Internationaler ORGELSOMMER 2016 Programm | Juli – September Schutzgebühr 1 € Künstlerische Leitung: Domorganist Daniel Beckmann Postfach 1560 55005 Mainz Telefon: 06131/253 474 Fax: 06131/253 529 E-Mail: [email protected] Internet: www.domorgel-mainz.de Einführungstexte: Prof. Dr. Paul Thissen, Paderborn Veranstalter: Bischöfliches Domkapitel in Kooperation mit der Pfarrei St. Stephan Preise und Kartenverkauf: Eintritt: je 8 €, 6 € für Schüler/Studenten und 4 € für Mitglieder des Fördervereins Dauerkarte: 42 € (ermäßigt: 32 € und für Mitglieder des Fördervereins: 21 €) arten und weitere Informationen erhalten Sie in den Vorverkaufsstellen: K – Infoladen des Bistums, Heiliggrabgasse 8, Telefon: 06131/253 888 –Markt 10, Dominformation, Telefon: 06131/253 412 und an der Abendkasse Gestaltung: Petra Louis/Werbewerkstatt Korinski, Mainz Bildnachweis: Markus Kohz: S. 4, 6, 7, 10, 12, 16, 18, 24, 28, 30, 36, 40, 44, 59 Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung: Titelbild und S. 22 Dr. Jochen Post, Nettetal: S. 37 Alexander Sell: S. 48, 52 Stadtplan auf S. 61: Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Bauamtes der Landeshauptstadt Mainz, Genehmigungsnummer G 6/16 Druck: Druckerei Friedrich, Klein-Winternheim Inhaltsverzeichnis ❚Gespräch mit Daniel Beckmann 4 ❚ Samstag, 3.9.2016 | Pfarrkirche St. Stephan | 19.30 Uhr 48 Domorganist Daniel Beckmann, Mainz ❚Samstag, 16.7.2016 | Dom6 Domorganist Daniel Beckmann, Mainz ❚Samstag, 23.7.2016 | Dom 12 Gerhard Weinberger, München ❚ Dispositionen der Mainzer Domorgeln54 ❚Disposition der Klais-Orgel in St. Stephan 58 ❚Informationen zur Orgelmusik im Dom 59 ❚Zum Autor: Prof. Dr. Paul Thissen 60 ❚Samstag, 30.7.2016 | Dom 18 Gereon Krahforst, Maria Laach ❚Samstag, 6.8.2016 | Dom 24 Bernhard Buttmann, Nürnberg ❚Spielstätten61 ❚Samstag, 13.8.2016 | Dom 30 Adriano Falcioni, Perugia (I) ❚Samstag, 20.8.2016 | Dom36 Elmar Lehnen, Kevelaer (Orgel) und Hansjörg Fink, Düsseldorf (Posaune) ❚ Samstag, 27.8.2016 | Dom 44 Franz Josef Stoiber, Regensburg ❚Informationen zur neuen Orgel für den Mainzer Dom 63 Der sechste Internationale Orgelsommer – Ein Gespräch mit Daniel Beckmann „ er Internationale Orgelsommer geht in D sein sechstes Jahr. Sind Sie mit der Entwicklung und Etablierung der Reihe zufrieden? Gewiss ist es stets ein Risiko, neue Angebote zu schaffen oder vorhandene Strukturen auszubauen. Im Falle des Internationalen 4 Orgelsommers dürfen wir aber dank des freundlichen Zuspruchs der kulturbeflissenen und dom- bzw. domorgelaffinen Mainzer Bürgerinnen und Bürger durchaus ein positives Resümee ziehen. Seit 2011 ist es gelungen, das Festival in seiner ursprünglich angedachten Form mit insgesamt acht Konzerten an den Samstagabenden der Sommermonate zu institutionalisieren. Das ist aber sicher kein Grund, sich nun zurück zu legen: Am Beispiel vergleichbarer Reihen, etwa im Kölner Dom oder im Freiburger Münster, ist ersichtlich, dass mit den entsprechenden Voraussetzungen hinsichtlich eines adäquaten Instruments und einer angemessenen Unterstützung durch die Presse noch viel größere Auditorien erreicht werden können. Hier ist noch einiges zu tun … „ Was war Ihre Motivation, als Sie das Festival 2010 ins Leben riefen und inwiefern konnten Sie diese Idee umsetzen? Erst 1985 initiiert, haben die Mainzer Domkonzerte eine vergleichsweise junge Tradition. In dieser Zeit haben sich manche Orgelzyklen entwickeln dürfen, so zum Beispiel die September-Matinées, die besinnliche Reihe „Wort und Klang“ im Advent sowie die festlichen Neujahrkonzerte. Darüber hinaus war es mir wichtig, eine neue Tradition zu begründen, die ganz bewusst in den Sommermonaten platziert werden sollte: Einerseits kann so neben der Mainzer Bevölkerung auch eine überregionale, touristische Zielgruppe angesprochen werden; andererseits gab es in diesem Zeitraum nicht auch schon andere Traditionen am ansonsten recht stark frequentierten Dom. Den Erfolgsgarant sah und sehe ich bis heute in der Verpflichtung der weltweit besten Organistinnen und Organisten, die dank einer ihnen überlassenen Programmkomposition ihre Stärken ausspielen und uns so besondere musikalische Sternstunden am Dom bescheren können. Neben I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 der erstklassigen Qualität ist aber auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit unverzichtbar. Hier habe ich durch Einrichtung eines E-Mail