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Weihnachtsgeld
Inhaltsübersicht
1.
2.
Allgemeines
Anspruchsgrundlagen
2.1 Freiwillige Leistung
2.2 Arbeitsvertrag
2.3 Betriebsvereinbarung
2.4 Betriebliche Übung
2.5 Tarifvertrag
3.
Anspruchshöhe
3.1 Vollzeitarbeitnehmer
3.2 Teilzeitarbeitnehmer
3.3 Geringfügig Beschäftigte
4.
5.
6.
7.
Gleichbehandlung
Kürzung, Rückzahlung, Zwölftelung und Mitbestimmung
Verzicht auf das Weihnachtsgeld
Rechtsprechungs-ABC
7.1 AGG-widrige Vergütung
7.2 Änderungskündigung wg. Mindestlohn
7.3 Anlage 14 AVR
7.4 Anrechnung auf Mindestlohn - 1
7.5 Anrechnung auf den Mindestlohn - 2
7.6 Anrechnung auf den Mindestlohn - 3
7.7 Anspruch durch schlüssiges Handeln
7.8 Aushang am schwarzen Brett
7.9 Auszubildende (Hotel- und Gaststättengewerbe NRW)
7.10 Betriebliche Übung
7.11 Betriebsvereinbarung - 1
7.12 Betriebsvereinbarung - 2
7.13 Betriebszugehörigkeit
7.14 Freiwilligkeit
7.15 Gleichbehandlung
7.16 Jährlich festzulegende Höhe
7.17 Kürzung - 1
7.18 Kürzung - 2
7.19 Rentnerweihnachtsgeld
7.20 Rückwirkende Kürzung
7.21 Rückwirkender Wegfall
7.22 Rückzahlung
7.23 Rückzahlungsklausel
7.24 Rückzahlungspflicht - 1
7.25 Rückzahlungspflicht - 2
7.26 Rückzahlungsvorbehalt
1
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7.27
7.28
7.29
7.30
7.31
7.32
7.33
7.34
7.35
7.36
7.37
7.38
Stichtagsregelung - 1
Stichtagsregelung - 2
Ungleichbehandlung - 1
Ungleichbehandlung - 2
Ungleichbehandlung - 3
Ungleichbehandlung - 4
Teilzeit/Vollzeit
Vorzeitiges Ausscheiden
Wartezeit
Widerrufsvorbehalt
Zuflussprinzip
Zwölftelungsprinzip
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber ist nur dann zur Zahlung von Weihnachtsgeld verpflichtet, wenn es dafür einen
Rechtsgrund gibt. Die Auffassung vieler Arbeitnehmer, ihnen stünde in jedem Beschäftigungsverhältnis und
in jedem Fall ein Weihnachtsgeld zu, ist falsch. Das Arbeitsrecht verlangt für die Zahlung von Weihnachtsgeld
zunächst eine Anspruchsgrundlage: Arbeits- oder Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung, eine betriebliche
Übung oder sogar der häufig strapazierte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz.
Praxistipp:
Ist ein Arbeitgeber tariflich verpflichtet, Weihnachtsgeld zu zahlen, bleibt ihm rechtlich nichts anderes
übrig, als das zum tariflich vereinbarten Zeitpunkt zu tun. Gibt es für das Arbeitsverhältnis keine
Anspruchsgrundlage, ist die Zahlung des Weihnachtsgelds eine freiwillige Sache. Wer dann kein
Weihnachtsgeld zahlen will, braucht das auch nicht zu tun. Man sollte hier aber nicht den Fehler machen,
und falsche Erwartungen schüren oder Hoffnungen wecken. Ein klarer Satz im Arbeitsvertrag hilft bei der
Vermeidung von Missverständnissen: "Ein zusätzliches Weihnachtsgeld wird über die vereinbarte
Vergütung hinaus nicht gezahlt."
Wer Weihnachtsgeld zahlt, sollte dafür sorgen, dass er bei Bedarf auch wieder aus der Verpflichtung
herauskommt. Clevere Arbeitgeber vereinbaren dazu gleich einen Freiwilligkeitsvorbehalt - der aber nur
greift, soweit der Weihnachtsgeldanspruch nicht auf höherem Recht - Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung beruht. Kürzung, Rückzahlung und Zwölftelung von Weihnachtsgeld brauchen ebenfalls eine
Rechtsgrundlage. Automatisch läuft da nichts. Soweit kollektivrechtliche Interessen zu beachten sind, hat der
Betriebsrat Mitbestimmungsrechte. So ist beispielsweise ein Verzicht auf Weihnachtsgeld bei einem
Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung nur mit dessen Zustimmung möglich.
2. Anspruchsgrundlagen
Es gibt für das Weihnachtsgeld keine gesetzliche Regelung. Insoweit steht Arbeitnehmern grundsätzlich
kein Anspruch auf Weihnachtsgeld zu. Nun ist die Zahlung von Weihnachtsgeld zwar in vielen
Arbeitsverhältnissen und in vielen Branchen üblich. Sie ist aber keine Automatik. Der Anspruch muss einen
Rechtsgrund haben - und da kommen unterschiedliche Anspruchsgrundlagen in Betracht. Sogar der
allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (s. dazu Gliederungspunkt 4.). Mehr zu diesem Thema in den
Stichwörtern Gratifikation - Anspruchsgrundlagen und Gratifikation - Zweck .
2.1 Freiwillige Leistung
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Ohne besondere Regelung ist kein Arbeitgeber verpflichtet, seinen Mitarbeitern ein Weihnachtsgeld zu
zahlen. Will er das trotzdem tun, sollte er bei der Zahlung einen deutlichen Hinweis auf die Freiwilligkeit
dieser Zahlung geben. Das kann er beispielsweise mit folgendem Text tun:
"Die Firma <Name> zahlt Ihnen in diesem Jahr ein Weihnachtsgeld. Dieses Weihnachtsgeld
ist eine freiwillige Leistung Ihres Arbeitgebers. Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass durch die Zahlung des Weihnachtsgelds in diesem Jahr kein Rechtsanspruch auf die
Zahlung von Weihnachtsgeld für die Zukunft entsteht."
Fehlt der Freiwilligkeitsvorbehalt, kann es passieren, dass im Lauf der Jahre nach 3-maliger Hinnahme des
vorbehaltlos gezahlten Weihnachtsgelds eine betriebliche Übung entsteht (s. dazu auch Gliederungspunkt 2.4
).
Praxistipp:
Dort, wo besondere Regelungen fehlen, hat der Arbeitgeber es selbst in der Hand, einen Anspruch auf
Weihnachtsgeld entstehen zu lassen. Daher sollte er auch rechtzeitig dafür Vorsorge treffen, dass er aus
der Verpflichtung, Weihnachtsgeld zu zahlen, wieder herauskommt. Auch das hat er selbst in der Hand.
Regelt er die Freiwilligkeit nicht, entsteht im Lauf der Jahre ein fester Anspruch.
Weitere Informationen zum Thema Freiwilligkeit und Freiwilligkeitsvorbehalt sind im Stichwort Gratifikation
- Freiwilligkeitsvorbehalt hinterlegt.
2.2 Arbeitsvertrag
Die wichtigste Anspruchsgrundlage für Weihnachtsgeld ist der Arbeitsvertrag (s. dazu auch das Stichwort
Gratifikation - Anspruchsgrundlagen ). Darin dürfen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren,
• ob der Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld bekommt,
• unter welchen Voraussetzungen ihm dieses Weihnachtsgeld zusteht,
• in welcher Höhe das Weihnachtsgeld gezahlt werden soll und
• ob, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Rückzahlung des Weihnachtsgelds in Betracht
kommt.
