Nr. 08 – August 2016 – 182. Jahrgang Sicherheit Schweiz Artillerie heute General J.R. Allen (USA) zum IS Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift Kostenverteiler WEF Sicherheit Schweiz Abo-Bestellcoupon ASMZ Zum Monatsanfang in Ihrem Briefkasten Bitte Zutreffendes ankreuzen Preise inkl. MwSt. Jahresabo Fr. 78.– / Ausland Fr. 98.– Probeabo (nur Schweiz) 3 Ausgaben Fr. 20.– Einzelausgabe Fr. 8.– / Ausland Fr. 12.– Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift Herausgeber: SchweizerischeVorname: Offiziersgesellschaft Strasse: PLZ/Ort: Telefon Nr: E-Mail: Datum: Unterschrift: Nr. 03 – März 2014 – 180. Jahrgang Nr. 05 – Mai 2014 – 180. Jahrgang Sicherheit Schweiz Sicherheit Schweiz Bundesrat Ueli Maurer Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft Zürich WEF Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift Verlag Equi-Media AG Brunnenstrasse 7 8604 Volketswil Telefon 044 908 45 65 Fax 044 908 45 40 [email protected] www.asmz.ch Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft Gripen Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift Name: Luftpolizei 100 Tage Kommandant HKA/SCOS Finanzsicherheit Instandhaltung FIS Heer Editorial 3 Wirtschaft / Rüstung Andreas Bölsterli Peter Müller 39 Aktuelles Kostenverteiler am WEF überdenken Peter Müller Henrique Schneider 4 40 Südchinesisches Meer Wehrtechnische Kernfähigkeiten stärken 16 Militärisches «Gewissen» Sicherheitspolitik SOG Vorstand Andreas Bölsterli, Andreas Cantoni 6 General a D John R. Allen Stefan Holenstein 41 Jürgen Hübschen 10 Die Türkei und der IS Luftwaffe André Blattmann 12 Das Wort des CdA Marcel Amstutz, René Meier 42 Stefan C.P. Hinz 13 Höhere Kaderausbildung Bericht aus dem Bundeshaus Daniel Lätsch 44 22 Neutraler Mediator im Norden des Kosovo Einsatz und Ausbildung Marco Schmidlin, Pascal Martin 16 Militärisches «Gewissen» Erich Muff, Stefan Bühler 20 Wann folgt der personelle Kollaps? Andrea Jaeggi 22 Echteinsatz der Fliegerabwehr Nukleares Wettrüsten? Heinrich L. Wirz 15 Besinnung auf die Offizierstugenden Moderne Verteidigung – Konsequenzen für Führung und Ausbildung Internationale Nachrichten 46 Pascal Kohler, Henrique Schneider Vermischtes Neutraler Mediator im Norden des Kosovo 51 Dieter Kläy Markus Oetterli 24 Das System Artillerie heute 55 Eduard Hirt 26 42 Echteinsatz der Fliegerabwehr Bücher Andrea Grichting-Zelenka Integriertes Risikomanagement Andreas Bölsterli 30 Zwischenziel Spiez Christoph Merki 32 Dienstleister mit detektivischem Geschick Eugen Thomann 33 Member of the European Military Press Association (EMPA) – ISSN 0002-5925 Titelbild Kommandoübergabe beim LVb Infanterie Weiterentwicklung der Armee Andreas Bölsterli 34 Der Umsetzung steht nichts mehr im Weg Angehörige der Inf-Kaderschule bei der Vorbereitung einer Türsprengung. Foto: ASMZ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 1 Wirtschaftsnotiz «Go for Gold» mit Victorinox Auf Medaillenkurs mit dem Victorinox Climber Gold: Anlässlich der Olympischen Spiele 2016 in Brasilien legt Victorinox das beliebte Modell Climber in einer limitierten, wahrhaft edlen Version auf. Der Name ist Programm. Wenn am 5. August in Rio de Janeiro der Startschuss für die Spiele der 31. Olympiade fällt, messen sich die besten Sportler der Welt in 28 Disziplinen. Diesem Ereignis fiebern Sportfans schon seit Jahren entgegen. Messerfans dürfen sich gleich doppelt auf dieses Event freuen, können sie sich doch selbst auf die Jagd nach «Gold» begeben: Denn begleitend zu den Olympischen Sommerspielen 2016 wird mit dem Victorinox Climber Gold eines der beliebtesten Victorinox-Modelle als exklusive Sonderversion aufgelegt. Limitiertes Schmuckstück Die weltweit auf 20’000 Stück limitierte Ausgabe des vielseitigen und sportlichen Climber ist ein Schmuckstück. Rundum. Denn die beiden Griffschalen sind jeweils rückseitig mit 24 Karat Echtgold, 2 mit einem Feingehalt von 99,9 Prozent, beschichtet. Die Griffschalen selbst sind transparent und ermöglichen so den direkten Blick auf das edle Metall. Und wie es «Edelmetall» zusteht, lässt sich der Victorinox Climber Gold perfekt präsentieren: Dank eines speziell designten Medaillenbändels (in der Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Grundfarbe Anthrazit und mit goldfarbenen Elementen akzentuiert) kann man den Victorinox Climber Gold um den Hals tragen oder in der Sammlung ausstellen. Ein Blickfang ist auch die schöne, hochwertig gearbeitete Geschenkverpackung, die farblich passend zum Bändel gestaltet wurde. 14 Funktionen Wie gut der Victorinox Climber Gold ist, beweist er übrigens gleich im «Vierzehnkampf». Denn so viele Funktionen vereint das leichtgewichtige Taschenwerkzeug in seinem dreilagigen Aufbau. An Bord sind eine kleine und eine grosse Klinge, beide scharf und aus schnitthaltigem und rostfreiem Stahl gefertigt, eine präzise Schere, ein Korkenzieher, dessen Benutzung ein Genuss ist, eine zielstrebige StechBohr-Ahle, ein sättigender Dosenöffner und ein durstlöschender Kapselheber (beide mit Schraubendreher-Spitzen) und vieles mehr. Ob Wertanlage oder Alltagsbegleiter – mit dem limitierten Victo- rinox Climber Gold sind Sie bereit für alle Abenteuer, die da kommen mögen. Im Fachhandel wird das Schmuckstück voraussichtlich ab dem 20. Juni erhältlich sein. Auf die Plätze, fertig… Artikelnummer 1.3703.T88 – Funktionen: Klinge gross, Klinge klein, Dosenöffner, Schraubendreher 3 mm, Flaschenöffner, Schraubendreher 5 mm, Drahtabisolierer, Stech-, Bohr- und Nähahle, Korkenzieher, Schere, Mehrzweckhaken, Zahnstocher, Pinzette mit Schlüsselring. Technische Angaben: Gewicht: 101 g. Klingenlänge: 68 mm. Schalenmaterial: Cellidor mit InnenBeschichtung aus 24 Karat Echtgold, mit einem Feingehalt von 99,9 Prozent. www.victorinox.com Editorial Liebe Leserin, lieber Leser gen geprüft werden, bis sie zum Druck freigegeben werden. Verpasst man da nicht eine Chance? Traut Die Weiterentwicklung man den Leuten, die etwas schreiben möchten wirkder Armee (WEA) kann ge- lich nicht mehr? mäss Parlamentsentscheid Mit der Armee ist es ähnlich wie mit dem Schulsysvom 18. März umgesetzt tem – viele haben die Armee selbst erlebt und sind werden, die nötigen Unter- deshalb Spezialisten. Aber, ist das Wissen noch aktuschriften für ein Referen- ell? Wer, wenn nicht die Fachleute der Armee wissen dum gegen das Militärge- um die neuen Anforderungen an moderne Systeme, setz konnten nicht beige- an Doktrin und Ausbildung? Wenn aber die Armee intern kaum mehr Informationen bereitstellt, um nicht bracht werden. Ist das jetzt eine gute politisch «zurückgepfiffen» zu werden, wer soll dann oder eine schlechte Nachricht? Wie so oft ist es beides; dem Bürger noch erklären, was heute nötig ist? Verstehen sie mich nicht falsch, am Schluss entGut, weil die Armee nun im Rahmen des politisch Möglichen die Umsetzung der WEA anpacken darf. scheidet immer die Politik. Aber wenn die Information Gut ist die Nachricht aber auch, weil kein Abstim- so kontrolliert – um nicht zu sagen gleichgeschaltet mungskampf unter Armee-Befürworten stattfinden oder zensuriert wird – trägt sie nicht zur Entscheidmuss. Schlecht ist die Nachricht aber, weil es dem findung bei. Die Einwohner dieses Landes wollen wissen, was VBS und der Armee offensichtlich nicht gelungen ist, die Notwendigkeit der Reform und die aktuelle Leis- nötig ist, damit ihre Sicherheit gewährleistet ist. Die Leute wollen die Armee tungsfähigkeit der Arsehen, verstehen und anmee der Bevölkerung fassen können, damit sie so zu erklären, dass die «Die Einwohner dieses Landes wollen merken, was sich alles geVeranlassung zur WEA wissen, was nötig ist, ändert hat seit der eigeverstanden wurde. Die Nachricht ist aber auch damit ihre Sicherheit gewährleistet ist.» nen Dienstleistung. Leider beschränkt sich die schlecht, weil es nun öffentliche Berichterstat«Verlierer» gibt, die sich für Sicherheit und Armee einsetzen wollen – sie gilt tung über die Armee meist auf Spektakel- und Unfalles abzuholen, sie müssen überzeugt werden, dass die geschichten – es werden Lecks gesucht und intensiv WEA nicht der Untergang ist, sondern eine Ausgangs- bewirtschaftet. lage, um im Verständnis von Armee und Sicherheit weiZiel muss eine offenere Kommunikation mit mehr ter zu kommen. Vertrauen sein, damit alle abgeholt werden, damit jede Es gelingt den offiziellen Stellen, also Politik, VBS und jeder seine Armee versteht und besser kennt. Forund Armee in letzter Zeit offensichtlich nicht, not- dern Sie die Menschen in Ihrem Umfeld auf, sich wiewendige Vorhaben, neue Gefahren, weiterführende der vermehrt mit der Sicherheit auseinanderzusetzen. Abhängigkeiten oder neue Technologien so zu erklä- Denn wo ein Bedarf wächst, entsteht ein Markt, und ren und dahinter zu stehen, dass es die Mehrheit der vielleicht berichtet dann auch die Tagespresse wieder interessierten Bürger verstehen und nachvollziehen über Armeethemen und Sicherheit, statt nur über Spekkann. Beispiele gefällig? Gripen, Geländefahrzeug takel und Unfälle. DURO, BODLUV oder eben die WEA. Alle müssen abgeholt werden, alle die Dienst leisten und geleistet haben. Alle, die die verschiedenen Armeen der letzten Jahrzehnte erlebt und mit Leben Andreas Bölsterli, Chefredaktor gefüllt haben, müssen verstehen, worum es geht – [email protected] rum gelingt das nicht mehr? Um ja nicht Gefahr zu laufen, einem Enthüllungsjournalisten Anlass zu Recherchen zu bieten, werden alle Publikationen und Statements mehrfach «gegengelesen», kontrolliert und korrigiert. Es gibt Beiträge in der ASMZ, die von drei KommunikationsabteilunAllgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 3 Aktuelles Südchinesisches Meer: Karten neu gemischt? Die Philippinen ersuchten den Ständigen Schiedshof in Den Haag um einen Schiedsspruch zum Südchinesischen Meer. Im Juli 2016 befand ein 5er-Gericht einstimmig, China hätte keine rechtlichen Gründe, die Gewässer für sich zu beanspruchen. Eine Überraschung? Henrique Schneider, Redaktor ASMZ Insel oder Riff? Eigentlich ist es keine Überraschung. Das ist nämlich die Hauptfrage geweDenn alle Beobachter erwarteten einen sen. Sind die landähnlichen Entitäten im solchen Ausgang. Aber nicht ausgerech- Südchinesischen Meer nun Inseln – und net diesen. In vielen Nuancen ist es fast damit Hoheitsgebiete – oder Riffe – und revolutionär. Zum Beispiel erwarteten nur wenige einen einstimmigen Schiedsspruch aller Richter. Ebenso blieben Elemente «China hat nicht für eine allfällige chinesische Gesichtseinmal historischen wahrung fern; denn der Schiedsspruch gab China in keiner der 15 adressierten Fragen Anspruch auf das Recht. Die Richter waren unmissverständlich: Südchinesische Meer.» Das Südchinesische Meer ist internationales Gewässer. Mehr noch, es war nie chinesisch – China hätte nicht einmal histo- damit Teil der internationalen Gewässer? risch einen belegbaren Anspruch darauf. Gegenstand dieser Erwägung ist die PraDamit sagten sie auch, die Neun-Striche- xis verschiedener Länder, Land um Riffe Linie sei seerechtlich irrelevant. Mit die- zu gewinnen. Taiwans Taiping Dao ist beiser gestrichelten kartographischen Grenze markiert nämlich Peking seinen Besitzanspruch über fast 85 Prozent des 3,5 Millionen Quadratkilometer grossen Südchinesischen Meers. Dann gab es noch andere Teile des Urteils. Zum Beispiel befanden die Richter, China würde die Gewässer illegal patrouillieren und die Landaufschüttungen des Landes der Mitte hätten dem lokalen Ökosystem geschadet. Im Übrigen Sitz des Ständigen Schiedshofs in Den Haag. Bild: International Arbitration Court kommt auch Taiwan mit einem blauen Auge davon. Das seit 1946 von Taipei be- spielsweise auch eine Frucht einer solchen anspruchte und bevölkerte Taiping Dao Aufschüttung. Aber Itu Aba, wie es sonst sei zwar eine Insel, begründe aber keine genannt wird, hatte einen Insel-ähnlichen Ursprung. China geht weiter und schütHoheitsansprüche – so die Richter. 4 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 tet Riffe, die nicht einmal über dem Wasserspiegel stehen, auf. Spektakulär sind die Bauprojekte Chinas in den Spratly, wo aus Riffen Inseln mit Flugzeuglandepisten wurden. Aber auch Vietnam und Philippinen haben sich gelegentlich dieser Methode bedient, um ihre Ansprüche baulich zu begründen. Der ständige Schiedshof beurteilte zwar nicht die Praxis an sich. Doch er befand, dass aufgeschüttete Riffe noch keine Inseln sind. Und damit keine Hoheitsansprüche begründen. Er befand sogar, dass gemäss internationalem Seerecht auch Inseln, so es sie gäbe, im Südchinesischen Meer keine Hoheitsansprüche begründen. Alles entschieden? Wer aber meint, damit sei die – mindestens legale – Auseinandersetzung um das Südchinesische Meer entschieden, irrt sich. Zunächst: Der Ständige Schiedshof ist eine administrative Einrichtung ohne unmittelbare Entscheidungsbefugnis. Er ist kein internationales Gericht im eigentlichen Sinne. Er bietet den Streitparteien nur die Strukturen, um eine Streitigkeit durch ein Schiedsgericht beizulegen. Und so, wie die Parteien reagiert haben, ist es eher unwahrscheinlich, dass sich alle dieser Verfahrensstrukturen bedienen. Viel wichtiger noch: Manch grundlegende Frage wurde nicht gestellt – und nicht beantwortet. Zwar verneinte der Schiedshof die historischen Ansprüche Chinas – und indirekt der anderen Länder auch – und entzog damit der Neun-Striche-Linie ihre rechtliche Relevanz. Aber die Richter sagten nicht, die Linie an sich sei illegal. Ebenso beurteilten die Richter die Konformität der Landaufschüttungen. Sie stellten nur fest, diese begründen keine Hoheitsansprüche. Und überhaupt: Der Schiedshof erwägte lediglich im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens. Aktuelles Alles, was ausserhalb davon ist, ist im Schiedsspruch nicht berücksichtigt. Reaktionen? Trotz all dieser formalen Relativierungen zog der Schiedsspruch wie eine Böe durch Ostasien. Auch Länder wie Südkorea, Singapur oder Indien, die am Meeresstreit gar nicht beteiligt sind, richteten «Der Schiedsspruch giesst Öl ins Feuer einer nationalistischen und militarisierten Region.» ihre Aufmerksamkeit auf die Reaktionen der Anrainer. China hat sich nicht nur vom Urteil distanziert, das Land der Mit- Manila am Tag der Publikation des SchiedsBild: ABC News te nannte es auch «null und nichtig». Die spruchs (ABC-News). Armee ging noch weiter und dachte laut über die Einrichtung von Verteidigungslinien nach. So nebenbei: faktisch gibt es Das kann mittels gezielter Navigation sie heute schon. durch die Riffe oder durch «FischereiexDas philippinische Volk jubelte zwar peditionen» geschehen. Es ist nicht wahrauf der Strasse. Doch die neue Regierung scheinlich, dass auch militärische Mittel war viel vorsichtiger. Beobachter gehen da- eingesetzt werden – doch ausschliessen von aus, Manila hätte unter der vergange- kann man es nie. Lokale Beobachter meinen Regierung die Fragen an den Schieds- nen, Vietnam stelle das grösste Potenzial hof deponiert, um den USA einen Gefal- dar, problematisch zu agieren. Brunei und len zu tun. Der neue Präsident, Duterte, Malaysia – zwei weitere am Streit beteiligist China-freundlich und eher an bilate- te Akteure – haben den Spruch guten Muralen Lösungen interessiert. Trotzdem will tes entgegengenommen und nicht weiter Duterte den Schiedsspruch zur Bekräftigung eigener Territorialansprüche im Südchinesischen Meer. Positionen verwenden. Manila jedenfalls mahnte zur Besinnung und Ruhe. So tat es auch Washington. Was macht Vietnam? Die grosse Frage betrifft das Verhalten Vietnams. Bisher gab sich Hanoi bedeckt. Anders als die anderen Länder in der Seestreitigkeit setzt Vietnam auf die Internationalisierung des Konflikts. Bilaterale Lösungen werden als suboptimal eingestuft, da Hanoi befürchtet, China würde die anderen Staaten gegeneinander ausspielen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Vietnam den Schiedsspruch gezielt testen wird. Bild: Wikimedia kommentiert. Taiwan hält ihn für unvollständig, «was aber wegen der Natur der gestellten Fragen zu erwarten war», liess Taipei verlauten. Krieg oder Frieden? Die Frage ist nun, wie in einer nationalistischen Region, die sich über die letzten Jahre zunehmend militarisiert hat, mit dem Schiedsspruch umgegangen wird. Die Regierungen – bis auf China – werden sich wohl zurückhalten. Und auch das Land der Mitte wird zwar mit dem Säbel rasseln, aber die Sache abkühlen lassen. Das Militär zeigt seit längerem Gelüste, doch wahrscheinlich werden sie die Lage dazu benützen, ihre Stellung im Staatsund Partei-System zu stärken. Problematischer sind die jeweiligen Bevölkerungen. Die chinesische Blogosphäre ruft nämlich schon zum Boykott philippinischer Güter auf. Radikale Elemente wollen sogar Gewalt anwenden. In Manila ging das Volk auf die Strasse und einige Fischer schifften schon in Richtung Spratly Inseln los. In Vietnam waren sofort Protestbanner zu sehen «China ist der Feind». Es stimmt nämlich keineswegs, dass diese Regierungen das jeweilige Staatsvolk jederzeit unter Kontrolle haben. Gerade deswegen sind nationalistische Rhetorik und Nadelstiche gegen die anderen Staaten zu erwarten. Ein Beobachter aus Brunei brachte die Bedeutung des Schiedsspruches auf den Punkt: «Krieg wird es deswegen nicht geben. Aber der Friede ist auch erschwert.» ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 5 Sicherheitspolitik Vom Kommandant zu Obama’s Berater – Gespräch mit General aD John R. Allen John R. Allen, ein Vier Sterne General des United States Marine Corps im Ruhestand[1] führte im Rahmen seiner letzten aktiven Verwendung als von Barack Obama eingesetzter Sondergesandter des Präsidenten die «globale Koalition gegen ISIL (Islamic State of Iraq and the Levant)» an [2]. Die ASMZ hatte, auf verdankenswerte Einladung von PwC Schweiz in Bern, die besondere Ehre, mit General Allen im Juni 2016 ein längeres Interview für die Leserinnen und Leser der ASMZ führen zu dürfen. Interview: Andreas Bölsterli, Chefredaktor und Andreas Cantoni, Redaktor ASMZ Herr General, Ihre Erfahrungen im Gefecht reichen von der Operation «IRAQUI FREEDOM» mit ihren Panzerschlachten und «ENDURING FREEDOM» mit Operationen zur Aufstandsbekämpfung (engl. counterinsurgency operations) als Teil des Kriegs gegen den Terrorismus bis hin zu Ihrer diplomatischen Verwendung als Sondergesandter des US-Präsidenten in der globalen Koalition gegen Da’esh. Wenn Sie auf Ihre über 30 Dienstjahre zurückblicken, was hat sich verändert und wie sind Sie persönlich damit umgegangen? [1] John R. Allen ist ein pensionierter vier Sterne General des U.S. Marine Corps. Als letzte Funktion seiner eindrücklichen Karriere war er Kommandant der International Security Assistance Force in Afghanistan. Bevor er bei Brookings als Senior Fellow und Co-Director des Center for 21st Century Security and Intelligence wurde, diente er 14 Monate lang als Special Presidential Envoy der globalen Koalition zur Bekämpfung der ISIL. In Folge seiner Pensionierung vom Marine Corps war Allen Senior Advisor des Secretary of Defence on Middle East Security. In dieser Funktion leitete er während 15 Monaten den Sicherheitsdialog der israelischen und palästinensischen Behörden während derer Friedensverhandlungen. [2] Zugunsten Einfachheit und Kohärenz benutzen wir den einen Begriff Da’esh anstelle von ISIS, IS oder anderen. Die einzige Ausnahme stellt die «globale Koalition gegen ISIL (Islamic State of Iraq and the Levant)» dar. 6 General Allen: Der wohl grösste Wandel erfolgte in den letzten 14 Jahren durch unseren neuen Fokus auf Operationen zur Aufstandsbekämpfung im Irak und Afghanistan; die Neuausrichtung aus dem Kalten Krieg mit unserem damals notwendigen Fokus auf den teilstreitkräfteübergreifenden Kampf der verbundenen Waffen zusammen mit unseren Alliierten gegen die sowjetische Bedrohung. Diese Fähigkeit kam letztmals im ersten Golfkrieg gegen Saddam Hussein voll zum Tragen. Zu den Veränderungen in den Doktrinen kam die Weiterverbreitung und -entwicklung von Technologien zur Nachrichtengewinnung sowie der Führung und der Steuerung von Operationen. Im Nachgang zu den langen Kriegen im Irak und Afghanistan und mit neuen Bedrohungen im Umfeld von Europa und Asien, müssen wir nun wieder gleichzeitig im ganzen Einsatzspektrum militärischer Kräfte operieren können. Sie sind einerseits ein Gelehrter und gleichzeitig ein in der Sicherheitspolitik aktiv involvierter militärischer Praktiker. Wie hat dies Ihre Laufbahn beeinflusst. Schon früh in meinem Werdegang als Hauptmann hatte ich die Gelegenheit, nationale Sicherheitspolitik an der Georgetown University in Washington, DC und den strategischen Nachrichtendienst am Defense Intelligence College zu studieren. Darauf folgte ein Jahr als Marine Corps Fellow des Center for Strategic and International Studies, wo ich extensiv an Studien und Diskussionen zur Strategie und Politikentwicklung beteiligt war. Als Major unterrichtete ich an der United States Naval Academy in der Abteilung für Politikwissenschaften. Meine Themen waren internationale Organisationen, Nachrich- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 tendienst, nationale Sicherheitspolitik, internationale Beziehungen und Politik des Mittleren Ostens. Diese frühe Auseinandersetzung mit der Theorie und Natur der Politikwissenschaft, als auch meine Beiträge zur Definition der Sicherheitspolitik spielten eine entscheidende Rolle in meinen nachfolgenden Funktionen mit höherer Verantwortung; sowohl in Kommandanten- als auch in Stabsfunktionen. General Allen im Gespräch mit der ASMZ. Sicherheitspolitik Kurz, meine frühe Berührung mit diesen Themen bildete das Fundament meiner Führungsfähigkeit in höheren Positionen. Die fünf von der globalen Koalition gegen ISIL formulierten Aktionslinien (engl. five lines of effort) zielen offenbar darauf ab: 1) Da‘esh auf seinem eigenen Territorium zu schlagen, 2) Finanzflüsse der Organisation zu unterbinden, 3) den Zufluss von Kämpfern zu verhindern, 4) die Informationsflüsse zu unterbrechen sowie 5) die Beeinträchtigung der befreiten Bevölkerung zu stabilisieren. Was ist aus Ihrer Sicht der aktuelle Stand der Dinge und welches sind die möglichen Entwicklungsszenarien? Zu 1): Da’esh wurde bereits erheblich geschlagen und erleidet gegenwärtig weitere Niederlagen am Boden. Dazu verliert Da‘esh erheblichen Einfluss auf die Bevölkerungen sowohl im Irak als auch in Syrien. In Syrien hat Da‘esh bereits die grössten Teile der Grenze verloren; Palmyra wurde befreit; die Tasche von Manbij, eine Schlüsselkreuzung für Transporte, fällt gegenwärtig an die vom Westen unterstützten Demokratischen Syrischen Kräfte; der Druck auf Da’esh’s «Hauptort» Raqqa steigt. Im Irak sind Tikrit, Baiji, Ramadi, Rutbah und Hit an die aus der Bevölkerung mobilisierten Sicherheitskräfte gefallen. Fallujah ist eingekreist und kurz davor zu fallen. Vorbereitende Operationen für die finale Säuberungsoperation in Mosul laufen. Sonderoperationen laufen auf breiter Front gegen Führungskräfte, Schlüsselknoten und wichti- «Wir müssen wieder gleichzeitig im ganzen Einsatzspektrum militärischer Kräfte operieren können.» ge Verkehrsachsen. Das Ziel der Kampagne ist es, anhaltenden und kontinuierlichen Druck im gesamten Territorium von Da’esh aufrecht zu erhalten, um die Organisation gleichzeitig in allen Richtungen zur Reaktion zu zwingen. Zu 2): Die Aktionen Da’esh Finanzströme zu unterbinden, haben an Momentum gewonnen. Dies geschieht über Angriffe auf Schlüsselknoten der ent- sprechenden Erdölindustrie inklusive der Transportlastwagen, welche das Öl dem Schwarzmarkt und damit in die Hände von Bashar al Assad zuführen. Die in Geldwäschereiaktivitäten involvierten Banken und Bargelddepots auf dem Territorium von Da’esh wurden angegriffen und zerstört. Die Besteuerung durch Da’esh – und die damit verbundenen erheblichen Finanzmittel – von Lohnzahlungen an Zivilangestellte der Irakischen Regierung wurden unterbunden. Kurz, die finanziellen Ressourcen von Da’esh wurden auf bis zu 50% eingeschränkt und damit auch die Optionen zur Finanzierung von ausländischen Kämpfern erheblich eingeschränkt. Zu 3): Dies war von Beginn weg eine der grössten Herausforderungen. Hauptursache war hierbei anfänglich das fehlende Vertrauen der Nationen, relevante Informationen zu teilen. Während sich dieser Aspekt stark verbessert hat, wurde gleichzeitig an der Durchsetzung der Grenz- und Zollbestimmungen in den Ursprungs- und Transitländern gearbeitet, um die Beweglichkeit der ausländischen Kämpfer von ihren Einsatzräumen und zurück in ihre Heimatstaaten zu erschweren. Trotz des Ausrufs des Kalifats und die damit verbundene verstärkte religiöse Motivation sind die Zahlen, auch aufgrund der tieferen Entlöhnung und schlechten Erfahrungen desillusionierter ausländischer Kämpfer mit der versprochenen Rückführung, gesunken. Zu 4): Obgleich der wichtigste Aspekt der Strategie, war dies gleichzeitig auch der schwierigste. Wir werden Da’esh physisch besiegen können, aber die Idee der Da’esh wird vorher geschlagen werden müssen. Da’esh hat eine einheitliche zweiseitige Botschaft: «Das Kalifat ist unausweichlich und unbesiegbar, und wir (Da’esh) werden die Abtrünnigen und Kreuzritter sowie die Juden vernichten.» Da’esh beherrscht die Technologien zur globalen Verbreitung dieser Botschaft über soziale Medien. Eine derartige Kohärenz und Stärke in dieser Fähigkeit ist bisher einzigartig und wir müssen darauf gefasst sein, dass sich diese Fähigkeit auch bei Nachfolgern dieser unsäglichen Organisation weiter verbreiten wird. Da’esh kämpft in der Informationssphäre aus einer vorteilhaften Position aus internen Reihen. Die globale Koalition gegen ISIL musste derart organisiert werden, dass eine strategische Gegenbotschaft auch lokal implementiert werden konnte. Seine Majestät König Abdullah II von Jordanien hat uns den Kontext für diese Infor- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 7 Sicherheitspolitik mationskampagne geliefert: «Dies ist eine Auseinandersetzung, um den Glauben des Islam wiederzugewinnen. Und um diese Auseinandersetzung zu gewinnen, muss die Gegenbotschaft ein arabisches Gesicht und eine muslimische Stimme haben.» Wir haben uns dies auf strategischer Stufe zu Herzen genommen und arbeiten hart daran, Bodenhaftung in den unterschiedlichen Bevölkerungen innerhalb der Koalition von Nordamerika, über Europa, den Mittleren Osten, Westafrika bis hin zu Asien zu gewinnen. Die Koalition führt ihre Informationskampagne aus externen Reihen und muss sich dieses strategischen Themas in der Informationssphäre auf der taktischen Stufe annehmen. Hier wartet noch viel Arbeit auf uns. Zu 5): Es ist nicht damit getan Da’esh zu besiegen und die Organisation aus den General John R. Allen, Andreas Bölsterli, Andreas Cantoni (von rechts). Bilder: ASMZ 8 Bevölkerungszentren zu verdrängen. Die betroffene Bevölkerung muss nachhaltig vor den Schrecken der Da’esh befreit werden. Dies erreichen wir über Stabilisie- «Und um diese Auseinandersetzung zu gewinnen, muss die Gegenbotschaft ein arabisches Gesicht und eine muslimische Stimme haben.» rungsoperationen, was auch den Schutz mit erkennbar präsenten Sicherheitskräften, die gerechte Regierung durch anerkannte einheimische Führungsfiguren und den Wiederaufbau der Infrastruktur Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 beinhaltet. Die Koalition hat enge und konstruktive Beziehungen zur UNDP (United Nations Development Program), inklusive ihrer «Funding Facility for Immediate Stabilization (FFIS)», entwickelt, um entsprechende Ressourcen rasch an die notwendigen Bevölkerungszentren zu verschieben. Alle diese Aktionen helfen nicht nur, die letzten Spuren von Da’eshs Präsenz und Einfluss zu tilgen, sondern auch um die Bevölkerung mit der Zentralregierung zu verbinden und zu versöhnen. Als Staat im Zentrum von Europa ist die Schweiz bis zu einem gewissen Punkt auch von folgenden Aspekten betroffen: a) Als internationales Finanzzentrum, b) als Rekrutierungsbasis für ausländische Kämpfer, c) als Operationsbasis und d) durch Flüchtlingsströme. Welche Konsequenzen sollte die Schweiz in diesen Punkten in Betracht ziehen? Zu a): Es ist entscheidend, dass wir Da’eshs Fähigkeiten Finanzeinnahmen zur Finanzierung seiner Operationen einschränken und schlussendlich unterbinden. Da’esh ist in seiner Art als terroristische Organisation einzigartig, indem es ihr gelungen ist, von einer schwerbewaffneten kriminellen Gruppe, mit Terror als primäres Mittel, zu einem Protostaat aufzusteigen, der ein Territorium mit einer unterworfenen Bevölkerung besetzt. Dies konnte Da‘esh lediglich erreichen, indem es offenbar für die lokale Bevölkerung attraktiv war, weil es als konventionelle Streitkraft kämpfte und nahezu komplett finanziell selbsttragend war. In diesem Zusammenhang kann die Schweiz, als globales Finanzzentrum und ein Schlüsselmitglied des internationalen Finanzsystems, der globalen Koalition gegen ISIL eine wichtige Rolle spielen, indem sie hilft, Da’eshs Geldwäschereifähigkeiten und die Zugänge zum internationalen Finanzsystem einzuschränken. Da’esh kann finanziell ausgehungert und damit seine operationellen Fähigkeiten indirekt reduziert werden. Ohne Finanzmittel wird die Anwerbung von ausländischen Kämpfern stark eingeschränkt. Zu diesem Zweck war sowohl die USA als auch die Koalition in andauernder Verbindung mit dem Bankensystem und hat, wo notwendig, entsprechende Sanktionen zur Isolierung von Da’esh verfügt. Zu b): Ausländische Kämpfer reisen aus über 80 Ländern in den Irak und nach Syrien, um Da’esh zu unterstützen. Einige europäische Länder stellen überdurch- Sicherheitspolitik schnittlich viele ausländische Kämpfer pro Kopf ihrer Einwohner. Je aktiver und aggressiver die Strafverfolgung, desto tiefer ist die Zahl der Kämpfer, die sich in einem fremden Land an Gefechtshandlungen beteiligen wollen. Die rechtlichen Massnahmen in der Strafverfolgung sind zu einem wichtigen Abschreckungs- und Sanktionsfaktor für radikalisierte Individuen geworden. Die besten Erfolge, um den Fluss der fremden Kämpfer einzudämmen, wurden durch staatlich konzertierte Ansprachen an muslimische Gemeinden und Risikogruppen erreicht. In muslimischen Gettos, die getrennt von der Mehrheit der einheimischen Bevölkerung existieren, entstehen leicht Plattformen für die Radikalisierung und die Rekrutierung durch extremistische Organisationen. Die Erfahrungen zeigen, dass der partnerschaftliche Austausch von Religionsgemeinschaften mit staatlichen Stellen dabei den besten Präventionserfolg bringt. Zu c): Die Herausforderung, der Da’esh Operationen in unseren Heimatländern zu verwehren, besteht in der Koordination zwischen den Behörden der Strafverfolgung, den Nachrichtendiensten und Sicherheitskräften. Es geht darum, die Bewegungsfreiheit und den Nachschub der Gegenseite zu unterbinden. Die meisten «In muslimischen Gettos, die getrennt von der Mehrheit der einheimischen Bevölkerung existieren, entstehen leicht Plattformen für eine Radikalisierung.» europäischen Staaten stehen vor erheblichen Hürden in Bezug auf Zusammenarbeit innerhalb (z.B. zwischen Strafverfolgung und Nachrichtendiensten) als auch zwischen Staaten. So ist es zudem inzwischen klar, dass sich Da’esh, wie auch andere extremistische Organisationen, nicht nur innerhalb ihrer eigenen Netzwerke, sondern auch Hand in Hand mit etablierten kriminellen Organisationen grenzund ideologieübergreifend bewegen. Zu d): Flüchtlingsströme tragen in sich das Risiko, auch Terroristen und Kriminelle mit sich zu führen. Auch hier ist die Zusammenarbeit unter den betroffenen europäischen Staaten dringend angeraten. Nur durch den entsprechenden Informationsaustausch können die notwendigen Massnahmen zeitgerecht eingeleitet werden. Gemäss unserer Wahrnehmung wird gegenwärtig in den Medien häufig von Schwächen und Niederlagen von Da’esh im Irak und in Syrien berichtet. Demnach verliert Da’esh wichtige Städte und Sektoren und damit verbunden wichtige Basen. Ist Da’esh bereits besiegt? Wie beurteilen Sie deren Verschiebung der Aktivitäten nach Libyen, dem Libanon und andere Regionen? Tatsächlich hat die Gegenseite schwere Niederlagen hinnehmen müssen; Da’esh ist jedoch noch weit von der Vernichtung entfernt. In der Zeit von Anfang 2015 bis heute hat sich Da’esh in ein dreiköpfiges Monster verwandelt. Der Kern und damit der erste Kopf der Bewegung befindet sich nach wie vor im Irak und in Syrien. Gleichzeitig hat es jedoch extensive Standorte, genannt Provinzen oder Wilayats, als zweiten Kopf in Übersee gewonnen. Diese Gruppierungen waren bisher oder sind derzeit noch Netzwerke von extremistischen Aufständischen oder Kriminellen, die die Nähe zu Da’esh gesucht und dem Kalifat und dem Kalifen ihre Treue bezeugt haben. Als Provinz ist dabei die Wilayat von Nordafrika, ehemals Ansar al Sharia in Libyen, als störende Kraft in Libyen in Erscheinung getreten. Diese Organisation ist zurzeit unter erheblichem Druck durch die libyschen Elemente der Nationalen Einheitsregierung (engl. Government of National Unitiy), die vom Westen mit Luftschlägen unterstützt wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sie die Stadt Sirte verlieren und damit einen erheblichen Rückschlag erleiden. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf die zweite Provinz, den Wilayat von Westafrika, ehemals Boko Haram. Ob die beiden Gruppierungen letztendlich kooperieren, bleibt offen. Sie liegen geographisch weit auseinander und sind beide nicht besonders reich an Mitteln. Ihre Ursprünge und Doktrinen sind einigermassen unterschiedlich, sodass über individuelle Zusammenarbeiten hinaus, schlimmstenfalls koordinierte lokale terroristische Übergriffe resultieren könnten. Der dritte Kopf dieses Monsters ist das globale Netzwerk mit seiner Fähigkeit der globalen Koordination. Bisher sind wir jedoch zum Glück von massiven über dieses Netzwerk gleichzeitig koordinierten Aktionen verschont geblieben. Wir werden hier wachsam bleiben müssen. Wie werden sich diese Entwicklungen oder Verschiebungen auf mögliche Einsätze der USA in Libyen, wie sie von General Dunford (aktueller Chairman of the Joint Chiefs of Staff, USA) angetönt wurden, auswirken? Es kann damit gerechnet werden, dass die USA einerseits den Druck auf die Da’esh in Libyen erhöhen wird, andererseits gleichzeitig die Fähigkeiten ihrer «Tatsächlich hat die Gegenseite schwere Niederlagen hinnehmen müssen; Da’esh ist jedoch noch weit von der Vernichtung entfernt.» Partner innerhalb der Koalition, insbesondere Frankreich und Italien sowie der libyschen Elemente der Nationalen Einheitsregierung, weiter vermehrt unterstützen wird. Das Momentum wird sich damit weiter klar gegen Da’esh in Libyen und Nigeria/Westafrika verschieben. Wenn wir Sie zum Schluss noch um einen Ratschlag bitten dürfen – was empfehlen Sie aufgrund Ihrer langen Karriere als militärische Führungspersönlichkeit einem jungen Offizier der Schweizer Armee.Wie soll er sich als Leader weiterbilden? Kurz gesagt – er sollte einen Körper so fit wie ein 25-Jähriger haben und einen Geist haben, der die Erfahrung von 5000 Jahren Geschichte kennt. Es war und ist für mich entscheidend, sich mit der Geschichte und der Politik, insbesondere der Sicherheitspolitik, auseinander zu setzen. Dieses Wissen, gepaart mit der nötigen Fitness hat es mir ermöglicht, auch in schwierigen Situationen besser zu verstehen, warum Menschen, aber auch Staaten unter Druck und in besonderen Umständen anders reagieren können. Wenn dann dieses Wissen genutzt wird, werden hoffentlich auch die situationsgerechten und angepassten Entscheide eben auf dieser Basis von Erfahrung und Geschichte gefällt. Herr General, wir danken Ihnen herzlich für dieses sehr eindrückliche Gespräch! ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 9 Sicherheitspolitik Der Anschlag von Istanbul – die Türkei und der IS Der schwere Terroranschlag auf dem internationalen Flughafen vom 28. Juni 2016 ist der aktuelle Höhepunkt einer Serie von Attentaten in den letzten Monaten, bei denen fast 200 Menschen ums Leben gekommen sind und eine nicht genau bekannte Anzahl von Türken und Ausländern unterschiedlich schwer verletzt und/oder traumatisiert wurde. Jürgen Hübschen Nach Aussage des türkischen Präsidenten Erdogan und verschiedener Regierungsstellen, ist die Terrorganisation Islamischer Staat (IS) für die Anschläge verantwortlich. Der nachfolgende Bericht beschäftigt sich nach einer zusammengefassten Sachdarstellung mit der Frage, ob allein der IS hinter den Anschlägen steckt. Was spricht für diese Behauptung und welche Argumente widersprechen dieser Sichtweise? In diesem Zusammenhang muss festgestellt werden, dass die Informationspolitik der offiziellen türkischen Stellen nur bedingt dafür geeignet ist, wirklich belastbare Fakten darzustellen, weil Ankara aus innenpolitischen Gründen naturgemäss daran interessiert ist, die eigene Sicht der Dinge zu publizieren und auch im Ausland den Eindruck vermitteln will, dass es sich nicht um ein speziell türkisches Pro- 10 blem handelt, sondern alle Staaten mehr oder weniger vom internationalen Terrorismus betroffen sind. Fakten und Hintergründe Im Folgenden soll kurz auf die wesentlichsten Entwicklungen und Ereignisse eingegangen werden, die im Zusammenhang mit der aktuellen Lage von Bedeutung sind, bzw. wichtig sein könnten. Am 21. März 2013, zum türkischen Neujahrsfest Newroz, erklärte der inhaftierte Führer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, eine einseitige Waffenruhe und den Rückzug der PKKEinheiten aus der Türkei. Am 25. Juli 2015 griff die türkische Luftwaffe Stellungen der PKK an, die daraufhin den Waffenstillstand vom Frühjahr 2013 für beendet erklärte. Seitdem Sultan Ahmed Platz Istanbul, Anschlag 12. Januar 2016. Bilder: Wikipedia Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 greifen türkische Kampfflugzeuge bis zum heutigen Tage immer wieder Positionen der PKK an, wobei von Ankara häufig behauptet wird, Stellungen des IS zu bekämpfen. Im Frühjahr 2011 eskalierte ein friedlicher Protest in Syrien zu einem Bürgerkrieg, der das Ziel hat, das ASSAD-Regime zu stürzen und bis zum heutigen Tag andauert. Syrische Regierungstruppen kämpfen nicht nur gegen gemässigte Oppositionelle, sondern auch gegen islamistische Extremisten, vor allem gegen die Terrororganisation IS, die sich zum grössten Teil aus ausländischen Kämpfern rekrutiert. Die Bürgerkriegsparteien werden zunehmend von ausländischen Staaten unterstützt. Zunächst stellte sich der Westen auf die Seite der Opposition und liess dabei auch den IS gewähren, den man völlig unterschätzte. Man traute ihm offensichtlich am ehesten einen Sturz des syrischen Herrschers zu, verkannte aber die eigentlichen Ziele der Terrororganisation total. Erst als der IS im Juni 2014 die irakische Stadt Mosul erobert hatte und auch im Irak immer mehr Fuss fasste, gingen den westlichen Politikern die Augen auf, und eine westliche Allianz begann unter Führung der USA, den IS aus der Luft zu bekämpfen. Die Türkei und auch Staaten wie Saudi-Arabien und Katar hatten und haben ebenfalls einen Regime Change in Damaskus auf der Agenda und unterstützen den IS auch weiterhin, wobei die türkische Regierung das offiziell nach wie vor bestreitet. Es steht aber zweifelsfrei fest, dass die meisten der ausländischen ISKämpfer über die türkische Grenze nach Syrien gelangt sind. Das belegen türkische Einreisestempel in den Pässen vieler gefallener IS-Kämpfer und/oder auch türkische Sim-Karten in deren Smart Phones. Auch Waffenlieferungen über die türkisch-syrische Grenze wurden von türkischen Jour- Sicherheitspolitik nalisten dokumentiert, denen dafür mitt- von Ankara begann die türkische Luftwaffe zeitgleich ebenfalls Luftangriffe gegen lerweile der Prozess gemacht wurde. Es gibt seriöse Hinweise, dass dieser Waf- den IS zu fliegen. Es gab jedoch immer fenschmuggel über die türkische Grenze Zweifel, ob die Türkei wirklich Einsätze dem britischen Geheimdienst MI 6 und gegen den IS fliegt oder ob diese mit Masauch der amerikanischen CIA bekannt ist. se gegen die PKK gerichtet sind. Jahrelang konnte der IS auch ungestört Ebenfalls auf Drängen der internationaÖl aus den von ihm eroberten Gebieten in len Staatengemeinschaft versprach Ankadie Türkei exportieren und seinen Kampf ra eine effektivere Kontrolle der türkischdadurch entscheidend finanzieren. syrischen Grenze, um den Schmuggel von Während die Allianz der westlichen Waffen für den IS einzudämmen bzw. zu Staaten das Ziel, Präsident Assad zu stür- verhindern und auch das Einsickern von zen, offiziell aufgegeben hat, unterstützen IS-Kämpfern nach Syrien zu stoppen. die USA trotzdem immer noch sogenannte gemässigte Oppositionelle, und die Chronologie des Grauens CIA kooperiert im Rahmen der OperatiKurz vor den ersten türkischen Lufton «Timber Sycamore» unter der Decke sogar mit radikalen Islamisten wie z.B. angriffen gegen den IS begann eine Serie von massiven Terroranschlägen in dem der Al Nusra Front. Russland, der Iran und auch die schiti- Land am Bosporus. Es begann mit einem Selbstmordatsche libanesische Hisbollah stehen uneingeschränkt auf der Seite Assads und be- tentäter, der sich am 8. Juli 2015 in Sukämpfen konsequent alle Gruppierungen, ruc, an der Grenze zu Syrien, in die Luft die den syrischen Herrscher stürzen wol- sprengte und mehr als 30 Menschen mit len. Deshalb schoss die türkische Luft- in den Tod riss. Die Hintergründe der Tat waffe am 24. November 2015 einen rus- wurden nicht zweifelsfrei aufgeklärt. sischen Kampfbomber im syrisch-türkischen Grenzgebiet ab. Der Pilot, der sich aus der SU-24 katapultiert hatte, wurde am Fallschirm hängend erschossen. Das zweite Besatzungsmitglied rettete sich mit dem Fallschirm. Danach wurden die türkischrussischen Beziehungen annähernd vollständig eingefroren. Russland bekämpft den IS auch wegen des Demirören Shopping Mall Istanbul, Anschlag vom 16. März 2016. eigenen muslimischen Bevölkerungsanteils und der muslimischen Am 10. Oktober sprengten sich in AnRepubliken der ehemaligen Sowjetunion, kara zwei Selbstmordattentäter auf einer die heute als souveräne Staaten zur Russi- prokurdischen Friedenskundgebung in schen Föderation gehören und in denen die Luft. 101 Menschen starben. Die türder IS ebenfalls Kämpfer rekrutiert. Der kische Regierung machte den IS für das schiitische Iran unterstützt den alawiti- Attentat verantwortlich, der sich allerschen syrischen Herrscher, einerseits weil dings bis heute nicht dazu bekannt hat. es sich beim IS um eine sunnitische TerrorAm 12. Januar 2016 tötete ein Selbstorganisation handelt und weil Iran eben- mordattentäter in Istanbul zwölf deutsche so wie Saudi-Arabien und die Türkei be- Touristen, als er in deren Reisegruppe seistrebt ist, in dieser Region der Erde die nen Sprengstoffgürtel zündete. Der IS wies die Beschuldigung der türkischen Regiedominierende Macht zu werden. Ende Juli 2015 erlaubte die türkische rung für das Attentat verantwortlich zu Regierung nach massivem Druck aus Wa- sein, zurück. Am 14. Januar starben in der Nähe von shington der westlichen Allianz erstmals die Nutzung der NATO-Basis in Incirlik Diyarbakir sechs Polizeibeamte durch ein für Einsätze gegen den IS. Nach Angaben mit Sprengstoff präpariertes Auto. Die PKK übernahm die Verantwortung für den Anschlag Am 17. Februar wurden in Ankara bei einem Anschlag auf einen Militärkonvoi 28 Menschen getötet. Die der PKK nahe stehende Organisation «Freiheitsfalken Kurdistans» (TAK) bekannte sich zu dem Verbrechen. Die TAK erklärte in ihrem Schreiben, «ihren Rachfeldzug gegen den faschistischen türkischen Staat» fortzusetzen. Am 13. März bekannte sich die TAC zur Explosion einer Autobombe mitten in Ankara, durch die 35 Menschen starben. Am 19. März riss im Zentrum von Istanbul ein Selbstmordattentäter drei Israelis und einen Iraner mit in den Tod. Die türkische Regierung machte erneut den IS für den Anschlag verantwortlich, von dem es aber wiederum kein ansonsten für den IS typisches Bekennerschreiben gab. Am 31. März starben bei einem Anschlag auf einen Polizeibus in Diyarbakir sieben Beamte. Der Hintergrund der Tat wurde nicht bekannt. In Diyarbakir gibt es seit dem Ende des Waffenstillstands ständig heftige Kämpfe zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der PKK. Am 7. Juni starben 11 Menschen durch einen Bombenanschlag auf einen Bus der Polizei in der Altstadt von Istanbul. Die kurdische TAK bekannte sich zu dem Verbrechen. Am 8. Juni wurden in der südtürkischen Stadt Midyat sechs Menschen vor einem Polizeirevier durch eine Autobombe getötet. Die PKK übernahm die Verantwortung für den Anschlag. Am 28. Juni starben über 40 Menschen durch einen Terroranschlag auf dem internationalen Flughafen von Istanbul. Fast 200 Menschen wurden verletzt, als drei Attentäter mit Sturmgewehren auf die Reisenden schossen und sich anschliessend in die Luft sprengten. Die türkische Regierung machte umgehend den IS für das Attentat verantwortlich. Beurteilung Die Sicherheitslage in der Türkei wird aus verschiedenen Gründen zunehmend instabil und der Einbruch des von den Anschlägen extrem betroffenen Tourismus führt zu einer massiven Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Landes. Dafür gibt es zwei wesentliche Ursachen. Zum Einen führt die Türkei seit Mitte 2015 wieder einen gnadenlosen Krieg gegen die kurdische PKK und zum Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 11 Sicherheitspolitik Anderen hat sie sich durch einen zumindest teilweisen Wechsel der Fronten den Zorn des IS zugezogen. Die aktuellen Terroranschläge zeigen in beide Richtungen. Der Kampf gegen die PKK hat im Südosten der Türkei zu bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen geführt. Es gibt Städte, in denen die Bevölkerung seit Monaten in den Kellern lebt. Die türkische Luftwaffe greift nicht nur Stellungen der PKK im eigenen Land an, sondern auch im NordIrak und bekämpft die der PKK nahe stehende syrische Kurden-Miliz YPG im tür- «Die Sicherheitslage in der Türkei wird zunehmend instabil.» kisch-syrischen Grenzgebiet aus der Luft und mit Artillerie am Boden. Die YPG ist der bewaffneter Arm der «Partei der Demokratischen Union» (PYD) und kämpft in Syrien mit Luftunterstützung durch die westliche Allianz gegen den IS. Im politischen Bereich hat Präsident Erdogan einen Beschluss des türkischen Parlaments initiiert, durch den die Immunität vor allem von Abgeordneten der kurdischen HDP aufgehoben wurde, die sich nun in vielen Fällen mit einer mehr als fadenscheinigen Strafverfolgung konfrontiert sehen. Die PKK und kurdische Splittergruppen sind bei ihrem Kampf gegen Präsident Erdogan und die Regierung mit Sicherheit für viele Anschläge in der Türkei verantwortlich, wie unter anderem auch die aktuellen Bekennerschreiben der TAK deutlich machen. Was den IS angeht, beginnt Ankara jetzt offensichtlich den Preis dafür zu zahlen, dass man die Terrororganisation jahrelang nicht nur hat gewähren lassen, sondern nachweislich unterstützt hat mit dem Ziel, Präsident Assad zu stürzen. In wieweit diese Unterstützung unter der Decke noch immer anhält, ist unklar. Es steht jedenfalls fest, dass die Türkei offiziell die Fronten gewechselt hat und sich am Kampf gegen den IS beteiligt. In welchem Masse das geschieht, ist allerdings ebenfalls nicht nachweisbar, weil viele Einsätze der türkischen Luftwaffe angeblich gegen den IS gerichtet sind, in Wirklichkeit aber Stellungen der PKK zum Ziel haben. Doch die Entscheidung, der westlichen Allianz die Basis in Incirlik für Luftan- 12 griffe gegen den IS zur Verfügung zu stellen, war für den IS der Beweis, dass die Türkei sich am Kampf gegen ihre Organisation beteiligt. Auch die aktuelle Aussöhnung mit Russland, das ja den IS am konsequentesten bekämpft, ist, nach dem Abschuss des russischen Kampfflugzeugs durch die türkische Luftwaffe im November 2015, für die Terrororganisation ein klarer Wechsel der Fronten. Ein weiterer Hinweis eines Wechsels in der offiziellen Politik gegenüber dem IS ist die Ende Juni von Präsident Erdogan und dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu getroffenen Entscheidung, wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen und in Zukunft wieder eng zusammenzuarbeiten. Israel kann sicherlich nicht als Verbündeter des IS bezeichnet werden. Die Tatsache, dass der IS sich bislang nicht, wie sonst üblich, zu Terroranschlägen in der Türkei bekannt hat, könnte damit erklärt werden, dass er noch immer Männer in der Türkei rekrutiert und/oder darauf setzt, unter der Decke weiterhin relativ ungestört vor allem im türkisch-syrischen Grenzgebiet agieren zu können. Beides wäre nach einem Eingestehen von Anschlägen wohl nur noch bedingt möglich. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sowohl die türkische Kurden-Politik von Präsident Erdogan als auch seine Haltung gegenüber dem IS, verbunden mit der nach wie vor bestehenden Absicht, Präsident Assad zu stürzen, Ursachen für die aktuellen Anschläge und eine permanente Destabilisierung der türkischen Sicherheitslage sind. Welche der beiden Ursachen schwerer wiegt, ist dabei eher unwichtig. Der türkische Präsident muss seine Politik ändern. Dazu gehören in erster Linie eine Aussöhnung mit den Kurden und eine konsequente Bekämpfung des IS. Leider ist von einem solchen Politikwechsel bislang nichts erkennbar. Vielmehr setzt Erdogan alles daran, das Land innenpolitisch in ein Erdogan-Sultanat zu verwandeln und aussenpolitisch eine türkische Vorherrschaft in der Region zu erreichen. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Oberst i Gst aD Jürgen Hübschen Beratung für Friedenssicherung und Sicherheitskonzepte D-48268 Greven Das Wort des CdA Geschätzte Kader unserer Armee, geschätzte Leserinnen und Leser der ASMZ Ende Juni habe ich den SWISSMEM-Industrietag 2016 besucht, dessen zentrales Thema Digitalisierung respektive digitale Zukunft war. Die Digitalisierung hat die (Arbeits-) Welt bereits fundamental verändert und wird das weiterhin tun. Die Rede ist in diesem Zusammenhang von der vierten industriellen Revolution. Diese wurde auch schon beschrieben als Fusion diverser Technologien, welche die Grenzen zwischen physischen, digitalen und biologischen Sphären verschiebt. Heisst das also, dass Computer oder Grossrechner uns Menschen am Arbeitsplatz ersetzen? So utopisch das heute auch tönen mag, wir haben uns damit auseinanderzusetzen. Warum thematisiere ich das? Weil die Parallelen zu unseren Führungstätigkeiten in der Armee offensichtlich sind. Wir machen regelmässig Lagerapporte, weil sich die Lage permanent ändern kann. Das führt dann allenfalls dazu, dass wir Handlungsbedarf erkennen. Der Umgang mit Veränderungen ist für uns, die wir mit den militärischen Führungstätigkeiten vertraut sind, nichts Aussergewöhnliches. Wichtig ist jedoch, dass man dann Liebgewonnenes nicht für unantastbar erklärt, sondern die Konsequenzen zieht und auch bereit ist, Anpassungen vorzunehmen. Was bedeutet die vierte industrielle Revolution für die Armee? Was bedeutet sie punkto der Fähigkeiten der Armee? Was bedeutet sie punkto Sicherheit im CyberRaum? Ist Handlungsbedarf erkannt, können wir mit dem militärischen Führungsrhythmus loslegen. Problemerfassung, Beurteilung der Lage, Entschlussfassung, Planentwicklung, Befehlsgebung / Revision der Pläne. Wir machen Militär. Unaufgeregt, systematisch, konsequent. Das könnte im Ergebnis dazu führen, dass nicht alle einverstanden sind. Aber wir müssen uns dieser Entwicklung stellen. Damit die Armee auch in Zukunft in der Lage ist, Land und Leute zu schützen. Korpskommandant André Blattmann Chef der Armee Sicherheitspolitik Nukleares Wettrüsten? – Zur Krise des INF-Vertrages im globalen Kontext Laut US-Administration verletzt Russland den Intermediate Range Nuclear Forces (INF)-Vertrag. Dieser Vertrag verbietet beiden Seiten dauerhaft jegliche bodengestützten Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 km. Russland bestreitet die Verletzung und erhebt Gegenanschuldigungen. Eine gütliche Einigung erscheint bis auf weiteres fraglich. Stefan C.P. Hinz Ende 1987 läutete der Abschluss des INF-Vertrages das Ende des Kalten Krieges ein. Das ungleiche Paar Reagan und Gorbatschow beendete mit der lange nicht für möglich gehaltenen bahnbrechenden Nulllösung schlagartig eine Phase des massiven Wettrüstens mit vor allem SS-20-Raketen auf der einen Seite und in Reaktion Pershing II-Raketen und Cruise Missiles auf der anderen Seite. Nulllösung bedeutete Rüstungskontrolle ohne Wenn und Aber: alle Raketen waren abzurüsten, unabhängig von ihrer Bewaffnung. Schlupflöcher soll es keine mehr geben. Bereits Tests von bodengestützten Mittelstreckenraketen und dazugehörigen Abschussgeräten sind verboten. Die Vertragsdauer ist unbegrenzt – es sei denn, eine Partei kündigt aus übergeordneten nationalen Interessen. Wird der Vertrag möglicherweise sein 30-jähriges Jubiläum nicht mehr erleben? Wäre dies ein Kollateralschaden der neuen Spannungen zwischen Russland und dem Westen? Oder hat sich der Vertrag schlicht überlebt? Wie sind die Zusammenhänge mit anderen strategischen Fragen zu sehen, prominent mit den Raketenabwehrplänen (Missile Defense) der USA und ihrer Verbündeten? Sommer 2014 – offizieller Beginn der Krise Mitte 2014 haben die USA offiziell festgestellt, dass die Russische Föderation den INF-Vertrag verletzt («Non-Compliance»). Im Juni 2015 und im April 2016 hat das State Department erneut den Finger in die Wunde gelegt. Vertragsbrecher sei eine neue Rakete, die als bodengestützter Marschflugkörper innerhalb der vertragswidrigen Reichweite von 500 bis 5500 km erprobt worden sei. Ergänzenden Informationen zufolge hätten die ent- sprechenden Tests bereits 2008 begonnen und ab 2011 habe man die Rakete als verbotenen Marschflugkörper identifiziert. Natürlich habe man, guten Gepflogenheiten folgend, die russische Seite bereits «INF – Wird der Vertrag möglicherweise sein 30-jähriges Jubiläum nicht mehr erleben?» Software ändern. Das merkt sogar keiner. Selbst Rumänen nicht». Recht unverhohlen wird gedroht: «…welche Möglichkeiten wir haben, hat die ganze Welt gesehen. Sie haben gesehen, welche Luftund See-Mittelstreckenraketen sowie Landkomplexe mit einer Reichweite von 500 Kilometern wir haben. Die Iskander haben sich bewährt». Iskander ist eine moderne ballistische Kurzstreckenrakete, die seit 2005 in die russischen Streitkräfte eingeführt wird. Sie gilt als vergleichsweise punktgenau. Ihre Dislozierung im Oblast Kaliningrad ist seit Jahren in Rede stehend, die Annexion der Krim eröffnet neue Stationierungsoptionen. Die explizite Erwähnung der vertragsrelevanten 500 km-Grenze bei bodengestützten Systemen («Landkomplexen») soll offenkundig gleichzeitig den fortge- vorab (2013) mit den Vorwürfen konfrontiert und somit Zeit für eine Reaktion, das heisst optimalerweise für eine Rückkehr zur Vertragstreue, gegeben. Gründlichkeit ging der Obama-Administration vor Schnelligkeit. Russland fordert demgegenüber die Vorlage von belastbaren Beweisen, soweit wir wissen vergeblich. Es leugnet die NonCompliance beharrlich – und erhebt Gegenanschuldigungen, die im Kern auf die neuen Raketenabwehrfähigkeiten von USA und NATO zielen. Der russische Präsident nutzte jüngst Mikhail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichnen im Mai 2016 seinen den INF-Vertrag, 1987. Besuch in Athen zu entsprechenden Botschaften. Demzufolge setzten russischen Willen unterlegen, am würden die stationären Raketenabwehr- INF-Vertrag festzuhalten. Dem entspricht, basen in Rumänien (frisch in Betrieb ge- dass sich Moskau im Frühjahr 2015 im nommen) und Polen (Inbetriebnahme Rahmen des Reviews des Atomwaffen2018 geplant) auch offensiven Zwecken sperrvertrages explizit zum INF-Vertrag dienen können. O-Ton Putin: «Man kann bekannt hat. Warum den USA nacheifern ganz einfach eine Rakete durch eine an- und einen wesentlichen Rüstungskontrolldere ersetzen. Dafür muss man nur die vertrag unilateral kündigen? Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 13 Sicherheitspolitik Das Problem im Kontext der Raketenabwehr Im Rahmen einer durchaus konsistenten Strategie hat Russland nach Ende des Kalten Krieges frühzeitig Fundamentalopposition bezogen gegenüber den Raketenabwehrplänen der USA. Diese Pläne stehen in einer jahrzehntelangen Traditionslinie, stets zwischen Wünschenswertem und Machbarem oszillierend. Unter «Ziel Moskaus bleibt es aber, bei Bedarf jegliche Missile Defense-Einrichtung in Europa schnell und effektiv ausschalten zu können.» Präsident Reagan nannten sie sich «Strategic Defense Initiative» (SDI), unter Bush I‚ «Global Protection Against Limited Strikes» (GPALS), unter Clinton dann «National Missile Defense» (NMD). Quer dazu lag stets der Anti Ballistic Missile (ABM)-Vertrag von 1972, der den USA und (Sowjet)Russland strategische Raketenabwehr bis auf ein Feigenblatt verbot. Im Gegensatz zu SDI und GPALS war NMD aber nicht irreal und in Konsequenz mit dem ABM-Vertrag nicht mehr in Einklang zu bringen. Russland verweigerte sich einer Anpassung des Vertrages. So oblag es Präsident Bush II, wegen NMD im Jahr 2002 den ABM-Vertrag unilateral aufzukündigen. Seitdem unterliegt Raketenabwehr global keinerlei Rüstungskontrolle. Präsident Obama adaptierte die Raketenabwehrpläne im Sinne eines flexiblen, bündnisorientierten Ansatzes. Der neue Missile Defense «European Phased Adaptive Approach» (EPAA) wurde im November 2010 vom NATO-Gipfel in Lissabon indossiert. Demzufolge verleihen vor allem see- und landgestützte Abwehrsysteme Europa schrittweise einen verbesserten Schutz gegen begrenzte Raketenangriffe. Beim Warschauer Gipfel 2016 soll die Erstbefähigung (IOC) erklärt werden und bis 2018 die finale Befähigung des EPAA erreicht sein. Waren die russischen Positionierungen gegen den westlichen Raketenabwehrschirm bis 2008 noch explizit begleitet 14 von der Drohung, Mittelstreckensysteme stationieren und daher den INF-Vertrag aufkündigen zu müssen, so ist dies heute wie dargestellt nicht mehr der Fall. Erklärtes (und im Grunde nachvollziehbares) Ziel Moskaus bleibt es aber, bei Bedarf jegliche Missile Defense-Einrichtung in Europa schnell und effektiv ausschalten zu können. Zu diesem Zweck stehen grundsätzlich boden-, see- und luftgestützte Systeme zur Verfügung. Für einen gegebenenfalls schnellen Schlag «aus dem Stand» gelten gemeinhin bodengestützte, zumal strassenmobile Systeme als Mittel der Wahl. Ausgang der aktuellen Hängepartie ungewiss ven Mix Abschreckung und Verteidigung sicherstellen. Schwierige technische Fragestellungen Wie aber konkret mit Moskau über ein neues System sprechen, das es nach russischer Auffassung gar nicht gibt? Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass nach Beseitigung aller Raketen und Trägermittel das Verifikationsregime für den INF-Vertrag inaktiv geworden ist. Folgt man der Diskussion in den einschlägigen Expertenkreisen, so kann dort mangels Fakten keine Klarheit über den von den USA indizierten Marschflugkörper herrschen. Mögliche «innerfamiliäre» Adaptionen zwischen See-, Luft- und Landsystemen gestalten die Lage unübersichtlich. Möglicherweise liegt genau hier der Ursprung der Krise des INF-Vertrages. Vorstellbar ist durchaus, dass Russland es bei Tests im Verborgenen nicht so genau genommen hat. Von den USA damit konfrontiert, hätte Moskau dann Vor- und Nachteile eines Verlassens des Vertrages neu abgewogen und sich in Folge für die dargestellte Position pro Vertrag entschieden. In Konsequenz wird Russland, so die Prognose, in absehbarer Zeit keinen Anlass mehr für Vorwürfe der Vertragsuntreue geben. Möglicherweise waren Wie geht es weiter? Der Ausgang der Hängepartie um den INF-Vertrag ist nicht abzusehen. Die Obama-Administration wird bis zum Ende ihrer Amtszeit das als ernst dargestellte Problem «businesslike», das heisst primär auf Expertenebene behandeln und in jedem Fall nicht einem gewissen innenpolitischen Druck nachgeben, dass die USA ihrerseits als erste den INF-Vertrag kündigen. Klar ist aber seit Mitte 2014 auch, dass die Geduld der USA endlich ist. Zur Debatte steht dort mittlerweile ein breites Spektrum von ökonomischen und militärischen Optionen, von defensiven Massnahmen («improve the defense of Europe») bis hin zur Wiedereinführung offensiver Mittelstreckensysteme («Pershing III»). Sollte Russland sich allerdings nunmehr strikt an seine eigenen politischen Verlautbarungen und damit an den INF-Vertrag halten (das heisst keine neuen Vertragsverstösse mehr produzieren), dürften derartige dras- Präsident Reagan und Edward Teller, Erfinder der Wasserstofftische offensive Ge- bombe und Befürworter des SDI-Programms. genmassnahmen zumindest im Bündnis erst einmal vom genau dies die taktischen Ziele der USA: Tisch sein. Zumal mit Blick auf die öf- politisch ein Bekenntnis Moskaus zum fentliche Meinung und die Bündnisko- INF-Vertrag und militärisch ein Ende häsion. Michael Krepon, ein Altmeister der verbotenen Tests bzw. die Nicht-Einder Rüstungskontrolle, empfiehlt vor al- führung eines neuen verbotenen Systems. Und wie über gleichermassen nicht exislem politisch-diplomatische Anstrengungen und daneben militärisch asymmetri- tente offensive Fähigkeiten land- und seesche Gegenmassnahmen zu See und in gestützter europäischer Raketenabwehrder Luft, die mit einem offensiv-defensi- potenziale sprechen? Gerade aus europä- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Sicherheitspolitik ischer Sicht wären Anstrengungen wünschenswert, vor Ort von den rein defensiven Fähigkeiten der neuen westlichen Raketenabwehr zu überzeugen. Die zitierten, sehr konkreten Anschuldigungen hinsichtlich eines möglichen Software- und Raketenwechsels sind jedenfalls durchaus ein geschickter Schachzug Moskaus. Im Gegensatz zu einem offiziell nicht nachgewiesenen neuen russischen System geht es bei Missile Defense um handfeste Systeme. Die vertikalen Abschlusssysteme der USA (Mark-41 oder -57) sind wie letztlich alle bodengestützten Raketensysteme durchaus in einer offensiven Rolle denk- bzw. modifizierbar. Gerade in Zeiten mangelnden Vertrauens ist hier Verifikation gefragt. Kooperation bei Raketenabwehr? Das Angebot des genannten NATOGipfels von 2010 an Russland, bei der Raketenabwehr zu kooperieren, liegt bis auf weiteres auf (dickem) Eis. Von Anfang an waren die konzeptionellen Vorstellungen beider Seiten nicht wirklich vereinbar. Im Gegenteil, es mehren sich nun Stimmen im Westen, die eine Neuausrichtung der NATO-Missile Defense gegenüber russischen Raketen, prominent bei der Verteidigung des Baltikums, fordern. Auf diese Weise könnten, so die These, begrenzte (auch nukleare) russische Raketenangriffe, wenn vielleicht nicht gänzlich abgewehrt, so aber doch in ihrer Wirkung minimiert werden. Hierzu ist zweierlei anzumerken: Zum einen entsprechen bis auf weiteres weder politische Absichten noch militärtechnische Fähigkeiten des EPAA einem derartigen Ambitionsniveau. Zum anderen würfe eine derartige Neuausrichtung ex post ein neues Licht auf die russische Fundamentalopposition: Missile Defense würde eben doch gegen Russland wirken, wenn auch erst einmal am «unteren» Ende des Eskalationsspektrums. Im Endeffekt droht eine Art Teufelskreis, in dem beider Seiten Fähigkeiten, Absichten, Wahrnehmungen und Unterstellungen sich jeweils verstärken und das Rüstungsniveau auf beiden Seiten beständig anheben. Helmut Schmidts Prophetie Helmut Schmidt prognostizierte 2004 in seinem Werk «Die Mächte der Zukunft», dass vor dem Hintergrund neuer Nuklearwaffen und Raketenabwehrsysteme «ein abermaliger Rüstungswettlauf auf dem Gebiet der nuklearen Raketen» bevorsteht. 2016 wäre festzuhalten, dass ein derartiger Wettlauf bereits eingetreten ist; im Unterschied zu den 1970er und 1980er Jahren allerdings weniger quantitativ, sondern mehr qualitativ geprägt. Die Potenziale Chinas, Indiens, Nordkoreas, Pakistan, Irans, Saudi-Arabiens und Israels tragen das ihre zu diesem Prozess bei. Für alle diese Staaten sind gerade Mittelstreckenraketen eine zunehmend harte Währung in den internationalen Beziehungen. Eine mögliche Multilateralisierung des INF-Vertrages (so 2007 die russischamerikanische Initiative bei den Vereinten Nationen) ist unwahrscheinlicher denn je. Insgesamt keine guten Zeiten für die Rüstungskontrolle. Die zwischen Russland und dem Westen 2014 neu aufgebrochenen Konfliktlinien werfen ein schärferes Schlaglicht auf das Raketendossier, sind aber nicht ursächlich für das Problem. Ende 2015 haben Vertreter der US-Administration deutlich gemacht, dass die in Rede stehende Verletzung des INF-Vertrages im Kontext eines insgesamt aggressiven russischen Verhaltens steht. Demzufolge stellten sich die USA grundsätzlich neu auf («comprehensive response») – unabhängig von der Entscheidung Russlands, zur INFVertragstreue zurückzukehren oder nicht. Appelliert wird im Übrigen an das Eigeninteresse Russlands («to remind Russia why it signed this treaty in the first place»), das von einem kostspieligen Aktions-Reaktionsschema letztlich nichts zu gewinnen habe. Unausgesprochen steht dabei zweierlei im Raum: Geographie, Entfernungen und damit Vorwarnzeiten gereichen Russland nicht zum Vorteil, nach der NATO-Osterweiterung noch weniger. Und die USA und das westliche Bündnis verfügen sowieso über die grösseren Ressourcen und die besseren Möglichkeiten. SDI lässt grüssen. Die Botschaften Washingtons sind klar. Allein es kann nicht erkannt werden, dass sie beim Empfänger ankommen. Inwieweit eine rüstungskontrollpolitische Einhegung der dargestellten Wechselwirkung von Offensive und Defensive und damit auch eine Bewahrung des für Europa unverändert wichtigen INF-Vertrages gelingen kann, bleibt also abzuwarten. ■ Oberst i.G. Stefan C.P. Hinz Dipl-Kfm (univ) Deutsche Luftwaffe, sekundiert zum GCSP 1211 Genf Aus dem Bundeshaus Es geht insbesondere um ein Rüstungsprogramm 2017sowie um das Rüstungs- und Immobilienprogramm in der «Armeebotschaft 2016» vom 24. Februar 2016. Am 12. April 2016 reichte die Sicherheitspolitische Kommission Nationalrat (SiKNR) folgende Motion ein (16.3266). «Der Bundesrat wird beauftragt, das Rüstungsprogramm 2017, allenfalls 2017 plus, so auszugestalten, dass die Finanzen der Armee für die Rüstungsausgaben ausgegeben werden können und keine Restkredite entstehen. «Eine Minderheit (7) beantragte Ablehnung. Begründung der SiK-NR: Das Parlament habe der Armee für die nächsten Jahre mehrmals ein Budget von je fünf Mrd. Franken zugestanden. Mit der vorläufigen Sistierung «Boden-Luftverteidigung 2020 (BODLUV)» sei das Rüstungsprogramm 2017 nicht mehr klar. Der Bundesrat beantragte am 25. Mai 2016, die Motion abzulehnen. Er teile die Ansicht der Motionäre, «dass die der Armee für Investitionen zur Verfügung stehenden Mittel schwergewichtig für Rüstungsbeschaffungen eingesetzt werden sollen». Das VBS habe daher infolge des abgebrochenen Vorhabens «Gripen» zurückgestellte Projekte zeitlich vorgezogen, damit sie nicht in die Zeit einer erneuten Kampfflugzeugbeschaffung fielen. Mit BODLUV 2020 entfalle im RP 2017 ein geplanter Verpflichtungskredit von 700 Mio Franken. Die Rüstungsplanung 2017bis 2020 werde mit anderen Vorhaben angepasst. Am 15. Juni 2016 stimmte der NR der Motion zu (126 : 63 : 0). Die SiK-NR schloss sich am 5. Juli 2016 dem SR an, beantragt ihrem Rat, nicht auf die bundesrätliche Vorlage zum Zahlungsrahmen der Armee von 18,8 Mrd. Franken einzutreten (16 : 8 : 0) und verweist auf den Bundesbeschluss vom 7. März 2016, enthaltend einen Zahlungsrahmen der Armee von 20 Mrd. Franken in den Jahren 2017–2010. Sie befürwortet das Rüstungs- und das Immobilienprogramm in der «Armeebotschaft 2016» (16.026). Oberst a D Heinrich L.Wirz Militärpublizist/Bundeshaus-Journalist 3047 Bremgarten BE Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 15 Einsatz und Ausbildung Ein militärisches «Gewissen» für miliztaugliche Systeme Der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie ist heute unerlässlich, um die Führungsfähigkeit der Armee gewährleisten zu können. Zugleich müssen die dementsprechend komplexen technischen Lösungen miliztauglich bleiben. Ein Kommando mit rund 30 Mitarbeitern der Führungsunterstützungsbrigade 41/SKS ist zu diesem Zweck in Beschaffung, Einführung und Betrieb neuer Systeme zur Führungsunterstützung involviert. Marco Schmidlin, Pascal Martin Das Kommando Führungsunterstützung-Systeme, -Kurse, und -Support (Kdo FU SKS) ist seit 2012 Teil der Führungsunterstützungsbrigade 41/SKS (FU Br 41/ SKS). Im Folgenden werden die Aufträge, Leistungen und Ansprüche an das Kdo FU SKS mit seinen rund 30 Mitarbeitern (Berufsoffiziere, Berufsunteroffiziere, Fachlehrer und zivile Mitarbeiter) beleuchtet. Komplexe Systeme für die Milz Die Führungsunterstützungsbasis (FUB) stellt die Führungsfähigkeit der Armee in Bedürfnisformulierung allen Lagen sicher. Sie gewährleistet Verbindungen und Datenaustausch zu jeder Zeit und überall. Die FU Br 41/SKS ist der militärische Arm der FUB und verantwortlich für die einsatzbezogenen Leistungen. Die Leistungserbringung erfolgt dabei durch Milizangehörige der Armee. Die Truppe muss in relativ kurzer Zeit an komplexen Systemen ausgebildet werden, um diese erfolgreich für diverse Leistungsbezüger der Armee einsetzen zu können. Daher ist die oft geäusserte Forderung nach der Miliztauglichkeit von technischen Systemen berechtigt und zentral. Zur erfolgreichen Auftragserfüllung müssen die entsprechenden Systemkomponenten vorab evaluiert, getestet, beschafft und bei der Truppe eingeführt werden. Dies ist die Hauptaufgabe des Kdo FU SKS. Fachwissen für FUB und armasuisse Das Kdo FU SKS garantiert bereits im Beschaffungsprozess die militärische, miliztaugliche und einsatzbezogene Sicht auf Systeme zur Führungsunterstützung. In sämtlichen Grossprojekten wie «Telekommunikation der Armee», «Führungsnetz Schweiz» sowie rund 34 weiteren FU-Projekten stellt das Kdo FU SKS die Truppen- Die Rolle des Kdo FU SKS im Rüstungsablauf schematisch dargestellt und grün markiert. Abnahme Koordination mit FUB Einführung Betriebskonzept Qualitätssicherung Truppensicht Ei Konzept Militärische Vorschriften Spezifikationen Ausb Konzept Train the Trainer Truppentauglichkeit Impuls MS10 Anmeldung Idee/Problem 16 Programm- oder Projektphasen Definition Umsetzung Initialisierung MS20 Auftrag Lösungsansatz/ Business Case MS25 MS30 Umsetzung definitive Lösung Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Nutzung Einführung MS40 Einführungsantrag abgenommene Lösung MS50 Übergabe produktive Lösung MS60 Erfolgsbericht nutzbringende Lösung Einsatz und Ausbildung Verifikationsumgebung in einer ehemaligen Lagerhalle in Rümlang: Hier sind militärische Testprozesse auf engstem Raum möglich. vertreter und unterstützt die FUB fachtechnisch bei der Erstellung der militärischen Pflichtenhefte und Einsatzkonzepte. Im Rahmen des Rüstungsablaufs unterstützt das Kdo FU SKS zudem die armasuisse bei der Evaluation von Telematik- und IT-Systemen, es leitet entsprechende Truppenversuche und beantragt die Truppentauglichkeit. Das Kdo FU SKS ist nicht «Beschaffer», unterstützt den Beschaffungszyklus aber «militärisch». Es begleitet zudem das Lebenswegmanagement von bereits eingeführten Systemen (vgl. Infobox). Das Ausbildungszentrum Haselbach in Rümlang ist der Standort des Kdo FU SKS. Kurse und Unterstützung vor Ort Die Mitarbeiter des Kdo FU SKS sind auch für die Einführung von neuen Systemen verantwortlich. Sie erstellen die entsprechenden Ausbildungskonzepte und -unterlagen und schulen das Berufspersonal der Lehrverbände nach dem Prinzip «Train the Trainers». Zudem leisten sie bei WK-Verbänden Ausbildungsunterstützung vor Ort. Damit ist sichergestellt, dass die Einführung von neuen Systemen bei der Truppe durch Ausbildner mit militärischem Vorwissen geschieht. Denn um zu garantieren, dass die Ausbildung technisch, militärisch, methodisch und auch didaktisch adäquat auf das Zielpublikum ausgerichtet ist, wird von allen Mitarbeitern des Kdo FU SKS ein militärischer Hintergrund und die entspre- Die Rolle des Kdo FU SKS im Rüstungsablauf Das Kdo FU SKS ist der militärische Partner im Rüstungsablauf von Projekten zur Führungsunterstützung. Der Rüstungsablauf gliedert sich in folgende Projektphasen: Impuls, Initialisierung, Definition, Umsetzung, Einführung und Nutzung. Das Kdo FU SKS unterstützt dabei die armasuisse (Projektleitung) und die FUB als Benutzervertreter über alle Phasen. Vielschichtiger Prozess mit zahlreichen Tests Essentiell aus Truppensicht ist die fachtechnisch kompetente Unterstützung bei der Bedürfnisformulierung und bei der Einführung von zu beschaffenden Systemen (siehe Infografik). Dazwischen zeichnet das Kommando verantwortlich für Kompatibilitätstests, Spezifikationstests, Truppenversuche, Abnahme und Einführung der Systeme. Militärisch genutzte Systeme werden durch die militärischen Vertreter des Kdo FU SKS in enger Zusammenarbeit mit dem Nutzer respektive mit der Truppe begleitet (Lebenswegmanagement). Fokus auf Truppenversuche Ohne diese Leistungen würden bei der Truppe Systeme ohne besondere Berücksichtigung der Miliztauglichkeit eingeführt. Zudem bestünde ohne vorgelagerte Truppenversuche das Risiko, dass erst im Einsatz allfällige Systemmängel von der Truppe entdeckt würden, was nicht nur die Auftragserfüllung gefährden, sondern auch zu massiven Folgekosten führen könnte. Damit die Truppensicht auch tatsächlich einfliesst, sind neben den Berufsmilitärs auch sämtliche zivile Mitarbeiter des Kdo FU SKS militärdienstpflichtig. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 17 ASMZ auf Facebook Die ehemalige Facebookgruppe «ASMZ – Forum junge Offiziere» wurde überarbeitet und heisst nun «ASMZ – Sicherheit Schweiz». Um dem Puls der Leser näher zu sein, werden in dieser Gruppe Diskussionsanregungen, aktuelle Informationen, die wichtigsten Artikel usw. gepostet und zwar neu in allen Bereichen, die die Armee, die Landessicherheit und das Offizierskorps betreffen. Einerseits sollen Informationen schneller als mit der monatlichen Publikation an die Leser gelangen, andererseits sollen die Leser die Möglichkeit erhalten, Anregungen an die Zeitschrift (beispielsweise Fragen für Interviews, gewünschte Artikel) anzubringen oder Publiziertes zu kommentieren. Die Mitglieder der Gruppe können selber ebenfalls posten und weitere Mitglieder einladen. Die ersten Wochen haben sich als Teilerfolg erwiesen, den wir nun ausbauen wollen. Interessiert? Melden Sie sich bei der Gruppe an und diskutieren Sie mit! Das Redaktorenteam freut sich auf einen angeregten, kritischen und niveauvollen Meinungsaustausch! «ICH BIN FAN VOM ROTEN KREUZ. DANK IHM KANN ICH ALS SANITÄTERIN MENSCHEN IM NOTFALL HELFEN.» Tina Hasler (22), Freiwillige, Militärsanitäterin SMSV Engagieren Sie sich freiwillig! freiwillige.redcross.ch Mehr Infos über Freiwilligenarbeit beim Schweizerischen Militär-Sanitäts-Verband: www.smsv.ch Taktische Funkkommunikation neu definiert. Das ¸SDTR als Rückgrat der vernetzten Operationsführung. Das R&S®SDTR markiert einen revolutionären Meilenstein: Ɗ Multiband Funk TVHF/VHF/UHF Ɗ 5KOWNVCPG5RTCEJWPF&CVGPMQOOWPKMCVKQP Ɗ $TGKVDCPFKIG+28GTPGV\WPI Ɗ /QDKNG#FJQE0GVYQTMKPI /#0'6(ÀJKIMGKV Ɗ5VCVGQHVJGCTV8GTUEJNØUUGNWPIWPF(TGSWGP\URTWPIXGTHCJTGP Ɗ-QUVGPIØPUVKIGU4GRNCEGOGPVWPFRNCV\URCTGPFG(CJT\GWIKPVGITCVKQP Ɗ*QJGT+PXGUVKVKQPUUEJWV\FCPM5QHVYCTG%QOOWPKECVKQPU#TEJKVGEVWTG YYYTQUEJKTQJFGUEJYCT\EJ Einsatz und Ausbildung Modernste Mittel zur Führungsunterstützung werden für die Miliz in Rümlang getestet. chenden Zertifikate des Schweizerischen Verbandes für Weiterausbildung (SVEB) gefordert. Für Spezialisten der Führungsunterstützung aus der gesamten Armee führt das Kdo FU SKS zudem jährlich rund 150 Kurse in den Bereichen IMFS, Funk, Bedienung KOMPAK-, RAP-, Komm Panzer durch. de der Armee bereitgestellt. Und in Zusammenarbeit mit der LBA und der FUB wird die Vorbereitung, Lieferung und Rücknahme dieser sensitiven Komponenten im Funk und Richtstrahlbereich sichergestellt. Diese auf den ersten Blick unspektakuläre Aufgabe im sensitiven Bereich muss mit höchster Präzision erfüllt werden. Letztendlich hängt damit die Führbarkeit von allen Verbänden der Armee über Funk oder Richtstrahl davon ab. sätze. Neben den organisatorischen Veränderungen wird das Kommando im Jahr 2022 zudem mit dem Kernstab der FU Br 41/SKS an einen neuen Standort umziehen: Von Rümlang respektive Bülach nach Frauenfeld. Die entsprechenden Planungsarbeiten laufen auf Hochtouren. Support für alle Verbände der Armee Polyvalentes Kommando mit neuem Standort Das Kdo FU SKS ist ein unverzichtbarer Leistungserbringer für die ganze Armee, denn die Leistungen in den Rüstungsprojekten, in den Kursen, aber auch im Support und Einsatz müssen truppennah und einsatzbezogen erbracht werden. Das Kommando FU SKS ist überspitzt formuliert: Der Garant respektive das militärische «Gewissen» für die Miliztauglichkeit von modernen Systemen zur Führungsunterstützung, heute und morgen. ■ Im Kdo FU SKS werden darüber hinaus alle FU-Datenträger (Fill Gun und Security Module) für sämtliche Verbän- Am 1. Januar 2018 wird das Kdo FU SKS eine wichtige Änderung erfahren: Ihm werden die FU Ber Kp 104 sowie die FU Detachemente aus dem FU Bat 41 Die Panzerhalle im Kdo FU SKS in Rümlang: Geballte Ladung und Ristl Bat 4 der Technik an einem Standort. Bilder: VBS FU Br 41/SKS unterstellt, welche zur ganzjährigen Leistungserbringung zugunsten der ganzen Armee benötigt werden. Mit diesen Einsatzkomponenten verändert sich der Charakter und der Personalbestand des Kdo FU SKS vom ursprünglichen Versuchsstab hin zu einem polyvalenten Profikommando für Versuche, Ausbildung und Ein- Militärisches «Gewissen» für die Miliztauglichkeit Brigadier Marco Schmidlin Kommandant FU Br 41/SKS 8180 Bülach Oberst Pascal Martin Kommandant FU SKS FU Br 41/SKS 8153 Rümlang Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 19 Einsatz und Ausbildung Wann folgt der personelle Kollaps in den Kompanien? Die Schieflage im Dienstverschiebungswesen ist auf keinen Fall mit zusätzlichen angeordneten Urlaubstagen zu korrigieren. Die aktuellen Massnahmen führen das Urlaubswesen in den Einheiten geradezu in den personellen Ruin. Erich Muff, Stefan Bühler Auch wenn es die Militärverwaltungen schmerzt, muss das Problem letztlich an der Wurzel angepackt werden. Ausgangslage: Was bisher geschah? Im Oktober (ASMZ 10/2015) hatten wir in unserem Artikel «Dienstverschiebungswesen in Schieflage: Es braucht Korrekturen» die Dienstverschiebungspraxis der Kantonalen Militärbehörden konstruktiv kritisiert. Dabei haben wir die entscheidenden drei unhaltbaren Proble- THINK TANK Die OG Panzer stellt mit dem THINK TANK eine Plattform zur Verfügung, um die Entwicklung ausländischer Doktrinen, Fakten und Erfahrungen rund um das Thema Kampf der verbundenen Waffen zu diskutieren und gemeinsam Lösungsvorschläge als Beitrag an eine zukünftige Doktrin, Ausbildung und Weiterentwicklung der Kampftruppen in der Schweiz auszuarbeiten. Interessenten – auch von ausserhalb der Panzertruppen – melden sich per E-Mail an [email protected]. 20 me für einen reibungslosen Dienstbetrieb aufgezeigt: 1. Unter-/Überbestände; 2. Administrativer Aufwand; 3. Lücken beim Ausbildungsstand. Das Grundproblem im Dienstverschiebungswesen liegt im «fehlenden persönlichen Kontakt und Mut, den Dienst einzufordern». Das Thema Dienstverschiebungen und Urlaubswesen ist das seit Jahren ungelöste Hauptproblem eines jeden Kommandanten. Einigkeit über Schieflage Als Reaktion auf die Öffentlichkeitsbestrebungen der Autoren im Frühjahr 2015 hat das Personelle der Armee am 1. Oktober 2015 sämtliche Kantonalen Militärbehörden über Anpassungen im Dienstverschiebungswesen instruiert: 1. Restriktive DVS-Praxis zwingend notwendig: «Die teilweise äusserst prekäre Situation betreffend der Einrückungsund Einsatzbestände erfordert, dass Dienstverschiebungen wenn immer möglich mit Entscheid «DVS innerhalb des Jahres» vorzunehmen sind […] nur so kann mittelfristig die Grundbereitschaft der Armee sichergestellt werden». Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Einrückungs- und Einsatzbestände sind auf kritischen Niveau. 2. Anordnung eines persönlichen Urlaubs oder einer Teildienstleistung: «Die aktuelle Bestandessituation verlangt eine restriktivere DVS-Praxis. Deshalb hat generell bei «Handlungsspielraum» eine Ablehnung zu erfolgen […] Falls anstelle einer Dienstverschiebung keine einvernehmliche Urlaubslösung zwischen dem Kdt und dem AdA gefunden werden kann, ist die Anordnung eines persönlichen Urlaubs oder einer Teildienstleistung zu prüfen (MDV Art. 30 Abs. 3 und Art. 39 Abs.1). Wichtig: Der Kommandant muss den persönlichen Urlaub / diese Teildienstleistung gewähren und verfügt hierbei über keinen Handlungsspielraum!». Die eingeschlagene Stossrichtung zeigt ein klares Bestreben der Verwaltung in Bern, die Quote der derzeit genehmigten DVS zu reduzieren. Auch die Dringlichkeit lässt sich an der gewählten Sprache eindeutig ablesen. Wie ist der oben zitierte Lösungsansatz der Verwaltung zu beurteilen? Richtig ist grundsätzlich restriktiver vorzugehen und die wahren Gründe für eine Verschiebung im Detail zu verstehen und zu prüfen. Falsch ist, «grosszügiger Urlaub zu erteilen», um mehr DVS-Gesuche ablehnen Einsatz und Ausbildung Vertrauen der AdA in sich selbst fördern Mehr DVS sind abzulehnen. Mehr Urlaube liegen nicht drin zu können. Man versucht hier, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. So steigt wohl vordergründig der Einrückungsbestand, jedoch erfährt der Einsatzbestand durch noch mehr Urlaube massivere Schwankungen, auch der administrative und logistische Aufwand steigt dadurch erneut weiter beträchtlich an. Der vorgeschlagene Kuhhandel zeigt die Schwäche des heutigen Systems, die Gründe für ein DVS (aber auch Urlaub) mit griffigen Richtlinien effizient und mit der notwendigen Strenge zu prüfen und zu führen. Das Urlaubswesen ist Sache der Kommandanten Die Kompetenz über Urlaube zu entscheiden, liegt einzig in der Kompetenz des Einheitskommandanten. Er beurteilt, ob «der Dienst Urlaub erlaubt». Nur der Einheitskommandant weiss, wann welches Personal einsatzbereit sein muss und er ist es auch, der die Verantwortung für den Urlaubsentscheid tragen und das persönliche Gespräch mit dem jeweiligen Gesuchsteller führen muss. Gemeinsam anpacken. Bilder: PIO OG Panzer Wie grosszügig sind wir heute bereits mit Urlauben? Dazu zeigen wir die Realität an einem Zahlenbeispiel und messen dieses an der gängigen Praxis in der Wirtschaft. Ein Wiederholungskurs (WK) dauert grundsätzlich 19 Tage, 100% besoldet (bezahlt!) von der Ausgleichskasse (durch den Steuerzahler), auch an «dienstfreien» Wo- «Die wahre Freiheit besteht nicht darin, das tun zu können, was man will, sondern darin, das tun zu wollen, was man muss.» Matthias Ackeret, 2010, «Das Blocherprinzip – Ein Führungsbuch», S.107 chenenden. 19-4 Tage (2 Wochenenden à 2 Tage pro WK) = 15 Arbeitstage. Auf dieser Basis wird Urlaub erteilt. Wie viele Tage Urlaub soll es denn sein? 2 Tage pro WK (=13.3% Abwesenheit), 4 Tage (=26.7%) oder 6 Tage (= 40%). 6 Tage sind eine absolut realistische Forderung, fällt doch der Schulbesuch in der Regel an mindestens zwei Tagen pro Woche an (z.B. Montag und Mittwoch oder 2 Tage in Folge Donnerstag und Freitag). In Prozent ausgedrückt, fängt in der Regel also die Urlaubsdiskussion mit der Frage an «kann ich 40% vom WK-Urlaub nehmen? Es ist wichtig, ich studiere/gehe in die Schule». Eine happige Forderung, wenn man sich das einmal konkret vorstellt! Fragen wir also einen beliebigen zivilen Chef z.B. einen Unternehmer oder Teamleiter in einem Grosskonzern, ob er einverstanden wäre, dass einer seiner Mitarbeiter zusätzlich zum regulären Urlaub und bei notabene 100% Lohn jede Woche ab Freitagvormittag (13.3%) zwecks Schule abwesend ist oder Montag und Dienstag (26.7%) bezahlt frei nimmt für eine Gruppen-, Projektarbeit oder Prü- Wir tun unseren Soldaten einen Bärendienst, wenn wir ihnen einreden, dass sie nur eine Sache auf einmal richtig machen können, z. B. Ausbildung oder Arbeit. Vielmehr müssen wir unseren Nachwuchs befähigen, mehrere Projekte erfolgreich unter einen Hut zu bringen (Ausbildung, Arbeit, Familie, Verein, Sport und eben auch den Dienst an der Gesellschaft in der Armee). Wir müssen das Grundvertrauen in die eigenen Fähigkeiten unseres Nachwuchses wieder fördern. Das tun gute Chefs! fungsvorbereitung. Wie entscheidet der zivile Chef? Bei der Armee wird ein anderer Massstab angesetzt: Schulbesuch und Studium allein als Begründung werden oft bereits ohne Detailprüfung als «zwingende Gründe» beurteilt. Zwei bis vier genehmigte Urlaubstage sind weit verbreitete, grosszügige Praxis. Die Armee bezahlt dabei auch noch den vollen Lohn und ist heute somit de facto bereits grosszügiger als jeder Arbeitgeber, der die personellen und finanziellen Konsequenzen selber zu tragen hat. Noch mehr Urlaub liegt nicht drin. Wir fordern das Personelle der Armee auf, in die Offensive zu gehen Wie wird die Situation bezüglich Dienstverschiebungs- und Urlaubswesen vom Personellen der Armee und von den Kantonalen Militärbehörden beurteilt? Was wird aktuell unternommen, damit das Dienstverschiebungswesen wieder ins Lot kommt? Diese und weitere Fragen gilt es in den nächsten Monaten ehrlich und transparent aufzuarbeiten. Wir bieten mit unserem Think Tank einen Gesprächspartner an. Wir bleiben dran! ■ Hauptmann Erich Muff M.A. HSG Finance Projects Kdt Pz Gren Kp 29/4 4051 Basel Hauptmann Stefan Bühler Dipl. Ing. FH Einsatzoffizier EOD, Kdo KAMIR, Kdt Pz Kp 12/1 3657 Schwanden Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 21 Einsatz und Ausbildung Als neutraler Mediator unterwegs im Norden des Kosovo Geplant war ein Jahr, geworden sind es 17 Monate. Solange stand Oberst Hansjörg Fischer als Kommandant des Joint Regional Detachement North (JRD-N) im Kosovo im Einsatz. Wir haben ihn kurz vor seiner Kommandoübergabe getroffen. Andrea Jaeggi Was waren und sind die Herausforderungen in dieser Funktion? Ich durfte das JRD-N zu einer Zeit führen, in der sich der nördliche Teil des Kosovo an einem Scheideweg befand. Auseinandersetzungen und Roadblocks gehören der Vergangenheit an, der Weg des Dialoges steht heute im Vordergrund. Eine Herausforderung ist das multikulturelle Umfeld, nicht nur in Bezug auf die Bevölkerung, sondern auch der Kosovo ForceTruppen (KFOR). Dies verlangt eine grosse Flexibilität, die Fähigkeit, den Blick auf das Gesamte zu haben, ohne den Sinn für das Detail zu verlieren. Ein Schweizer als Kommandant JRD-N, wie ist da die Akzeptanz? Die Wertschätzung, die der Schweiz – nicht nur durch die KFOR – entgegengebracht wird, ist gross, und unsere Professionalität und Verlässlichkeit werden sehr geschätzt. Wir erbringen die erwarteten Leistungen und werden dank unserer Neutralität von allen Gesprächspartnern anerkannt. Dies ist ein wichtiger Aspekt, gerade in Bezug auf die Arbeit unserer Liaison and Monitoring Teams. Mitrovica in den Fluss Ibar gefallen war und vermisst wurde. Eine grossangelegte Suchaktion wurde gestartet, und ich erhielt vom Kommandanten KFOR den Auftrag, als regionaler Kommandant diese Aktion zu koordinieren. Neben den Liaison and Monitoring Teams (LMT) des JRD-N waren auch Bürgermeister, die Kosovo Polizei, Carabinieri und Taucher der Kosovo Security Force (KSF) involviert. Gerade das war aussergewöhnlich, denn grundsätzlich darf die KSF nicht nördlich des Ibar eingesetzt werden. Doch sie war die einzige, die über Taucher verfügte und der Kommandant der KFOR hat den Einsatz der KSF-Taucher in diesem Gebiet autorisiert. 20 Tage dauerte die Suche und als der Junge tot gefunden wurde, waren die Angehörigen trotz der Tragik dankbar für die Gewissheit und alle Beteiligten erleichtert, dass der Einsatz ohne Zwischenfall beendet werden konnte. Siebzehn Monate Einsatz, gibt es da das eine prägende Erlebnis? Ja. Im April 2015 ereignete sich ein Vorfall, der durchaus Potenzial für ethnische Unruhen hatte. Die Ausgangslage war ähnlich wie damals bei den Märzunruhen 2004. Wiederum waren kosovoalbanische (KOA) und kosovoserbische (KOS) Teenager involviert, wobei ein KOA-Teenager im nördlichen Teil von Oberst Hansjörg Fischer (re), Kommandant des Joint Regional Detachement North (JRD-N) im Kosovo zusammen mit Major General Guglielmo Luigi Miglietta (li). 