Newsletters, der Erstellung eigener Internetseiten, eines Facebook Auftritts sowie professioneller Printerzeugnisse alles mir Mögliche getan. Freilich wäre all jenes aber ohne die uneingeschränkte Unterstützung des Herrn Domdekan nicht realisierbar. „ Der diesjährige Orgelsommer setzt einen Akzent auf den gerne als „Orgeltitan" bezeichneten Max Reger, dessen 100. Todesjahres die Musikwelt 2016 gedenkt. Doch gerade seine Orgelwerke waren nie unumstritten. Warum? Max Reger ist vor allem als Orgelkomponist hervorgegangen. Zwar gab und gibt es vereinzelte Vertreter meiner Zunft, die mit seinem Stil nicht viel anfangen können – die Extrovertivität, die sich in Tempi, dynamischen Angaben, Längenausdehnung der Werke, Komplexität, technischen Herausforderungen an den Interpreten, Vielstimmigkeit und extremer polyphoner Dichte äußert, mag ein Grund hierfür sein –, aber grundsätzlich ist es common sense, dass Max Reger nach Johann Sebastian Bach die bedeutendsten Orgelwerke im deutschsprachigen Raum geschrieben hat. So ist es richtig und wichtig, den Internationalen Orgelsommer 2016 anlässlich seines 100. Todesjahres thematisch auszurichten, wenngleich es einen solchen „roten Faden“ bislang in der noch jungen Geschichte des Festivals nicht gab. „ Wie findet das Orgelwerk Regers denn Eingang in das Festival? Es erklingen drei Choralfantasien, beide Sonaten, die fis-Moll Variationen, Phantasie und Fuge über B-A-C-H, die Symphonische Phantasie und Fuge, op. 127 und op. 135b – kurz gesagt: vor allem jene Werke, die Max Reger für die Orgelmusik als solche unsterblich gemacht haben. „ Worauf darf sich das Publikum außerdem freuen? Auf Klassiker des Orgelrepertoires, Raritäten und Improvisationen. Auch ein Duo wird zu hören sein (Posaune und Orgel). Das Gespräch führte Jan-Geert Wolff Die diesjährigen Interpreten, die nicht zuletzt wegen ihrer Affinität zum Regerschen Œuvre ausgewählt wurden, sollten zumindest ein zentrales Werk des Meisters interpretieren. Und das ist gelungen. 5 Samstag, 16. Juli 2016 | 18.30 Uhr Domorganist Daniel Beckmann Programm | Dom St. Martin M. Reger Choralfantasie „Halleluja! (1873–1916) Gott zu loben bleibe meine Seelenfreud“ op. 52/3 J. S. Bach Praeludium et Fuga in g BWV 535 (1685–1750) S. Karg-Elert Marche triomphale „Nun danket alle Gott“ op. 65 (1877–1933) Triosonate G-Dur BWV 530 Vivace – Lente – Allegro M. Reger Fantasie und Fuge d-Moll op. 135b J. S. Bach 6 Daniel Beckmann Daniel Beckmann, geb. 1980, studierte bereits zu Schulzeiten als Jungstudent an der Hochschule für Musik in Detmold, wo er alle Prüfungen in den Fächern Orgelliteraturspiel (Klasse Prof. G. Weinberger) und –improvisation (Klasse Prof. T. A. Nowak) im Rahmen der Studiengänge Kirchenmusik (A-Examen) und Orgel (künstlerische Reifeprüfung & Konzertexamen) mit Auszeichnungen ablegte. I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 In den anschließenden Jahren betätigte er sich musikalisch sehr vielseitig. Neben seiner Funktion als Dekanatskirchenmusiker in Paderborn lehrte er künstlerisches Orgelspiel an der dortigen Universität und an der Hochschule für Musik in Detmold. Er gründete und leitete das solistisch besetzte Alte-Musik-Ensemble „Deutsche VocalConcertisten“ und entfaltete eine umfangreiche Konzerttätigkeit als Organist, Pianist und Dirigent. Für seine Leistungen wurde er vielfach mit renommierten Preisen und Stipendien auf nationaler und internationaler Wettbewerbsebene ausgezeichnet. mit der Domorgelkommission eine groß angelegte Renovation der Domorgel und ist regelmäßiger Gast in Kathedralen, Philharmonien und anderen Orgelmusikzentren des In- und Auslandes. Seit 2014 leitet er ferner gemeinsam mit Prof. G. Gnann eine internationale Orgelklasse an der Hochschule für Musik Mainz. Zahlreiche TV-, CD- und Rundfunkaufnahmen sowie die Mitwirkung in internationalen Wettbewerbs-Juries runden die Tätigkeit ab. > www.domorgel-mainz.de 2010 wurde Daniel Beckmann durch Karl Kardinal Lehmann 29-jährig zum Domorganisten an den Hohen Dom St. Martin zu Mainz berufen, wo er seither die Verantwortung für die liturgische und außerliturgische Orgelmusik trägt. Er initiierte die monatlichen Orgelmatineen und den Internationalen Orgelsommer, plant derzeit gemeinsam 7 Zum Programm | 16. Juli 2016 – Daniel Beckmann Schon die Einleitung der Friedrich L. Schnackenberg – Seminaroberlehrer in Plauen und Mitarbeiter der Neuen Zeitschrift für Musik, in der er einige Werke Max Regers positiv besprochen hatte – gewidmeten Phantasie für Orgel über den Choral „Hallelujah! Gott zu loben, bleibe meine Seelenfreud’!