Soll kein dauerhafter arbeitsvertraglicher Anspruch auf Weihnachtsgeld entstehen, gehört unbedingt eine
Freiwilligkeitsvorbehalt in den Arbeitsvertrag. Will der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld kürzen oder
widerrufen, muss auch das klar und eindeutig mit entsprechenden Vertragsklauseln abgemacht sein.
2.3 Betriebsvereinbarung
In mitbestimmten Betrieben kann die Zahlung eines Weihnachtsgeldes auch zwischen den
Betriebspartnern Arbeitgeber und Betriebsrat abgemacht werden. Das geschieht in der Regel über eine
Betriebsvereinbarung (s. dazu auch das Stichwort Gratifikation - Anspruchsgrundlagen ). Auch wenn der
Betriebsrat den Arbeitgeber nicht mit einer Betriebsvereinbarung zwingen kann, ein Weihnachtsgeld zu
zahlen, bei der Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten hat er ein Mitbestimmungsrecht, § 87 Abs. 1
Nr. 10 BetrVG (s. dazu auch Gliederungspunkt 5. unten).
Da der Arbeitgeber ohne spezielle Anspruchsgrundlage frei entscheiden kann, ob er Weihnachtsgeld zahlt,
sollte er es sich gut überlegen, ob er wirklich will, dass seine Mitarbeiter Weihnachtsgeld aus einer
Betriebsvereinbarung beanspruchen können. Dazu sagt § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nämlich:
"Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend."
Beispiel:
Arbeitgeber A und Betriebsrat B haben 2005 eine "Betriebsvereinbarung über die Zahlung eines
Weihnachtsgelds" geschlossen. Das geschah zu einer Zeit, als A's wirtschaftliche Entwicklung noch gute
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Ergebnisse versprach. Dann wurde A Opfer der Konjunktur. Er überlegt im Jahr 2010, ob er seinen
Mitarbeitern auch in diesem Jahr ein Weihnachtsgeld zahlen muss. Die Antwortet lautet: ja! Die
"Betriebsvereinbarung über die Zahlung eines Weihnachtsgelds" gilt unmittelbar und zwingend.
Zu berücksichtigen ist bei einer Betriebsvereinbarung über Weihnachtsgeld auch der Tarifvorbehalt aus § 77
Abs. 3 Satz 1 BetrVG :
"Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder
üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein".
2.4 Betriebliche Übung
Eine Anspruchsfalle für den Arbeitgeber ist die so genannte betriebliche Übung. Manchmal tun Arbeitgeber
einfach etwas, ohne sich dabei Gedanken zu machen, warum sie das tun und welche Folgen das hat.
Beispiel:
Arbeitgeber A kann schon Anfang November sehen, dass er ein gutes Geschäftsjahr hingelegt hat. Er
möchte seine Mitarbeiter an der positiven geschäftlichen Entwicklung teilhaben lassen und ihnen ein
Weihnachtsgeld von 1.000 Euro zahlen. Um sie zu überraschen, packt er die 1.000 Euro ohne
Vorankündigung und sonst etwas zu regeln einfach mit in Abrechnung für den Monat November.
Arbeitnehmer braucht das Angebot Weihnachtsgeld nicht ausdrücklich anzunehmen. Das geht alles
stillschweigend. Und nach 3-maliger vorbehaltsloser Zahlung wird aus der nett gemeinten Belohnung für ein
gutes Geschäftsjahr ein echter Anspruch aus betrieblicher Übung.
Beispiel:
A aus dem vorausgehenden Beispiel zahlt seinen Mitarbeitern auch in den beiden folgenden Jahren
jeweils 1.000 Euro Weihnachtsgeld - und auch das wieder ohne Einschränkung und Vorbehalt. In dem
danach folgenden Jahr ist der Weihnachtsgeldanspruch manifest: Es ist eine betriebliche Übung
entstanden. A's Mitarbeiter haben nun einen Rechtsanspruch auf das Weihnachtsgeld.
Praxistipp:
Damit erst gar keine betriebliche Übung entstehen kann, sollte bereits die erste Weihnachtsgeldzahlung
mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen werden. Nur so kann man sich vor zukünftigen Ansprüchen
schützen und das Weihnachtsgeld als das konservieren, was es eigentlich sein sollte: eine freiwillige
Leistung, die unter anderem auch vom Erfolg des Unternehmens abhängt.
Früher konnte ein Anspruch, der durch eine betriebliche Übung entstanden ist, durch eine gegenläufige
betriebliche Übung wieder neutralisiert werden. Das ist seit der Entscheidung des BAG vom 18.03.2009 10 AZR 281/08 - vorbei (dazu: Betriebliche Übung - Gegenläufigkeit und Gratifikation - Anspruchsgrundlagen
).
2.5 Tarifvertrag
In vielen Wirtschaftszweigen ist der Anspruch auf Weihnachtsgeld tariflich geregelt. Sieht so eine tarifliche
Regelung keine Einschränkungsmöglichkeiten vor, haben alle begünstigten Arbeitnehmer einen tariflich
gesicherten Anspruch auf das Weihnachtsgeld (weitere Informationen sind im Stichwort Gratifikation Anspruchsgrundlagen hinterlegt). Dazu sagt § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG :
"Die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung
von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits
Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen."
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Die Ausgestaltung der tariflichen Ansprüche ist recht unterschiedlich. In der Regel enthält ein Tarifvertrag
Bestimmungen zu folgenden Punkten:
• Kreis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer
• Voraussetzungen, unter denen das Weihnachtsgeld gezahlt wird (z.B.
Mindestbetriebszugehörigkeit, ungekündigter Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten
Stichtag)
• Voraussetzungen, unter denen das Weihnachtsgeld zurückgezahlt werden muss (z.B. Ausscheiden
vor einem bestimmten Beendigungstermin des Folgejahres, Wegfall des Anspruchs bei
vertragswidrigem Verhalten)
• Kürzungsmöglichkeiten für Zeiten, in denen kein oder kein voller Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht
(z.B. Arbeitsunfähigkeit, Elternzeit)
• Zwölftelung des Anspruchs in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis im Lauf eines Jahres beginnt
oder endet
Auch wenn es einem tarifgebundenen Arbeitgeber wirtschaftlich mal nicht so gut geht: Er darf das tarifliche
Weihnachtsgeld rechtlich nicht kürzen oder streichen - es sei denn, der Tarifvertrag enthält dafür eine
Öffnungsklausel.
Tarifflucht ist für einige Unternehmen die Lösung, sich den tariflichen Anforderungen zu entziehen. Sie
kündigen die Mitgliedschaft in ihrem Arbeitgeberverband oder werden OT-Mitglied. Ihre Pflicht,
Weihnachtsgeld zahlen zu müssen, sind sie damit aber nicht von heute auf morgen los.
Beispiel:
Arbeitgeber A kündigt seine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zum 31.12. Der Tarifvertrag über
Sonderzahlungen läuft erst am 30.06. des übernächsten Jahres aus. Bis dahin ist A noch an den
Tarifvertrag gebunden. § 3 Abs. 3 TVG sagt: "Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag
endet". Und für die Zeit danach sieht § 4 Abs. 5 TVG vor: "Nach Ablauf des Tarifvertrages gelten seine
Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden". Und diese andere
Abmahnung muss A mit den Arbeitnehmern, die tarifliche Ansprüche hatten, erst noch schließen.
3. Anspruchshöhe
Die Höhe des Weihnachtsgelds ist im Normalfall dort geregelt, wo auch sein Anspruch herkommt
(Anspruchsgrundlage - s. oben Gliederungspunkt 2.). Nur da, wo die Zahlung freiwillig erfolgt, bestimmt der
Arbeitgeber die Höhe selbst. Hier kann er von Jahr zu Jahr variieren, die Höhe des Weihnachtsgelds seiner
wirtschaftlichen Entwicklung anpassen oder die Zahlung vielleicht sogar ganz aussetzen.