22 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Ohne die engen und guten Kontakte, die ich in meiner Funktion als Kommandant JRD-N schon vorgängig zu den Bürgermeistern von Mitrovica Nord und Süd, den Vertretern der politischen Gemeinden und den Kommandanten der Kosovo Polizei aufbauen konnte, hätte ich den Auftrag nicht so gut erfüllen können. Ich übernahm in dieser Suchaktion die Rolle des neutralen Mediators, der die verschiedenen Parteien zur Zusammenarbeit zusammenfügen konnte. Eine Rolle, die gerade uns Schweizern sehr vertraut ist, denn in unseren Territorial-Regionen übernehmen wir die Funktion des Bindegliedes zwischen militärischen und zivilen Partnern. Was war weniger erfreulich oder gar frustrierend? Das menschliche Elend, das man sieht. Das riesige soziale Gefälle. Auf der einen Seite Reichtum, auf der anderen grösste Einsatz und Ausbildung lung von Investoren behindert wird. Gerade deshalb ist das Engagement der internationalen Gemeinschaft umso wichtiger und nach wie vor nötig. Es gilt nicht, pfannenfertige Lösungen auf den Tisch zu legen, sondern aufzuzeigen, wie etwas getan werden könnte. Gibt es einen Rat für den Nachfolger? Den persönlichen intensiven Kontakt zur Bevölkerung, zu den zivilen Behörden und weiteren KFOR-Kommandanten kontinuierlich zu pflegen. COM JRD-N, Oberst Hansjörg Fischer mit Brigadier Heinz Huber und Nicolas Plattner, erster Mitarbeiter der Schweizer Mission in der NATO in Brüssel auf der Austerlitzbrücke in Mitrovica, Oktober 2015. Bilder: SWISSINT Armut. Teilweise gibt es keine richtigen Behausungen, kein fliessendes Wasser, keinen Strom oder Kinder, die nicht zur Schule gehen können. Dieses Land hat viel Potenzial. Es bietet Platz um Industrie anzusiedeln, es hat Bodenschätze und Arbeitskräfte, eigentlich alles, was es braucht. International wird die Situation jedoch so beurteilt, dass gerade mit den unklaren Land-Besitzverhältnissen, der instabilen Politik, der Korruption und der noch zu wenig ausgeprägten Rechtsstaatlichkeit das wirtschaftliche Wachstum und die Ansiede- Ihre Pläne nach dem Einsatz? Das ist noch nicht festgelegt. Es könnte ein weiterer Einsatz folgen, oder auch eine Zeit in der Schweiz, in der ich im Rahmen von «Return of Investment» mein Wissen und meine Erfahrung zur Verfügung stelle. Es wird sich zeigen. ■ Fachoffizier Andrea Elisabeth Jaeggi Presse- und Informationsoffizier SWISSCOY Kontingent 33 5400 Baden Einsatz und Ausbildung Das System Artillerie heute Die Artillerie muss als Gesamtsystem verstanden werden. Dieses umfasst neben der Waffe (Effektor) inkl. Munition, die Aufklärung (Sensor) und die Führung (Entscheidträger). Die Logistik ist ein integraler Bestandteil des Systems Artillerie. Die Aufgaben des Systems Artillerie umfassen die Artillerieaufklärung, die unmittelbare Feuerunterstützung sowie den allgemeinen Feuerkampf. Markus Oetterli Um diese Aufgaben erfüllen zu können, muss für jedes Element der Wirkungskette Sensor-Entscheidträger-Effektor jeweils mindestens eine Plattform vorhanden sein. Beim Sensor ist dies heute der Schiesskommandant (SKdt). Beim Entscheidträger sind dies Feuerführungszentren (FFZ), Feuerunterstützungsoffiziere (FUOf ) und Feuerleitstellen (Flst). Nach der Ausserbetriebnahme des Panzerminenwerfers und aufgrund des Verzichts auf die Festungsartillerie, ist die Panzerhaubitze M-109 KAWEST der einzige Effektor. Damit deckt das Schweizer System Artillerie die Wirkungskette heute vollständig ab. Allerdings bestimmt immer das schwächste Kettenglied die Wirkung des Gesamtsystems. Dieser Artikel analysiert mit der Frage «Was kann die Schweizer Artillerie heute?» die Ist-Situation. In einem folgenden Artikel wird dann der Frage nachgegangen «Was muss die Schweizer Artillerie morgen können?». Es geht dann darum, aufzuzeigen, über welche Fähigkeiten Sensoren, Entscheidträger und Effektoren in Zukunft verfügen müssen. de (KIUG) eingesetzt werden. Die Genauigkeit der Zielbestimmung reicht für den Einsatz von Präzisionsmunition allerdings nicht aus. Für letzteren fehlt es auch an Arbeitsplatz des mechanisierten SKdt im Fahrzeuginnern. Entscheidträger/Führung Die FFZ der Brigaden, die FUOf der Kampfbataillone und die Flst der Artillerieabteilungen (Art Abt) bilden zusammen den Führungsverbund der Artillerie. In diesen Führungsverbund sind die SKdt, Kommandoposten, Logistikeinrichtungen und Wetterzüge über INTAFF eingebettet, so dass heute ein nahezu zeitverzugsloser Datenaustausch innerhalb des Systems Artillerie möglich ist. INTAFF Fahrzeug des mechanisierten SKdt. INTAFF-Arbeitsstation. Sensor/Aufklärung Die Artillerieaufklärung basiert heute auf dem Auge des SKdt. Dieses wird unterstützt durch Zielbestimmungs- und Vermessungsanlagen auf Fahrzeugen (Mowag EAGLE oder Puch) und der Drohne ADS-95 RANGER. Abhängig von den Wetterbedingungen ist damit Lage-, Ziel- und Wirkungsaufklärung bei Tag und bei Nacht möglich. Nur der motorisierte SKdt (Puch) kann im abgesetzten Betrieb zum Beispiel im Kampf im überbauten Gelän- 24 der Verfügbarkeit von Wetterdaten entlang der Flugbahn sowie im Zielgebiet. Die SKdt sind über das Integrierte Artillerie Feuerführungs- und Feuerleitsystem (INTAFF) in den Nachrichtenverbund der Brigaden eingebunden. Allerdings ist das Netz von Aufklärung, Nachrichtenbeschaffung und Beobachtung für den Artillerieeinsatz gegen einen schwer identifizierbaren Gegner zu wenig dicht. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Einsatz und Ausbildung ermöglicht nicht nur den Feuerführungsund Feuerleitprozess, sondern unterstützt auch den Austausch von Befehlen, Nachrichtenmeldungen, Lagekarten und Logistikdaten. Die an den Geschützen einzustellenden Schiesselemente werden mit dem über dreissigjährigen, in den neunziger Jahren kampfwertgesteigerten FargoSystem berechnet und an alle Geschütze einer Batterie übermittelt. Effektor/Wirkung/Munition Im Jahr 2009 wurden die 12-cm-Panzerminenwerfer ausser Dienst gestellt, so dass heute die Infanterie- und Panzerbataillone über keine indirekte Feuerunterstützung auf kurze Distanz (– 10 km) verfügen. Mit dem im Rüstungsprogramm 2016 enthaltenen Mörser soll diese Lücke bis im Jahr 2022 geschlossen werden. Die Feuerunterstützung auf mittlere Distanz basiert heute auf der Panzerhaubitze «Die Feuerunterstützung auf mittlere Distanz basiert auf der Panzerhaubitze M-109 KAWEST.» M-109 KAWEST. Mit der Ratifizierung des Übereinkommens über Streumunition vom 30. Mai 2008 (per 1.1. 2013 in Kraft) reduzierte sich die Reichweite der Schweizer Artillerie um einen Drittel auf 20 km. Die verfügbaren konventionellen Stahlgranaten mit Momentan-, Verzögerungs- oder Zeitzünder wirken gegen gepanzerte Ziele ungenügend und erfüllen die Anforderungen an eine präzise Feuerunterstützung im überbauten Gelände bei gleichzeitiger Vermeidung von Kollateralschäden und «friendly fire» nicht. Die Suchzündermunition für die Artille- SOGART Die Schweizerische Offiziersgesellschaft der Artillerie (SOGART) ist die Fach OG für Feuerunterstützung. Derzeit sind rund 820 aktive und ehemalige Art Of, Mw Of, SKdt und FUOf Mitglied. Dieser Artikel ist der erste Beitrag einer zweiteiligen Serie. Der zweite Beitrag folgt in der nächsten Ausgabe der ASMZ. rie (SMArt 155) ist primär auf die Bekämpfung gepanzerter Fahrzeuge im offenen Gelände ausgelegt. Ausserdem verfügt die Schweizer Artillerie über Beleuchtungsgeschosse zur Gefechtsfeldbeleuchtung zugunsten der Kampftruppen und zur Beobachtung der Wirkung von Artilleriefeuern bei Nacht. Über die Fähigkeit operatives Feuer (Distanz von mindestens 50 km) zu schiessen, verfügte die Schweizer Artillerie noch nie. Seit der Ausserdienststellung der als Jagdbomber eingesetzten Hunter-Kampfflugzeuge im Jahr 1994 verfügt die Schweizer Armee über keine Fähigkeiten mehr, Bodentruppen auf grosse Distanz mit Feuer zu unterstützen oder den allgemeinen Feuerkampf zu führen. Logistik Die Einsatzlogistik einer Art Abt besteht aus den Mitteln einer Logistikbatterie, die in den Prozessen Nach- und Rückschub, Instandhaltung, Sanität sowie Verkehr und Transport unterstützend eingesetzt wird, sowie den Mitteln der Logistikzüge der Artilleriebatterien. In den letzteren sind Raupentransportfahrzeuge (M-548) auf der Basis der über 50-jährigen Schützenpanzer M-113 im Einsatz. Die Logistikprozesse sind Bestandteil von INTAFF, welches die Durchführung von Bedarfs- und Verbrauchsanalysen sowie von Prognosen unterstützt. Fazit Einleitend wurde festgehalten, dass das Schweizer System Artillerie über alle Elemente der Wirkungskette Sensor-Ent- Panzerhaubitze M-109 KAWEST. Bilder: LVb Pz/Art scheidträger-Effektor verfügt. Mängel und Fähigkeitslücken bestehen bei der Reichweite, der Präzision und der Mobilität des Artilleriefeuers, aber auch bei den Einsatzverfahren für Bogenfeuer in überbautem Gelände und für die Luftraumkoordination sowie bei der Artillerieaufklärung. In rund zehn Jahren werden verschiedene Elemente des Schweizer Systems Artillerie die Grenze ihrer technischen Nut- «Das Schweizer System Artillerie verfügt über alle Elemente der Wirkungskette SensorEntscheidträger-Effektor.» zungsdauer erreicht oder überschritten haben. Unter Berücksichtigung der üblichen Dauer von Beschaffungsprozessen der öffentlichen Hand ist es daher heute keineswegs zu früh, sondern höchste Zeit, sich mit der Frage «Was muss die Schweizer Artillerie morgen können?» zu befassen. ■ Oberst Markus Oetterli lic. oec. HSG Präsident SOGART 6005 Luzern Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 25 Einsatz und Ausbildung Integriertes Risikomanagement Das Risikomanagement wurde mit dem Reglement «Führung und Stabsorganisation der Armee (FSO XXI)» 2004 eingeführt. Vorgesehen als begleitende Tätigkeit für den Aktionsplanungsund Aktionsführungsprozess, wurde das Risikomanagement aufgrund der tragischen Unfälle im Jungfraugebiet und auf der Kander im Jahr 2008 durch die Armeeführung zur entscheidenden Führungsaufgabe erhoben. Eduard Hirt Nachdem in der ASMZ 07/2016 der Anpassungsbedarf der Probeausgabe der FSO 17 1 aufgezeigt wurde, beschreibt dieser Beitrag Gestaltungshinweise zur Weiterentwicklung dieses Reglements. Dabei steht die Frage im Zentrum, wie das Risikomanagement in die militärischen Führungsprozesse der Schweizer Armee integriert werden kann und welcher Mehrwert dadurch entsteht. Aufbau Damit die Zusammenhänge zwischen den Führungsprozessen, den Führungstätigkeiten und dem Risikomanagement besser zur Geltung kommen, sind die Kapitel 3 «Führungstätigkeiten» und 4 «Prozesse der Führung» sowie der Anhang 3 «Risikomanagement» in ein gemeinsames Kapitel «Führungsprozesse» zusammenzuführen. Abb.1: Führungsprozesse. derfolgende Führungsprozesse und bilden einen Zyklus. Ihre Prozessübergänge sind fliessend, einzelne Prozesse können sich überlagern. Die Lageverfolgung und die Stabssteuerung sind fortlaufende Prozesse und bilden den führungsmässigen Rah- Führungsprozesse Die Führungsprozesse umfassen die Lageverfolgung, die Planung, die Vorbereitung, die Durchführung, die Nachbereitung und die Stabssteuerung.2 Auf die Bezeichnung von Kern- und Unterstützungsprozessen kann verzichtet werden. Grundsätzlich sind alle Prozesse gleich wichtig, obwohl die Durchführung entscheidend ist, weil in dieser Phase der Auftrag erfüllt wird. Die bewährten Führungstätigkeiten Problemerfassung, Sofortmassnahmen, Zeitplanung, Beurteilung der Lage, Entschlussfassung, Planentwicklung und Befehlsgebung kommen in allen Führungsprozessen in angepasster Form zur Anwendung.3 Diese sind gegenseitig vernetzt und laufen grundsätzlich immer gleich ab. Die Planung, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung sind aufeinan- 26 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 men der vier übrigen Prozesse. Die Zeitverhältnisse bestimmen den Umfang und die Form der Beurteilungsverfahren und der Entscheidungsfindung. Je grösser der Zeitdruck, desto rascher laufen die Führungsprozesse ab. Im Extremfall entscheidet der Kommandant nach kurzer Beurteilung der Lage aufgrund seiner Erfahrung intuitiv. Im Rahmen der Lageverfolgung erfolgt die Problemerfassung mit dem Ziel, den Handlungsbedarf zu ermitteln, in den drei Teilschritten Lageerfassung, Lagevergleich und Lagebewertung. Diese entsprechen den Teilschritten Problementdeckung, Problemklärung und Problembeurteilung der Problemerfassung. Falls Sofortmassnahmen notwendig sind, werden diese nach kurzer Beurtei- Abb. 2: Anwendung der Führungstätigkeiten in den Führungsprozessen. Einsatz und Ausbildung lung der Lage direkt befohlen und umgesetzt bzw. durchgeführt. Falls umfassendere Massnahmen notwendig sind, wird die Lage zuerst eingehender beurteilt. Anschliessend müssen Lösungsmöglichkeiten erarbeitet und zum Entscheid gebracht werden. Der Entschluss wird in der Folge zu einem detaillierten Plan weiterentwickelt und befohlen. Nach gründlicher Vorbereitung erfolgt schliesslich die Durchführung. Integration des Risikomanagements Das Risikomanagement ist ein integraler Bestandteil der Führungsprozesse und umfasst die Phasen Identifikation, Beurteilung, Massnahmen, Bewältigung und Überwachung.4 Die Abbildung 2 veranschaulicht die Anwendung der Führungstätigkeiten in den Führungsprozessen. Darauf aufbauend zeigt die Abbildung 3 die Vernetzung und Synchronisation mit dem Risikomanagement auf. Die Vernetzung ist wichtig, damit die Synergien der entsprechenden Prozesse genutzt werden können. Die Identifikation der Risiken erfolgt fortlaufend, mit Schwergewicht während der Problemerfassung. Im Rahmen der Beurteilung der Lage folgt die Analyse, Bewertung und Beurteilung der Risiken. Abb. 3: Integration des Risikomanagements. Abbildungen: Autor Innerhalb der Entschlussfassung geht es scheinlichkeit und zu den Auswirkungen darum, Massnahmen zur Risikobewälti- beziehen sich auf Referenzsysteme. gung zu entwickeln und zur Entscheidung Die Abbildung 5 zeigt die fünf Auswirzu bringen. Die Massnahmen werden im kungsdimensionen. Die Bewertung der Laufe der Planentwicklung verfeinert und Auswirkungen folgt einer vierstufigen Skamit dem Aktionsplan synchronisiert. Während der Durchführung erfolgt die Umsetzung der Massnahmen zur Risikobewältigung. Mit der Lageverfolgung werden die Massnahmen überwacht, allenfalls neu auftretende Risiken identifiziert und bei Bedarf die Phasen des Risikomanagements erneut durchlaufen. Die erkannten Risi- Abb. 4: Risikomatrix. ken finden fortlaufend Eingang in einer Risikoliste und einer Ri- la. Die Referenzwerte sind fallspezifisch sikomatrix. Die erstellten Unterlagen sind und müssen für jeden Auftrag ermittelt nicht bloss Hilfsmittel für die Planung, werden. Für jedes Risiko sind die Aussondern bilden auch eine wichtige Grund- wirkungsdimensionen zu bestimmen. Für lage für die Bewältigung und die Überwa- die Dimension mit der höchsten Bewerchung der Risiken im Rahmen der Durch- tung ist anschliessend mit Hilfe der Refeführung. renztabelle in Abbildung 4 die EintrittsDie Risikomatrix schafft einen Gesamt- wahrscheinlichkeit zu schätzen. überblick über die erfassten Risiken, zeigt Die Referenzgrössen sind abhängig vom Zusammenhänge und Veränderungen auf Auftrag und vom Gesamtrahmen und stuund dient als Grundlage zur Festlegung fengerecht zu wählen. Zur Ermittlung der quantitativen Risikohöhe sind die Zahlender Szenarien. Eine einfache 4×4-Matrix bewährt sich werte der Eintrittswahrscheinlichkeit mit am besten. Die Angaben zur Eintrittswahr- der Auswirkung zu multiplizieren. Das Produkt ergibt dann Abstufungen zwischen 1 bis 16. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass es sich beim Resultat bzw. der Risikohöhe um geschätzte Zahlenwerte handelt. Eine Risikohöhe von 1 entspricht einem unwahrscheinlichen Risiko mit kleiner Auswirkung, eine Risikohöhe von 16 bezeichnet ein sehr wahrscheinliches Risiko mit katastrophaler Auswirkung. Die Einteilung der erhaltenen Werte bzw. Beschreibungen erfolgt in den drei Abstufungen tiefes (grün), mittleres (gelb) und hohes Risiko (rot). Dabei ist ein direkter Bezug zur Auftragserfüllung anzustreben. Die präzise Kenntnis über den Zustand und die Verfügbarkeit der eigenen und der gegnerischen Verbände ist eine wichtige Grundlage für alle Führungstätigkeiten. Je genauer und besser die Planung und Führung, desto erfolgsversprechender die Aktion. Die Angaben zum Risikomanagement lassen sich auf einfache Art und Weise in die vorhandenen Formulare zur Beurteilung der Lage und zur Entschlussfassung integrieren. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 27 Einsatz und Ausbildung Abb. 5: Referenztabelle Auswirkung.5 !"#$%%# %%#$&"# '&"# !"# ( ( ( ) ) ) ( ) *+ !"# *+ !"#$%%# *+ %%#$&"# *+ '&"# ! " , - . / - . ( / - . / - 0 ( Abb. 6: Referenztabelle Eintrittswahrscheinlichkeit.6 Lageentwicklungsmöglichkeiten Das Szenario zur weiteren Bearbeitung entspricht der gefährlichsten wahrscheinlichen Lageentwicklungsmöglichkeit und umfasst eine Kombination aus Elementen der Gefährlichkeit und Eintretenswahrscheinlichkeit.7 Die gegnerischen Möglichkeiten sind Teil der Lageentwicklungsmöglichkeiten. Der Kommandant entscheidet, • welches Szenario bzw. welche Lageentwicklungsmöglichkeit als Grundlage für die weitere Planung dient; • wo die Risikoakzeptanzschwelle liegt bzw. ab welcher Höhe er Risiken nicht mehr akzeptiert und Bewältigungsmassnahmen umsetzt. mit den handlungsrelevanten Konsequenzen aus der Beurteilung der Lage und den Beurteilungskriterien des Kommandanten zu kombinieren. In Abhängigkeit der Gewichtung der verschiedenen Faktoren und der Priorisierung der Massnahmen ergeben sich die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten bzw. Varianten. Die Phasierung sowie die zeitliche Festlegung von Zielen in einer Synchronisationsma- Abb.7: Lageentwicklungsmöglichkeit. Entwicklung von Massnahmen Die eigenen Möglichkeiten werden auf der Grundlage der Lageentwicklungsmöglichkeiten entwickelt. Dabei sind aus den Lageentwicklungsmöglichkeiten Konsequenzen in Form von Massnahmen abzuleiten, damit positive Entwicklungen verstärkt und negative Entwicklungen verhindert oder mindestens abgeschwächt werden können. Diese Massnahmen sind 28 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 trix dienen der Koordination der Umsetzung. Vergleich und Auswahl der Varianten Das Risikomanagement ist eine wichtige Beurteilungsgrundlage für den Vergleich und die Auswahl der Varianten. Der systematische Einbezug der Ergebnisse der Beurteilung der Risiken als Kriterien für den Vergleich und die Auswahl der Varianten erlaubt zu prüfen, mit welcher Kombination von Massnahmen die Risiken am besten zu bewältigen sind. Zudem wird damit sichergestellt, dass die Massnahmen auf die Auftragserfüllung ausgerichtet sind. Das Ziel ist, diejenige Variante zu bestimmen, welche die umfassendsten Fähigkeiten zur Risikobewältigung vereinigt. In der Regel ist es nicht möglich, alle Risiken zu erkennen. Zudem gelingt es meist auch nicht, allen erkannten Risiken mit geeigneten Massnahmen zu begegnen. Für die verbleibenden Restrisiken sind deshalb im Rahmen der Eventualplanung vorbehaltene Entschlüsse zu erarbeiten. Die Bereitstellung von Reserven ist dabei notwendige Grundlage zur Aufrechterhaltung der Handlungsfreiheit. Befehlsgebung Die Verwendung von Vor- und Teilbefehlen verhindert, dass unnötig Zeit verloren geht und Unterstellte zu wenig Zeit zur eigenen Vorbereitung einer Aktion zur Verfügung haben. Gleichzeitig wird den Unterstellten die Möglichkeit geboten, frühzeitig im Gesamtrahmen mitzudenken und Vorbereitungen von Bewältigungsmassnahmen mit erhöhtem Aufwand zeitgerecht auszulösen. Einsatz und Ausbildung Abb. 8: Zusammenspiel von Lageverfolgung, Planung, Vorbereitung und Durchführung. Die Angaben zum Risikomanagement bilden eine wichtige Grundlagen für die zielgerichtete Aktionsplanung der unterstellten Kommandanten. Sie sind direkt in die Befehle zu integrieren: • die gegnerischen Möglichkeiten sind Teil der Lageentwicklungsmöglichkeiten; • die Beurteilung der Risikohöhe einer Aktion wird in die Beurteilung des Kommandanten integriert; • die besonderen Anordnungen sind durch einen Teil Risikomanagement zu ergänzen, welcher die notwendigen Weisungen an die Unterstellten zur Koordination der Massnahmen enthält und mit der Risikoliste in der Beilage illustriert wird. Lageverfolgung Mit der Lageverfolgung wird sichergestellt, dass die durchgeführten Aktionen die notwendigen Wirkungen zur Auftragserfüllung erzielen. Hierfür sind die Risiken und die getroffenen Massnahmen permanent zu überwachen. Während der Lageerfassung können Lageveränderungen erkannt und bestehende Risiken neu beurteilt oder allenfalls neue Risiken frühzeitig identifiziert werden. Im Rahmen des Lagevergleichs geht es darum, die getroffenen Massnahmen zu überwachen und durch die Lagebewertung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Handlungsbedarf entsteht dann, wenn eine Lageveränderung eintritt, die zu einer Anpassung des Entschlusses führt. Getroffene Massnahmen sind unter Umständen dann nicht mehr zweckmässig. Wenn immer möglich, wird der erarbeitete Plan mit den angepassten Massnahmen oder eine Eventualplanung umgesetzt. Falls diese Aktionen nicht die gewünschte Wirkung erzielen oder die Lageveränderung so gross ist, dass ein umfassender Handlungsbedarf besteht, muss neu geplant werden. Der erhöhte Zeitbedarf ist nicht zu unterschätzen, sind doch zuerst neue Massnahmen zu entwickeln und anschliessend umzusetzen. Die Abbildung 8 zeigt das Zusammenspiel der vernetzten Führungsprozesse Lageverfolgung, Planung, Vorbereitung und Durchführung auf. Die Zeitverhältnisse bestimmen den Umfang und die Form der Prozessabläufe. Je grösser der Zeitdruck, desto schneller der Ablauf. Die stetigen Veränderungen der Faktoren Kraft, Raum, Zeit und Information verursachen Lageveränderungen. Jede neue Lage führt selbstredend zu neuen Risiken. Diese Tatsache erfordert, dass im Verlauf einer Aktion nicht nur die Aufträge und die Mittelzuordnung unterstellter Verbände oder der Zeitplan, sondern auch die Produkte des Risikomanagements bedarfsgerecht anzupassen sind. In Lageberichten wird die Lageentwicklung eingeschätzt. Der Zustand der eigenen Truppen ist ebenso Inhalt wie die Entwicklung der Risiken, ihrer Wechselwirkungen und der aktuelle Stand der Massnahmenumsetzung. Fazit Die Integration des Risikomanagements in die Führungsprozesse bringt einen vielfältigen Nutzen mit sich. Die Integration führt durch die Vernetzung der Führungsprozesse zu einer verbesserten Synergienutzung und trägt zur Sensibilisierung aller Beteiligten im Umgang mit den Risiken in ihrem Verantwortungsbereich bei. Der Fokus auf die effektive und effiziente Auftragserfüllung führt zu einem zielgerichteten und wirksamen Mitteleinsatz. Die Entscheidungsfindung auf allen Führungsstufen wird erleichtert, beschleunigt und auch verbessert. Ich bin gespannt, ob es gelingt, das Risikomanagement nicht bloss in einem Reglement festzuschreiben, sondern vielmehr täglich systematisch anzuwenden. Die Unterlagen können beim Verfasser angefordert werden ([email protected]■ min.ch).8 1 ASMZ 07/2016. 2 Die Vorbereitung und die Durchführung werden in der FSO 17 nicht erwähnt. 3 Sie sind nicht bloss «Planungstätigkeiten», wie in der FSO 17 in Ziff. 74 beschrieben. 4 In der FSO 17 wird die Beurteilung auf die zwei Phasen «Bewertung» und «Beurteilung» aufgeteilt. Die Entwicklung von Massnahmen wird nicht erwähnt. 5 Die kursiven Inhalte der Tabelle sind ein Beispiel für einen Kampfeinsatz. Die Referenzwerte müssen fallspezifisch festgelegt werden. Auftrag, Personal und Systeme müssen aufgeführt werden, damit die Auswirkungsdimensionen möglichst genau bezeichnet werden können. Beispiel für eine mittlere Auswirkung: Eine Kompanie kann bei personellem und/oder materiellem Ausfall von mehr als einem Zug seinen Auftrag in der Regel nicht mehr selbständig erfüllen. 6 Die kursiven Inhalte der Tabelle sind ein Beispiel. Die Referenzwerte müssen fallspezifisch festgelegt werden. Die Prozentangaben beziehen sich auf eine angenommene Einsatzdauer von 10 Stunden. Ein wahrscheinliches Risiko trifft dann alle 2 – 3 Stunden einmal ein. 7 Entspricht in der Abbildung 7 dem Szenario A. 8 Masterarbeit im Rahmen des Lehrgangs MAS ETH SPCM 2013 –2015 zum Thema «Integration des Risikomanagements in die Führungsprozesse der Schweizer Armee». Oberst i Gst Eduard Hirt Berufsoffizier MA Defence Studies KCL, MAS SPCM ETHZ 3653 Oberhofen Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 29 Einsatz und Ausbildung Zwischenziel Spiez – Angriffsziel Zugführer in den Brigaden Anfangs Juni konnte der Kommandant der Panzer/Artillerie Offiziersschule (Pz/Art OS) 2-15/16, Oberst i Gst Nicolas Weber, in Spiez 47 Aspiranten zum Leutnant befördern. Eine grosse Zahl von Angehörigen, Freunden und Gästen liessen sich diesen für die jungen Offiziere entscheidenden Schritt nicht entgehen. Andreas Bölsterli, Chefredaktor Nach langen Ausbildungswochen in der OS, nach anstrengenden Praktikumswochen in den Panzer-Rekrutenschulen (RS) 21/22, der Artillerie RS 31 und der Infra/Hauptquartier RS 35 trafen sich die Aspiranten erneut im OS-Rahmen. Die drei Klassen mit ihren Ausbildern und den Kadern der Schule kamen zur gemeinsamen Brevetierung im Lötschberg Saal in Spiez zusammen. Auch aufgrund dieser Tatsache wählte der Kommandant der OS Moltke’s Grundsatz «Getrennt marschieren – vereint schlagen» als roten Faden seiner Worte an die Aspiranten. Dieses Vorgehen gelte im übertragenen Sinne auch für die OS, meinte Die Brevetierung der Pz/Art OS war auch die Ablösung von Oberst i Gst Weber als deren Kommandant. Unmittelbar nach dem Anlass übernahm er neu die Funktion Stabschef Armeestab, weil Oberst i Gst Peter Baumgartner diesen Posten verlassen hat, um Kdt a i der Geb Inf Br 12 zu werden. Nachfolger von Weber ist Oberstlt i Gst Patrik Reiniger. 30 er. Man habe gemeinsam begonnen, nach der Durchhalteübung VERITAS habe man sich getrennt, weil die Praktika in den verschiedenen Schulen zu absolvieren waren und nun zur Beförderung sei man wieder Bilder: Autor zusammen. Der Grundsatz gelte aber auch in Ausbildung und Einsatz – auch hier sei der Erfolg nur gemeinsam zu erreichen und auch nur, wenn jeder seinen Beitrag dazu einbringt. Klassisches Beispiel hier Hat es sich gelohnt, die OS zu besuchen? Was nehmen Sie als bestes Erlebnis mit? Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, die OS zu machen – eine einmalige Erfahrung und Chance im Leben. Ich nehme die tolle Kameradschaft mit und dass man im Team alles erreichen kann, wenn man daran glaubt. In schwierigen Situationen weiss man, dass es den Kameraden links und rechts gleich geht, das motiviert einen, das Beste zu machen, damit man gemeinsam zum Ziel kommt. Was raten Sie dem Kollegen, der vor der Entscheidung steht – Offiziersschule ja oder nein? – Was geben Sie ihm auf den Weg? Auf jeden Fall weitermachen, diese Chance kommt nur einmal. Einmalig ist die Erfahrung des Führens – in der Schweiz gibt es keine andere vergleichbare Führungsausbildung in diesem Alter, darum – auf jeden Fall weitermachen. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Leutnant Alex Reber Einsatz und Ausbildung ist das Gefecht der verbundenen Waffen. Kein Erfolg ohne Kampfformationen und Unterstützungsformationen die «vereint schlagen». «Sie sind die Zugführer, sie werden Entscheidungen herbeiführen können und müssen – sie tragen von nun an die umfassende Verantwortung für ihren Zug. Mit dem symbolischen Brevetierungsakt soll ihnen das bewusst werden», sagte Weber zu seinen (noch) Aspiranten. «Wenn ich in diese Reihen schaue, sehe ich stolze Soldaten, Männer, die ihre Zukunft an die Hand nehmen.» Oberst i Gst Yves Gächter Und weiter: «Motivieren sie ihre Soldaten durch ihr Vorbild und ihre Begeisterungsfähigkeit – benutzen sie so wenig wie möglich ihre Gradautorität, die ihnen heute verliehen wird.» Nach der eigentlichen Brevetierung wandte sich der Stellvertretende Kommandant des Lehrverbands Panzer-Artillerie, Oberst i Gst Yves Gächter, an die jungen Leutnants. Er gratulierte ihnen zur Beförderung und rief ihnen zu, dass sie im Wissen um die Bedeutung ihres neuen Grades diesen in Ehren halten sollen – denn unabhängig, ob man im Dienst sei oder am Arbeitsplatz, «Offizier sind sie von nun an immer und in jeder Situation.» Auch Gächter rief die jungen Kader Hat es sich gelohnt, die OS zu besuchen? Was nehmen Sie als bestes Erlebnis mit? Gelohnt hat es sich in jedem Fall. Ich nehme mit, dass ich mich als Persönlichkeit auf allen Ebenen weiter entwickelt habe – das ist für mich ein extrem wichtiger Mehrwert, von dem ich in vielen Lebenssituationen profitieren kann. Was raten Sie dem Kollegen, der vor der Entscheidung steht – Offiziersschule ja oder nein? – Was geben Sie ihm auf den Weg? Leutnant Nicolas Cron Ich gebe ihm ein ganz klares Ja auf den Weg, er soll weitermachen. Er wird sich sicher auf diesem Weg auch hin und wieder fragen, warum er das auf sich genommen habe. Aber genau in diesen Momenten kommt es eben darauf an, dass man den Willen hat und als Persönlichkeit zu seiner Entscheidung steht, die Motivation wieder findet bis zum Schluss, bis zu diesem besonderen Moment, den wir hier bei der Brevetierung erleben. auf, zur Verantwortung zu stehen und Verantwortung zu übernehmen – denn Verantwortung lässt sich nicht delegieren. Und, «Offiziere sind nicht aussergewöhnliche Menschen, die eine gewöhnliche Aufgabe haben, sondern gewöhnliche Menschen, die eine aussergewöhnliche Aufgabe übernehmen». Er dankte Kommandant und Kadern der Pz/Art OS für ihre grosse und hingebungsvolle Arbeit, denn ohne deren seriöse Ausbildung und ohne diese Unterstützung hätten wahrscheinlich nicht alle heute brevetierten Offiziere ihr Ziel erreicht. Er schloss mit einem Zitat von Goethe: «Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.» Nach den Worten des Armeeseelsorgers und der Landeshymne haben die frisch brevetierten Leutnants ihre Angehörigen und die Gäste in sympathischen Worten zum gemeinsamen Apéro eingeladen. Mit Stolz und Freude wurden Erlebnisse und Erfahrungen ausgetauscht und manch bewundernde Blicke fielen auf die jungen Kader, die nun für die nächste Aufgabe als Zugführer bereit sind. Eine würdige und schöne Feier als Einstieg – damit ist eine gute Ausgangslage für die nächste Etappe sichergestellt. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 31 Einsatz und Ausbildung Dienstleister mit Passion und detektivischem Geschick Unermüdlich, gar rund um die Uhr, hilft «Büro Schweiz» Angehörigen der Armee, aber auch Zivilisten, auf der Suche nach militärischen Adressen ihrer Liebsten im Dienst – auch heute noch mit spürbarer Begeisterung. Christoph Merki Diese Entwicklung habe jedoch grösstenteils ihren Ursprung in der Digitalisierung der Armee. Telefonnummern oder auch Mailadressen können anhand des armeeinternen Mailsystems selbst in Erfahrung gebracht werden. Die abnehmende Tendenz hat sich über die Jahre verstärkt, wohl auch aufgrund der grossen Verbreitung Bild: Autor Nicht nur Beruf, sondern Berufung. Der Chef, Hans Ulrich Kauer, und seine Mitarbeiterin, Annekäthi Graf, gehen ihrer Arbeit mit Passion nach. Das Wort «unmöglich» existiert nicht in deren Wortschatz. Als eigentliche Dienstleister steht für die beiden bei der Feldpost angestellten auf dem Kasernenareal in Bern die Zufriedenheit des Kunden im Vordergrund. Von 7 Uhr in der Früh bis um 18 Uhr wird unter der Telefonnummer 031 38125 25 geholfen, unbürokratisch und effizient. «Was wir nicht beantworten können, leiten wir an die richtigen Stellen weiter», erklärt Kauer. Vor allem Telefonnummern von militärischen Stellen, Truppenstandorte, mi- Das Team von «Büro Schweiz» findet jeden Empfänger. litärische Adressen von Soldaten, aber auch die Vermittlungen von Kon- von Mobiltelefonen, jedoch glauben Kautakten zu Truppen mit geheimen Standor- er und Graf beide an die Zukunft von ten macht das Team von «Büro Schweiz» «Büro Schweiz». möglich. «Also immer unter Berücksichtigung der militärischen Geheimhaltung», Tintenfisch im Paket gefunden wie Kauer mit Nachdruck versichert. Von den Angaben zum Kommandanten Nebst dem telefonischen Auskunftsbis hin zum zuständigen Korpskontrollfüh- dienst kümmert sich das Büro Schweiz rer, die gewünschten Informationen sind ebenfalls um den Versand der Truppenfelddank den zur Verfügung stehenden Daten- poststempel an die jeweiligen Feldpost-Unbanken meist in Sekunden verfügbar. Da- teroffiziere, pflegt die Daten über Standbei stützen sich Kauer und Graf auf PISA orte und Telefonnummern, ist regionale und die Militärdatenbank Post (MDP). Auskunftsstelle über militärische SchiesDie Mehrsprachigkeit der Schweiz stellt so sen (Rams) und besorgt den Nachsendeauch an Kauer und Graf grosse Heraus- dienst für fehlerhaft adressierte Sendunforderungen. Mit der gegenseitigen Un- gen.Vor allem die Nachsendungen würden terstützung aber würden die sprachlichen jeweils ein detektivisches Vorgehen verlanBarrieren immer gemeistert werden kön- gen. Gründe dafür, dass eine Postsendung nen. Auch sogenannte «Stammgäste» hät- im Büro in den ehemaligen Rossstallunten sich mittlerweile etabliert. «Es ist schon gen eintrifft, können vielfältig sein. «Bei speziell, nur die Stimme zu kennen, aber uns landen Briefe und Pakete, die entwenie ein Gesicht dazu zu sehen», erklärt der falsch oder unvollständig adressiert Graf. Insgesamt rund 15000 Anrufe wer- sind sowie entweder vor oder nach der den jährlich beantwortet. Im Vergleich zu Dienstleistung des Empfängers aufgege1990, als noch 33500 Anfragen beant- ben wurden», erklärt Graf. Meist könnten wortet wurden, hat sich die Zahl halbiert. sodann innert kürzester Zeit die richtigen 32 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Adressen gefunden und die Postsendung wieder auf den Weg geschickt werden. «Dieses detektivische Suchen macht mir Spass», meint sie strahlend, aber auch die Vielseitigkeit ihres Jobs sei sehr erfüllend und «kein Tag ist wie der andere, das schätze ich.» Ungemütlicher jedoch seien manchmal die Scherzpakete für Rekruten, die dann aufgrund der unvollständigen Adresse im Büro landeten. «Wir mussten auch schon einen stinkenden Tintenfisch entsorgen», plaudert Kauer aus dem Nähkästchen. Im Dienstgrad eines Adjutanten schätzt er aber auch die Zusammenarbeit mit dem Team der Feldpost: «Wir sind eine Familie.» Erfolgsgeschichte seit 1939 In den ersten Tagen der Generalmobilmachung 1939 gegründet, ist das «Büro Schweiz» eine Institution geworden, welche vor allem auch Kadern die alltägliche Arbeit erleichtert. Seit 1966 bis heute ist das Büro Schweiz in die Feldpostdirektion eingegliedert. Während anfangs der Betrieb noch durch die Feldpostkompanien sichergestellt wurde, wechselte auch der Standort der «militärischen Auskunftszentrale» alle drei Wochen den Standort. Erst 1982 wurde die einheitliche und ständige Telefonnummer eingeführt und seit 1995 sodann die Räumlichkeiten in Bern bezogen, was die Vernetzung mit den Informatiksystemen erst ermöglichte. Auskünfte über die Nummer 031 381 25 25 sind jedoch nicht nur während den Öffnungszeiten von Büro Schweiz erhältlich. «Nach 18 Uhr werden die Telefone an die Einsatzzentrale der Militärischen Sicherheit weitergeleitet», erklärt Kauer. ■ Major Christoph Merki C Komm a i Geb Inf Br 9 8226 Schleitheim Einsatz und Ausbildung Feierliche Kommandoübergabe beim Lehrverband Infanterie Im kleinen Hof des Schlosses von Colombier gab Brigadier Lucas Caduff sein Feldzeichen dem Kommandanten des Heeres zurück. Divisionär Daniel Baumgartner reichte es an Brigadier Franz Nager weiter, der künftig den Lehrverband führt. Eugen Thomann, Redaktor ASMZ «Aufgewühlt und erfreut» begrüsste Lucas Caduff die Kommandanten und Mitarbeiter des Lehrverbandes wie seine Gäste, angeführt von dem Neuenburger Staatsrat Alain Ribaux und von Kkdt Dominique Andrey. Militärmusikalisch eingerahmt von einem Bläserquartett und Tambouren führte der Stellvertreter des Lehrverbandskommandanten, Oberst i Gst Bernhard Schneider, durch den Anlass. Grosse Dankbarkeit empfand Caduff, verbunden mit der Freude auf eine neue Aufgabe; zum Divisionär befördert, kommandiert er seit der Jahresmitte die Territorialregion 3. Lucas Caduffs grosse Verdienste Als Erster drückte Staatsrat Ribaux, im Kanton Neuenburg zuständig für Justiz, Br Lucas Caduff gibt sein Feldzeichen dem Kdt HE zurück. Bilder: ASMZ Sicherheit und Kultur, tiefen Respekt und Nur unentwegtes Üben kann dorthin herzlichen Dank aus, verkörpert durch führen. Weil die WEA in vielen Einzelheiten das Geschenk eines historischen Säbels. Selbstverständlich vergass er nicht, Franz noch Gestalt annehmen muss, erwartete Nager willkommen zu niemand vom neuen Lehrheissen und ihm die gleiverbandskommandanten eine verbindliche Antwort che enge Zusammenarbeit auf die Frage, wie die Inanzubieten. fanterie in einem Gross«Auftrag erfüllt», stellte verband ohne nennensDiv Daniel Baumgartner fest, denn Caduff hinwerte Kampfunterstütterlässt eine modern gezungsmittel die Verteidiformte Infanterie, deren gung schult. Geschlossenheit er erreichte und mit durchdachSchlussakkord ten Reglementen sicherte. Die ehrwürdige «SoDer Zustand der grössten ciété Militaire des CaraSchweizer Waffengattung Vom Lehrverband Infanterie biniers Genevois» stellund ihre Glaubwürdigkeit zur Territorialregion 3: te einerseits die historisch spiegeln sich nicht zuletzt Lucas Caduff. montierte Ehrenwache und darin, dass sie mehr Stellungspflichtige anzieht, als sie Ausbil- überreichte anderseits durch ihren Prädungsplätze zu vergeben hat. Den Früch- sidenten, Oberst i Gst Pierre-Michel ten seines Wirkens wird Caduff be- Auer, Caduff ein gediegenes Ensemble gegnen, wenn im Rahmen der Weiter- von Schützenhut mit Hahnenfedern und entwicklung der Armee Epauletten. (WEA) vier InfanteriebaDie Mitarbeiter des taillone zur TerritorialdiLehrverbandes bedachten vision übertreten. Wie der ihren scheidenden Chef mit dem traditionellen AbHeereskommandant klarbild ihrer geschichtsträchstellte, heisst es für die tigen Residenz, des SchlosInfanterie auch danach ses von Colombier, um«Kämpfen – Schützen – ringt von ihren Portraits. Helfen». Das letzte «Wort» sprach die Artillerie, gleich einem Franz Nagers Akzente Sinnbild des weiterhin für Dort knüpfte der neue glaubwürdige Ausbildung Lehrverbandskomman- Von der Gebirgsinfanterieunentbehrlichen Kampfes dant an, dem Baumgart- brigade 12 zum Lehrverband der verbundenen Waffen. ner das Glück des Solda- Infanterie: Br Franz Nager. Eine in Kampfanzüge der ten wünschte und der seiArmee 61 gewandete Generseits dem Vorgänger Dank und Res- schützbedienung schoss mit einer Haubitpekt zollte: Das Dienstreglement stellt ze vom historischen Kaliber 10,5 cm sechsin seiner Ziffer 32 verbindlich fest, dass mal Ehrensalut, eingedenk der sechseindie Fähigkeit zum Bestehen im Krieg das halb erfolgreichen Kommandojahre von ■ Ziel der militärischen Ausbildung bildet. Lucas Caduff. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 33 Weiterentwicklung der Armee «Der Umsetzung steht nichts mehr im Weg» Nach dem Differenzbereinigungsverfahren haben National- und Ständerat in der Frühlingssession 2016 der Vorlage zur Weiterentwicklung der Armee (WEA) zugestimmt. Das Referendum gegen das Militärgesetz als zentrale Rechtsgrundlage zur WEA ist nicht zu Stande gekommen – damit steht der Umsetzung der WEA nichts mehr im Weg. Der Projektleiter WEA, Brigadier Sergio Stoller spricht im Interview mit dem Chefredaktor der ASMZ über die Projektorganisation und benennt wichtige Meilensteine und Herausforderungen der WEA. Das neue Leistungsprofil und die Sicherstellung der damit verbundenen BeHerr Brigadier, welche wichtigen Grundreitschaft sind herausfordernd. Deshalb lagen erarbeiten Sie momentan in der Prowird in den ersten Wiederholungskursen jektorganisation WEA? schwergewichtig die Mobilmachung traiIm Moment arbeiten wir im Projekt niert. Auch in den Lehrgängen der HKA mit viel Elan an den Führungsreglemenwird das neue Bereitschaftssystem und ten «Operative Führung» die Mobilmachung ausge(OF 17) und «Taktische bildet werden. Grundlage Führung» (TF 17) und den dazu ist das neue Regle«Die Überführung ist am 1. Januar 2018 direkt davon abhängigen ment «Bereitschaft der Armilitärischen Vorschriften. formell abgeschlossen, die Umsetzung dauert mee», das mittlerweile ferDaneben befassen wir uns tig redigiert und genehmigt bis zum Ende des Jahres 2021.» intensiv mit den neuen Abist. Auch die Basierungen läufen und Prozessen. Ausund Mobilmachungsplätze serdem erstellen wir wichtisind bereits festgelegt. In ge Grundlagen wie z.B. Geschäftsordnun- fahrungen auszuwerten sowie Strukturen den nächsten Monaten geht es noch um gen und Organisationsbefehle auf Stufe und neue Abläufe zu festigen. Die Über- die Erstellung der Mobilmachungsdosder zukünftigen Direktunterstellten des führung der Armee in die neuen Struk- siers. CdA, damit die Milizverbände rechtzei- turen ist demnach am 1. Januar 2018 fortig befohlen werden können. Diese Do- mell abgeschlossen, die Umsetzung der Gibt es damit auch wieder Kompaniekumente basieren auf dem Armeebefehl WEA als Gesamtsystem dauert bis zum fächli? für den Start der WEA auf 01.01.2018. Ende des Jahres 2021. Ja, zumindest für die Milizformationen mit hoher Bereitschaft (MmhB). Deren Was regelt der Überführungsbefehl konkret? Und welche Inhalte beschreibt die Gesamt- Material wird an einem Ort kommissioDer Befehl enthält detaillierte Vorgaben konzeption WEA? niert eingelagert. für die personelle Überführung der MilizSie erläutert alle Massnahmen zur Weisoldaten und -kader und des Berufsperso- terentwicklung der Armee: die Doktrin, Man hat in letzter Zeit viel von den nals. Dazu kommen weitere Punkte wie die Strukturen, das Ausbildungsmodell MmhB als neuem Element der BereitEckwerte für die Durchführung von Auf- und das neue Bereitschaftssystem der schaft gesprochen. Was ist mit den übrilösungsfeiern, die Archivierung der Akten, Armee. Dargestellt wird auch, wie die gen Verbänden? das Erstellen von neuen Verbandsabzei- Logistik und die Führungsunterstützung Die mit der WEA eingeführte höhere chen, die Handhabung klassifizierter Ak- künftig funktionieren sollen. Die Ge- Bereitschaft der Armee sieht die Wiederten, die Reorganisation der Informati- samtkonzeption beruht auf der Botschaft einführung der Mobilmachung für alle ons- und Kommunikationsinfrastruktur des Bundesrats zur WEA vom Septem- Verbände vor, also auch für diejenigen, und die Gremien auf Stufe Armee im ber 2014 und den Beschlüssen des Parla- die nicht als MmhB bezeichnet sind. Ihr ments. Material wird nicht kommissioniert einÜbergang. gelagert, es wird im Falle einer MobilmaIst die Überführung am 1. Januar 2018 Sie haben mit dem neuen Ausbildungs- chung bedarfsgerecht zusammengestellt modell und dem Bereitschaftssystem zwei und gefasst. Auch diese Abläufe müssen abgeschlossen? Die Umsetzung der WEA besteht aus zentrale Pfeiler der WEA angesprochen. intensiv geschult werden. Wir haben mit drei Phasen: der Vorbereitung (in der wir Wie wird die Bereitschaft konkret umge- ersten Übungen bereits Erfahrungen gesammelt und sind daran, die Prozesse zu uns gerade befinden), der Überführung in setzt? Andreas Bölsterli, Chefredaktor 34 die neuen Strukturen und der daran anschliessenden Konsolidierungsphase, die bis zum Ende des Jahres 2021 abgeschlossen sein soll. Unmittelbar nach der Überführung und während der gesamten Konsolidierungsphase bis zum Jahresende 2021 wird es vor allem darum gehen, Er- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Weiterentwicklung der Armee optimieren, damit das Ganze ab 2018 funktioniert. Berufskader soll sie primär als Coach anleiten. Schliesslich werden auch die Offiziere auf Stufe Truppenkörper einen praktischen Dienst absolvieren, aber nicht in einer RS, sondern bei einem WK-Verband. Aus den Doktringrundlagen (DG 17) wurden die Reglemente OF17, TF17 und die Begriffe abgeleitet. Die OF liegt nun bereinigt vor und kann in den nächsten Monaten finalisiert und gedruckt werden. Die TF und die Begriffe liegen im Entwurf vor und werden jetzt nach weiteren Stellungnahmen bereinigt. Diese Phase wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Eine armeeweite Einführung ist vor dem Start der WEA geplant. Kommen wir zur Kaderausbildung. Was wird besser? Bei der Kaderausbildung wird wieder ein Schwergewicht auf die praktische Führungserfahrung der Kader gelegt. Bis zur Was bedeutet dies für das DienstleistungsFunktion Leutnant wird jeder den letzten modell? Grad in einer ganzen Rekrutenschule abDas Dienstleistungsmodell wurde unverdienen. Auch Kompaniekommandan- ter Berücksichtigung der angepassten Katen leisten einen praktischen Dienst während eiEine weitere Verbesserung ner kompletten Rekrutenbetrifft die Vollausrüstung. «Die zentrale Herausforderung ist schule. Neu ist auch, dass Ja, sie ist eine zwingende angehende Kader wieder Voraussetzung, damit das die zeitgerechte Überführung neue Bereitschaftssystem eine ganze Rekrutenschule des Miliz- und Berufspersonals.» funktioniert.Wesentlich ist als Rekrut absolvieren und in diesem Zusammenhang, künftige Offiziere und hödass die Armee genügend here Unteroffiziere einen praktischen Dienst als Unteroffiziere. derausbildung im Mai 2016 der Armee- Hauptsysteme (z.B. Kampf- und Schütführung präsentiert und von ihr bewil- zenpanzer, Artilleriegeschütze usw.) beHier kehrt man also wieder zum ehema- ligt. Neu muss ein Offizier oder höherer sitzt, um die Verbände ab 2018 vollstänligen System zurück. Unteroffizier, wenn er seine neue Funk- dig auszurüsten. In einigen Bereichen werJa, die Kader kennen damit diejeni- tion oder seinen neuen Grad antritt, 240 den aber nach wie vor temporäre Ausrüsgen Stufen, die sie später führen – ein Diensttage leisten. Nach 120 Tagen kann tungslücken bestehen, z. B. bei Funkgegrosser Vorteil in einer Milizarmee! Hin- er aber auch für weitere Funktionen vor- räten oder bei diversem Kleinmaterial zu kommt, dass die Milizkader in den gesehen werden. Es bleibt auch dabei, dass (Gabelstapler, leichte Maschinengewehpraktischen Diensten wieder mehr Ver- in zwei Jahren maximal 75 Diensttage ge- re, Zielfernrohre usw.). Diese Lücken sollen teils durch Nachbeschaffungen eingeantwortung übernehmen werden. Das leistet werden dürfen. führter Systeme, teils im Rahmen von ErWie werden die doktrinellen Neuerungen satzbeschaffungen bis Anfang der 2020er Br Stoller PL WEA und der Chefredaktor in die Ausbildung integriert? ahre geschlossen werden. im Gespräch. Bild: ASMZ Was müssen wir uns unter dem vierten Pfeiler, der Regionalisierung, vorstellen? Die generell schlankeren Einheiten können in der Regel an einem einzigen Standort untergebracht werden. Den Territorialdivisionen – Räume und Partner der heutigen Territorialregionen bleiben unverändert – wird zusätzlich ein Teil der Truppenkörper der heutigen Infanterie- und Gebirgsinfanteriebrigaden (Inf/Geb Inf Bat, Genie Bat) zugeteilt, sie sind damit noch stärker regional verankert. Warum ist die Regionalisierung für die Armee wichtig? «In Krisen Köpfe kennen», das ist in einem Einsatz zentral – und wird durch die Regionalisierung begünstigt. Ebenfalls wird speziell den Kadern dank Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 35 Rezensentinnen und Rezensenten gesucht Mit Ihrer Werbung treffen Sie bei uns immer ins Schwarze! Telefon 044 908 45 61 Verlag Equi-Media AG Brunnenstrasse 7 8604 Volketswil www.asmz.ch Sicherheit Schweiz Interessierte melden sich bei [email protected] Weiterentwicklung der Armee der Regionalisierung wieder eine Plattform für den Aufbau eines künftigen, lebenslange Netzwerkes geboten, das weit ins zivile Leben mitgenommen werden kann. Wie ist Ihre Projektorganisation aufgestellt oder anders gefragt, wie stellen Sie sicher, dass die erwähnten Teilprojekte miteinander synchronisiert sind? Wie ist eine allfällige Differenzbereinigung geregelt? Die Projektleitung besteht, neben mir, aus einem kleinen Team von drei Berufsoffizieren, das die insgesamt 19 Teilprojekte koordiniert und steuert. Ergänzt wird diese Zelle durch meinen zugeteilten Stabsoffizier und die Chefin Kommunikation WEA. Zudem ist mir der Bereich WEA der Armeeplanung zur Zusammenarbeit zugewiesen. Anders als beispielsweise bei der AXXI geniessen die Teilprojekte und deren Chefs mehr Handlungsfreiheit und Spielraum. Die Maxime soll sein: «So wenig wie möglich, soviel wie nötig eingreifen». Die Koordination, Steuerung und Beauftragung erfolgt an zwei Rapporten im Monat, im Vorfeld und Nachgang zu den Armeeführungsseminaren. Dort beurteilt jeweils die Armeeführung als Projektaufsicht unter dem Vorsitz des CdA die erarbeiteten Produkte und Zwischenziele und erteilt entsprechend Aufträge. Gibt es auch eine Aussensicht auf das Projekt? Ja, mit dem «Think Tank» und dem «Expertenrat» bestehen zwei unabhängige Gremien, die beratend und unterstützend diese Aussensicht wahrnehmen und konstruktiv einbringen. Br Stoller in einer Besprechung. Bild: VBS und mit fortschreitender Planung im Bereich Ausbildung und Einsatz weiter laufend anzupassen. Sie sprechen damit das Stationierungskonzept an. Gehört es auch in Ihren Aufgabenbereich und wie ist der Stand in diesem Teilprojekt? Das Stationierungskonzept ist ohne Übertreibung eines der schwierigsten Vorhaben und eines der wichtigsten Produkte des Teilprojektes Stationierung. Es fällt also auch in meinen Aufgabenbereich. Auf diesem Konzept basiert der sogenannte «Sachplan Militär», den man sich als eine Art militärisches Pendant zur zivilrechtlichen Raumplanung vorstellen muss. Seit der C VBS das Konzept im November 2013 präsentiert hat, haben sich Vollausrüstung schrittweise bis zum Abschluss der Umsetzung der WEA Anfang der 2020er Jahre zu erreichen. Die Armee muss bis zum 31.12. 2017 ihre Aufgaben friktionslos erfüllen können. Gleichzeitig gilt es in einer Projektorganisation die Voraussetzungen zu schaffen, damit die WEA mit der Überführung auf den 01.01.2018 in einem Zug gelingen kann. Weil dafür kein zusätzliches Berufspersonal zur Verfügung steht, gilt es alles bis zum letzten uns bekannten Detail sorgfältig zu planen und vorhandene Ressourcen nicht zu überfordern. Eine grosse Zahl an Rechtserlasse müssen für die Armee ab 2018 angepasst werden. Ist das Projekt WEA damit auf Kurs? Im Rahmen des Teilprojekts Rechtsetzung WEA sind in den Jahren 2018 bis 2022 Total- und Teilrevisionen von rund 70 Verordnungen der In welchen Teilprojekten steStufen Bundesrat und Dehen Sie im 2016 vor besonpartement vorgesehen. Da«Die Armee muss bis deren Herausforderungen? von sind ca. 20 VerordnunEine nicht zu untergen mit Inkrafttreten auf zum 31. Dezember 2017 ihre Aufgaben schätzende Aufgabe dürfte den 1. Januar 2018 geplant. friktionslos erfüllen können.» die Vorbereitung und FinaDie Zeitpläne der einzellisierung der Planung aller nen Rechtsetzungspakete aufzulösenden beziehungssind durchwegs straff abweise umzugliedernden Milizverbände nur marginale Änderungen ergeben. Die gefasst und ertragen nicht den geringssein – gilt es doch unter anderem tausen- Wünsche der Kantone wurden nach Mög- ten Aufschub, soll die Umsetzung ab dem de Dienstbüchlein zu bearbeiten. lichkeit berücksichtigt. Der «Sachplan Mi- 01.01.2018 nicht ernsthaft gefährdet werFerner stellt die weiterentwickelte Ar- litär» wird den Kantonen im Herbst 2016 den. Bis heute sind die Rechtsetzungsprojekte auf Kurs. mee andere Anforderungen an die Immo- zur Stellungnahme unterbreitet. bilien. Im Hinblick auf eine angemessene Investitionsquote ist es nötig, den Immo- Gibt es weitere Hürden und Herausforde- Herr Brigadier Stoller, ich danke Ihnen für dieses Interview und wünsche Ihnen bilienbestand zu reduzieren. Gleichzeitig rungen bis zur Umsetzung der WEA? müssen zur Sicherstellung der höheren BeDie zentrale Herausforderung ist die in Ihrer wichtigen Aufgabe viel Erfolg, reitschaft bestimmte Infrastrukturen reak- zeitgerechte Überführung des Miliz- und Genugtuung und die nötige Portion Soltiviert werden. Dieser Prozess ist im Gang Berufspersonals. Wesentlich ist auch, die datenglück. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 37 Wirtschaftsnotiz SAP Integration mit Schub Suchen Sie eine Beschreibung und Erklärung der heutigen Abzeichen in der Armee? Sie finden diese wie folgt: Zertifikat für VBS-Projekt beim ASCO Award 2016 www.lba.admin.ch Anlässlich des Tages der Beratung vom 28. Juni 2016 verlieh ASCO, der Berufsverband Schweizer Unternehmensberater in Zü- rich die begehrten ASCO Awards «Best Business Transformation». BearingPoint und NOVO Business Consultants waren zusammen mit der Luftwaffe und der Logistikbasis der Armee für das Projekt «Integration SAP System der Luftwaffe» des Eidg. Departements VBS für den Award nominiert. Das Ziel des Projekts war die Einbindung der Logistikprozesse in das neue SAPSystem der Armee. Das gewählte Vorgehen ermöglichte eine zielgerichtete, planmässige Ergänzung und Optimierung der Logistikprozesse. Die grundlegende und nachhaltige Neuausrichtung sowie die erfolgreiche Beziehung zwischen Kunden und Beratern wurde von der ASCO mit einem Zertifikat gewürdigt. Auf der Homepage der LBA wählen Sie zuerst «Themen», dann «Persönliche Ausrüstung» und schlussendlich «Abzeichen». Dort finden Sie auch das Reglement «Abzeichen der Schweizer Armee», 51.009. Ihren Anlass erfolgreich bewerben vierfarbig, Format 90×60 mm für nur CHF 450.00 ✆ 044 980 45 61 UNUS PRO OMNIBUS, OMNES PRO UNO – EINER FÜR ALLE, ALLE FÜR EINEN. Stiftung der Offiziere der Schweizer Armee Mit Ihrer Unterstützung stärken Sie das Milizsystem, die Milizarmee und eine glaubwürdige Sicherheitspolitik der Schweiz. Die Stiftung ist steuerbefreit. Jeder Beitrag zählt! Bankverbindung: UBS AG IBAN: CH380026226210411901K Weitere Informationen unter: www.offiziersstiftung.ch Stiftung der Offiziere der Schweizer Armee 117-119 avenue Général Guisan, Case postale 212, CH-1009 Pully info@offiziersstiftung.ch www.offiziersstiftung.ch 38 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Wirtschaft / Rüstung Kostenverteiler am WEF Davos überdenken: Nachlese Der Assistenzdienst am WEF Davos verursache der Armee keine Mehrkosten. So steht es in der Botschaft zuhanden des Parlaments. Die neuesten Zahlen zu den Kosten pro Diensttag lassen jedoch ernsthafte Zweifel aufkommen. Damit akzentuiert sich die Notwendigkeit, den Kostenverteiler am WEF Davos kritisch zu hinterfragen. Wir regten in der ASMZ 04/2016 an, den Kostenverteiler am WEF Davos im Hinblick auf die neue dreijährige Leistungsvereinbarung zu überdenken. Dies vor allem wegen der Geldmaschinerie des Veranstalters, der horrenden Preise und der Strukturprobleme der örtlichen Hotellerie. Es sei nicht Aufgabe der Armee, den Anlass mit – je nach Lesart – bis knapp 33 Mio. CHF aus eigenen Mitteln zu subventionieren. Zum gleichen Zeitpunkt kommunizierte dasVBS die neuesten Zahlen zu den Kosten pro Diensttag und Armeeangehörigen. Die Diskussionsnotwendigkeit des Kostenverteilers akzentuierte sich dadurch zusätzlich: Offenbar geht die Armee von extrem unterschiedlichen Kostenbegriffen aus, je nach Verwendungszweck der Daten. Um was geht es genau? Kosten ≠ Kosten In der letzten Botschaft des Bundesrats zuhanden des Parlaments über den Assistenzdienst der Armee stand auf S. 10 (Ziff. 6.2) unmissverständlich: «Insgesamt kann beim Einsatz der Armee zugunsten des WEF mit gleich hohen Kosten gerechnet werden, wie wenn die beteiligten Verbände ihren regulären Wiederholungskurs leisten würden. In den vergangenen Jahren entstanden Kosten für die Armee von durchschnittlich 28 Millionen Franken pro Jahrestreffen.» Diese Aussage bezieht sich allein auf den Assistenzdienst, ohne die kostenbefreite Vermietung von Material und Fahrzeugen an die Kantonspolizei Graubünden. Zur jährlich aktualisierten Publikation des Bereichs Verteidigung («Die Armee in Zahlen») steht unter anderem folgender Zwischentitel in der Medienmitteilung vom März 2016: «Ein Diensttag kostet gut 35 Franken.» Und im anschliessenden Text Kosten der Schulen und Kurse der Armee (2015) (in CHF pro Angehörigen der Armee und Diensttag) Quelle: VBS/LBA (Graphik: ASMZ) Peter Müller, Redaktor ASMZ ist unter anderem zu lesen: «Die Durchschnittskosten pro geleisteten Diensttag stiegen im Verhältnis zum Vorjahr um 22 Rappen auf 35.28 Franken.» Somit zwei glasklare Aussagen zu den Kosten der Armee – jedoch offenbar aus unterschiedlichen Quellen und mit stark divergierendem Inhalt! Dividiert man nämlich (naheliegend) für das Jahr 2016 die 28,8 Mio. CHF der Gesamtkosten für den Assistenzdienst durch die Anzahl geleisteter Diensttage am WEF (47100), so ergeben sich plötzlich Durchschnittskosten von 611 Franken, also rund das 17-fache des sonst üblichen Werts pro Diensttag! Das ruft nach Erklärungen. Kostenrechnungen offenlegen Das VBS wehrte sich vehement gegen diese Berechnung: «Ein direkter Vergleich dieses Betrags (Kosten pro Diensttag, Anm. der Red.) mit den Kosten für das WEF sei nach übereinstimmender Aussage sämtlicher Finanzverantwortlicher der betroffenen Bereiche nicht möglich.» Namentlich handle es sich bei den Kosten pro Diensttag um die sogenannten Truppenaufwände (Details siehe Grafik). Die betreffende Tabelle trage den Titel «Kosten der Schulen und Kurse der Armee im Kommissariatsdienst». Was immer diese für den Aussenstehenden nachgereichten, unverständlichen Präzisierungen auch heissen mögen: Das VBS weigerte sich ebenso dezidiert, die Kosten am WEF analog der Grafik aufzuschlüsseln; die Stellungnahme schloss betreffend Kosten für das WEF mit dem Hinweis: «Diese Zahlen hat die Armee nicht weiter zu interpretieren.» Unbestritten ist: In den ausgewiesenen Kosten von 35 Franken pro Diensttag fehlen wesentliche Kostenbestandteile wie Material, Fahrzeuge, Betriebsstoffe, Munition, Flugstunden, Löhne Berufsmilitär und allenfalls Erwerbsersatz. Dies scheinen die wahren Kostentreiber zu sein. Der Informationsgehalt der ausgewiesenen und minutiös aktualisierten Kosten pro Diensttag tendiert folglich gegen null; mehr Kostenwahrheit täte not. Umgekehrt: Bei 17-fach höheren Kosten am WEF in Davos wird offensichtlich: Die Aussage in der Botschaft ans Parlament ist – gelinde gesagt – irreführend und intransparent, die Kosten am WEF seien gleich hoch wie jene in regulären Wiederholungskursen. Die Forderung wird politisch entsprechend dringlicher, den Kostenverteiler am WEF Davos kritisch zu hinterfragen. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 39 Wirtschaft / Rüstung Wehrtechnische Kernfähigkeiten stärken Die Schweizerische Gesellschaft Technik und Armee hat ihre sieben Thesen zur Sicherheitspolitik überarbeitet. Sie richtet den Fokus vermehrt auf die industriellen Kernkompetenzen sowie deren internationale Wettbewerbsfähigkeit. Wissenschaft und Technologie seien tragende Elemente der künftigen Rüstungspolitik. Der Vorstand der Gesellschaft ist arg dezimiert. wicklungsschritt 08/11 wie auch das Aufwuchskonzept der Schweizer Armee – Die Schweizerische Gesellschaft TechDer Präsident der STA, Dr. Fritz Gan- zwei wesentliche Rahmenbedingungen nik und Armee (STA) mit ihren rund 300 tert, konnte die statutarischen Geschäfte des früheren Positionspapiers – sind hinMitgliedern versteht sich als unabhängiges effizient und diskussionslos abwickeln. fällig geworden.Wichtig ist neu der Link Bindeglied zwischen Armee, Beschaffungs- Das Schwergewicht lag auf den überar- zur WEA, ohne diese allerdings im überinstanzen, Wirtschaft und arbeiteten Dokument explizit zu erwähnen. Die STA Wissenschaft. Sie veröffentlegt weiterhin als Wesenslichte vor rund zehn Jahren «Das aktuelle schweizerische merkmal viel Wert auf ihre ein Positionspapier mit siesicherheitspolitische Umfeld ist herausfordernd Unabhängigkeit. ben Thesen, um damit zur Globalisierung, technisicherheitspolitischen Meiund geprägt durch das fehlende Bewusstsein, scher Fortschritt und die nungsbildung beizutragen. dass Sicherheit einen hohen Wert hat sich laufend verändernde Angesichts der seither verglobale Sicherheitslage maänderten politischen und und die mangelnde Bereitschaft, chen es nach Auffassung der militärischen Rahmenbedie Kosten für die Sicherheit zu tragen.» STA nötig, den sicherheitsdingungen entschloss sich politischen Diskurs neu zu der Vorstand im Jubiläumslancieren. Das Bedrohungsjahr (siehe ASMZ Nr. 08/ 2015), das Positionspapier zu überarbei- beiteten sieben Thesen; diese wurden spektrum sei heute sehr diffus und breit; ten. Der neue Inhalt mit weiterhin sieben durch den Vizepräsidenten, Urs Breit- die Veränderungen der Bedrohungen seiThesen wurde anlässlich der 61. General- meier (CEO RUAG Holding AG), prä- en schwieriger zu erkennen und ihr Einversammlung vom 21. Juni 2016 in Erst- sentiert: Eine Arbeitsgruppe nahm eine treffen zeitlich nicht vorhersehbar. Ursabreite Lageanalyse vor. Sowohl der Ent- che und Wirkungen könnten heute auch feld den Mitgliedern vorgestellt. örtlich weit auseinander liegen. Die Sicherheitselemente müssten deshalb breit Sieben Thesen zur Sicherheitspolitik und robust aufgestellt sowie rasch verfügbar sein. • These 1: Die heutige Zeit ist von Unstetig wandelnden Umfeld Rechnung Peter Müller, Redaktor ASMZ sicherheit geprägt. Es gibt ein breites Spektrum an Bedrohungen, es ist aber unmöglich, eine Vorhersage in Bezug auf Wirkung und Eintreffen zu machen. • These 2: Die Sicherheits- und Rüstungspolitik muss an politischer, gesellschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Bedeutung gewinnen und langfristig ausgerichtet werden. • These 3: Mit einem abgestuften Bereitschaftssystem wird die Bereitschaft der Armee sichergestellt. Durch den Erhalt von adäquaten Kapazitäten einer exportfähigen eigenen Rüstungsindustrie mit genügend breiter Technologiebasis werden die Durchhaltefähigkeit der Armee gestärkt und deren längerfristige Weiterentwicklung ermöglicht. • These 4: Ausrüstung, Ausbildung und Führung der Armee müssen einem sich 40 Geänderte Herausforderungen tragen. • These 5: Eigene industrielle Kernfähigkeiten in der Wehrtechnik stärken die strategische Handlungsfreiheit der Schweiz. • These 6: Das wirtschaftliche Überleben der Schweizer Rüstungsindustrie erfordert Exportpraxis nach europäischem Rechtsstandard sowie internationale Kooperationen beim Rüstungsbeschaffungsprozess. • These 7: Ein auf den Armeebedarf ausgerichtetes Technologiemanagement unterstützt die nationale, sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis und fördert deren Innovationskraft. Quelle: Schweizerische Gesellschaft Technik und Armee (STA) Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Zusammenhang zwischen Sicherheit und Rüstung Die STA legt in ihren sieben Thesen ein Schwergewicht auf den Erhalt industrieller Kernfähigkeiten in der Schweiz, verbunden mit gleich langen Wettbewerbsspiessen im europäischen Umfeld. Angesichts des beschränkten heimischen Marktes und der begrenzten Fähigkeit, komplexe Gesamtsysteme im Alleingang zu entwickeln, seien sowohl internationale Kooperations- wie auch Exportmöglichkeiten für die Schweizer Wehrtechnikindustrie unabdingbar. Gleichzeitig sei zu vermeiden, dass in definierten Schwerpunkttechnologien eine völlige Abhängigkeit vom Ausland entstehe. «Der Zusammenhang zwischen Sicherheit, Rüstung Wirtschaft / Rüstung Vorstand STA ab 2016 • Dr. Fritz Gantert, unabhängiger Verwaltungsrat (Präsident) • Urs Breitmeier, CEO RUAG Holding AG (Vizepräsident) • Peter Huber, Präsident Meggitt Sensing Systems • Walter Kägi, CEO Atos Schweiz AG • Dr. Thomas Rothacher, Leiter armasuisse W+T • KKdt André Blattmann, Chef der Armee • Pascal Vörös, armasuisse (Leiter Geschäftsstelle STA) und Erhalt eigener Fähigkeiten und Kapazitäten muss vermehrt ins öffentliche Bewusstsein gerufen werden.» Daraus leitet die STA unter anderem die Forderung ab, die Rüstungspolitik müsse sich künftig derart organisieren, dass auch in Krisenzeiten (wenn der Zugang zu Rüstungsgütern erschwert sei) eine angemessene Durchhaltefähigkeit der Armee garantiert werden könne. Notwendig seien dazu vertiefte Instandhaltungs-, Werterhaltungs- und Wertsteigerungsfähigkeiten im Inland als Teil der sicherheitsrelevanten Technologie und Industriebasis. Dies wiederum bedinge eine erhöhte Beschaffungssicherheit, welche mehrjährige militärische Planungs- und Finanzierungszyklen voraussetze. Die STA befürwortet deshalb im Rüstungsbereich idealerweise neu vierjährige Rahmenkredite; es entspricht dies einer Forderung, welche auch die ASMZ kürzlich in Erinnerung gerufen hat (siehe ASMZ Nr. 06/2016). Gesucht: Innovationskraft Wissenschaft und Technologie spielen nach Auffassung der STA eine wesentliche Rolle bei der künftigen Rüstungspolitik als Teil der Sicherheitspolitik. Nötig sei ein umfassendes, aktives Technologiemanagement mit hoher Transparenz, ausgerichtet auf den künftigen Armeebedarf. Beispielsweise solle mittels Technologiefrüherkennung gewährleistet werden, sicherheitsrelevante Technologieentwicklungen rechtzeitig zu erfassen. Durch den breiten Einbezug industrieller Partner könne der Komplexität moderner Rüstungsgüter und Dienstleistungen sowie der Dynamik technologischer Entwicklungen Rechnung getragen werden. Die öffentliche Hand müsse gezielt Forschungsaufträge an die heimische Industrie ver- geben und ihre Einbindung in internationale Projekte unterstützen. Damit schliesst sich indirekt der Kreis zu den Finanzen und zur beklagten «mangelnden Bereitschaft, die Kosten für die Sicherheit zu tragen». Unter diesem Blickwinkel ist denn auch zu bedauern, dass die STA ihre frühere prägnante These 7 nicht mehr in das überarbeitete Positionspapier aufgenommen hat: «Die Finanzen dürfen nicht das bestimmende Element der Sicherheitspolitik sein.» Betrachtet man die aktuellen politischen Diskussionen um die künftigen Armeefinanzen, so wird offensichtlich, dass die Grossbaustelle «Finanzsicherheit – Planungssicherheit – Beschaffungssicherheit» noch lange unerledigt bleibt. Der Vorstand blutet aus Eher beiläufig und für die meisten wohl auch überraschend, erfuhren die Teilnehmenden an der GV, dass sich der Vorstand wegen fünf Rücktritten ab sofort praktisch halbiert. Neben zwei berufsbedingten Rücktritten (Daniel Neuenschwander, SBFI, und Giovanni Giunta, Stiftung KMU Next), erfolgten drei weitere Demissionen aus einem ganz anderen Anlass: Angeblich aus Gründen der «good governance» oder der «compliance» ordnete das Generalsekretariat VBS den Rückzug folgender Personen aus dem Vorstand der STA an: Martin Sonderegger (Rüstungschef ), Div Hans-Peter Walser (früher Chef Armeestab, heute Kdt Ter Reg 2) sowie Div Daniel Baumgartner (früher Chef LBA, heute Kdt Heer). Dieser Aderlass kam für den Vorstand der STA wohl eher kurzfristig: Es wurde an der GV keine einzige Ersatzwahl vorgeschlagen; vielmehr stellte man eine intensive Suche und Nachwahlen bis in einem Jahr in Aussicht. Man kann zu «good governance» oder «compliance» sowie deren Umsetzung stehen wie man will. Im vorliegenden Fall scheint es sich entweder nur um einen halbherzigen oder um einen inkonsequenten Beschluss des VBS zu handeln: Unerwünschte Abhängigkeiten/Verflechtungen entstehen sowohl zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wie auch umgekehrt. Sieht man sich die restliche Zusammensetzung des Vorstands und der Geschäftsstelle an, so dürfte die «logische» Lösung unter dieser Optik momentan wohl nur noch aus höchstens drei Personen bestehen. Und das kann es dann wohl nicht ernsthaft gewesen sein! ■ Das bewegt die SOG Besinnung auf die Offizierstugenden Am Tag meiner Wahl zum neuen SOG-Präsident habe ich Folgendes festgehalten: Ich möchte die SOG als die Stimme der Schweizer Offiziere und als einflussreiche sicherheitspolitische Kraft stärken und weiterentwickeln. An Themen und Gelegenheiten hierzu mangelte es in den ersten Monaten meiner Amtstätigkeit wahrlich nicht. Das Jahr 2016 hat es mit richtungsweisenden sicherheits- und militärpolitischen Herausforderungen in sich. Ich erwähne die parlamentarische Schlussabstimmung Weiterentwicklung der Armee (WEA), den Bericht über die Dienstpflicht, die Sistierung des Rüstungsprojekts BODLUV, die Vorbereitung der Evaluation eines neuen Kampfflugzeugs, den Sicherheitspolitischen Bericht 2016 und das Nachrichtendienstgesetz. Mit Genugtuung stelle ich fest, dass die SOG dank der tatkräftigen Arbeit im Vorstand, Generalsekretariat und in den Arbeitsgruppen, aber auch dank der schlagkräftigen Unterstützung durch die kantonalen, lokalen und Fach-Offiziersgesellschaften Wirkung erzielt hat. Wir haben uns als landesweit abgestützte, dialogfähige und kritisch-konstruktive Organisation im Spannungsfeld von Armee, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gut positioniert. Weniger positiv waren die Ereignisse rund um Indiskretionen beim Projekt BODLUV und die heimlichen Aufnahmen eines Vortrags des Chefs der Armee im Rahmen eines internen Gst Of-Seminars. Solche Vorkommnisse schaden dem Offizierskorps. Auch über die teilweise unsachliche und unausgewogene Diskussion der Befürworter des WEA-Referendums war ich wenig erbaut. Ich wünsche mir deshalb die Besinnung auf die Offizierstugenden: Respekt füreinander, Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander, Verantwortungsbewusstsein mit anvertrauten Informationen und loyales Mittragen von gefassten Entscheiden. Oder in der Sprache der SOG: Halten wir unsere über 180 Jahre bewährten Werte der Glaubwürdigkeit, Hingabe und Loyalität hoch! Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 41 Luftwaffe Erneut Echteinsatz der Fliegerabwehr: diesmal in den Kantonen Uri und Tessin Es war bereits der zweite Echteinsatz der Fliegerabwehr in diesem Jahr: Rund um die offiziellen Eröffnungsfeierlichkeiten des Gotthardbasistunnels vom 1. Juli 2016 kam die 35mm Mittelkaliberfliegerabwehr (M Flab) mit der Tessiner M Flab Bttr 32/1 (+) zum Einsatz, nachdem die M Flab Abt 34 im Januar zum Schutz des WEF eingesetzt wurde. Marcel Amstutz, René Meier Der Bedarf «Schutz von Konferenzen» nimmt mit der aktuellen Bedrohung zu. Nicht zuletzt deshalb hat das Parlament der Nutzungsverlängerung M Flab (M Flab NUV) im RP 15+ zugestimmt. Damit bleibt dieses Waffensystem für die nächsten zehn Jahre operationell und gewinnt mit dem Ausbau des Sensorverbundes von 8 auf 24 Feuereinheiten zusätzlich an Leistung, Handlungsfreiheit und Sicherheit. Mit dem Auftrag «Schutz des Festgeländes Erstfeld, Schutz des Festgeländes Pollegio und Beiträge zum Luftlagebild», begann im Herbst 2015 die Aktionsplanung GOTTARDO im LVb Flab 33. Weil der Fortbildungsdienst der Truppe (FDT) für die in Frage kommende M Flab Abt 32 unter dem Kommando von Oberstlt Nicola Ballabio als Schiess- und Detailkurs auf dem Flab-Schiessplatz S-chanf geplant war und der Mittelansatz für den Einsatz GOTTARDO mit einer taktischen Einheit ausreichte, wurde die M Flab Bttr 32/1 (+) unter der Führung von Hptm Marco Parisi der Fliegerabwehrkampfgruppe 33 (Flab K Gr 33) von Oberst René Meier für die Dauer des Ein- 42 satzes unterstellt, welcher dem Kdt Einsatzverband Luft (EVL) direkt rapportierte. Damit konnte die M Flab Abt 32 (-) ihren Kurs im Engadin weitgehend unverändert durchführen. Der unbekannte Einsatzraum, die geografische Lage der beiden Festgelände, die parallel geforderte Gefechtsleistung und die sehr kurze Einsatzdauer waren im Vergleich zum Einsatz WEF völlig andere Einflussfaktoren. Die Planung der Luftraumstruktur führte zu einer intensiven und anspruchsvollen Beurteilung, ging es doch nebst der Auftragserfüllung auch darum, den zivilen Flugverkehr möglichst wenig einzuschränken. Die Aktionsplanung Mit der ab Herbst 2015 begonnenen Planung stand die Erkundung der Einsatzstandorte im Vordergrund. Mit je einer Sensorstellung (genannt SKY) im nördlichen wie auch im südlichen Raum soll die Überwachung des untersten Luftraumes sichergestellt werden. Die «Kronjuwelen» bildeten die beiden Fliegerabwehrstellungen LEO in unmittelbarer Nähe zu den Festgeländen, welche als komplette Feuereinheiten einen Sensor (Feuerleitge- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Eine Flab Kan der südlichen Feuereinheit LEO im Raum Pollegio. rät 75/10) und zwei Flab Kan 63/12 beinhalteten. Die unterschiedlichen geographischen Situationen der beiden Regionen, die Feststellung, dass sich alle Stellungen an Gewässer oder in der Nähe von Stromleitungen befanden und der Umstand, dass die optimale Stellung LEO im Süden mitten im Dorf bezogen werden sollte, führten zu intensiven Abklärungen mit militärischen und vor allem zivilen Partnern. Der Einsatz in unmittelbarer Nähe zum Gotthard forderte das Variantendenken heraus, weil uns die topografischen Gegebenheiten zwangen, Fliegerabwehrstellungen in Steinbrüchen über dem eigentlichen Talkessel zu prüfen. Es war nicht zuletzt ein gutes Lehrstück für uns FlabTaktiker. Die Varianten wurden nach den Erkundungen geprüft und bewertet. Dabei wurden auch die Einsatzerfahrungen aus ABACO, ALCEO oder ALPA ECO genutzt, damit der Flab-Entschluss die bestmögliche Kraftanwendung in Raum und Zeit gewährleistete und die Auftragserfüllung nie in Frage gestellt werden musste. Luftwaffe Der taktischen Einheit bzw. der M Flab Bttr 32/1 wurden zusätzliche Mittel und Materialen wie Elektrifizierung der Stellungen über das öffentliche Stromnetz, Container oder Härtungsmaterial zur Verfügung gestellt. Somit stand dem Einsatz, mit dem einvernehmlichen Nebeneinander mit der Urner und Tessiner Bevölkerung, nichts mehr im Wege. Die Einsatzbezogene Ausbildung Weil die M Flab Abt 32 ihren FDT auf dem Fliegerabwehrschiessplatz S-chanf absolvierte, konnte ein Teil der Ausbildung im scharfen Schuss stattfinden. So wurde der Bekämpfungsablauf mit den Einsatzregeln (ROE) 1:1 gezielt trainiert. Nach einer mehrstündigen Anfahrt aus dem Engadin über den Julier, fand am Freitag der 1. FDT-Woche der erste Stellungsbezug statt. Die Mob LW Radar Abt 2 und die LT Abt 2 unterstützten die M Flab Bttr 32/1 zusätzlich mit FU-Spezialisten. Die Sicherstellung stabiler Verbindungen und die Beherrschung der Abläufe waren zentral, weil in GOTTARDO die Flab nicht mittels autonomer Bekämpfung eingesetzt wird, sondern sowohl die Feuerfreigabe als auch die Feuerauslösung zentral durch das Air Operation Center (AOC) erfolgt, nachdem der politische Entscheidungsträger den Feuerbefehl erteilt hat. Dieses Verfahren ermöglicht enorm kurze Entscheidungswege, sofortige Wirkung nach der zentralen Feuerauslösung und maximale Sicherheit. Die Lageverfolgung Mit Beginn der 2. FDT-Woche, am Montag, 30.05.2016 startete der eigentliche Einsatz, der sich mit dem Stellungsabbruch und Rückmarsch ins Engadin bis Donnerstag, 02.06.2016 erstreckte. Die Einsatzführung im Bereich der Luftraumüberwachung durch die Flab oblag dem Einsatzoffizier BODLUV im AOC der Luftwaffe. Alle weiteren Belange hingen unverändert an der Kommandostruktur der Einheit. Für GOTTARDO wurden pro Einsatzraum zwei Flab Kan 63/12 in einer Feuereinheit zum Schutz der Festivitäten eingesetzt, was dem ordentlichen Mittelansatz von je einer M Flab FE entspricht. Damit konnte die notwendige Redundanz geschaffen werden, um die technisch bedingten Kontrollintervalle bei einem Geschütz durchzuführen und gleichzeitig die Feuerbereitschaft mit dem zweiten Geschütz aufrechtzuerhalten. Auch wenn die Einsatzdauer im Vergleich zu einem Einsatz am WEF massiv kürzer war, die Herausforderungen in den Begleit- und Supportprozessen präsentierten sich geradezu in identischer Art und Weise. Nach nur drei Tagen in den Stellungen, davon einem Einsatztag am 1. Juni 2016, erfolgte die Auftragsentbindung und die Rückverlegung. Gegen die terrestrischen Bedrohungen (wie Störungen, Demonstrationen, Sabotage und Blockaden) wurde jede Flab-Stellung durch eine Sicherungsgruppe der Flab verstärkt. Konzentriertes Arbeiten der Bedienmannschaften, konsequente Führung der Kader, standardisierte Abläufe, systematische Kontrollen und stufengerechte Einflussnahme waren die entscheidenden Erfolgsfaktoren in der Lageverfolgung. Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz Mit GOTTARDO hat die Kanonenfliegerabwehr der Schweizer Armee erneut Geschichte geschrieben. Zwar ist die Einsatzdoktrin der M Flab FE erprobt, etabliert und bildet die Grundlage jeder Aktionsplanung. Hingegen konnten neue Erfahrungen im Einsatz von Flab-Effektoren derselben taktischen Einheit in zwei vollständig voneinander getrennten Einsatzräumen gesammelt werden. Bereits laufen die Planungen und Vorbereitungen für den nächsten Einsatz auf Hochtouren. Die M Flab Abt 45 wird anlässlich ALPA ECO 17 bereits im Januar 2017 in der etablierten Standardkonfiguration eingesetzt. Ein Feuerleitgerät der nördlichen Feuereinheit SKY im Raum Seedorf. Bilder: VBS Fazit Im RP 15+ hat das Parlament der Nutzungsverlängerung M Flab (M Flab NUV) zugestimmt. Mit diesem Entscheid bleiben Schutzaufgaben zu Gunsten kritischer Infrastruktur und Konferenzen gegen Luftbedrohungen als Mittel der letzten Meile für die nächsten zehn Jahre möglich. Zusätzlich wird durch den Ausbau des Sensorverbundes von heute 8 auf 24 Feuereinheiten die Leistung, Handlungsfreiheit und Sicherheit erhöht. Eine auf die aktuelle Bedrohung zeitgerechte, einfache und stimmige Lösung. Aus militärischer Sicht ist die Fliegerabwehr in der nächsten Dekade vollständig zu ersetzten.* Erst mit einer Bodengestützten Luftverteidigung (BODLUV) ist es möglich, komplementär zu den Kampfflugzeugen glaubwürdig zu wirken. ■ * Lebenswegende von TRIO (M Flab, Rapier, Stinger mit Alert) wird zwischen 2020 und 2025 erreicht. Brigadier Marcel Amstutz Kdt LVb Flab 33 3626 Hünibach Oberst René Meier Kdt Flabverbund FDT / Flab K Gr 33 6023 Rothenburg Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 43 Höhere Kaderausbildung Moderne Verteidigung – Konsequenzen für Führung und Ausbildung Das Kriegsbild verändert sich laufend. Treibende Kraft in diesem Prozess sind neben der technologischen Entwicklung insbesondere auch die zunehmende Urbanisierung. Reichweite, Treffergenauigkeit und Wirkung im Ziel der Waffensysteme nehmen laufend zu. Eine wachsende Palette von hoch entwickelten Sensoren erlaubt im Verbund mit Führungsinformationssystemen immer schnellere und präzisere Wirkung im Ziel. Daniel Lätsch Während bis vor wenigen Jahren davon ausgegangen wurde, dass diese Systeme weitgehend ausserhalb der überbauten Gebiete eingesetzt würden, so zwingen heute moderne Aufklärungs- und Wirkungsmittel, aber auch die Methoden der hybriden Kriegführung sowie die rasche Urbanisierung des schweizerischen Mittellandes dazu, den Kampf im überbauten Gebiet zu suchen. Das Reglement Taktische Führung XXI (TF XXI) hält fest, dass die Bedeutung von überbautem Gelände von seiner Lage und Ausdehnung abhängt. Es kann Schlüsselgelände sein und aufgrund seiner Hinderniswirkung sowie der Deckungs- und Schutzmöglichkeiten für die Truppe den Rückhalt eines Verteidigungsdispositives bilden.1 Der kontinuierlich wachsende urbane Gürtel von St.Margrethen bis Genève, die urbane Zone im Grossraum Basel sowie zwischen Lugano und Mendrisio lassen den Schluss zu, dass künftige Konflikte nicht im Alpengebiet, dem ehemaligen Reduit, ausgetragen werden, sondern dort, wo mehrheitlich die Bevölkerung und die Wirtschaft angesiedelt sind.2 Der Kampf im überbauten Gelände ist in der Regel nicht nur für Verteidiger und Angreifer sehr verlustreich. Er kann auch schwerwiegende Auswirkungen für die Zivilbevölkerung und die Wirtschaft nach sich ziehen. Entsprechend müssen Mittel und Methoden der Kampfführung angewendet werden, die Verluste unter der Zivilbevölkerung und Schäden an deren Infrastruktur möglichst gering halten.3 Insbesondere ist der wahllose Beschuss mit Flächenfeuer keine Option. Hingegen kann auf Bogenfeuer auch im überbauten Gebiet nicht verzichtet werden. Allerdings muss das Feuer entsprechen- 44 den präzis sein, damit das Risiko von zivilen Opfern und Kollateralschäden minimiert werden kann.4 Der Kampf im überbauten Gebiet ist gefechtstechnisch ausserordentlich anspruchsvoll. Die TF XXI sieht für die Verteidigung in überbautem Gelände vor allem infanteristische Kampftruppen vor. Diese können aber durch mechanisierte Verbände wesentlich verstärkt werden. Da- «Der Kampf im überbauten Gebiet ist gefechtstechnisch ausserordentlich anspruchsvoll.» bei sollen Panzerverbände eng mit Panzergrenadier- und Infanterieverbänden zusammen kämpfen, weil sie in überbautem Gelände meist nicht geschlossen eingesetzt werden können.5 Es reicht aber nicht aus, wenn im überbauten Gebiet mechanisierte und infanteristische Kräfte zusammenarbeiten. Einerseits müssen Panzersappeure an vorderster Front die Mobilität sicherstellen. Andererseits stellt das überbaute Gebiet an die Führungsunterstützung besonders hohe Anforderungen. Funkschatten und damit Verbindungsunterbrüche in kritischen Gefechtsphasen können für Erfolg und Misserfolg entscheidend sein. Der Wahl von Antennenstandorten ist deshalb besondere Beachtung zu schenken. Eine hohe Zahl von Radio Access Points und Relaisstationen ist erforderlich. Deren Standorte müssen zudem mit dem sich entwickelnden Gefecht häufig gewechselt werden. Für verteidigende Kräfte können Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 zudem Drahtverbindungen trotz deren Störungsanfälligkeit erfolgsentscheidend sein. Enge Vernetzung und Zusammenarbeit Die Forderung, die Verluste unter der Zivilbevölkerung und Schäden an deren Infrastruktur möglichst gering halten, hat Konsequenzen für die Zusammenarbeit mit zivilen Behörden und Kräften. Eine klare Trennung zwischen der Zivilbevölkerung und irregulären Streitkräften ist oft nicht möglich. Die Zuständigkeiten von Polizei und Armee sind deshalb klar zu regeln. Die zivilen Behörden dürften so lange wie möglich auf den ordentlichen Aufgabenteilungen und Verantwortlichkeiten beharren. Die Zuständigkeit der Kantone für die innere Sicherheit auf deren Gebiet 6 wird deshalb nicht bei erster Gelegenheit an die Armee übertragen werden, auch wenn Bundesrat und Bundesparlament grundsätzlich die Pflicht haben, Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zu treffen7. Eine bewaffnete Gruppierung oder ein Terrorkommando dürfte auch in einer äusserst angespannten Lage durch Polizeikräfte bekämpft und nicht durch Infanteriekräfte «zerniert» werden. Insbesondere vor Ausbruch von intensiven Kämpfen dürfte die Truppe auch in hohem Mass auf einen Nachrichtenverbund mit den zivilen Kräften angewiesen sein. Erst ein integriertes Lagebild, welches aus den bestehenden Lagebildern von Polizei, Verkehrslenkungsorganen (v.a. ASTRA und «Via Suisse») und Armee zusammengeführt wird, kann die notwendigen Entscheidgrundlagen für einen wirksamen und koordinierten Einsatz der knappen Mittel ergeben. Gerade im überbauten Gebiet ist es aber auch Höhere Kaderausbildung nicht zielführend, mit mechanisierten Mitteln Aufklärung zu betreiben. Einerseits sind sich bewegende mechanisierte Mittel leicht erkennbar, andererseits dürften irreguläre Kräfte und gegnerische Sonderoperationskräfte damit auch nur schwer erkannt werden. Umso wichtiger ist die enge Kooperation von infanteristischen Aufklärungsmitteln, insbesondere Patrouillen, mit den zivilen Polizeikräften. Der hybride Charakter der Bedrohung erschwert nicht nur die Aufklärung. Das Bestreben des Gegners, so lange wie möglich unterhalb der Kriegsschwelle zu agieren und damit unsere Mittel abzunützen sowie die Kampfmoral zu zersetzen, stellt besonders hohe Anforderungen an die Führung. Unser Ziel muss es deshalb sein, durch Eigenschutz die Kampfkraft hoch zu halten, durch physische Präsenz, in Zusammenarbeit mit den zivilen Kräften, stabilisierend zu wirken und durch eine flexible Grundaufstellung den raschen Übergang zur Kampfführung sicherzustellen. Was heisst das für die Ausbildung? Erstens gilt es, den Blick für den Gesamtrahmen zu schärfen. Keine Ter Reg/ Div und keine Br kann den Kampf mit Aussicht auf Erfolg selbständig führen. Einerseits ist in der Wahl der Mittel und Methoden immer wieder vor Augen zu halten, dass es das ausschliessliche Ziel des Truppeneinsatzes ist, günstige Voraussetzungen für das Weiterleben der Zivilbevölkerung und das Weiterfunktionieren von Gesellschaft und Wirtschaft zu schaffen. «Das gegnerische Handeln ist stärker zu antizipieren. Eine Lagefortschreibung durch das FGG2 reicht nicht.» Andererseits ist auf taktischer Stufe von Anfang an in der Aktionsplanung zu berücksichtigen, welche Wirkung die Nachbartruppen und insbesondere die vorgesetzten Kommandostellen im Sinne des gestaltenden Gefechtes zu erbringen vermögen. Die taktischen Kommandanten können direkt oder indirekt von Aufklärungs- und Feuerunterstützungsverbänden, von Logistik- und Führungsunter- Stabsarbeit in der U NEPTUN im KombiLehrgang der Gst Schule. Bild: Gst Schule stützungsverbänden profitieren. Gleichzeitig müssen sie aber auch die Wirkung der Luftwaffe, der Sonderoperationskräfte und der Verbände der elektronischen Kriegführung optimal nutzen. Zweitens ist das gegnerische Handeln stärker zu antizipieren. Eine Lagefortschreibung durch das Führungsgrundgebiet Nachrichten (FGG2) im Stab reicht nicht. Dem Kommandanten sind mögliche gegnerische Aktionen frühzeitig aufzuzeigen, so dass die notwendige Eventualplanung zeitgerecht veranlasst werden kann. Bei der Erarbeitung gegnerischer Varianten ist das uns inhärente menschenfreundliche Denken durch eine gehörige Portion Brutalität und Hinterhältigkeit zu ergänzen, ohne dabei die Regeln des Kriegsvölkerrechtes zu ritzen. Wer aber zu harmlos denkt, wer nur das Lehrbuch des mechanisierten Angriffs anwendet, wird die hybriden, gegnerischen Methoden nicht ansatzweise richtig erkennen. Drittens muss die Flexibilität geschult werden. Selbst die beste NachrichtendienstZelle (G2-Zelle) wird die gegnerischen Varianten nicht immer rechtzeitig und richtig erkennen. Dispositive und Methoden müssen deshalb rasch angepasst und Schwergewichte verlegt werden. Flexibilität kann bereits in der Aktionsplanung geschaffen werden. Flexibilität ist aber nicht nur eine materielle, sondern vor allem auch eine intellektuelle Fähigkeit. Das Schwergewicht der Ausbildung muss des- halb wieder vermehrt auf die Lageverfolgung, statt auf die Aktionsplanung verlegt werden. Übungen auf Gegenseitigkeit, insbesondere auch in der Form von Stabsübungen, können dabei besonders wertvoll sein, indem jede Partei den Willen hat, zu gewinnen und somit Mittel und Methoden erarbeiten wird, mit dem sie die Gegenpartei aushebeln kann. Viertens muss der Schritt von der Form zu den Inhalten geschafft werden. Selbstverständlich sind in jeder Stabs- und Truppenübung die Führungstätigkeiten und die Stabsarbeit im Sinne des Handwerks zu schulen. Das alleine reicht aber nicht. Es ist das Richtige richtig zu trainieren. Deshalb muss am Schluss jeder Übung die Frage beantwortet werden, ob der Auftrag erfüllt wurde und ob die dabei erlittenen personellen und materiellen Verluste tragbar sind. ■ 1 Regl 51.020 TF XXI, Ziff 847. 2 http://www.nzz.ch/schweiz/neu-vermesseneagglomerationen-1.18447541 3 Regl 51.020 TF XXI, Ziff 848. 4 Vetsch Matthias, Artillerieeinsatz in der modernen Schweiz von heute?, in: ASMZ 08/2013, 30. 5 Regl 51.020 TF XXI, Ziff 850 - 852. 6 BWIS, Art. 4 7 BV, Art. 52, 173, lit. b und 185, Abs. 2 Brigadier Daniel Lätsch Kdt Generalstabsschule 6000 Luzern 30 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 45 Internationale Nachrichten Frankreich/Italien Update der ASTER Flugabwehrrakete Die als «Anti-Alles-Rakete» geltende Flugabwehrrakete ASTER 30 aus europäischer Koproduktion von THALES und MBDA Missile Systems, wird bis 2023 unter dem Projektnamen ASTER 30 Block 1 NT generalüberholt. An der jährlichen Rüstungsmesse EUROSATORY haben am 14. Juni der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian und seine italienische Amtskollegin Roberta Pinotti ein entsprechendes Übereinkommen in Paris unterzeichnet. Damit wird die Reichweite der Rakete von derzeit ca. 100 km auf etwa ASTER 30 SAMP/T Werfersystem beim Abschuss. 