“ op. 52 Nr. 3 greift den lobpreisenden Gehalt des aus der Feder Matthias Jorissens stammenden, auf Ps. 146 basierenden Choraltextes auf: Eine stets wiederkehrende Aufwärtsbewegung charakterisiert den musikalischen Duktus, den vor allem das zweimalige Alternieren von Pedalsolo und auftaktigen Akkordeinwürfen prägen, und zwar unter deutlich reduzierter Chromatik, die in op. 52 Nr. 1 gleichsam den „Widerpart“ (Friedhelm Krummacher) zur diatonischen Liedmelodie bildet. Die Triolenbewegung des Pedalsolos wird beim zweiten Durchgang im Manual aufgegriffen und bleibt auch während der Durchführung der im Pedal erklingenden 1. Strophe durchweg präsent. In op. 52 Nr. 2 verzichtet Reger weitgehend auf die einzelnen 8 Strophen trennenden Zwischenspiele, woraus eine partitenartige Reihung entsteht. Die sich der 1. Strophe also unmittelbar anschließende, nahezu ostinate, also stets wiederkehrende, drei Töne umfassende auftaktige Motivik im Pedal – sie erklingt in Gegenbewegung und in rhythmisch verkleinerter Form auch im Manual – ist charakterisiert durch einen fallenden Oktavsprung, der im Zusammengehen mit einer vorausgehenden, ebenfalls absteigenden kleinen Sekunde zum Bild wird für das Leben zum Tode, von dem die 2. Strophe spricht. Die Hoffnung auf „Jakob’s Gott“ artikulierende 3. Strophe gestaltet Reger eher verinnerlicht, wobei auch hier Triolen, nunmehr in Achteln, den freudigen Grundaffekt zum Ausdruck bringen. Innerhalb der 4. Strophe umspielen in der Art von Bachs Choralvorspiel „Christ lag in Todesbanden“ aus dem Orgelbüchlein den Cantus firmus im Sopran imitatorisch geführte Sechzehntel-Figuren, die alsbald in die rasche Sechzehnteltriolen-Bewegung des Anfangs übergeht. Vier choralfreie Takte leiten zur 5. Strophe über, die mit ruhig fließenden Achteln in den Begleitstimmen wieder ganz zurückhaltend vertont ist. Wie subtil Reger auf den Text zu reagieren vermag, zeigt einmal mehr die Chromatik im Pedal zu den Worten „in des Todes Nacht“. Die beiden letzten Strophenzeilen bringen wiederum die Achteltriolen zur Geltung. Solche Rückbezüge dienen einerseits der Textverdeutlichung, aber auch der formalen Einheit, verhindern sie doch, dass die Komposition in eine bloße Reichung von Tableaus zerfällt. Den Abschluss der Phantasie bildet wiederum eine großformatige Steigerungsfuge, die ihren Höhepunkt mit der Kombination von Fugenthema und am Schluss sogar kanonisch geführter Choralmelodie findet. J. S. Bach hat das mehrteilige norddeutsche Orgelpräludium zum bipolaren Typus von „Präludium“ und „Fuge“ entwickelt. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte von Praeludium et Fuga in g BWV 535 kann zeigen, dass es sich hierbei um einen Prozess handelt. Die Frühfas- I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 sung BWV 535a ist in der sogenannten Möllerschen Handschrift enthalten (ca. 1707), die neben dem Andreas-Bach-Buch die früheste Quelle Bach´scher Musik für Tasteninstrumente darstellt, und offenbart hinsichtlich der Taktzahl ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen Präludium und Fuge. Während die Fuge ein eindrucksvolles Zeugnis ist von Bachs beginnender Meisterschaft in der Handhabung der Fugenform (ihr Thema steht in der Tradition der norddeutschen Reperkussionsthemen), fällt das Präludium mit deutlich weniger als einem Drittel des Umfangs der Fuge eher bescheiden aus und erinnert so noch an die frei-präludierenden Abschnitte des norddeutschen Orgelpräludiums. Erst eine spätere Revision, die einer Neukomposition gleichkommt (im Zentrum des Satzes steht, wie Werner Breig schreibt, „eine den ganzen Tonartenkreis durchlaufende chromatisch-enharmonische Modulation“ – übrigens ein eindrucksvolles Zeugnis für Bachs kompositorisch formulierte Forderung nach einer gleichstufigen Temperatur –) gleicht das Gewicht beider Teile an. Knapp zehn Jahre überschneiden sich die Schaffenszeiten Sigfrid Karg-Elerts und Max Regers, dessen Nachfolge Karg-Elert 1919 als Professor für Theorie und Komposition am Leipziger Konservatorium antrat. Er konnte eine von Reger sich deutlich unterscheidende, durchaus originelle musikalische Sprache entwickeln, die durch Claude Debussy und Alexander Skrjabin beeinflusst ist. Nun danket alle Gott [Marche triomphale] ist die Nr. 59 der Sammlung Choral-Improvisationen op. 65, die 66 Choralbearbeitungen enthält. Die Arbeit ist dem Komponisten nicht leicht gefallen. In einem Brief vom 27. Februar 1909 schrieb er an den Verleger Carl Simon: „Es ist zu schwer!! 