3.1 Vollzeitarbeitnehmer
Die Höhe des Weihnachtsgelds für Vollzeitkräfte folgt in der Regel aus der anzuwendenden
Anspruchsgrundlage:
• Arbeitsvertrag
• Betriebliche Übung
• Betriebsvereinbarung
• Tarifvertrag
Die Anspruchsgrundlagen sehen im Normalfall
• ein konkret bezifferten Anspruch (z.B. "Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten ein
Weihnachtsgeld von 1.500 Euro") oder
• eine berechenbare Bezugsgröße (z.B. "Arbeitnehmer erhalten ein Weihnachtsgeld in Höhe von 50
Prozent des im Monat November erzielten Arbeitsentgelts" oder "Arbeitnehmer bekommen ein
Weihnachtsgeld in Höhe eines 13. Monatsgehalts")
vor.
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3.2 Teilzeitarbeitnehmer
Auch bei Teilzeitarbeitnehmern richtet sich die Höhe des Weihnachtsgelds in erster Linie nach den zu
beachtenden Anspruchsgrundlagen. Gibt es dort keine besondere Regelung, ist § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG
anzuwenden:
"Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare
geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner
Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers
entspricht."
Beispiel:
Der Tarifvertrag über Sonderzahlungen sieht für Vollzeitmitarbeiter ein Weihnachtsgeld von 500 EUR vor.
Die volle tarifliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Wochenstunden. Das Weihnachtsgeld einer Teilzeitkraft mit
einer wöchentlichen individuellen Arbeitszeit von 20 Stunden beträgt dann anteilig (500 : 38,5 x 20 =)
259,74 EUR.
Eine Ungleichbehandlung ist möglich, wenn dafür sachliche Gründe vorliegen. Das Merkmal "Teilzeit"
allein kann es allerdings nie rechtfertigen, Teilzeitmitarbeiter von der Zahlung von Weihnachtsgeld
auszuschließen.
3.3 Geringfügig Beschäftigte
Eigentlich ist dieser Gliederungspunkt überflüssig. Geringfügig Beschäftigte sind ebenso Arbeitnehmer wie
alle anderen abhängig Beschäftigten auch (mehr dazu im Stichwort Geringfügige Beschäftigung Arbeitsrecht ). Aber selbst das Teilzeit- und Befristungsgesetz stellt in § 2 Abs. 2 TzBfG ausdrücklich klar:
"Teilzeitbeschäftigt ist auch ein Arbeitnehmer, der eine geringfügige Beschäftigung nach § 8
Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ausübt."
Da die Rechtswirklichkeit anders aussieht, wird an dieser Stelle ebenfalls deutlich darauf hingewiesen, dass
auch geringfügig Beschäftigte Anspruch auf ein Weihnachtsgeld haben, wenn es denn vergleichbaren
Vollzeit- und Teilzeitmitarbeitern gezahlt wird. Bei geringfügig Beschäftigten gibt es aber in § 8 Abs. 1
Nr. 1 SGB IV eine wichtige sozialversicherungspflichtige Besonderheit:
"Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, ... wenn das Arbeitsentgelt aus dieser
Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt".
Schöpfen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die 450-Euro-Geringfügigkeitsgrenze immer voll aus, kann es bei
einer Zahlung von Weihnachtsgeld passieren, dass die Grenze für eine sozialversicherungsfreie
Beschäftigung überschritten wird. Passiert das, ist das Beschäftigungsverhältnis nicht mehr geringfügig
und sozialversicherungsfrei, sondern mehr als geringfügig und damit sozialversicherungspflichtig.
Praxistipp:
Arbeitgeber sollten die Geringfügigkeitsgrenze nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wird ein zunächst
sozialversicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis wegen der Berücksichtigung gezahlten
Weihnachtsgelds versicherungspflichtig, kann es zu erheblichen Beitragsnachzahlungen kommen - die in
der Regel beim Arbeitgeber haften bleiben.
Der Ausschluss geringfügig Beschäftigter i.S.d. § 8 SGB IV von einer tariflichen Weihnachtsgeldregelung
ist als mittelbare Diskriminierung sogar europarechtswidrig, wenn sie zwar unabhängig vom Geschlecht der
Mitarbeiter erfolgt, im Ergebnis jedoch erheblich mehr Frauen als Männer betrifft ( EuGH, 09.09.1999 - C
281/97 ).
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4. Gleichbehandlung
Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet unter anderem
• die sachfremde Schlechterstellung
• einzelner Arbeitnehmer
• gegenüber anderen Arbeitnehmern (Arbeitnehmergruppe)
• in vergleichbarer Lage ( BAG, 18.11.2009 - 4 AZR 491/08 ).
Liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, können zu
Unrecht benachteiligte Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber die Leistung fordern, die sie bei einem
diskriminierungsfreien Verhalten hätten beanspruchen können.
Beispiel:
Arbeitgeber A zahlt allen Mitarbeitern mit Ausnahme der Lagermitarbeiter ein Weihnachtsgeld von
1.800 EUR. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum die Lagerarbeiter benachteiligt werden dürfen und
ihnen das Weihnachtsgeld vorenthalten werden kann. Die Lagerarbeiter werden gegenüber den Kollegen
aus anderen Arbeitsbereichen zu Unrecht diskriminiert. Sie haben deswegen das Recht, von A ebenfalls
Weihnachtsgeld zu fordern.
Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer lässt allein nicht den Schluss zu, hier liege bereits eine Gruppe
vor. Eine Gruppenbildung ist erst dann zu bejahen, wenn die
• Besserstellung
• nach bestimmten Kriterien vorgenommen wird,
• die bei allen Begünstigten vorliegen.
Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz findet keine Anwendung, wenn die
Besserstellung einzelner Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen erfolgt dann fehlt der kollektive Bezug ( BAG, 17.12.2009 - 6 AZR 242/09 ). Zudem ist der arbeitsrechtliche
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht anwendbar, wenn Leistungen oder Vergünstigungen individuell
vereinbart werden. Das beruht darauf, dass der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz
gegenüber dem Grundsatz der Vertragsfreiheit nur nachrangig ist ( BAG, 17.12.2009 - 6 AZR 242/09 ).
Seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG - muss in Benachteiligungsfällen auch
immer an eine mögliche AGG -widrige Benachteiligung gedacht werden. § 1 AGG verbietet nämlich eine
Ungleichbehandlung von Menschen wegen
• ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft,
• ihres Geschlechts,
• ihrer Religion oder Weltanschauung,
• ihrer Behinderung,
• ihres Alters oder
• ihrer sexuellen Identität.
Das Benachteiligungsverbot des § 1 AGG gilt nach § 2 Abs. 1 AGG auch für Arbeits- und
Beschäftigungsbedingungen, insbesondere für das Arbeitsentgelt ( § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG ).
Die §§ 6 ff. AGG sehen sogar besondere Bestimmungen für die diskriminierungsfreie Behandlung von
Beschäftigten vor. Neben der allgemeinen Regelung in § 5 AGG zeigen die §§ 8 , 9 und 10 AGG , dass eine
Ungleichbehandlung aus sachlichen Gründen durchaus gerechtfertigt sein kann. Soweit ein Arbeitgeber
seine Mitarbeiter bei der Zahlung eines Weihnachtsgeldes unterschiedlich behandelt, ist immer zu prüfen, ob
diese Ungleichbehandlung nicht AGG -widrig ist.
5. Kürzung, Rückzahlung, Zwölftelung und Mitbestimmung
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Wer als Arbeitgeber Weihnachtsgeld zahlt, möchte das nicht ohne Bedingungen tun. Er möchte unter
anderem, dass
• er das Weihnachtsgeld kürzen kann, wenn der Arbeitnehmer für bestimmte Zeiträume (Elternzeit,
Krankengeldbezug) keinen Anspruch auf Entgelt(fort)zahlung hat;
• seine Mitarbeiter das Weihnachtsgeld zurückzahlen, wenn sie vor einem bestimmten Zeitpunkt im
Folgejahr aus dem Unternehmen ausscheidet;
• er das Weihnachtsgeld zwölfteln darf, wenn ein Mitarbeiter im laufenden Kalenderjahr einsteigt oder
ausscheidet.
