort
gleich verhaftet zu werden. Sie
erhalten erstaunliche Einblicke in die konstruktive Zusammenarbeit der Special Branch
mit der irischen An Garda
Síochána. Detailreich und
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016
Jürg Stüssi-Lauterburg
Bücher
Erich Schmidt-Eenboom, Ulrich Stoll
Die Partisanen der NATO
Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946 –1991
Nr. 08 – August 2016
Berlin: Ch. Links, 2016, 2. Auflage, ISBN 978-3-86153-889-9
Impressum
Erich Schmidt-Eenboom
und Ulrich Stoll beleuchten
in ihrem Buch ein Kapitel des
Kalten Krieges, über das bislang nur wenig Konkretes, dafür umso mehr Widersprüchliches bekannt war: die StayBehind-Organisationen in
Deutschland, die im Besetzungsfall nachrichtendienstliche Aufklärung betreiben und
Sabotageakte gegen die Besetzer verüben sollten.
Unter dem Eindruck des
Zweiten Weltkrieges und in
Erwartung einer sowjetischen
Invasion begannen US-Geheimdienste nach der BerlinBlockade 1948 mit dem Aufbau deutscher Stay-BehindGruppen. Aber auch andere europäische Nachrichtendienste unterhielten nach dem
Zweiten Weltkrieg Stay-Be-
hind-Strukturen in Deutschland, die schrittweise durch
den 1956 geschaffenen BND
übernommen wurden. In den
folgenden Jahrzehnten betrieb
der BND eine eigene Stay-Behind-Organisation (SBO) mit
den Grundaufträgen Nachrichtenbeschaffung sowie Ein- und
Ausschleusungen von Personen
und Material im feindbesetzten Gebiet sowie zeitweise auch
Durchführung von Sabotageaktionen zur Unterstützung
von Widerstandsbewegungen.
Die SBO unterhielt auch Kontakte zu anderen Nachrichtendiensten, die in ihren Ländern
ähnliche Organisationen aufgebaut hatten und gemeinsam das HARPOON-Funkgerät entwickelten.
Diese Vorbereitungen waren streng geheim und auch
nach ihrer Auflösung 1991
drang nur wenig gesichertes
Wissen an die Öffentlichkeit.
Umso mehr gab es Raum für
Spekulationen und Mutmassungen über ein europäisches
«Gladio-Netzwerk» und dessen Beteiligung an terroristischen Anschlägen.
Es ist das Verdienst der Autoren, dass sie die Geschichte
der Stay-Behind-Vorbereitungen in Deutschland auf der
Basis der seit kurzem freigegebenen Akten sowohl der CIA
als auch des BND akribisch
nachzeichnen und fassbar
machen. Nachdem innerhalb
kürzester Zeit die erste Auflage vergriffen war, legen die
Autoren nun eine ergänzte
zweite Auflage vor.
Titus J. Meier
182. Jahrgang
Präsident Kommission ASMZ
Christoph Grossmann, Oberst i Gst a D,
Dr. oec. HSG
Chefredaktor
Divisionär Andreas Bölsterli (BOA)
Redaktionssekretariat
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Oberstlt Eugen Thomann, lic. iur. (ET)
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Herausgeber
Schweizerische Offiziersgesellschaft
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Verlag Equi-Media AG, Postfach 732,
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Verleger: Christian Jaques
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Geschäftsführung
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Kriege der Zukunft
Anzeigen/Beilagen
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Swissfuture 02 + 03 / 15, ISSN 1661-3082
In äusserst konziser und
gleichzeitig gut zugänglicher
Weise präsentieren 22 ausgewiesene Autoren eine sehr breite Palette von Lagebeurteilungen und Bedrohungen sowie
von Mitteln eines zukünftigen Krieges, insbesondere in
Europa. Zuerst kann man die
Beiträge auf einen einfachen,
aber schlussendlich entscheidenden Nenner reduzieren:
Kriege finden weiterhin statt.
Technologie und ihre Verbreitung führen zu neuen Mitteln.
Der Wirtschafts- und Finanzkrieg ist so wenig wegzudenken wie der Cyber-Krieg; mit
diesen Mitteln könnte ein Staat
vernichtet werden, ohne dass
ein einziger Schuss fällt! Allen
Mitteln und Bedrohungen gemeinsam ist der Verbund le-
taler und nicht-letaler Waffen.
Diese ziehen entsprechende
Einsatzdoktrinen mit sich
und erfordern vom Staat, den
Schutzauftrag umfassender
und vor allem vernetzter zu gestalten. Die Koordination und
Führung quer über die verschiedenen Ministerien oder
Ressorts wird sich schwierig gestalten. Der typisch westliche
(Über-)Zentralismus läuft Gefahr, zu allzu aufwendigen und
kopflastigen Lösungen und
komplexen Strukturen zu führen, die von kleineren Gruppierungen relativ einfach unterlaufen werden können.
Wenn auch die klassischen
schweren Waffensysteme, die
massiert eingesetzt werden,
scheinbar etwas in den Hintergrund rücken, schreibt kei-
ner der Autoren sie ab. Zudem unterstreichen alle, dass
der Krieg sich vermehrt in urbane Räume verschiebt; sie implizieren dabei, dass (schwere)
mechanische Mittel eine wesentliche Rolle spielen.
Der Leser kann sich in relativ kurzer Zeit ein gutes Gesamtbild eines möglichen zukünftigen Krieges, gerade auch
in den hochindustrialisierten
Ländern Westeuropas machen.
Dem gegenüber erscheint aus
meiner Sicht der Prolog von
Bundesrat Maurer schon fast
wie ein etwas zweifelhafter
Versuch, das Projekt WEA als
Antwort darauf darzustellen,
trotz offensichtlicher qualitativer und quantitativer Mängel.
Peter Schneider
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Layout: Stefan Sonderegger
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