4 Klaviersonaten sind eine geringere Arbeit als 2 Hefte dieser klassisch-formalen Vorspiele!! Mir fällt weiß Gott nicht so leicht etwas schwer, – aber diese Sache? […] Eine Arbeit zum Steine erweichen! […] Die Idee, die Inspiration, darf hier nicht in ‚Gefühlsbrei‘ ausmünden, […] sondern sie darf nur ein winziges Motivchen schaffen, das aber den ganzen seelischen Inhalt des Gesangbuchtextes konzentriert in sich trägt“. Die Komposition arbeitet mit den ersten beiden Choralzeilen und aus dem diastematischen Material (Tonhöhenverlauf) abgeleiteten Motiven (der zurückgenommene B-Teil z. B. präsentiert die erste Liedzeile nach Moll gewendet). Die Triosonate ist eine zentrale Gattung barocker Instrumentalmusik. Ihr Grundgedanke ist das Zusammenwirken von zwei gleichberechtigten Stimmen über einem basso continuo, der als harmonische Stütze fungiert, aber auch an dem motivisch-thematischen Geschehen beteiligt sein kann. Die Sonaten BWV 525-530 sind die einzige Gruppe von freien Orgelwerken, die Bach zu einem Opus zusammengestellt hat. Der erste Satz der Sonata G-Dur BWV 530 prägt hinsichtlich des Aufbaus (nicht der 9 10 I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 klanglichen Differenzierung) deutlich die konzertmäßige Aufteilung in Tutti- und Solopassagen aus. Dem zweiten Satz eignet eine zweiteilige Form mit Rückkehr zum Anfangsthema in der zweiten Hälfte. Der Schlusssatz besitzt zwei Themen, wobei das erste fugiert behandelt wird. Der Entstehungszeitraum von Fantasie und Fuge d-Moll op. 135b erstreckt sich über etwa acht Monate. Schon Ende September 1914 hatte Max Reger Karl Straube berichtet, er „gehe schon etwas ‚schwanger‘ mit der Sache!“. Zu einer weitergehenden Ausführung dieses Plans kam es aber erst im April 1915, schreibt er doch am 30. April an Straube: „Es interessiert dich wohl zu vernehmen, dass ich an einem neuen Orgelwerk großen Stils arbeite.“ Dieser Begriff begegnet bei Reger immer wieder. Bereits im Kontext von Phantasie und Fuge cMoll spricht er von einer Komposition „großen Styls“, und das Vorhaben der B-A-C-H-Komposition kommentierte er: „Das muss ein Werk größten Stils werden“. Mit dieser Terminologie verweist Reger auf den technischen Anspruch gleichermaßen wie auf den kompositorischästhetischen, der im Falle seines opus ultimum für Orgel nochmals allerhöchstes Niveau erreicht. Am 17.5.1915 reicht er es zum Druck ein. Die Entstehungsgeschichte dieses letzten Orgelwerks Regers ist insofern bemerkenswert und ungewöhnlich, als der Komponist, wie er im Brief vom 13.4.1916 an den Simrock-Verlag mitteilt, nach Erhalt des ersten Korrekturabzugs deutliche Kürzungen vorgenommen hat, mit denen das Opus dann kurz nach Regers Tod auch erscheint. Wie in allen phantasiebzw. toccatenartigen Stücken Regers ist auch die Phantasie von op. 135b charakterisiert durch das Alternieren von eher langsamen und stürmisch vorwärts drängenden Abschnitten. Einen neuen Aspekt bieten aufgrund ihrer quasi impressionistisch anmutenden Faktur die einleitenden Zweiunddreißigstel-Girlanden. Gleich der die Variationen über ein Thema von Joh. Seb. Bach für Klavier zu zwei Händen op. 81 beschließenden Fuge besteht die Fuge von op. 135b aus zwei Themen – einem verhaltenruhigen und einem bewegteren –, die am Ende im dichtesten Kontrapunkt kombiniert werden und das Werk so zu einem triumphalen Ende führen. Paul Thissen 11 Samstag, 23. Juli 2016 | 18.30 Uhr Gerhard Weinberger, München Programm | Dom St. Martin M. Reger Dankpsalm op. 145 Nr. 2 (1873–1916) J. Schmid „Ave Maria“ (1865–1945) A. Piechler Nocturno op. 39 Nr. 4 („Salve Regina“) (1896–1974) J. Renner (1868–1934) Thema mit Variationen c-Moll op. 58 P. Wittrich Concerto II (*1959) (G. Weinberger gewidmet) – „Victimae paschali laudes“ – Dialog ad Communionem über „Pange lingua“ und „Adoro te devote“ – Trilogie über „Veni creator“, „Regina coeli“ und „Lauda Sion“ M. Reger 12 Symphonische Phantasie und Fuge d-Moll op. 57 Gerhard Weinberger I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 wurde er 1974 als Dozent für Orgel und Kirchenmusik an die Hochschule für Musik in München berufen. Mit 29 Jahren erhielt er drei Jahre später dort eine Professur für Orgel. Von 1983 - 2011 unterrichtete er als ordentlicher Professor für Orgel eine internationale Orgelklasse an der Hochschule für Musik in Detmold, wo er die Abteilung Kirchenmusik leitete sowie seit 2004 auch das Vokalsolisten-Ensemble der Barockakademie der Hochschule. Er ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste Salzburg und des Direktoriums der Neuen Bachgesellschaft Leipzig. Gerhard Weinberger studierte an der Hochschule für Musik München Orgel (bei Prof. Franz Lehrndorfer), Kirchen- und Schulmusik. 