Dort, wo der Weihnachtsgeldanspruch tariflich geregelt ist, gibt es in den meisten Fällen auch Tarifnormen
über
• Kürzung,
• Rückzahlung und
• Zwölftelung
von Weihnachtsgeld. Das Entstehen einer betrieblichen Übung dürfte für diese Fälle selten sein.
Automatisch passiert jedenfalls nichts. Wer als Arbeitgeber Einfluss nehmen will, muss seine
Arbeitsverträge oder die Betriebsvereinbarung mit seinem Betriebsrat entsprechend gestalten. Vertiefende
Informationen zu den hier angesprochenen Punkten sind in den Stichwörtern
• Gratifikation - Kürzung ,
• Gratifikation - Rückzahlung und
• Gratifikation - Zwölftelung
hinterlegt.
Soweit die Zahlung eines Weihnachtsgelds freiwillig ist, entscheidet der Arbeitgeber selbst darüber,
• ob er ein Weihnachtsgeld zahlt,
• welche Mittel er dafür einsetzt,
• in welcher Form er das tut,
• zu welchem Zweck der die Mittel bereitstellt und
• wem er eine Gratifikation zukommen lassen will.
Die Struktur- und Vollzugsformen des Entgelts sind dagegen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
mitbestimmungspflichtig. Insoweit erstreckt sich die Mitbestimmung nicht auf Grund und Höhe der
zusätzlich gewährten Leistung, sondern auf die anzuwendenden Verteilungsgrundsätze ( LAG Hamm,
08.07.2004 - 8 Sa 455/04 . Weitere Informationen zur betriebsverfassungsrechtlichen Behandlung des
Weihnachtsgelds sind im Stichwort Gratifikation - Mitbestimmung hinterlegt.
6. Verzicht auf das Weihnachtsgeld
Sobald
• die allgemeine Wirtschaftslage der Republik oder
• die besondere Wirtschaftslage des Arbeitgebers
einen Anlass dafür bieten, wird mehr oder weniger laut darüber nachgedacht, ob die Arbeitnehmer des
Betriebs nicht "zum Wohle aller" und zur "Konsolidierung der Finanzen" und zum "Erhalt der Arbeitsplätze"
auf das Weihnachtsgeld verzichten können. Soweit es tarifliche Ansprüche und Ansprüche aus einer
Betriebsvereinbarung betrifft, gibt es dazu zwei ganz klare Regelungen:
Tarifvertrag: "Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den
Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig."
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Betriebsvereinbarung: "Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte
eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig."
Praxistipp:
Ein tragendes Prinzip unserer Rechtsordnung ist auch der Grundsatz: wo kein Kläger, da kein Richter.
Und so erstaunt es immer wieder, in wie viel Fällen es einfach und problemlos klappt, dass Arbeitnehmer
auch ohne Zustimmung der Betriebs- und Sozialpartner auf ihr Weihnachtsgeld verzichten.
Überzeugenden Argumenten des Arbeitgebers werden sie sich bestimmt nicht verschließen. Und
irgendwann greifen dann auch mal tarifliche Ausschlussklauseln und die gesetzliche Verjährung...
Dort, wo es keine kollektivrechtlichen Schranken gibt, dürfen Arbeitnehmer schon auf ihr
individualrechtliches Weihnachtsgeld
• ganz oder
• zum Teil
verzichten - dürfen, nicht müssen. Der Verzicht schließt den Anspruch aus. Alternativ bietet sich eine
Stundung an - für den Arbeitgeber jedoch mit dem Ergebnis, dass er das zunächst gestundete
Weihnachtsgeld irgendwann doch zahlen muss. Eine Änderungskündigung ist nur in seltenen Fällen dazu
geeignet, den Anspruch auf Weihnachtsgeld auszuschließen:
"Die Unrentabilität des Betriebes kann einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu
unveränderten Bedingungen entgegenstehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis
zur Änderung von Arbeitsbedingungen sein, wenn durch die Senkung der Personalkosten die
Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und
die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind ( BAG, 29.11.2007 - 2 AZR
789/06 - und BAG, 26.06.2008 - 2 AZR 139/07 )."
Da der Fortbestand des Betriebs in der Regel nicht allein von der Weihnachtsgeldzahlung abhängen dürfte,
ist es mehr als schwierig, Weihnachtsgeld via Änderungskündigung zu kürzen oder gar vollständig
wegzunehmen. Insoweit zahlt es sich aus, rechtzeitig einen Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart zu haben.
7. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Weihnachtsgeld in
alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
7.1 AGG-widrige Vergütung
Der vereinfachte Fall: Arbeitnehmerin N bekam ein Arbeitsentgelt, das sich nach den anzuwendenden
tariflichen Bestimmungen aus mehreren Bestandteilen - u.a. Grundvergütung und Zuschläge für Sonn- wie
Feiertagsarbeit - zusammensetzte. Die Tarifbestimmungen sahen zudem vor, dass sich die Grundvergütung
jeweils nach dem Lebensalter richtete und sich mit fortlaufendem Lebensalter nach Erreichen vorgegebener
Altersstufen erhöhte. N hielt diese Regelung für AGG-widrig und klagte Differenzlohnansprüche ein:
Grundvergütung, Sonntags- und Feiertagszuschläge, Vergütungszulage, Weihnachtsgeld und Mehrarbeit insgesamt 1.478,22 Euro brutto plus Zinsen.
Dazu das BAG: "Der Klägerin stehen nach §§ 1 , 3 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG für den
Streitzeitraum Grundvergütung, Sonntags- und Feiertagszuschläge, Vergütungszulage und Weihnachtsgeld
sowie Vergütung für Mehrarbeit berechnet nach Vergütungsgruppe Vb Stufe 10 abzüglich der von der
Beklagten unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe Vb Stufe 8 und seit März 2012 Stufe 9 geleisteten
Zahlungen zu. Die Beibehaltung der in § 6 RTV i.V.m. Anlage 1 VTV 2001 geregelten Altersstufen als Basis
für die Berechnung der Grundvergütung, der Sonntags- und Feiertagszuschläge, der Vergütungszulage und
des Weihnachtsgelds sowie der Vergütung für geleistete Mehrarbeit verstößt gegen das Verbot der
Altersdiskriminierung ( § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 AGG ). Die aufgrund betrieblicher Übung Vertragsinhalt
gewordene Vergütungsregelung ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit sie jüngere Arbeitnehmer
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diskriminiert ... [es folgt ein Hinweis auf BAG, 10.11. 2011 - 6 AZR 148/09] . Die Ungleichbehandlung kann
nur durch eine Anpassung der Vergütung nach oben beseitigt werden" ( BAG, 25.03.2015 - 5 AZR 458/13 mit dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmerin der eingeklagte Betrag zugesprochen wurde).
7.2 Änderungskündigung wg. Mindestlohn
Arbeitgeber sind seit dem 01.01.2015 nach dem MiLoG verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den gesetzlichen
Mindestlohn von - Stand: 01.01.2015 - 8,50 EUR zu zahlen. Das hat bei einigen Arbeitgebern zu der
Überlegung geführt, ob sie wegen des Mindestlohns, den sie bislang nicht gezahlt haben, einige andere
Entgeltbestandteile kürzen können, etwa Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Soweit diese beiden
Vergütungsbestandteile keinen Bezug zur Leistung Arbeit haben, sind sie eine zusätzliche Prämie, die als
Entgeltbestandteil nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden kann. Deswegen ist auch eine
Änderungskündigung mit dem einzigen Ziel, den bislang niedrigeren Stundenlohn durch den Mindestlohn zu
ersetzen und stattdessen Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu streichen, sozial nicht zu rechtfertigen (LAG
Berlin-Brandenburg, 11.08.20115 - 19 Sa 819/15 - mit dem Hinweis, dass eine Änderungskündigung zur
Entgeltreduzierung die Gefährdung des Arbeitgeberbetriebs und der Arbeitsplätze voraussetzt,).