1000 km vergrössert. Dereinst vom landgestützten Werfer des Typs SAMP/T oder auch schiffsbasiert, soll die Rakete unter anderem ihren Teil zum NATO-Schutzschild gegen die ballistische Raketenbedrohung beitragen. Das mache das System gemäss dem CEO der MBDA, Antoine Bouvier zum anspruchsvollsten (europäischen) taktischen Raketenabwehrprogramm. Damit wird ASTER zu einem noch universelleren mobilen Flugabwehrsystem, welches einzeln oder Bild: MBDA Missile Systems im Verbund (im Abwehrnetzwerk mit weiteren Systemen oder Radarstationen) zum Schutz von kritischer Infrastruktur oder ganzen Truppenkörpern gegen alle Arten von Raketen und Flugkörpern eingesetzt werden kann. Russland Konsolidierung des Status Quo Um seine Kampffähigkeit aufrecht zu erhalten, wird Russland dieses Jahr insgesamt etwa 2000 Manöver durchführen. Verteidigungsminister Sergei Shoigu erklärte anfangs Juni, dass für all diese Übungen die in Syrien gemachten Erkenntnisse direkt in die Ausbildung und das Training der taktischen Kampfverbände einfliessen werden. Trotz der vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen müsste (gerade deshalb) weiter aufgerüstet werden. So werden Aufklärungs- und Sonderoperationseinheiten mit dem neuen minengeschützten TAIFUN 6×6 Fahrzeug aus den Werkstätten von Ural und KaMAZ beliefert. Ebenfalls wurde mit der Auslieferung des sechsten und letzten U-Boots der Kilo-Klasse die konventionelle Schlagkraft der Pazifikflotte sichergestellt. Auch für den Luftpolizeidienst über der baltischen See hält Shoigu neue Anordnungen bereit: ein mass- 46 geschneidertes System an vertrauensbildenden Massnahmen soll die Flugsicherheit verbessern. Denn, die NATO wirft den Russen regelmässige Luftraumverletzungen, das Ausschalten der Transponder sowie gefährliche Flugmanöver (wie zuletzt im April der 15 Meter Vorbeiflug einer SU-24 am Raketenzerstörer USS Donald Cook) vor. Im Gegenzug erklärte Vladimir Putin vor dem Russland-NATO-Gipfel Mitte Juli, dass NATO-Flug- zeuge etwa doppelt so oft ohne Transponder über russischem Gebiet fliegen würden. Doch zuvor wurde er via seinem Verteidigungsminister konkret und befahl nach einer einmonatigen Inspektion der Baltischen Flotte, diese einerseits mit einem zusätzlichen Armeekorps zu verstärken und andererseits deren Kommandant Admiral Viktor Kravchuk mitsamt Stabschef und 50 weiteren Offizieren seinem Kommando zu entheben. Neuer General Shoigu (Mitte) auf Truppenbesuch in Syrien. Bild: Russisches Verteidigungsministerium Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Kommandeur der Baltischen Flotte ist der gebürtige Ukrainer Admiral Sergey Yeliseyev. Dieser lief 2014 im Zuge der Krim-Annexion zu Russland über und ist seither in seiner Heimat wegen Landesverrat, Fahnenflucht und weiteren Delikten zur Verhaftung ausgeschrieben. Russland konnte seinen Einfluss auch in der Arktis konsolidieren, die Militärbasen in Novaya Zemlya und Severnaya Zemlya sowie Franz-Josef-Land und auf der Wrangel Insel sind fertiggestellt und werden bis Ende Jahr der Truppe übergeben. Und nach einem unangekündigten Besuch in Damaskus beim syrischen Präsidenten Assad Mitte Juni, versprach Shoigu weitere Verstärkung. Um die militärische Zusammenarbeit und den gemeinsamen Kampf gegen terroristische Gruppierungen zu intensivieren, so der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konashenkov, wird Russland die Admiral Kuzetnov (grösster Flugzeugträger) bis Herbst ins östliche Mittelmeer verlegen. Internationale Nachrichten Vereinigtes Königreich BREXIT und seine Sicherheitspolitischen Konsequenzen Nach dem demokratischen Entscheid die EU zu verlassen, könnte auch die kontinentaleuropäische Sicherheitspolitik in Mitleidenschaft geraten. Bereits warnte NATO-Generalsekretär Stoltenberg, dass die Rolle Grossbritanniens in der Terrorismusabwehr innerhalb der EU äusserst wichtig sei und nach dem BREXIT in Frage gestellt ist. Fast alle europäischen Rüstungsunternehmen fuhren in den Tagen vor und nach dem Referendum massive Verluste ein, welche teilweise wieder kompensiert werden konnten. Multinationale Waffenschmieden wie AIRBUS (A-400M), BAE Systems (schottische Schiffswerften), Finmeccanica/ Leonardo (Agusta Westland), uvm. fürchten einen Dominoeffekt auf den gesamten Sektor. Dabei geht es um die britischen Ambitionen in Afghanistan und im Kampf gegen den Islamischen Staat, aber auch die Rolle der EU in einem durch Russland geprägten sicherheitspolitisch ungewissen Umfeld. Als einziges europäisches Land im «Five Eyes» Kollektiv (die nachrichtendienstliche Allianz von USA, Kanada, Neuseeland, Australien und dem Vereinigten Königsreich) wusste London um die Ab- und Ansichten der Israel Amerikaner Bescheid. Damit verfügte die angelsächsische Welt auch über direkten Einfluss in Europa. Nicht erstaunlich, dass bereits am Tag nach dem BREXIT massive Aufrüstungspläne aus Deutschland zu vernehmen waren. Insofern scheint es möglich, dass die EU ihre militärischen Ambitionen neu, und damit eigenständiger definieren könnte. Wie sich die Briten in einem solchen (neuen) Machtgefüge zurecht finden, ist derzeit nicht absehbar. Aber, während die nukleare Abschreckung der Briten in Schottland ankert, nämlich die derzeit unter Generalerneuerung stehende königliche Atom-U-Bootflotte, ist es fraglich, ob diese Stationierung nach einem möglichen Ausscheiden der Schotten aufrechterhalten bleibt. So basiert die gesamte britische sicherheitspolitische Strategie auf dem 2015 verfassten, knapp 30 Mia. Pfund an Investitionen umfassenden «Strategischen Verteidungs- und Sicherheitsbericht» und damit auf dem Status quo ante. Den nachhaltigsten Effekt auf die Rüstungspolitik wird aber wohl der Verfall des Pfund Sterlings haben. Denn sollte es zu einer (von Finanzexperten angekündigten) Langzeit-Rezession kommen, werden automatisch weniger Mittel für die Verteidigung des Königreichs bereit stehen. Massgeschneiderte F-35I Mitte Juni wurde in Fort Worth, Texas der erste F-35 LIGHTNING II der Israelischen Luftwaffe (IAF) der Öffentlichkeit präsentiert. Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman meinte schlicht: Israel sei stolz darauf, das erste Land in der Region zu sein, welches den F-35 erhält. Es sei das beste Flugzeug überhaupt und die erste Wahl der militärischen Führung. Damit, so Lieberman, ist es nun für den gesamten Nahen Osten klar, dass Israel seine Abschreckungsfähigkeit auch längerfristig aufrechterhalten kann. Derzeit spricht man von einem zehn Jahre garantierten Exklusivmonopol für Israel. Als erstes nicht NATO-Land beschafft es 33 Exemplare (mit antizipierten Folgeaufträgen bis 75 Stück), welche bis 2021 ausgeliefert werden sollen. Der IAF Stabschef, Brigadegeneral Tal Kelman, äusserte sich ebenfalls durchwegs positiv über seine neue Flotte, fügte aber hinzu, dass dem F-35I ADIR (hebr. für «mächtig, machtvoll») genannten Flugzeug eigene Cyberabwehrkapazitäten eingebaut werden. Der Produzent Lockheed Martin nimmt darüber hinaus in Kauf, dass sämtliche kritischen Arbeiten am neuen Jet durch israelische Rüstungsunternehmen ausgeführt werden. Das dem F-35 eigene «Autonomic Logistics Information System» wird einem einheimischen Produkt weichen. Auch wird Israel Aerospace Industries eine eigene Command and Control Software einbauen. Gepaart mit von Rafael gelieferten Spice1000 Präzisionsbomben steht der IAF also ein Tarnkappenjet zur Verfügung, der 500 kg Bomben bis 60 Meilen vom Abschusspunkt entfernt ins Ziel bringen wird. Israelischer Verteidigungsminister im Cockpit. Bild: Lockheed Martin Deutschland Bundeswehr mit sich selbst beschäftigt Wie berichtet, sind die deutschen AIRBUS A-400M Maschinen von massiven Problemen betroffen. Zwar bestätigte sich nicht, dass die Luftwaffe aus dem A-400-Debakel ganz aussteigen wird. Jedoch ist unterdessen klar, auch die deutschen Maschinen sind von Triebwerksschäden betroffen. Zwei der drei bereits ausgelieferten Transportflugzeuge wurden infolge Abnutzungen in der «Propeller Gear Box» gegroundet. Konkret bedeutet dies, dass der einzige verbleibende Flieger infolge des nun nochmals verkürzten Wartungsintervalles auf aussereuro- päische Flüge verzichten muss und es mittlerweile völlig offen ist, wie viele weitere Flugzeuge noch ausgeliefert werden können. Nebst all den weiteren rüstungs- und budgetbedingten Rückschlägen wird mittlerweile aber auch am «Prinzip der Inneren Führung» gerüttelt. Die als Antwort auf den Kadavergehorsam der Nazizeit hervorgegangene Umsetzung und Einbettung der im Grundgesetzbuch verankerten Menschenwürde, Gleichheit und demokratischen Grundwerte im Dienstalltag (in der Bundeswehr «Innere Führung» genannt) sei offenbar zum Lippenbekenntnis degeneriert. Der Bürger in Uniform als Soldat humanistischer und auf- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 47 Internationale Nachrichten klärerischer Prägung, streng nach dem Modell von General Wolf Graf von Baudissin, hat offenbar bemerkt, dass kritisches Denken der Karriere schadet. Der ehemalige (deutsche) Oberbefehlshaber des NATO Allied Joint Force Command in Brunsum, General a. D. Egon Ramms, stellt ernüchternd fest, dass über die Hälfte der Generalstabsoffziersanwärter «Ja-Sager» wären. Er meinte, dass «Offiziere als militärische Ratgeber die Pflicht hätten, auch mal unliebsame Tatbestände bei ihren Vorgesetzten anzusprechen. Aber weil darunter die Laufbahn leidet, passiert das kaum noch». Ramms hält sich dabei kurz und fasst damit zusammen, dass hier ganz einfach die falschen Leute gefördert werden. Diese Entwicklung steht diametral entgegen dem Sinn der Inneren Führung und spült letztendlich die falschen, charakterschwachen und ungeeigneten Personen nach oben, so der General. Kombiniert mit Politikverdrossenheit und Misstrauen gegenüber den militärischen und politischen Führern führe dies dazu, dass sich Offiziere nur noch um ihre Karriere kümmern, Entscheide aussitzen und vor allem keine Verantwortung mehr übernehmen würden, so ein anonym bleibender Offizier. Generalleutnant a. D. Rainer Glatz, ehemaliger Kommandeur des Einsatzführungskommandos für Auslandsmissionen fügt dem dann noch hinzu, wenn er meint, dass es heute kaum mehr Generäle gäbe, welche sich in der Öffentlichkeit selbstbewusst gegenüber der Politik behaupten und die engen Grenzen des militärischen Handelns aufzeigen würden. Da hilft es auch wenig, wenn Bundeskanzlerin Merkel meldet, die Bundeswehr nun doch noch aufzurüsten und den Wehrhaushalt NATO-kompatibel zu gestalten. Das heisst, bis 2020 sollen Mehrausgaben von vorerst derzeit 34,3 auf 39,2 Mia. Euro ergehen. Um danach von derzeit 1,2% auf die vorgeschriebenen 2% des BIP aufzustocken, wären dann aber zusätzlich noch ca. 60 Mia. Euro (pro Jahr) nötig. USA Widerstand gegen den Überwachungsstaat In den USA soll es Strafverfolgern künftig deutlich leichter gemacht werden, Computer aus der Ferne zu hacken und zu überwachen. Eine entsprechende Regeländerung ist bereits auf den Weg. Doch Widerstand formiert sich. Es geht um die Änderung der «Rule 41» der sogenannten Federal Rules of Criminal Procedure. Das sind die Regeln, wie in den USA straf- rechtliche Verfolgungen abgewickelt werden. Bei der kritisierten Änderung geht es demnach darum, Bundesbezirksrichtern zu erlauben, Durchsuchungsbefehle für Computer anzuordnen, die nicht in ihrem Zuständigkeitsgebiet stehen. Der oberste Gerichtshof der USA hat eine Änderung der «Regel 41» abgesegnet, mit der Richter den Fernzugriff auf Computer erlauben können, auch wenn nicht klar ist, wo diese stehen. Das kann etwa bei der Benutzung des Ano- nymisierungsdienstes Tor der Fall sein oder wenn Nutzer über einen VPN-Dienst ins Internet gehen, um ihren Standort zu verschleiern.Weiterhin können Richter Strafverfolgern erlauben, Computer zu hacken, die Teil eines Botnetzes sind. Damit könnten Hunderte oder Tausende Rechner durch den Beschluss eines einzigen Richters für staatlich sanktioniertes Hacking freigegeben werden. Die Regeländerung liegt nun dem US-Kongress vor und tritt automatisch in Kraft, sollte die- ser keinen Widerspruch einlegen. Eine Gruppe von Senatoren beider Parteien hat aber genau zu diesem Zweck ein Gesetz eingebracht. Ob es verabschiedet wird, ist unklar, denn in beiden Parteien bestehen Differenzen in Fragen der intrusiven Staatsüberwachung. Unterstützt werden sie jedoch bereits von einer breiten Gruppe aus Bürgerrechtlern und ITUnternehmen. Dazu gehören etwa Google, PayPal, die American Civil Liberties Union und die Electronic Frontier Foundation. USA – Saudi Arabien Nach langer Abwesenheit fand wieder einmal ein hochrangiger Besuch Saudi Arabiens in den USA statt. Für viele nichtsaudische Kommentatoren schien das interessanteste Faktum zu sein, dass es eben der Vizekronprinz und nicht der Kronprinz war, der die ausführliche Tour absolvierte und auch von Präsident Barack Obama empfangen wurde. Prompt wurde berichtet, der Kronprinz, Mohammed bin Nayef, sei dem Tode nah. Die Gerüchte, dass 48 Bild: Wikimedia USA empfangen saudischen Superprinzen US-Aussenminister John Kerry und Mohammed bin Salman. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 es mit seiner Gesundheit nicht zum besten steht, gibt es schon länger. Wer ist nun dieses Wunderkind aus dem Hause Ibn Saud? Vizekronprinz Mohammed bin Salman ist der neue starke Mann: Nummer zwei in der Thronfolge. Zudem ist er Verteidigungsminister. Als Vorsitzender des Wirtschaftsund Entwicklungsrats ist er auch für die «Vision 2030», die Saudi Arabien ökonomisch auf ganz neue Beine stellen soll, verantwortlich. Und Vizepremier ist er auch noch. Der gerade mal 30-jährige Mohammed bin Salman hat Internationale Nachrichten in den eineinhalb Jahren, die sein Vater regiert, viel Macht angesammelt. Als Verteidigungsminister kontrolliert er Milliardengeschäfte, den Krieg im Jemen und die neue «AntiTerror-Allianz», die mehr an die Adresse des Iran als die der sunnitischen Jihadisten weltweit gerichtet ist. Vor allem hat er jedoch das Ohr seines gesundheitlich schwachen Vaters und das Sagen bei Hof. Mohammed bin Salman ist heute vielleicht der von US-Experten am meisten beobachtete Politiker in Nahost. Das hat aber noch weitere Gründe, denn bis zu seinem Aufstieg zum Vizekronprinzen war er ein völlig unbeschriebenes Blatt. Anders als alle anderen hochrangigen saudischen Prinzen verfügt er über so gut wie keine Auslandserfahrung, etwa im Rahmen eines Studiums. Der US-Besuch diente nun zum gegenseitigen Kennenlernen – es ist ja nicht auszuschliessen, dass der Superprinz bald einmal auf dem Thron landet. Doch sein impulsiver Stil stösst nicht überall auf Gegenliebe. In Saudi Arabien verübeln ihm die Menschen eher, dass das ihm zugeschriebene Ölpreis-Dumping zu einem Budgetloch und Sparmassnahmen geführt hat. Die Beziehungen zwischen den USA und Saudi Arabien waren zuletzt auch schwierig. Riad fühlt sich von Washington mehrfach im Stich gelassen: durch die US-Zurückhaltung im SyrienKrieg, wo die Saudis auf den schnellen Sturz des Assad-Regimes setzten, und noch mehr durch den Atom-Deal mit dem Iran und dessen Rückkehr in das internationale Wirtschaftsgeschehen. Zuletzt gab es auch saudischen Ärger über eine Kongress-Gesetzesvorlage, die US-Gerichten erlauben würde, Saudi Arabien wegen einer immer wieder vermuteten Verwicklung von Offiziellen in die Anschläge von 9/11 zu verfolgen. Neuseeland Interesse an Antarktis Die Regierung von Neuseeland hat das sogenannte Verteidigungs-Weissbuch, die Gesetzesvorlage für den Verteidigungsetat für die nächsten 15 Jahre vorgelegt, der 14 Milliarden US-Dollar betragen soll. Wie der neuseeländische Verteidigungsminister Gerry Brownlee sagte, sollen die im Entwurf vorgesehenen Massnahmen den Streitkräften des Landes ermöglichen, ihre Herausforderungen im Bereich Verteidigung und Sicherheit bis zum Jahr 2040 erfolgreich zu meistern. Unter diesen Massnahmen seien «neue kybernetische Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der Informationsnetzwerke der neuseeländischen Armee sowie die Eisverstärkung der Patrouil- lenschiffe und Kriegstanker, weil wir darauf aus sind, unsere Interessen in der Antarktis zu erweitern», so Brownlee. Ausserdem will die Regierung in den Bau von Schiffen für küstennahe Gefechtsführung, die Verbesserung der Luftraumüberwachung in der Heimat und in Übersee, die Entwicklung von Systemen zur Cyber-Sicherheit von Verteidigungsnetzwerken, Plattformen und einzelnen Menschen sowie in den Ausbau des Aufklärungspersonals investieren. Das vorangegangene Weissbuch war 2010 erschienen, die veränderte internationale Lage erforderte aber die Ausarbeitung einer neuen Version. Bis 2030 sollen die Verteidigungsausgaben ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Kolumbien Anti-Farc-Demo. Friedensabkommen zwischen Regierung und Guerilla Etwa ein Achtel Kolumbiens ist noch in der Hand der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (Farc). Die marxistisch-inspirierte Guerilla steht seit den 1960er Jahren im Bürgerkrieg gegen die offizielle Regierung des Landes. Im Juni 2016 wurden Waffenstillstand und Friede vereinbart. Um den historischen Moment zu markieren, reisten viele Staatsoberhäupter und auch der UN-Generalsekretär zur offiziellen Zeremonie an. Nach dreieinhalb Jahren Verhandlungen soll der Friedensvertrag zwischen den Konfliktparteien so schnell wie möglich unter Dach und Fach gebracht werden. Der bilaterale und definitive Waffenstillstand und die darin implizierte Entwaffnung und Demobilisierung der Guerilla sind für die Befriedung ganz Südamerikas wichtig. Doch das letzte Wort hat das kolumbianische Volk, das über dieses Abkommen abstimmen muss. Um die Farc zu entwaffnen, soll die bis zu 7000 Kämpfer zählende Guerilla in 23 sogenannten Übergangszonen und 8 Camps konzentriert werden. Dort findet die Wiederein- Flick Bild von xmascarol gliederung der Kämpfer statt. Die Entwaffnung soll innert maximal 180 Tagen nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags abgeschlossen sein. Sie wird unter der Aufsicht der beiden Konfliktparteien sowie der UNO stattfinden, welche die Waffen konfiszieren wird. Auch der Kampf gegen kriminelle Organisationen, die sich das entstehende Vakuum in den einst durch die Farc kontrollierten Regionen zunutze machen wollen, darf nicht ausser Acht gelassen werden. Sie könnten den Prozess und damit den Frieden gefährden. Lokale Sicherheitsexperten sind überwiegend optimistisch, dass die Umsetzung des Abkommens gelingen sollte. Einige Zweifel bestehen trotzdem: Es ist nicht sicher, ob es nicht zu Bildung von FarcSplittergruppen kommt, welche weiterhin kämpfen wollen. Ebenfalls möglich ist, dass solche Splittergruppen von Venezuela oder von kriminellen Vereinigungen finanziert werden. Zudem besteht die Chance, dass das kolumbianische Volk sich gegen den Waffenstillstand und für eine härtere Gangart mit der Farc prononciert. Pascal Kohler, Henrique Schneider Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 49 Wirtschaftsnotiz Museum Burg Zug: Sonderausstellung 14/18 Der Erste Weltkrieg erschütterte die Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ihren Grundfesten. Als neutraler Staat blieb die Schweiz von kriegerischen Auseinandersetzungen zwar verschont, die Folgen des Krieges auf die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse waren aber enorm. Die vom Verein «Die Schweiz im Ersten Weltkrieg» konzipierte Wanderausstellung «14/18 – Die Schweiz und der Grosse Krieg» zeigt diese zunehmende Erschütterung in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Militär. Eingebettet in die Wanderausstellung behandelt das Museum Burg Zug spezifische Zentralschweizer Themen. Der Blick nach Zug, Luzern, Schwyz, Uri, Ob- und Nidwalden verdeutlicht, dass die Zentralschweiz geographisch zwar fernab des Krieges lag, sich von den Auswirkungen her aber doch mittendrin befand. Museum Burg Zug Kirchenstrasse 11 6300 Zug Telefon 041 728 29 70 www.burgzug.ch Der direkte Weg für Ihre Stellenanzeige… Das Engagement unseres Medienpartners macht diese Anzeige möglich. Sicherheit Schweiz Berghilfe-Projekt Nr.8960: Neuer Barfussweg sorgt für mehr Touristen. Die Schweizer Berghilfe unterstützt Projekte von Einzelpersonen und Gemeinschaften, wenn diese ihre Existenz aus eigener Kraft nicht mehr sichern können. So verbessert sie die harten Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in Berggebieten. Mit einer Spende an die Schweizer Berghilfe kann die Zukunft aktiv mitgestaltet und das Leben in den Bergen erhalten werden. Mehr Informationen unter www.berghilfe.ch, Spenden-Postkonto 80-32443-2 50 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Vermischtes Integrale Sicherheit im VBS und der Armee in der Verantwortung des Generalsekretariats VBS Der Bundesrat setzt per 1. Juli 2016 eine Änderung der Organisationsverordnung für das VBS in Kraft. Die Thematik der Integralen Sicherheit im VBS und der Armee erhält einen noch höheren Stel- lenwert. Damit die erhöhten Anforderungen an die Sicherheit erfüllt werden können, wird die bisher im Armeestab integrierte Abteilung Informations- und Objektsicherheit (lOS) umstrukturiert und ins Generalsekretariat VBS (GSVBS) transferiert. Die IOS wird direkt der Generalsekretärin VBS unterstellt. Die IOS ist als Teil des GS-VBS verantwortlich für das Sicherheitsmanagement des VBS und der Armee und führt die Fachstelle Personensicherheitsprüfung im VBS sowie die Koordinationsstelle für den Informationsschutz im Bund. dk Kontrollschiessen mit Stinger-Lenkwaffen 1994 beschaffte die Schweizer Armee die schultergestützte Boden-Luft-Lenkwaffe Stinger. Im Rahmen der technischen Überwachung des Systems und der eingelagerten Munition werden regelmässige Kontrollschiessen durch- geführt. Bereits zum vierten Mal überprüfte die Schweizer Armee im Rahmen eines technischen Munitionsüberwachungsschiessen ihre StingerLenkwaffen auf ihre Funktionstüchtigkeit. Das letzte Kontrollschiessen fand 2012 statt. Für die Durchführung technischer Kontrollschiessen ist ein weiträumig absperrbarer Lenkwaffen-Schiessplatz mit spezifischer Infrastruktur nötig. Da in der Schweiz eine derartige Infrastruktur nicht vorhanden ist, muss für das Kontrollschiessen auf einen Versuchsschiessplatz im Ausland ausgewichen werden. Der Schiessplatz in Sile, Türkei, der auch von anderen europäischen Staaten genutzt wird, bietet die für ein solches Schiessen nötigen Voraussetzungen. dk Generalversammlung der OG Winterthur und Umgebung Rund 60 Mitglieder und Gäste folgten Mitte Juni der Einladung der Offiziersgesellschaft Winterthur und Umgebung auf die Kyburg an die 210. Generalversammlung. Der Präsident, Fach Of (Hptm) Marc Boesch, konnte auf ein erfolgreiches Jahr mit gut besuchten Anlässen zurückblicken. 17 Neumitglieder sind 2015 der Offiziersgesellschaft beigetreten. Per Akklamation wurden in der Gesamterneuerungswahl der Präsident und alle bisherigen Vorstandsmitglieder bestätigt. Unter Applaus und mit dem besten Dank für die geleistete Arbeit wurden Oblt Jan Baumgartner und Oblt Remo Fedi aus dem Vorstand und Hptm Walter Nydegger als Revisor verabschiedet. Neu in den Vorstand wählten die versammelten Mitglieder Hptm Thomas Gross. Oblt Lukas Klöti ersetzt Hptm Walter Nydegger als Revisor. Das Referat im Anschluss an den statutarischen Teil der Versammlung hielt Div Claude Meier, Chef des Armeestabes. Er stellte die Organisation und Aufgaben des für die Zukunftsplanung entscheidenden Stabes vor und be- tonte die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Armee (WEA). Damit verbunden seien die Erhöhung der Bereitschaft, eine verbesserte Kaderausbildung, die Vollausrüstung der Einsatzverbände und eine Regionalisierung mit einer Stärkung der Territorialdivisionen. dk www.ogw.ch Schützenpanzer Lynx an der Eurosatory 2016 Auf der Eurosatory 2016 stellte Rheinmetall der Weltöffentlichkeit erstmals seinen neuen Schützenpanzer Lynx vor. Das feuerstarke, hochgeschützte und agile Kettenfahrzeug trägt zur Überlegenheit auf dem Gefechtsfeld bei und eignet sich für alle Operationsarten – von der friedensstabilisierenden Mission bis hin zum hochintensiven Gefecht. Er zeichnet sich durch vier Kernfähigkeiten aus: Feuerkraft, Schutz, Führbarkeit und Beweglichkeit. Feuerkraft: Der Lynx ist mit Rheinmetalls LANCE-Turm ausgestattet und verfügt als Hauptbewaffnung über eine stabilisierte fremdangetriebene und luftsprengpunktfähige Maschinenkanone wahlweise im Kaliber 30mm oder 35mm. Damit kann der Lynx Ziele mit hoher Präzision und Wirkung auf bis zu 3000 Meter bekämpfen – auch aus der Bewegung. Ebenso lassen sich Panzerabwehrlenkflugkörper und eine mit der Hauptoptik verbundene sekundäre Waffenstation (Main Sensor Slaved Armament/MSSA) einrüsten. Hierdurch verfügt der Lynx nicht nur über eine Hunter-Killer, Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 51 Vermischtes sondern auch über eine KillerKiller-Fähigkeit, da Kommandant und Richtschütze unabhängig voneinander beobachten und kämpfen können. Schutz: Sowohl die Fahrzeugarchitektur mit dem im Bug liegenden Dieselaggregat als auch das modulare Panzerungskonzept bieten ein hohes Schutzniveau. Die ballistische Panzerung schützt gegen Panzerabwehrwaffen, Mittelkalibermunition, Artilleriesplit- ter, IED und Bomblets. Die gesamte Besatzung ist zudem durch Spall-Liner im Inneren geschützt. Minen- und IEDSchutzpakete, entkoppelte Sitze sowie das optional einzurüstende aktive Hardkill-Schutzsystem Active Defense System (ADS) erhöhen die Überlebensfähigkeit zusätzlich. Führbarkeit: Sowohl Kommandanten als auch Richtschützen steht mit dem Stabilisierten Elektrooptischen Sichtsystem (Stabilized Electro Optical Sight System/ SEOSS) eine stabilisierte digitale TV- und IR-Optik mit integriertem Laserentfernungsmesser und Feuerleitrechner zur Verfügung. Die Besatzung hat zudem über Displays sowohl bei Tag als auch bei Nacht aus dem Kampfraum heraus eine nahtlose 360-Grad-Rundumsicht. Rheinmetalls Situational Awareness System (SAS) mit automatisierter Zielerkennung und -verfolgung steigert die Hunter-Killer-Fähigkeit und senkt die Reaktionszeiten auf ein Minimum. Aufkommende Bedrohungen können schnell mit Haupt- oder Zweitbewaffnung bekämpft werden. Laserwarnsensoren und das akustische Schützenlokalisierungssystem (ASLS) sind ebenfalls integriert. Ein Gefechtsführungssystem und eine Bordverständigungsanlage zur taktischen Kommunikation ergänzen die Echo aus der Leserschaft ASMZ 06/2016: «Ein Nein zur WEA ist keine Option» Der SOG-Präsident irrt sich! In seinem Artikel stellt Oberst i Gst Stefan Holenstein fest, dass «die WEA nicht die perfekt moderierte Lösung darstellen mag», dass aber diese politische Entscheidung «bisweilen auch zähneknirschend» durch die Milizverbände zu akzeptieren sei. Der SOG-Präsident irrt sich, die WEA ist nicht nur «eine nicht perfekt moderierte Lösung», sie ist eine Katastrophe. Die Aufgabe einer Armee ist es, sich auf den gefährlichsten Fall vorzubereiten. Die Wahrscheinlichkeit der Bedrohung und der Zeitfaktor spielen – weil nicht zuverlässig beurteilbar – keine Rolle. Der militärisch gefährlichste Fall ist der Krieg. Und genau für diesen Fall hat die Schweizer Armee bereit zu sein; gemäss dem ihr in der Bundesverfassung gegebenen Auftrag «sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung». Die durch die WEA geschaffene Mini-Armee mit vier Territorial-Divisionen und nur zwei Kampf-Brigaden kann aber diesen Auftrag nicht erfüllen! Dies ist deshalb ein klarer Verfassungsbruch und nicht nur «eine verlockende Argumentation der WEA-Gegner», wie Holenstein schreibt. Eine Armee 52 Der ASMZ ist jeder Leserbrief willkommen Diskussionen dienen der Meinungsbildung und können zur Objektivität beitragen. Die beiden folgenden Einsendungen setzen sich mit dem Statement des SOG-Präsidenten zur WEA auseinander (ASMZ 06/2016). Sie erscheinen erst jetzt, weil sie länger als reguläre Leserbriefe sind (ASMZ Policy: 1600 Zeichen pro Leserbrief). BOA kann zudem im Ernstfall nicht einfach so schnell aus dem Hut gezaubert werden. Wir wissen dies, weil wir es das letzte Mal erlebt haben. Dieser Verteidigungsauftrag wird übrigens (ausser von der GSoA) von niemandem in Frage gestellt. Die Schweizer Bevölkerung hat in den letzten 30 Jahren dreimal über die Abschaffung seiner Armee abgestimmt. Dreimal wurden die Initiativen der GSoA wuchtig abgelehnt. 