1971 war er Preisträger im Fach Orgel im internationalen Musikwettbewerb der deutschen Rundfunkanstalten (ARD). Nach einer dreijährigen Tätigkeit als Chordirektor an der Basilika St. Lorenz in Kempten für die Gesamteinspielung der Bachschen Orgelwerke), Jurytätigkeit, zahlreiche Editionen von Orgel- und geistlicher Chormusik (darunter das gesamte Orgelwerk von Johann Ludwig Krebs und Robert Schumann), Buch „Zur Interpretation der Orgelmusik J. S. Bachs“, zahlreiche Fachartikel. Mit seiner Frau Beatrice-Maria spielt er auch regelmäßig Konzerte für zwei Spieler. Derzeit arbeitet er an einer umfangreichen Einspielung der Orgelwerke Max Regers an historischen Orgeln der Reger-Zeit. Seit vielen Jahren internationale Konzerttätigkeit, 2000 mehrmals zyklische Gesamtaufführung des Bachschen Orgelwerkes, bisher ca. 50 CD – Aufnahmen, u. a. das gesamte Orgelwerk von J. S. Bach auf historischen Instrumenten der Bach-Zeit, mehrere Schallplattenpreise (u. a. Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik 2009 13 Zum Programm | 23. Juli 2016 – Gerhard Weinberger Die Entstehung der in ihrem Umfang zunächst offenen Sammlung – erst in posthumen Ausgaben heißt sie Sieben Orgelstücke – geht auf eine Anfrage des Verlages Oppenheimer in Hameln an Max Reger zurück. Zusammen mit Trauerode, Weihnachten, Passion, Ostern und Pfingsten erschien Dankpsalm Anfang 1916. Kurze Zeit später kam noch Siegesfeier hinzu. Gemeinsam ist allen Stücken das Zitieren von Chorälen; im Dankpsalm sind es „Was Gott tut, das ist wohl getan“ und „Lobet den Herren“. Der in München geborene Joseph Schmid studierte an der Akademie der Tonkunst bei Joseph Rheinberger und Louis Thuille, einem der einflussreichsten Persönlichkeiten der sogenannten „Münchner Schule“ um 1900. Nach seinem mit Auszeichnung abgeschlossenen Studium verdiente er seinen Unterhalt als Konzertorganist und Klavierbegleiter sowie als Leiter mehrerer Münchner Chöre. Nachdem er zwölf Jahre an der 14 Kirche Heilig Geist in München als Kirchenmusiker tätig war, ernannte man ihn 1901 zum Domorganisten am Liebfrauendom. Schmids über 400 kompositorische Werke sind heute weitgehend unbekannt. Er schrieb u. a. zwei Opern, fünfzehn Messen, ein Requiem, ein Te Deum, Motetten, geistliche und weltliche Chöre, Lieder, Kammermusik und Orgelwerke. Das Ave Maria ist ein in der Orgelmusik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts relativ weit verbreitetes Stimmungsbild der Verkündigung durch den Erzengel Gabriel. Der in Magdeburg geborene Arthur Piechler studierte an der Münchner Akademie der Tonkunst u. a. bei dem Thuille-Schüler Heinrich Kaspar Schmid. Von 1925 bis 1955 unterrichtete Piechler, der ein weitgereister Orgelvirtuose war, am Augsburger Konservatorium und prägte fortan dreißig Jahre lang wesentlich das Musikleben in Augsburg, u. a. auch als Dirigent des dortigen Oratorienvereins und als Chorregent in der Kirche St. Ulrich und Afra. Piechler hinterließ ein umfangreiches kompositorisches Schaffen. Das Nocturno entstammt der 1949 entstandenen „Orgelmusik in fünf Sätzen“ op. 39 und stellt eine Bearbeitung des „Salve Regina“ dar, dessen Melodie im Pedal erklingt. Joseph Renner amtierte von 1893 bis zu seinem Tod als Domorganist in Regensburg. Er studierte in München u. a. bei Joseph Rheinberger, von dessen Tonsprache er, wie auch Thema mit Variationen op. 58 (1904) deutlich werden lassen, stark beeinflusst blieb. Das Concerto II von Peter Wittrich, der, nachdem er einige wichtige Kompositionswettbewerbe gewonnen hat, als Professor für Musiktheorie an der Münchener Musikhoschhule lehrt, ist auf Anregung des Widmungsträgers entstanden. In seinem Vorwort hebt der Komponist hervor, „im organisch sich entfaltenden Melos des I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 gregorianischen Chorals, ohne Bindung an