7.3 Anlage 14 AVR
Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst haben nach Maßgabe der Anlage 14 AVR Anspruch auf eine
Sonderzuwendung. Diese Sonderzuwendung wird in zwei Hälften gezahlt - die erste im November des
laufenden Jahres, die zweite im Juni des Folgejahres. Die Höhe der Junizahlung hängt vom betrieblichen
Ergebnis der Einrichtung beziehungsweise eines wirtschaftlich selbstständigen Teils der Einrichtung ab. Sie
kann nach Anlage 14 Abs. 4 AVR gekürzt werden oder ganz entfallen, wenn der Arbeitgeber ein
nachzuweisendes negatives Betriebsergebnis erzielt. Beschäftigt der Arbeitgeber AVR-Mitarbeiter und
Arbeitnehmer, in deren Arbeitsvertrag die AVR nicht einbezogen wurden, ist eine Kürzung problematisch.
§ 1 Abs. 5 AVR sagt ua.: "Von den Abweichungsmöglichkeiten in § 17 und den Anlagen 14 und 17 der
AVR können Einrichtungen nur Gebrauch machen, wenn a) auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung und
der mit ihr verbundenen Einrichtungen, die Mitglied in einem Diakonischen Werk sind, die
Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage angewandt werden." Das
heißt: "Der Dienstgeber kann von der Kürzungsmöglichkeit bei der Leistung einer Jahressonderzahlung nach
Anlage 14 AVR ... nur Gebrauch machen, wenn er auf alle Dienstverhältnisse die AVR vollständig und
einschränkungslos anwendet. " (BAG, 11.11.2016 - 10 AZR 719/14 - Leitsatz - mit dem Ergebnis, dass der
Arbeitgeber die zweite Hälfte der Sonderzahlung hier nicht streichen konnte).
7.4 Anrechnung auf Mindestlohn - 1
Schuldet der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag ein Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung, darf
er beide nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine aus diesem Grund ausgesprochene
Änderungskündigung ist sozial nicht gerechtfertigt und damit unwirksam. Der gesetzliche Mindestlohn soll als
Gegenleistung die Leistung Arbeit abgelten - und das unmittelbar. Arbeitgeberleistungen, die nicht dem
Zweck der unmittelbaren Vergütung der Leistung Arbeit dienen, dürfen daher nicht auf den Mindestlohn
angerechnet werden (ArbG Berlin, 04.03.2015 - 54 Ca 14420/14).
7.5 Anrechnung auf den Mindestlohn - 2
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A hatte mit seinen Arbeitnehmern einen Stundenlohn vereinbart, der unter
dem gesetzlichen Mindestlohn (das waren 2015 8,50 EUR/h) lag. Zusätzlich bekamen die Mitarbeiter
zweimal jährlich eine Sonderzahlung. Mit Einführung des Mindestlohns wurde vereinbart, diese
Sonderzahlung zu zwölfteln und jeden Monat anteilig auszuzahlen. Rechnerisch ergab das einen
Stundenlohn, der über dem gesetzlichen Mindestlohn lag. A rechnete die Sonderzahlung auf den Mindestlohn
an - und wurde darin vom LAG Berlin-Brandeburg bestätigt: Bei den Sonderzahlungen handele es sich um
Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung und dieses Arbeitsentgelt darf auf den Mindestlohn angerechnet
werden (LAG Berlin-Brandenburg, 12.01.2016 - 19 Sa 1851/15) .
7.6 Anrechnung auf den Mindestlohn - 3
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Das MiLoG verschafft Arbeitnehmern - wenn der Arbeitgeber mit unterschiedlichen
Vergütungsbestandteilen den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt - keinen Anspruch auf ein
höheres Monatsgehalt, erhöhte Jahressonderzahlungen oder erhöhte Lohnzuschläge. Der gesetzliche
Mindestlohn verändert die bisherige Anspruchsgrundlage nicht - er tritt (nur) als eigenständiger Anspruch
neben sie. So kommt denn auch einer vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12
geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung in puncto Mindestlohn zu (BAG, 25.05.2016 - 5
AZR 135/16 - und zugleich Bestätigung der Entscheidung LAG Berlin-Brandenburg, 12.01.2016 - 19 Sa
1851/15 ).
7.7 Anspruch durch schlüssiges Handeln
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber G und Arbeitnehmer N hatten 1992 einen Arbeitsvertrag geschlossen wie
häufig in der Praxis nur mündlich. N bekam von A zusammen mit seiner Novembervergütung ein
Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts: 2007 waren es 4 800 EUR, 2008 dann 5 200 EUR und 2009
sogar 5 300 EUR. Zusätzlich gab es jeweils im Januar des Folgejahres noch eine in den jeweiligen
Abrechnungen als „Sonderzahlung ausgewiesenen Betrag, 2009 beispielsweise 12 500 EUR. Ende
November 2010 schied N aus A meinte, er brauche N für 2010 keine „Sonderzahlung zu gewähren.
Zahlt der Arbeitgeber zum vereinbarten Monatsgehalt eine einmalige Sonderzahlung, muss via §§ 133 ,
157 BGB zunächst durch Auslegung herausgefunden werden, ob sich der Arbeitgeber „nur zu der konkreten
Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat (s. dazu BAG, 14.09.2011 - 10 AZR
526/10 ). Dabei kann sich eine dauerhafte Verpflichtung vor allem aus Verhalten mit Erklärungswert
beispielsweise eine betriebliche Übung ergeben. Aber selbst wenn keine betriebliche Übung bejaht werden
kann, weil der Arbeitgeber die Sonderzahlung nur einem einzigen Arbeitnehmer (hier: seinem Bauleiter)
gewährt und deswegen kein für die Annahme einer betrieblichen Übung erforderliches kollektives Element da
ist, kann für den Mitarbeiter durch die Leistungsgewährung ein Anspruch entstanden sein. „Dies ist der Fall,
wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen
konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat (BAG, 13.05.2015 10 AZR
266/14) .
7.8 Aushang am schwarzen Brett
Ein Aushang am schwarzen Brett, dass aus wirtschaftlichen Gründen in diesem Jahr kein
Weihnachtsgeld gezahlt werden könne, stellt kein wirksames Angebot des Arbeitgebers dar, die einmal
geschaffene betriebliche Übung zu ändern ( BAG, 14.08.1996 - 10 AZR 69/96 ). Der Arbeitnehmer hat in
einem solchen Fall selbst dann einen Zahlungsanspruch, wenn er das Verhalten des Arbeitgebers zunächst
widerspruchslos hingenommen hat.
7.9 Auszubildende (Hotel- und Gaststättengewerbe NRW)
§ 9 Nr. 1 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrags für das Gaststätten- und Hotelgewerbe in
Nordrhein-Westfalen (MTVHGGNW) sagt: "Jede/r Arbeitnehmer/in, der/die am 1.12. des jeweiligen
Kalenderjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, hat Anspruch auf eine Sonderzahlung".
"Arbeitnehmer/in" im Sinn des § 9 Nr. 1 MTV sind keine Auszubildenden. Dafür spricht unter anderem die
Formulierung "in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis" - Auszubildende können nicht "in einem
ungekündigten Arbeitsverhältnis" stehen. Schließlich macht auch die in § 9 Nr. 4 MTV geregelte
Rückzahlungspflicht bei einem vorzeitigen Ausscheiden nur bei Arbeitnehmern Sinn - nicht bei
Auszubildenden ( BAG, 18.05.2011 - 10 AZR 360/10 ).