1989 mit 69%, 2001 mit 78% und 2013 mit 73% Nein-Stimmen – dies in der Meinung, sie, die Bevölkerung, würde dann bei einem Ernstfall von ihrer Armee verteidigt. Auch darum ist der Verteidigungsauftrag verbindlich! Holenstein meint auch, die «WEA sei aus militärischen, politischen, finanziellen und gesellschaftlichen Gründen mit Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Abstand die beste Lösung». Wieso ist er sich da so sicher? Europäische Demokratien, die wie die Schweiz auch nur eine reine Defensiv-Armee unterhalten, geben jährlich die folgenden Prozentsätze des BIP für die Verteidigung aus. Finnland 1,47%, Dänemark 1,41%, Norwegen 1,4%, Deutschland 1,35%, Niederlande 1,2% und Schweden 1,18%. Und die Schweiz, eines der reichsten Länder der Welt? 0,78%! Was diese Staaten können, können wir Schweizer auch! Es ist für mich völlig ausgeschlossen und mit meinem Wissen und Gewissen als Offizier unvereinbar, dass ich mich je mit einer Gesetzesrevision zufrieden gebe, bei der die Armee ihren Verteidigungsauftrag, also ihre raison d’être, nicht erfüllt. Ich schlage deshalb vor, dass wir Offiziere aktiv werden und dass die SOG zusammen mit der Pro Militia und auch der Gruppe Giardino gemeinsam mit einer Volksinitiative eine kriegstaugliche Armee verlangt. Konkret heisst dies, «eine Armee, die unsere Freiheit, unsere Unabhängigkeit und unser Volk verteidigen kann – eine Armee von 200 000 Angehörigen und einem jährlichen Verteidigungsbudget von 1,2% des BIP» zu fordern. Ausgearbeitete Vorschläge für eine solche Armee liegen vor und es ist nicht so, wie Holenstein schreibt, «dass keine brauchbaren Lösungsvorschläge der WEA-Gegner vorlägen». Die erforderliche Anzahl von 100000 Unterschriften für eine Initiative wäre mit Unterstützung der verschiedenen Offiziers- und Unteroffiziers-Organisation und der bürgerlichen Parteien sicherlich in kurzer Zeit beizubringen. Die kleine Gruppe Giardino hat für ihr (gescheitertes) Referendum allein 40 000 Unterschriften gesammelt. Natürlich wird es Stimmen geben, die meinen, dieser Vorschlag komme zu spät. Aber um sich gegen ein drohendes Desaster zu wehren, ist es nie zu spät. Heinz Steuri Oberst i Gst a D Vermischtes Ausstattung. Aufgrund des bemannten Turmes kann der Kommandant weiterhin «über Luke» führen. Auch Richtschütze und Fahrer verfügen über Luken, zudem können zwei Soldaten aus dem hinteren Kampfraum ebenfalls über eine Luke das Fahrzeugumfeld beobachten. Beweglichkeit: Lynx zeichnet sich durch ein hervorragendes Leistungsgewicht aus. Er kann Steigungen von bis zu 60 Pro- zent und seitliche Schrägen von über 30 Grad meistern, Gräben von bis zu 2,5 Metern überschreiten und Gewässer bis zu einer Tiefe von 1,50 Metern durchwaten. Weiterhin kann er bis zu ein Meter hohe Hindernisse überklettern. Wahlweise lassen sich Gummi- oder Leichtmetallketten verwenden. Ein weiteres Kennzeichen des Lynx ist seine Vielseitigkeit. So ist der Schützenpanzer Lynx in zwei Klassen ver- fügbar: KF31 und KF41, wobei KF für «Kettenfahrzeug» steht. Der auf der Eurosatory vorgestellte Schützenpanzer Lynx KF31 wiegt bis zu 38 Tonnen und bietet 3+6 Soldaten Platz. Lynx KF41 ist etwas grösser und kann 3+8 Soldaten transportieren. Beide Fahrzeugklassen – Lynx 31 und Lynx 41 – lassen sich auch für andere Einsatzzwecke konfigurieren: neben dem Schützenpanzer auch als Führungsfahrzeug (Command&Control), Spähpanzer (Reconnaissance), Gefechtsschadensinstandsetzungsfahrzeug (Repair&Recovery) oder Sanitätspanzer (Ambulance). Die gesamte Lynx-Familie zeichnet sich durch eine hohe Teilegleichheit aus. Das macht sich nicht nur bei der Logistik, sondern auch bei der Ausbildung positiv bemerkbar. dk www.rheinmetall.de Glaubwürdige WEA? Der SOG Präsident, Oberst i Gst Stefan Holenstein spricht in seinem Artikel in der ASMZ 06/16 von zahlreichen Verbesserungsvorschlägen, welche in die WEA eingeflossen seien. Armee, Bundesrat und Parlament hätten sich in einem langen Prozess für diese Variante entschieden. Da äussert die SOG viel Selbstzufriedenheit, der Berg hat eine Maus geboren! Die WEA sei dringend notwendig, «um die jeweils fortgepflanzten Mängel aus den früheren Reformen und namentlich in der aktuellen Armee XXI endlich zu beheben». – Warum ist es den bisherigen Armeereformen nicht gelungen, diese Mängel zu beheben? Für eine Mängelbehebung braucht es keine Armeereform! Vernachlässigungen Die verantwortlichen Offiziere hätten «zur Genüge gelernt, in Varianten und Optionen zu denken und diese … gegeneinander abzuwägen», so Holenstein. Da ist die WEA wenig überzeugend ausgefallen! Die sich verändernde geopolitische Lage und der Sicherheitspolitische Bericht 2010 sind in die Armeereform eingeflossen. Da ist in der Armee die Zeit stehen geblieben! Mit der Rückweisung des Berichts 2015 durch den Schweizerischen Gewerbeverband (das VBS ist kritikunfähig, so der Tenor) und die FDP wurde ersicht- lich, dass die WEA in Frage gestellt werden muss. WEA-Ziele hätten längst erreicht werden müssen! 1. Vollständige Ausrüstung 2. Verbesserte Ausbildung 3. Verbesserte Bereitschaft (erneute Mobilisierungsfähigkeit) 4. Stärkung der regionalen Verankerung Warum wird die Armee just im Moment verkleinert, wo sich die geopolitische Situation drastisch verschlechtert? Fehlende Legitimation Holenstein weist auf den langen politischen Prozess hin. Wo bleibt der Souverän? Hat er zu dieser signifikanten Bestandesreduktion der Armee nichts zu sagen? Ist der Souverän im Bilde, was in der Armee abläuft? Fühlt er sich nicht in falscher Sicherheit, was auch die Resultate der publizierten Studie «Sicherheit 2016» der ETH Zürich nahelegen? Am 18. Mai 2003 hat das Volk in einer Referendumsabstimmung die «Armee XXI» gebilligt und sich für 220000 Angehörige ausgesprochen. Nun soll mit der WEA die Grösse der Armee auf 100 000 Aktive (ohne Reserve) reduziert werden. Wie rechtfertigt sich damit die Wehrgerechtigkeit, welche die Bundesverfassung fordert? – Warum wurde die Armee XXI im Bundesbüchlein 2003 von Bundesrat und Parlament als die «richtige» Armee bezeichnet? Bei der Unterschriftensammlung für das Referendum zeigte sich, dass die Bürger über die Armee schlecht informiert sind, Ahnungslosigkeit war festzustellen. Die SOG wollte dieses Referendum vereiteln, warum? Wollte man den Bürger ruhigstellen? Kann unter dieser Prämisse von VBS und SOG gefordert werden, dass die Reihen geschlossen werden? Ist dies im Interesse einer glaubwürdigen Sicherheitspolitik? Der «kleinste gemeinschaftliche Nenner» kann der Konkordanzdemokratie nicht genügen! Wenig Perspektiven Präsident Holenstein hielt fest: «Auch aus der Sicht der SOG mag die WEA nicht die perfekt modulierte Lösung darstellen». Damit bietet die SOG Hand für eine unausgegorene Lösung! Wie stellt sie sich die Zukunft der Armee vor? Eine weitere Armeereform könnte nur eine weitere Reduktion der Truppenbestände bedeuten. Der «Point of no return» ist erreicht! Alt Nationalrat Andreas Gross, Gründungsmitglied der «GSoA» hielt vor einigen Jahren fest: «Die Armee muss man nicht abschaffen, sie schafft sich selbst ab». Gross wird Recht erhalten. Holenstein warnt vor einem «ge- fährlichen Teufelskreis ohne Ausweg». Darin befindet sich die Armee seit der Reform Armee 95! Sie hat es nicht geschafft, ihren Auftrag zu definieren und die Kredite im Parlament durchzusetzen. Und die WEA als vierte Reform innert 20 Jahren läuft Gefahr, auf halbem Wege stecken zu bleiben! Warum wurden die Umbauten der Armee seit den 1990er Jahren nicht umgesetzt und warum soll dies nun mit der WEA gelingen? Die Glaubwürdigkeit der Armee wird weiter geschwächt! Dies wird sich bei Rüstungsinvestitionen zeigen, welche nicht mit dem ordentlichen VBS-Budget bestritten werden können. Das Parlament und auch der Souverän werden sie als unnötig und zu teuer erachten. Aufgrund der weiter reduzierten Bestände ist die Armee nicht mehr in der Bevölkerung verankert. Dies wird sich bei einer Abstimmung über ein neues Kampfflugzeug zeigen, der Souverän hat den Glauben an die Armee verloren! Mit dem «Grounding» der Luftwaffe ab dem Jahr 2025 muss gerechnet werden. – Der SOG scheint der Kompass abhanden gekommen zu sein. Holenstein hat keine Argumente für die WEA liefern können! Beda Düggelin Hauptmann und Bttr Kdt aD lic. oec. HSG, 8006 Zürich Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 53 Vermischtes Auszeichnung für SatellitenbildVertrieb Das Bundesamt für Landestopografie swisstopo wurde an der Partner-Konferenz von Airbus Defence & Space in Toulouse zum besten Lieferanten von kurzfristig programmierten Satellitendaten für die Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika ausgezeichnet. Airbus Defence & Space gehört weltweit zu den grössten Anbietern von Satellitenbildern. Den Preis erhielt swisstopo als erfolgreicher Vermittler von sogenannten Instant Tasking Bildern. Damit beziehen Kunden sehr kurzfristig angeforderte und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Satellitenbilder einer beliebigen Region. Befehle zur Bildaufnahme können mit höchster Priorität we- Echo aus der Leserschaft nige Stunden vor dem Überflug direkt an den Satelliten gesendet werden. Der National Point of Contact (NPOC) ist seit 35 Jahren die zentrale Anlaufstelle in der Schweiz für Satellitendaten und davon abgeleiteten Produkten. Datenbezüger sind die Fachstellen von Bund und Kantonen, kommunale Behörden und Private. swisstopo ist beim NPOC für den Datenvertrieb und technischen Support verantwortlich. Die wissenschaftliche Beratung ist an der Abteilung Fernerkundung am Geografischen Institut der Universität Zürich angegliedert. www.swisstopo.ch Am 6. Juli ist unser ehemaliger Chefredaktor Dr. Charles Ott im Alter von 89 Jahren verstorben. Damit ging ein aktives und engagiertes Leben in Familie, Wirtschaft, Diplomatie, Armee und Militärfachpresse zu Ende. Als passionierter Flieger machte er nicht nur bei der Swissair, sondern auch in unserer Luftwaffe als Militärpilot eine glänzende Karriere. Der welterfahrene und aufmerksame Beobachter Oberst i Gst Charles Ott diente dem Land auch als Verteidigungsattaché. Die Berufung zum Chefredaktor der ASMZ 1993 war deshalb ein Glücksfall für unsere Militärzeitschrift. Bis zu seinem Rücktritt Ende 1999 leitete er die ASMZ souverän durch eine kritische Zeit des Umbruchs: Anti-Armee-Initiativen (Abschaffung, FA-18), Armeereform 95, Würgegriff auf die Armeefinanzen, Folgen der Balkankriege, Beitritt zum PfP-Programm der NATO. In seiner letzten ASMZ-Ausga- 54 Bild: Luftwaffe Charles Ott gestorben Charles Ott als Kdt Fl Rgt 2, 1975. be vom Dezember 1999 legte er in einem für ihn typischen hochsubstanziellen Editorial Zeugnis ab von seinem klaren, unbestechlichen Blick auf die Verhältnisse und dem Wert unserer Milizarmee. Mit Charles Ott verlieren wir aber auch einen Freund mit gütigem Herz und hellem Gesicht, der offene Diskussionen liebte und bereicherte – immer bereit, aufs Neue aufzusteigen und Grenzen zu überwinden. AM Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Vollautomatik bei der persönlichen Waffe – Sinn oder Unsinn? Unter obigem Titel wird in der ASMZ 06/2016 informiert, dass das Folgemodell des Stgw 90 wieder eine halbautomatische Waffe sein könnte. Die heutige Kampfform verlangt aber einen Vollautomaten. Der gezielte Einzelschuss mit einem Stgw hat längst ausgedient. Wäre es denkbar, dass die Gegner eines echten Stgw bei den Schützenvereinen zu su- chen sind? Weil das Obligatorium mit einer vollautomatischen Waffe nicht mehr durchführbar wäre und abgeschafft werden müsste, würden die Schützenvereine als Organisatoren der jährlichen Schiesspflicht ihre «vaterländische» Daseinsberechtigung und damit auch die Bundessubventionen verlieren. Jürg Sidler, Maj a D VBS gewinnt Gold in Los Angeles Das Zentrum elektronische Medien (ZEM) des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) gewinnt am US International Film & Video Festival eine sogenannte GOLD CAMERA für den Film «TOUCH THE LIMITS – Besser sein, wenn’s zählt!» Die VBS-Filmproduktion «TOUCH THE LIMITS – Besser sein, wenn’s zählt!» wurde am US International Film & Video Festival in Los Angeles mit einer GOLD CAMERAStatuette in der Kategorie Professional Development & Continuing Education Medium ausgezeichnet. Gemeinsam mit nur gerade elf weiteren Einreichungen wurde «TOUCH THE LIMITS» zudem für eine der vier BEST OF FESTIVALAuszeichnungen nominiert. Ebenfalls ausgezeichnet wurde eine weitere Filmproduktion des ZEM: «COOPERANTE – Retten im Verbund» erhielt ein CERTIFICATE FOR CREATIVE EXCELLENCE zugesprochen. Das US International Film & Video Festival in Los Angeles zeichnet seit 1967 herausragende Leistungen in den Bereichen Unternehmens- und Dokumentarfilm sowie TV aus. In diesem Jahr wurden über 1000 Beiträge aus 29 Ländern eingereicht. Der Film «TOUCH THE LIMITS» wurde bereits im Mai am WorldMediaFestival in Hamburg mit Gold ausgezeichnet. Fallschirmaufklärer beschaffen Schlüsselinformationen für die Armeeführung und betreiben bis zu zehn Tage verdeckte Aufklärung in feindlichem Gebiet. Dieser Film zeigt auf eindrückliche Art und Weise, was Aspiranten auf ihrem herausfordernden Selektionsweg zum Fallschirmaufklärer erwartet und wie sich die künftigen Fallschirmaufklärer auf die harten Selektionsmonate vorbereiten können. Der Film «COOPERANTE – Retten im Verbund» erzielte das CERTIFICATE FOR CREATIVE EXCELLENCE. Er beschreibt das gemeinsame Vorgehen verschiedener Blaulichtorganisationen mit dem Zivilschutz und der Schweizer Armee bei einem Grossereignis. Hierfür wurde in Wangen an der Aare eine fiktive Explosion inszeniert, um die Zusammenarbeit eindrücklich und realistisch zu präsentieren. dk Bücher Andreas Koellreuter, Hans-Ulrich Seidt (Hrsg.) Peter Lieb 40 Jahre Bibliotheca Afghanica Unternehmen Overlord Beiträge zu Recht, Politik und Kultur in Afghanistan Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas Liestal: Verlag Basel Landschaft, 2015, ISBN 978-3-85673-331-5 München: C.H. Beck, 2014, ISBN 978-3-406-66071-9 Ein spannendes, sehr aktuelles Zeitdokument von vielen verschiedenen Autorinnen und Autoren, die sich schon sehr lange und intensiv mit Afghanistan beschäftigen, mit dem Schwerpunkt Kultur im Umfeld von Kriegen und Extremismus. So entstanden erschütternde Berichte, die aufzeigen, was geschehen kann, wenn in einem Land wie Afghanistan nur noch Macht und Fanatismus zählen, die gleichzeitig aber auch aufzeigen, dass Einzelne mit ihrem Einsatz und Wissen etwas dagegen unternehmen können und dabei auch Erfolge erzielt haben. In den einzelnen Abschnitten wird der tragische Niedergang und werden die Rettungsversuche, dem entgegenzuwirken, aufgezeigt. Da die ganze Weltpolitik mit ihren vielen Facetten von den 70er Jahren bis zur Gegenwart Operation Overlord war der Deckname der alliierten Landung in der Normandie vom 6. Juni 1944 sowie die anschliessende Invasion und Befreiung Frankreichs. Das Unternehmen endete also per definitionem mit der Kapitulation der deutschen Besatzer in Paris. Bis sich das Dritte Reich endgültig und bedingungslos ergab, blieb das europäische Festland allerdings noch in Teilen deutsch besetzt. Folgerichtig müssen die der Befreiung Frankreichs anschliessenden Schlachten ebenfalls in eine Betrachtung der Operation Overlord miteinbezogen werden. Peter Lieb, der Autor der vorliegenden Studie, konstatiert, dass ein noch entschiedeneres Vorgehen der Alliierten bei den Gefechten im Kessel von Falaise und im RohneTal Mitte bis Ende August den Krieg «erheblich verkürzt», kla- mit vielen Akteuren hineinspielen, bei denen selbst die Direktbeteiligten nicht immer sicher sind, auf welcher Seite sie stehen, macht es die Lektüre auch für Kenner sehr anspruchsvoll. Es spiegelt sich der grosse Unterschied dieser Kulturen zu unserem Verständnis für Recht und Ordnung und fordert von den Lesern viel Toleranz. Artikel über die Entwicklung und Einmischung fremder Mächte geben uns einen Einblick in die damals weltpolitische Situation. Aber die Vernichtung von Kultur wie sie in Afghanistan und heute in weiteren Ländern geschieht, muss uns aufschrecken. In diesem Zusammenhang ist das Buch aktueller als sich das die Autorinnen und Autoren wahrscheinlich vorgestellt haben. Joseph Häfliger re Siege sogar unter Umständen sofort beendet hätten. So gesehen ist es richtig, dass die Studie über die Zeit der Befreiungsgefechte in Frankreich hinaus auch die Operation Market Garden und die Ardennen-Schlacht, die letzte deutsche Grossoffensive im Westen, untersucht. Nicht vergessen werden darf dabei, dass mit dem Andauern des Krieges auch die Todeszahlen noch einmal exponentiell zunahmen. Lieb zeichnet mit der vorliegenden Arbeit ein differenzierteres Bild der Gefechte um die Rückeroberung des westeuropäischen Festlandes als viele Autoren vor ihm. Trotzdem vermag er nicht nur die Fachleute zu überzeugen, sondern auch die Laien mit einer lebendigen Sprache mitzureissen. Philippe Müller Alois Camenzind / Urs Fueglistaller Strategisches Denken in KMU und die Lehren von Clausewitz Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2014, ISBN 978-3-03823-917-8 Alois Camenzind und Urs Fueglistaller beantworten in ihrem lehrreichen Werk zwei Fragen zur unternehmerischen Handlungsfähigkeit. Erstens: Können die militärstrategischen Lehren des Clausewitz auf die Wirtschaft übertragen werden? Zweitens: Wie können agile Unternehmen daraus Nutzen ziehen? Die Clausewitz‘schen Lehren umfassten viel mehr als die Grundsätze von Konzentration der Kräfte oder Einfachheit und Überraschung. Zuerst werden Marktwirtschaft und Kriegslehren und deren Nutzen und Ideologien erläutert. Es folgt die zen- trale Begriffsbestimmung des «agilen Unternehmens». Vom Wandel sowie der Instabilität und Unsicherheit als fundamentale Tatsachen unserer Welt handelt Kapitel 3. Geschichtliches und Kriegslehren nach Clausewitz werden im ausführlichen Kapitel 4 dargestellt. Agile Unternehmen und Strategien sind der Inhalt von Kapitel 5. In 6 und 7 folgen Beispiele strategischen Clausewitz-Denkens agiler Unternehmen. Wie kann die Überlebensfähigkeit sowie die Markt- und Konkurrenzfähigkeit erreicht und gehalten werden? «Unsere Dar- stellungen zeigen, dass strategisches Denken für agile Unternehmen ein unabdingbares Muss ist, um im wirtschaftlichen Nebel von Instabilität und Unsicherheit zu bestehen.» Das Gedankengut von Clausewitz helfe mehrfach – einerseits eine klare Unterscheidung von Zweck, Ziel und Mitteln und entsprechende Verhaltens- und Vorgehensgrundsätze. Andererseits genüge allein weder das strategische Denken noch das taktische Handeln nach gefühlter Eingebung. Die Überlegenheit strategischen Entscheidens und Führens grün- de auf einem oft mühsamen Denkvorgang einschliesslich sorgfältiger Lagebeurteilung. Zu den praktischen Anwendungsbeispielen gehören die Schwyzer Kantonalbank und die Goba AG, Mineralquelle und Manufaktur in Gontenbad, Appenzell Innerrhoden. Gezeigt wird, wie die Grundsätze von Clausewitz umgesetzt werden, darunter Einfachheit, Überlegenheit der Zahl, Konzentration und Ökonomie der Kräfte, Überraschung, List und feste Regeln sowie Flexibilität und Sicherheit. Heinrich L.Wirz Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 55 Bücher Nadine Ritzer Der Kalte Krieg in den Schweizer Schulen Eine kulturgeschichtliche Analyse Bern: hep verlag ag, 2015, ISBN 978-3-0355-0275-6 Die umfangreiche (566 Seiten) Studie von Nadine Ritzer, Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Bern, ist die Buchausgabe ihrer an der Universität Fribourg eingereichten Dissertation. Sie bietet einen umfassenden Überblick über die Beschäftigung der Schule mit der Schweiz und der Schweizer Geschichte zur Zeit des Kalten Krieges und über die Sicht der Schweizerinnen und Schweizer und der Schweizer Behörden auf die Schule und die Lehrerinnen und Lehrer in dieser Zeit. Nach einer Einführung legt die Autorin die Grundlagen und Rahmenbedingungen der Schulen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhanges dar. Besonders widmet sie sich dem Geschichtsunterricht in der Zeit des Kalten Krieges in den Schweizer Schulen. Im dritten Teil geht es darum, welche Aufgaben der Schule im Kalten Krieg vor dem Hintergrund der sogenannten «Geistigen Landesverteidigung», die noch bis in die 1960er Jahre eine Rolle spielte, zugewiesen wurden. Dann analysiert Nadine Ritzer die Rolle der Lehrpersonen im Spannungsfeld von gesellschaftlichen Erwartungen. Im letzten Kapitel geht sie auf verschiedene Brennpunkte des Kalten Krieges im schulischen Diskurs ein. Für jemanden, der wie der Rezensent die Zeit des Kalten Krieges wenigstens teilweise miterlebte, ist besonders interessant, dass die Autorin auf- zeigt, wie in einer Gesellschaft, die vom Antikommunismus gleichsam durchdrungen war, die Schule als Schauplatz der ideologischen Auseinandersetzung wahrgenommen wurde. Der Rezensent selber fühlte sich damals nicht als «Kalter Krieger», sondern wollte einfach seine Pflichten im Dienste der Armee und von Staat und Gesellschaft erfüllen, ohne ein glühender Antikommunist zu sein. Doch auch er kann sich noch lebhaft an die Auseinandersetzungen um Lehrer erinnern, welche den Militärdienst verweigert hatten, an die Versuche, die Kenntnis der Gesamt- und Militärischen Landesverteidigung als «Lehrplan für Landesverteidigung» in den obligatorischen Schulstoff ein- zubauen, an die Auseinandersetzungen um den «Subversivenjäger» Ernst Cincera oder an die Oswald-Reform, bei der es um nichts weniger ging als um die Frage, ob sich die Gesellschaft an die Armee oder die Armee an die Gesellschaft anzupassen habe. Daher war die Lektüre der Studie von Ritzer für den Rezensenten eine sehr willkommene Gelegenheit, sich mit dieser Zeit vertieft und auf soliden wissenschaftlichen Grundlagen auseinanderzusetzen. Zusammenfassend: Die Studie von Ritzer ist nicht nur für Historiker, sondern für alle Zeitgenossen des Kalten Krieges sehr lesenswert. spannend sind die Kapitel zum Personenschutz und zu einzelnen Spionagefällen. Polarstern bleibt bei der Special Branch das Recht, bleibt der Wille, Straftäter vor Gericht zu bringen und so die demokratische Gesellschaft vor ihnen zu schützen. Den Abschluss des Buches bildet ein verlorener bürokratischer Machtkampf – die Übernahme des Dossiers «irischer Terror» durch den zugriffigen MI5 (Security Service, britischer Inlandnachrichtendienst), welcher am Ende des Kalten Krieges Angst vor Budgetkürzungen und Relevanzverlust hat, neue Aufgaben sucht und Fehler der Special Branch erbarmungslos ausnützt. Wer grosse Verwaltungen über mehrere Jahrzehnte kennengelernt hat, wird hier zahlreiche eigene Erfahrungen in einem britischen Kontext belegt finden. Das Buch komplettiert die vor einigen Jahren erschienenen – und in der ASMZ besprochenen – Geschichten von MI5 und MI6 (Secret Intelligence Service, britischer Auslandnachrichtendienst). «Special Branch», das Buch, ist in der Tiefe des gewährten Einblicks für alle Länder einzigartig und wird relevant bleiben, solange es Terrorismus und Spionage und Personenschutz geben wird, also wenn vielleicht nicht bis ans Ende aller Tage, so jedenfalls noch geraume Zeit. Josef Inauen Ray Wilson, Ian Adams Special Branch London: Biteback Publishing, 2015, ISBN 978-1-84954-910-3 Ray Wilson und Ian Adams legen eine ebenso eigenwillige wie packende Geschichte der Special Branch der britischen Metropolitan Police über die 123 Jahre ihrer Existenz (1883– 2006) vor. Wer den Kampf gegen den Terror in seiner historischen Entwicklung über mehr als ein Jahrhundert näher kennenlernen will, findet hier eine Darstellung von anderswo nicht erreichter Authentizität, die für die jüngste Zeit durch den Einbezug von Zeitzeugen noch erhöht wird. Wilson und Adams schildern eine oft sehr erfolgreiche Prävention, ohne die dramatische Ausnahmefälle eines Versagens zu verschweigen: Premierministerin Margaret Thatcher wird am 12. Oktober 1984 im 56 Hotel in Brighton um ein Haar Opfer eines Bombenanschlags der IRA und ihr Nachfolger John Major überlebt den 7. Februar 1991 an der Downing Street 10 in Westminster wohl einzig, weil die Terroristen der IRA nur eine Rakete ihres ganz ruhig in Position gebrachten improvisierten Mehrfachraketenwerfers ins Ziel und zur Explosion bringen. Leserinnen und Leser warten mit den Polizisten tagelang, in unbequemer Stellung, auf Terroristen, die ein entdecktes Waffenversteck aufsuchen, nur um dort gleich verhaftet zu werden. Sie erhalten erstaunliche Einblicke in die konstruktive Zusammenarbeit der Special Branch mit der irischen An Garda Síochána. Detailreich und Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 08/2016 Jürg Stüssi-Lauterburg Bücher Erich Schmidt-Eenboom, Ulrich Stoll Die Partisanen der NATO Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946 –1991 Nr. 08 – August 2016 Berlin: Ch. Links, 2016, 2. Auflage, ISBN 978-3-86153-889-9 Impressum Erich Schmidt-Eenboom und Ulrich Stoll beleuchten in ihrem Buch ein Kapitel des Kalten Krieges, über das bislang nur wenig Konkretes, dafür umso mehr Widersprüchliches bekannt war: die StayBehind-Organisationen in Deutschland, die im Besetzungsfall nachrichtendienstliche Aufklärung betreiben und Sabotageakte gegen die Besetzer verüben sollten. Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges und in Erwartung einer sowjetischen Invasion begannen US-Geheimdienste nach der BerlinBlockade 1948 mit dem Aufbau deutscher Stay-BehindGruppen. Aber auch andere europäische Nachrichtendienste unterhielten nach dem Zweiten Weltkrieg Stay-Be- hind-Strukturen in Deutschland, die schrittweise durch den 1956 geschaffenen BND übernommen wurden. In den folgenden Jahrzehnten betrieb der BND eine eigene Stay-Behind-Organisation (SBO) mit den Grundaufträgen Nachrichtenbeschaffung sowie Ein- und Ausschleusungen von Personen und Material im feindbesetzten Gebiet sowie zeitweise auch Durchführung von Sabotageaktionen zur Unterstützung von Widerstandsbewegungen. Die SBO unterhielt auch Kontakte zu anderen Nachrichtendiensten, die in ihren Ländern ähnliche Organisationen aufgebaut hatten und gemeinsam das HARPOON-Funkgerät entwickelten. Diese Vorbereitungen waren streng geheim und auch nach ihrer Auflösung 1991 drang nur wenig gesichertes Wissen an die Öffentlichkeit. Umso mehr gab es Raum für Spekulationen und Mutmassungen über ein europäisches «Gladio-Netzwerk» und dessen Beteiligung an terroristischen Anschlägen. Es ist das Verdienst der Autoren, dass sie die Geschichte der Stay-Behind-Vorbereitungen in Deutschland auf der Basis der seit kurzem freigegebenen Akten sowohl der CIA als auch des BND akribisch nachzeichnen und fassbar machen. Nachdem innerhalb kürzester Zeit die erste Auflage vergriffen war, legen die Autoren nun eine ergänzte zweite Auflage vor. Titus J. Meier 182. Jahrgang Präsident Kommission ASMZ Christoph Grossmann, Oberst i Gst a D, Dr. oec. HSG Chefredaktor Divisionär Andreas Bölsterli (BOA) Redaktionssekretariat ASMZ c/o Verlag Equi-Media AG Postfach 732, CH-8604 Volketswil Telefon +41 44 908 45 60 Fax +41 44 908 45 40 E-Mail: [email protected] Stellvertreter des Chefredaktors Oberst i Gst Michael Arnold, lic. phil. II (AM) Redaktion Oberst i Gst Andreas Cantoni (ac) Andrea Grichting Zelenka, lic. phil. (ga) Oberst Dieter Kläy, Dr. phil. I (dk) Oberstlt Pascal Kohler (pk) Hptm Christoph Meier (cm) Major Peter Müller, Dr. rer. pol. (pm) Hptm Daniel Ritschard, lic.oec.HSG (DR) Henrique Schneider, Prof. Dr. (Sc) Major Markus Schuler (M.S.) Oberstlt Jürg Studer (St) Oberstlt Eugen Thomann, lic. iur. (ET) Major Walter Troxler, Dr. phil. (Tr) Herausgeber Schweizerische Offiziersgesellschaft Verlag Verlag Equi-Media AG, Postfach 732, Brunnenstrasse 7, CH-8604 Volketswil Verleger: Christian Jaques Autorenkollektiv Geschäftsführung Regula Ferrari, Telefon +41 44 908 45 60 E-Mail: [email protected] Kriege der Zukunft Anzeigen/Beilagen Silvio Seiler, Telefon +41 44 908 45 61 E-Mail: [email protected] Swissfuture 02 + 03 / 15, ISSN 1661-3082 In äusserst konziser und gleichzeitig gut zugänglicher Weise präsentieren 22 ausgewiesene Autoren eine sehr breite Palette von Lagebeurteilungen und Bedrohungen sowie von Mitteln eines zukünftigen Krieges, insbesondere in Europa. Zuerst kann man die Beiträge auf einen einfachen, aber schlussendlich entscheidenden Nenner reduzieren: Kriege finden weiterhin statt. Technologie und ihre Verbreitung führen zu neuen Mitteln. Der Wirtschafts- und Finanzkrieg ist so wenig wegzudenken wie der Cyber-Krieg; mit diesen Mitteln könnte ein Staat vernichtet werden, ohne dass ein einziger Schuss fällt! Allen Mitteln und Bedrohungen gemeinsam ist der Verbund le- taler und nicht-letaler Waffen. Diese ziehen entsprechende Einsatzdoktrinen mit sich und erfordern vom Staat, den Schutzauftrag umfassender und vor allem vernetzter zu gestalten. Die Koordination und Führung quer über die verschiedenen Ministerien oder Ressorts wird sich schwierig gestalten. Der typisch westliche (Über-)Zentralismus läuft Gefahr, zu allzu aufwendigen und kopflastigen Lösungen und komplexen Strukturen zu führen, die von kleineren Gruppierungen relativ einfach unterlaufen werden können. Wenn auch die klassischen schweren Waffensysteme, die massiert eingesetzt werden, scheinbar etwas in den Hintergrund rücken, schreibt kei- ner der Autoren sie ab. Zudem unterstreichen alle, dass der Krieg sich vermehrt in urbane Räume verschiebt; sie implizieren dabei, dass (schwere) mechanische Mittel eine wesentliche Rolle spielen. Der Leser kann sich in relativ kurzer Zeit ein gutes Gesamtbild eines möglichen zukünftigen Krieges, gerade auch in den hochindustrialisierten Ländern Westeuropas machen. Dem gegenüber erscheint aus meiner Sicht der Prolog von Bundesrat Maurer schon fast wie ein etwas zweifelhafter Versuch, das Projekt WEA als Antwort darauf darzustellen, trotz offensichtlicher qualitativer und quantitativer Mängel. Peter Schneider Abonnemente Silvia Riccio, Telefon +41 44 908 45 65 E-Mail: [email protected] Adressänderungen bitte mit Abonummer (s. Adressetikette) angeben. Layout: Stefan Sonderegger Bezugspreis inkl. 2,5 % MwSt Kollektivabonnement SOG ermässigt Jahresabo Inland Fr. 78.– / Ausland Fr. 98.– Probeabo Schweiz (3 Ausgaben) Fr. 20.– Auflage: Druckauflage 19500 Druck: galledia ag, 9230 Flawil © Copyright Nachdruck nur mit Bewilligung der Redaktion und Quellenangabe www.asmz.ch Nächste Ausgabe: 1. Sept. 2016 Schwergewicht: • Kommando Operationen • Doktrin Bodentruppen • Zielstruktur Luftwaffe Wenn es darauf ankommt. Auf unsere Munition ist Verlass. Unsere hochpräzisen Produkte ermöglichen eine wirksame Bekämpfung von unterschiedlichen Zielen in verschiedenen Situationen. Ihr Können verbunden mit unserer Munition ist unschlagbar! RUAG Ammotec AG [email protected] | www.ruag.com
© Copyright 2025 ExpyDoc