metrisch-rhythmische Organisation“ liege „ein unendlicher Reichtum an Gestaltungsmöglichkeiten. ‚Harmonie‘ entsteht aus dem freien Pulsieren der melodischen Bewegungen heraus im begrenzten, von der menschlichen Stimme vorgegebenen Ambitus, und die Loslösung von jeglicher vertrauten harmonischen Bindung ebnet den Weg für vielerlei klangliche Grundierung und rhythmische Differenzierung“. Entstanden ist eine Komposition, die eine Fülle von Aspekten aufweist, die über die zahlreichen Kompositionen des 20. Jahrhunderts über gregorianische Melodien aus dem französischen und deutschsprachigen Raum deutlich hinausgehen und dem Werk ein äußerst individuelles Gepräge verleihen: akkordische Passagen, auch mit jazzoiden Anklängen, rhythmisch sich frei entwickelnde Abschnitte und dichter gearbeiteter, aber niemals „gelehrt“ wirkender Kontrapunkt (ein schönes Beispiel liefert gleich der zweite Abschnitt des ersten Satzes) lassen die zugrunde liegenden gregorianischen Melodien in immer neuem Licht erscheinen. Das Material des ersten Satzes (lediglich Hymnus I überschrieben) ist gänzlich aus der Ostersequenz „Victimae paschali laudes“ gewonnen. Der zweite Satz gewinnt aus dem „Pange lingua“ eine dialogisierende Struktur und entwickelt aus dem „Adoro te devote“ einen Triosatz. Den letzten Satz bestimmen „Hymnisch-opulenter Klangreichtum (Veni Sancte spiritus) im Wechsel mit scherzoartiger Verspieltheit im Lauda Sion und lyrischem Regina coeli-Einschub“. (Peter Wittrich) Max Reger suchte Zeit seines Lebens Werke „großen“ und „größten Styls“ zu realisieren. Aber weder das „oratorische Hauptwerk“ (das als solches gedachte „Requiem“ wurde nicht vollendet) noch eine Symphonie (nur die Symphonietta op. 90) konnte Reger realisieren. Wiewohl Großwerke für die Orgel seine frühen Komponistenjahre säumen, wagte Reger nicht den Schritt, eine „Symphonie“ für die Orgel zu komponieren. Tatsächlich bildet die Orgel-Symphonie in Deutschland, ganz im Gegensatz zu unseren französischen Nachbarn, bis zu den Werken von Enjott Schneider eine Leerstelle (die Orgel-Symphonie von S. Karg-Elert ist ein Solitär), was insofern überraschen muss, als die Symphonie als Leitgattung der Instrumentalmusik gilt: Mit dem Begriff des „Symphonischen“ ist im 19. Jahrhundert immer ein großer ästhetischer und kompositorischer Anspruch verbunden. Wenn Reger seinem op. 57 also das Adjektiv „symphonisch“ voranstellt (zunächst sollte das Werk als „Orgelsonate“ überschrieben sein), so will er damit unmissverständlich offenbar werden lassen, dass hier, nach den Choralfantasien op. 40 und op. 52, aber auch nach der B-A-C-HKomposition op. 46, ein Gipfelpunkt seines Orgelschaffens gleichermaßen wie der Orgelliteratur vorliegt. Noch während der 15 16 Internationale r O r g e l s o mm e r 2016 Arbeit am Klavierquintett op. 64 (ursprünglich op. 56) schrieb Reger an Josef Loritz: „in 14 Tagen geht's über ein neues Orgelwerk; mache Dich auf was gefasst!“ „Ein tolles Kind!“ bezeichnete Reger die Komposition im Jahr 1901 gegenüber Theodor Kroyer. Dass op. 57 ein Programm zugrunde liegt – Reger widerstrebte es, sich zum Gehalt seiner Kompositionen zu äußern, konzidierte aber: „Opus 57 ist angeregt durch Dantes ‚Inferno‘! Das dürfte Ihnen wohl alles Wissenswerte sagen.“ – rückt es in die Nähe der Symphonischen Dichtungen Franz Liszts, der in der Nachfolge Ludwig van Beethovens mit solchermaßen konzipierten Werken die Programmmusik nobilitieren wollte. Wenn versucht wurde, bestimmte Motivstrukturen mit einem bestimmten Gehalt zu verbinden („Aufschreimotiv“, „Leidensmotiv“ und „Abstiegsmotiv“), so muss betont werden, dass man sich hier gänzlich auf dem Gebiet der Spekulation bewegt. Der Phantasie liegt ein dreigliedriger Formverlauf zugrunde: Exposition und „Reprise“ umrahmen einen ruhigen Mittelteil. Für die Fuge hat H. Wunderlich – in Analogie zur Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit (Schönberg sprach von der „double function form“) z. B. im Fall von Franz Lizts Sonate h- Moll für Klavier – eine Anlage als viersätziger Zyklus angenommen. Reger beharrt allerdings auf dem historischen Formmodell der Fuge mit mehreren Durchführungen. Das heißt, die Takte 1-57 mit dem ersten Fugenthema entsprechen dem Kopfsatz, die Takte 57–71 (zweites Fugenthema) dem langsamen Satz, die auf Elementen des ersten Themas und Interpolationen des zweiten Thema bestehenden Takte 72-100 repräsentieren das