7.10 Betriebliche Übung
"Der Hinweis in einem Formulararbeitsvertrag, wonach die Gewährung von Leistungen, die der Arbeitgeber
zusätzlich zum monatlichen Gehalt erbringt, freiwillig und mit der Maßgabe erfolgt, dass auch bei einer
wiederholten Zahlung kein Rechtsmissbrauch für die Zukunft begründet wird, hindert das Entstehen eines
Anspruchs des Arbeitnehmers auf Zahlung von Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung" ( BAG, 21.01.2009 10 AZR 219/08 - Leitsatz).
7.11 Betriebsvereinbarung - 1
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Sieht ein Arbeitsvertrag vor, dass der Arbeitgeber eine Zuwendung (13. Monatsgehalt) nach Maßgabe von in
einer Gesamtbetriebsvereinbarung niedergelegten Arbeitsbedingungen zahlt, spricht im Rahmen einer
Auslegung einiges dafür, dass damit eine konstitutive - vom Bestand der kollektiven Regelung unabhängige
- Verpflichtung gewollt ist. Die Frage, ob es sich dabei um eine konstitutiv-statische oder
konstitutiv-dynamische Verweisung handelt, kann erst beantwortet werden, wenn nach Kündigung der
Betriebsvereinbarung eine neue geschlossen wird, die diesen Punkt ändert ( BAG, 24.09.2003 - 10 AZR
34/03 ).
7.12 Betriebsvereinbarung - 2
Nach § 77 Abs. 6 BetrVG gelten die Regelungen einer Betriebsvereinbarung in Angelegenheiten, "in denen
ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann", nach deren
Ablauf so lange weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Zahlt der Arbeitgeber seinen
Mitarbeitern jeweils im November eine "betriebliche Sonderzahlung", zu der er ansonsten rechtlich nicht
verpflichtet ist, heißt das für die der Zahlung zu Grunde liegende Betriebsvereinbarung: die
Bindungswirkung des § 77 Abs. 6 BetrVG bleibt so lange bestehen, "bis der Arbeitgeber gegenüber dem
Betriebsrat oder den Arbeitnehmern erklärt, dass er für den bisherigen Leistungszweck keine Mittel mehr zur
Verfügung stellt" ( BAG, 05.10.2010 - 1 ABR 20/09 ).
7.13 Betriebszugehörigkeit
Arbeitsverträge knüpfen den Anspruch auf eine Sondervergütung oft an die "Zugehörigkeit" des
Arbeitnehmers zum Unternehmen oder zum Betrieb an. Diese Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit
hört in der Regel auf, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird. Ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses
unterbricht die Zugehörigkeit im Normalfall nicht. Insoweit führt auch eine unbefristete Erwerbsunfähigkeit
nicht zum Anspruchsverlust ( BAG, 26.01.2005 - 10 AZR 215/04 - mit dem Hinweis, das "Zugehörigkeit"
schlicht das "Dazugehören zu jemandem oder zu etwas" bedeute und Unklarheiten in Vertragsklauseln
grundsätzlich auch dann zulasten des Arbeitgebers wirken, wenn § 305c Abs. 2 BGB noch keine Anwendung
findet).
7.14 Freiwilligkeit
Keine betriebliche Übung - und damit auch kein Zahlungsanspruch - liegt jedoch vor, wenn der Arbeitgeber
jedes Jahr nach "eigenem Gutdünken" Weihnachtsgeld in unterschiedlicher Höhe gezahlt hat und zuvor (z.B.
durch eine entsprechende Formulierung im Arbeitsvertrag ) ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass auf
die Zahlung von Weihnachtsgeld kein dauerhafter Rechtsanspruch bestehen soll. In einem solchen Fall hat
der Arbeitgeber wirksam klargestellt, dass er zwar für das jeweilige Jahr Weihnachtsgeld gezahlt hat, eine
betriebliche Übung darüber hinaus aber ausgeschlossen werden soll ( BAG, 28.02.1996 - 10 AZR 516/95 ).
7.15 Gleichbehandlung
Ein Anspruch auf Weihnachtsgeld kann ohne ausdrückliche vertragliche Abmachung aus dem
Gleichbehandlungsgrundsatz entstehen. Aber auch hier gilt, dass zur Bejahung eines Anspruchs gleiche
oder vergleichbare Sachverhalte vorliegen müssen. Bekommt ein Arbeitgeber für die Zahlung einer
Weihnachtsgratifikation arbeitsplatzgebundene Drittmittel, wird er über den Gleichbehandlungsgrundsatz
nicht verpflichtet, Arbeitnehmern auf nicht geförderten Arbeitsplätzen aus eigener Tasche ein
Weihnachtsgeld zu zahlen ( BAG, 21.05.2003 - 10 AZR 524/02 mit dem Hinweis, dass es sich hier nur um
einen durchlaufenden Posten handele).
7.16 Jährlich festzulegende Höhe
Verspricht der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern in einem Formulararbeitsvertrag eine mit der
Novembervergütung auszuzahlende Weihnachtsgratifikation "in einer ... [von ihm] jeweils pro Jahr
festgelegten Höhe", ist das eine Regelung, die nach den §§ 305 ff. BGB nicht zu beanstanden ist. Der
Anspruch des Arbeitnehmers ist nicht auf eine bestimmte Gegenleistung für die von ihm zu leistende Arbeit
gerichtet. Die vertragliche Abmachung zielt auf eine "Entscheidung nach billigem Ermessen über die Höhe
der Gratifikation und gegebenenfalls ihre Auszahlung im November des Bezugsjahres". Der Arbeitgeber
entscheidet jedes Jahr neu über die Höhe der Weihnachtsgratifikation - ist bei dieser Entscheidung allerdings
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an die Grundsätze des § 315 BGB gebunden ( BAG, 16.01.2013 - 10 AZR 26/12 ).
7.17 Kürzung - 1
Eine besondere Kürzungsvereinbarung ist im Arbeitsvertrag nicht nötig, wenn das 13. Monatsgehalt als
"arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung" vereinbart wird, weil dann für Zeiten, in denen bei
krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr besteht, nicht einmal ein
anteiliger Anspruch auf die Sonderzahlung entsteht ( BAG, 21.03.2001 - 10 AZR 28/00 ).
7.18 Kürzung - 2
Sagt eine tarifliche Regelung, dass bei Ausscheiden, Neueinstellung, Ruhen, unbezahltem Sonderurlaub
und Krankengeld nur ein anteiliger Anspruch auf 1/12 der Sonderzahlung für jeden vollen
Beschäftigungsmonat entsteht, berechtigt das den Arbeitgeber nicht, die volle Sonderzuwendung wegen
Bezuges von Krankengeld nach § 45 SGB V für einen Arbeitstag zu kürzen ( BAG, 31.07.2002 - 10 AZR
578/01 ).
7.19 Rentnerweihnachtsgeld
Sollen ausgeschiedene Arbeitnehmer mit betrieblichen Versorgungsansprüchen ein Weihnachtsgeld in
Höhe seines monatlichen Bruttoversorgungsbezugs bekommen, handelt es sich dabei auch um eine
Leistung der betrieblichen Altersversorgung ( BAG, 18.02.2003 - 3 AZR 81/02 ; mit dem Hinweis, dass die
Einschränkung dieser betrieblichen Versorgungsleistung nur nach den dazu vom BAG entwickelten
Grundsätzen möglich ist).
7.20 Rückwirkende Kürzung
Im Normalfall entwickelt sich ein tariflicher Anspruch auf Weihnachtsgeld über die Jahre nach oben. Zum
einen wächst die Bezugsgröße, d.h. das monatliche Gehalt, zum andern werden auch die Prozentsätze
laufend erhöht. Es kann allerdings auch passieren, dass eine tarifliche Weihnachtsgratifikation rückwirkend
gekürzt wird. Dann ist es nicht Sache der Arbeitsgerichte die Angemessenheit der Tarifänderung zu prüfen,
wenn die Rückwirkung ansonsten zulässig ist ( BAG, 17.05.2000 - 4 AZR 216/99 ).
7.21 Rückwirkender Wegfall
Tarifvertragliche Regelungen tragen auch während der Laufzeit des Tarifvertrags den immanenten Vorbehalt
ihrer rückwirkenden Änderung durch Tarifvertrag in sich. Das gilt auch für schon entstandene und fällig
gewordene, aber noch nicht abgewickelte Ansprüche (= wohlerworbene Rechte) - wie eine
Sonderzuwendung zu Weihnachten. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifpartner zur rückwirkenden Änderung
ist nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Dabei ist es eine
Frage des Einzelfalls, ob und ab wann Tarifunterworfene mit einer tariflichen Neuregelung rechnen müssen.
Insoweit kommt es nicht auf die positive Kenntnis der einzelnen Tarifunterworfenen von den zu Grunde
liegenden Umständen an, sondern auf "die Kenntnis der betroffenen Kreise" ( BAG, 24.03.2011 - 6 AZR
765/09 ).
7.22 Rückzahlung
Eine Zuwendung ist im öffentlichen Dienst zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer nicht von einem
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes wechselt (
BAG, 26.01.2005 - 10 AZR 299/04 - unter Aufrechthaltung seiner Auffassung aus BAG, 24.01.2001 - 10 AZR
90/00 ).
7.23 Rückzahlungsklausel
Eine einzelvertragliche Rückzahlungsklausel hinsichtlich des Weihnachtsgeldes ist unwirksam, wenn sie
weder Voraussetzungen für die Rückzahlungspflicht noch einen eindeutig bestimmten Zeitraum für die
Bindung des Arbeitnehmers festlegt ( BAG, 14.06.1995 - 10 AZR 25/94 ). Sind keine entsprechenden
Anhaltspunkte gegeben, kommt die ergänzende Auslegung - so das BAG - einer solchen allgemeinen
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Rückzahlungsklausel dahingehend, dass die Rückforderung im Rahmen der von der Rechtsprechung
entwickelten Grenzen erfolgen könne, nicht in Betracht. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist somit
unzulässig.
7.24 Rückzahlungspflicht - 1
Ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, eine Zuwendung in voller Höhe zurückzuzahlen, gehört dazu auch die
vom Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer. Dabei sind nicht die Vorschuss-Grundsätze
anzuwenden, sodass nach einem Urteil des BAG unter Bezug auf die frühere Rechtslage der
Rückzahlungsanspruch auf die Zuwendung nicht innerhalb von zwei Jahren nach §196 Abs. 1 Nr. 8 oder
9 BGB a.F. verjährt, sondern nach § 195 BGB a. F. erst in 30 Jahren ( BAG, 15.03.2000 - 10 AZR 101/99 hier: § 1 Abs. 5 TV-Zuwendung Arb-O ). Anmerkung: Für aktuelle, nach der Schuldrechtsreform entstandene
Fälle beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB drei Jahre.
7.25 Rückzahlungspflicht - 2
Und weil die Rückzahlungsverpflichtung auch die Lohnsteuer umfasst, besteht keine Veranlassung, den
Arbeitnehmer Zug um Zug gegen Abgabe einer Erklärung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen
möglichen Steuernachteil zu ersetzen, zu verurteilen ( BAG, 05.04.2000 - 10 AZR 257/99 ).
7.26 Rückzahlungsvorbehalt
Verspricht der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter eine Sonderzahlung in Höhe einer Monatsvergütung, darf er
sich für den Fall, dass der Mitarbeiter nicht über die folgenden drei Monate hinaus bis zum nächstzulässigen
Kündigungstermin im Unternehmen bleibt, die Rückforderung dieser Sondervergütung vorbehalten ( BAG,
28.04.2004 - 10 AZR 356/03 - mit dem Hinweis, dass "Monatsvergütung" im hier verwendeten Sinne nicht der
Durchschnitt der Jahresvergütung ist, sondern der Vergütungsanspruch des Mitarbeiters für den Monat, in
dem die Sonderzahlung geleistet wird).
7.27 Stichtagsregelung - 1
Gibt es in einem Unternehmen die betriebliche Übung, die Auszahlung eines an einen Stichtag geknüpften
13. Gehalts vorzeitig vorzunehmen, wird die tarifliche Stichtagsregelung zur Anspruchsbegründung dadurch
nicht berührt. Soweit die tarifliche Regelung vorsieht, dass anspruchsberechtigte Arbeitnehmer beim
Ausscheiden wegen Erwerbsunfähigkeit die volle Leistung bekommen sollen, verlangt der Anspruch auf die
Sonderzahlung, dass das Arbeitsverhältnis am tariflichen Auszahlungstag (Stichtag) besteht, weil er nur
dann anspruchsberechtigt i.S. des Tarifvertrags ist ( BAG, 12.10.2005 - 10 AZR 630/04 - zum Tarifvertrag
über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens zwischen dem Industrieverband
Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik NRW und der IG Metall, Bezirksleitung NRW, vom 26.05.1998).
7.28 Stichtagsregelung - 2
Der Arbeitgeber verfolgt mit einer Weihnachtsgratifikation unterschiedliche Zwecke: Die Sonderzahlung zum
Jahresende kann ein zusätzliches Entgelt für geleistete Arbeit oder eine Belohnung für vergangene und
zukünftige Betriebstreue sein. Die Zwecke stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. So gibt es
auch Gratifikationen, die einen Mischcharakter haben. Bei ihnen sind Stichtagsregelungen problematisch:
"Eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für die im gesamten Kalenderjahr laufend erbrachte Arbeit
darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses
am 31. Dezember des betreffenden Jahres abhängig gemacht werden" ( BAG, 13.11.2013 - 10 AZR 848/12 Leitsatz).
7.29 Ungleichbehandlung - 1
Gegenüber Teilzeitbeschäftigten ist das gesetzliche Diskriminierungsverbot aus § 4 Abs. 1 TzBfG zu
beachten. Dieses Verbot macht beispielsweise eine tarifliche Regelung unwirksam, die bei Voll- und
Teilzeitkräften eine einheitlich gleiche Kürzung von Weihnachtsgeld um 500 EUR vorsieht. Der auf diese
Weise errechnete Betrag liegt wesentlich unter der Summe, die dem Anteil der Teilzeitarbeit im Verhältnis zur
Vollzeitarbeit entspricht. Im Ergebnis führt dieser Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot dazu, dass die
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neue tarifliche Berechnungsweise unwirksam ist und die Teilzeitarbeitnehmer Anspruch auf ein
Weihnachtsgeld haben, das sich nach dem Verhältnis ihrer individuellen Arbeitszeit zur Arbeitszeit einer
vergleichbaren Vollzeitkraft bemisst ( BAG, 24.05.2000 - 10 AZR 629/99 ).
7.30 Ungleichbehandlung - 2
Vom Grundsatz her haben Arbeiter und Angestellte gleichen Anspruch auf ein zusätzlich gezahltes
Weihnachtsgeld. Liegen allerdings sachliche Gründe vor, darf differenziert werden. So hat das BAG
beispielsweise einer tarifliche Regelung im Baugewerbe für zulässig gehalten, nach der Arbeitern kein
anteiliges 13. Monatseinkommen gewährt wird, wenn sie ihr Arbeitsverhältnis vor dem 30. November des
laufenden Kalenderjahres selbst kündigen ( BAG, 18.10.2000 - 10 AZR 503/99 ). Es liegt - so das BAG in
seiner Urteilsbegründung a.a.O. - im Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien, mit dieser
unterschiedlichen Regelung im Interesse der Arbeitgeber, Eigenkündigungen von Arbeitern vor dem Stichtag
entgegenzuwirken, mehr Bedeutung beizumessen als bei Angestellten. An diese sachlich begründete
Einschätzungsprärogative sind die Gerichte für Arbeitssachen gebunden.