Scherzo und die innerhalb der Takte 100-142 vollzogenen Zusammenführung beider Themen mit Steigerungsphase bilden das Finale. Im Gegensatz zu Bach, für dessen Fugen die Unterscheidung von thematischen Durchführungen und themenfreien oder zumindest thematisch lockeren Zwischenspielen charakteristisch ist, bleibt bei Reger die Thematik omnipräsent. Paul Thissen 17 Samstag, 30. Juli 2016 | 18.30 Uhr Gereon Krahforst, Maria Laach Programm | Dom St. Martin Reger mit Zeitgenossen aus anderen Ländern Österreich: F. Schmidt Toccata C-Dur (1874–1939) USA: C. Demarest Canzona (1874–1946) Russland: S. Rachmaninow Polka de V. R. (1873-1943)(Orgelbearbeitung von Gereon Krahforst 2013) England: E. C. Bairstow (1874–1946) Deutschland: M. Reger (1873–1916) 18 Evening Song Variationen und Fuge über ein Originalthema in fis-Moll op. 73 (1903) Gereon Krahforst Gereon Krahforst wurde 1973 in Bonn geboren. Nach einer umfassenden frühen musikalischen Ausbildung und dem Abitur studierte er 1990–2000 Komposition, Musikwissenschaft, Kirchenmusik, Klavier und Orgel in Köln und Frankfurt am Main (Orgellehrer waren vor dem Studium Markus Karas und John Birley, während des Studi- I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 ums dann Clemens Ganz und Daniel Roth). Zahlreiche Meisterkurse und private Studien u.a. mit Marie-Claire Alain, Jon Laukvik, Petr Eben, Wolfgang Seifen, Tomasz A. Nowak, Franz Lehrndorfer, Bernhard Haas und vielen anderen ergänzen seine Studien. Nach einer Reihe von kirchenmusikalischen Anstellungen in Bonn (Kreuzbergkirche), Mönchengladbach (Münsterbasilika), Minden (Dom) und als Domorganist in Paderborn (Dom) wanderte er zunächst nach Südspanien aus und amtierte dort als Organist der national bedeutenden „Organo del Sol Mayor“ in der weltberühmten Stadt Marbella an der Costa del Sol. Bis dahin lehrte er gleichzeitig acht Jahre lang eine Orgel-Improvisationsklasse an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. 2012–2014 amtierte er als Cathedral Organist und Associate Director of Music an der Cathedral Basilica of Saint Louis, Missouri – einer der bedeutendsten katholischen Ka- thedralen Amerikas. Aus familiären Gründen kehrte er im Sommer 2014 nach Deutschland zurück und arbeitete zunächst als Kirchenmusiker in Mettlach sowie freischaffend als Konzertorganist, Lehrer und Komponist. Im April 2015 wurde er vom Benediktinerkonvent der weltberühmten Abtei Maria Laach als Abteiorganist und künstlerischer Leiter der Internationalen Laacher Orgelkonzerte berufen; diese herausragende Stellung hat er im Juli 2015 angetreten. Des weiteren ist er künstlerischer Leiter der Orgelkonzertreihen an der Fasen-Orgel in St. Sebastian, Boppard sowie an der historischen Balthasar-König-Orgel von 1714 in der Klosterkirche St. Leodegar zu Niederehe / Eifel. Besonders als Improvisator konnte er sich weltweit einen Namen machen; daneben zählen zu seinem breit gefächerten Repertoire u.a. sämtliche Orgelwerke von Scheidt, Pachelbel, Muffat, Couperin, 19 Buxtehude, Bach, Mendelssohn, Schumann, Brahms, Franck, Duruflé, zahlreiche Werke von Guilmant, Widor, Vierne, Dupré und Messiaen sowie ein großer Fundus an unbekannten, lohnenswerten Komponisten aller möglichen Länder und Epochen. Immer wieder werden seine abwechslungsreichen Programmgestaltungen und unkonventionellen Registrierungen bewundert, was in lobenden Kommentaren und Empfehlungen von Jean Guillou, Olivier Latry, Thierry Escaich, John Scott und Stephen Tharp gipfelt. 2015 erhielt er von der Erzdiözese Freiburg einen großen Kompositionsauftrag zum 50jährigen Bestehen der Domorgel und verfasste eine Symphonie für 1– 4 Orgeln; daneben sind zahlreiche Chor- und Orgelwerke in deutschen, holländischen und amerikanischen Verlagen erschienen. 