7.31 Ungleichbehandlung - 3
Sind Angestellte mit den für den Einsatz im Unternehmen des Arbeitgebers erforderlichen Kenntnissen und
Fähigkeit auf dem Arbeitsmarkt kaum verfügbar und durchlaufen sie deswegen auf seine Kosten eine interne
2,5- bis 3-jährige Ausbildung, rechtfertigt das ein gesteigertes Interesse des Arbeitgebers, seine Angestellten
an das Unternehmen zu binden. Das rechtfertigt beispielsweise auch die Gewährung einer die tarifliche Höhe
überschreitenden Sonderzuwendung und damit einer Besserstellung der Angestellten gegenüber den
Arbeitern ( BAG, 19.03.2003 - 10 AZR 365/02 ).
7.32 Ungleichbehandlung - 4
Die Behauptung eines unterschiedlichen Ausbildungs- und Qualifikationsniveaus ist als sachliches
Differenzierungskriterium ungeeignet ( BAG, 12.10.2005 - 10 AZR 640/04 ).
7.33 Teilzeit/Vollzeit
Der vereinfachte Fall: Arbeitnehmer N war eigentlich Vollbeschäftigter mit einer Arbeitszeit von 36,5
Stunden. Auf eigenen Wunsch arbeitete er von September 2012 bis November 2012 nur mit 25
Wochenstunden Teilzeit. Der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den
Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin vom 31.08.2005 (TV-N Berlin) sieht i.d.F. vom 01.06.2012 in § 17
Abs. 1 folgende Weihnachtsgeld-Regelung vor: "Alle vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten
Arbeitnehmer, die am 31. Oktober eine Betriebszugehörigkeit (§ 4) von mindestens 12 Monaten besitzen und
von Oktober des Vorjahres bis September des laufenden Jahres für mindestens vier volle
Kalendermonate Entgelt nach § 6 erhalten haben, erhalten eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 1.200,00
Euro, zahlbar zum 15. November." Der Tarifvertrag enthält keine ausdrückliche Regelung für
Teilzeitarbeitnehmer.
Das BAG dazu: "Der Umfang der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit im jeweiligen Bezugszeitraum wirkt
sich direkt proportional auf die Höhe der Leistung aus, was dem synallagmatischen Charakter der
Weihnachtszuwendung entspricht. Das Pro-rata-temporis-Prinzip ist ohne Weiteres nachvollziehbar und
einfach umzusetzen. Es ermöglicht allen Tarifunterworfenen, jederzeit die finanziellen Auswirkungen einer
Teilzeitvereinbarung auf den Umfang der ihnen tariflich zustehenden Leistungen zu berechnen und in ihre
Planungen einzubeziehen. Diese Berechnung führt zu gerechten Ergebnissen, die nicht ausschließlich von
der zufällig zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbarten Teilzeitbeschäftigung abhängen, welche sich - wie im
Fall des Klägers - möglicherweise nur über einen unwesentlichen Zeitraum erstreckt. Auch die Gutschrift des
Zeitgegenwerts der Weihnachtszuwendung zum Langzeitkonto in § 17 Abs. 2 TV-N Berlin lässt sich mit Hilfe
des Pro-rata-temporis-Prinzips ohne Weiteres bewerkstelligen" ( BAG, 17.06.2015 - 10 AZR 187/14 - mit dem
Ergebnis, dass der Arbeitnehmer für den Monat 09/2012 nur ein reduziertes Weihnachtsgeld bekam, im
Übrigen aber den vollen Anspruch für den Zeitraum 10/2011 bis 08/2012 behielt)."
7.34 Vorzeitiges Ausscheiden
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Sehen die "Richtlinien" des Arbeitgebers für die Auszahlung einer "Weihnachtsgratifikation" vor, dass diese
Sonderzuwendung für jeden Monat, in dem bezahlte Arbeit geleistet wurde, zu 1/12 anfällt, und knüpft die
Auszahlung gleichzeitig daran, dass sich begünstigte Mitarbeiter am 31.12. des Kalenderjahres in einem
ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, reicht das nicht aus, einem Arbeitnehmer die
Weihnachtsgratifikation zu streichen, der zum 30.09. des Kalenderjahres aussteigt. Bei dieser Art
Sonderzahlung handelt es sich um eine Gratifikation mit Mischcharakter. Bei ihr kann in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen nicht vereinbart werden, dass sie für Monate entfällt, in denen bereits gearbeitet und
das anteilige Zwölftel verdient wurde ( BAG, 13.11.2013 - 10 AZR 848/12 ).
7.35 Wartezeit
Es gibt Tarifverträge, die bestimmte Warte- oder Mindestbeschäftigungszeiten verlangen. Das führt im
Ergebnis dazu, dass ein Anspruch bei einem Arbeitgeberwechsel erst nach vielen Monaten
Betriebszugehörigkeit entsteht. Für BAT -Zuwendungen hat das BAG entschieden: "1. Angestellte, die im
unmittelbaren Anschluss an ihr Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes von einem
anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes übernommen werden, der den BAT /BAT-O oder einen
Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, verlieren nicht ihren Anspruch auf die Zuwendung. 2. Der
wesentlich gleiche Inhalt der tariflichen Bestimmungen erfordert eine Übereinstimmung nach Art und
Zweckbestimmung sowie u.a. eine weitgehende Übereinstimmung der Regelungen über das
Vergütungssystem" ( BAG, 23.06.2004 - 10 AZR 553/03 ).
7.36 Widerrufsvorbehalt
Die Vertragsklausel "Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene
Leistungen, wie ... Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche
Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar" ist wegen
Verstoßes gegen §§ 307 Abs. 1 , 308 Nr. 4 BGB unwirksam. "Bei einer Verknüpfung von
Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag wird für den Arbeitnehmer nicht
hinreichend deutlich, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgender Sonderzahlungen ein
Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll" ( BAG, 08.12.2010 10 AZR 671/09 - Leitsatz).
7.37 Zuflussprinzip
Zu den Einnahmen gehören nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EStG "alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen
und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bis 7
[EStG] zufließen." Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG "innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in
dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind." Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit
gehören nach § 19 Abs. 1 EStG auch einmalige Zahlungen wie Urlaubs-und Weihnachtsgeld. "Wird die
arbeitsvertragliche Zusage von Weihnachts- und Urlaubsgeld vor dem Zeitpunkt der Entstehung dieser
Sonderzuwendung einvernehmlich aufgehoben, kann dem Arbeitnehmer weder Arbeitslohn über die
Grundsätze des Zuflusses von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter zufließen noch kann der
Arbeitnehmer insoweit eine zuflussbegründende verdeckte Einlage bewirken" ( BFH, 15.05.2013 - VI R 24/12
- Leitsatz).
7.38 Zwölftelungsprinzip
Das so genannte Zwölftelungsprinzip ist keine allgemein gültige Regel. Es muss vereinbart sein. Ist nur ein
"Weihnachtsgeld" ohne besondere Anspruchsvoraussetzungen abgemacht, heißt das nicht, dass der
Bestand des Arbeitsverhältnisses zu Weihnachten anspruchsbegründende Voraussetzung für die Zahlung
ist. Es kann sich um eine reine Fälligkeitsbestimmung handeln mit der Folge, dass im Austrittsjahr ein der
Arbeitsleistung entsprechender anteiliger Anspruch entsteht ( BAG, 21.05.2003 - 10 AZR 408/02 ; mit dem
Hinweis, dass dies vor allem dann anzunehmen ist, wenn ein systematischer Zusammenhang mit der
vertraglichen Vergütungsregelung besteht).
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