20 Bereits 1987 gewann er als 14jähriger einen landesweiten Kompositionswettbewerb mit einem Konzert für Klavier und Orchester; zahlreiche weitere, auch internationale Preise, in Komposition, Klavier und Orgel schlossen sich an. Konzerte führten ihn – zunächst sogar zusätzlich auch als Pianist – in viele Kathedralen, Kirchen und Konzertsäle ganz Europas, nach Südkorea und auch vor dem Auswandern mehrmals in die USA, wo ihm besondere Verdienste der AGO für seine Lehrtätigkeiten, Vorträge und Konzerte um Max Reger zuteil wurden. CD-Aufnahmen sowie Auftritte in Rundfunk und Fernsehen runden sein vielschichtiges musikalisches Wirken ab. > www.gereonkrahforst.org Zum Programm | 30. Juli 2016 – Gereon Krahforst Der in Preßburg geborene und bei Wien gestorbene Franz Schmidt war kurzzeitig Schüler Anton Bruckners und wirkte an der Wiener Musikakademie zunächst als Professor für Klavier, später auch für Kontrapunkt und Komposition. Schmidt hat ein reichhaltiges Œuvre hinterlassen, wobei die Oper Notre Dame sowie das Oratorium Das Buch mit den sieben Siegeln hoch bedeutsame Werke der jeweiligen Gattungsgeschichte repräsentieren. Auch die Orgel hat Schmidt mit Kompositionen bedacht, wobei die Toccata C-Dur zu seinem populärsten Orgelwerk avancieren konnte, was nicht zuletzt wohl auch mit der aparten Harmonik der Komposition in Zusammenhang steht, die nach den schlichten pentatonischen Anfangsfiguren gegen Ende einen hohen Grad von Komplexität erreicht. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert ist die Orgeltoccata in Deutschland, anders als in Frankreich, eher von nachgeordneter Bedeutung und hat, sofern sie in Erscheinung tritt wie z. B. bei Rheinberger, eher etüdenartigen denn virtuos-spielfreudigen Charakter. Schmidts Toccata sucht beide Traditionsstränge zu verbinden: Die anfängliche an Etüden erinnernde gleichmäßige Sechzehntelbewegung geht bald in virtuose, zwischen den Händen alternierende Akkordschläge über. Dabei weichen die auftaktigen Figuren im Pedal einer diatonisch-choralartigen Linie, die sich unüberhörbar als das zentrale Thema der sonatensatzartigen Komposition herauskristallisiert. Die instrumentale „Canzona“, wie sie in der Musik der sogenannten Renaissance begegnet, ist aus der Chanson entstanden, einer polyphonen Gattung weltlicher Vokalmusik. Im 19. Jahrhundert dagegen verweist der Gattungsbegriff, wie die Canzona des amerikanischen Komponisten Clifford Demarest deutlich werden lässt, auf eine lyrische Instrumentalkomposition mit liedhafter Themenstruktur. I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Sergej Rachmaninow darf zu den bedeutendsten russischen Musikern seiner Zeit gerechnet werden; sein internationaler Durchbruch als Komponist erfolgte mit dem 2. Klavierkonzert (1900/01), während sein kometenhafter Aufstieg als Pianist 1918 begann, nachdem er Russland 1917, als er infolge der revolutionären Ereignisse sein Landgut (1973 wurde es wieder aufgebaut) und Vermögen verlor, für immer verlassen hatte. Die Polka de W. R. entstand 1911 als Transkription der „Lachtäubchen Scherzpolka“ des deutschen Salonkomponisten Franz Behr, der einer der Lieblingskomponisten von Rachmaninows Vater Wassili Rachmaninow war. Wahrscheinlich ging Rachmaninow, der das Stück immer wieder aufführte und viermal einspielte, davon aus, dass es sich um eine Originalkomposition seines Vaters Wassili handelt (deshalb „de W. R.“). Die Polka kam um 1830 auf und wurde ab 1840 zum alles übertreffenden Modetanz. Der für die Gattung konstitutive Rhythmus 21 (2/4-Takt mit einer Folge von sechs Achteln und abschließendem akzentuiertem Viertel) erklingt in der Scherz-Polka nach vier einleitenden Takten. Sir Edward Cuthbert Bairstow war als Organist, Chordirigent und Pädagoge in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von großem Einfluss auf das englische Musikleben. Von 1913 bis zu seinem Tod wirkte er als Organist der York Minster. Sein kompositorisches Schaffen konzentriert sich auf die Kirchenmusik und ist stilistisch, beeinflusst von Brahms und Stanford, eher konservativ. Evening Song ist Bairstows erstes publiziertes Orgelwerk. Dem Stück eignet eine A-BA-Form: Ein pastoraleartiger Mittelteil wird umrahmt von einer Kantilene, die ruhig fließende Sechzehntel begleiten. Die Variationen und Fuge über ein Originalthema op. 73 von Max Reger verdanken ihre Entstehung der am 14. Juni 1903 22 geäußerten Bitte Karl Straubes (deshalb die Widmung „Karl Straube zur Erinnerung an den 14. Juni 1903“) – Regers Freund und fulminanter Interpret seiner Orgelwerke –, ihm „ein Orgelwerk ohne Bezugnahme auf evangelische Choräle“ zu schreiben, damit er „in vorwiegend katholisch orientierten Städten ein nicht kirchlich gebundenes Stück“ für sein Programm zur Verfügung habe; Straube schlug – gleichsam als Pedant zur Konzeption der Choralfantasien – Variationen und Fuge über ein eigenes Thema vor. Reger nahm den Vorschlag in den Sommerferien auf und eröffnet mit op. 73 die Reihe seiner zyklischen Variationswerke mit Schlussfuge. Zum Gehalt äußerte Reger sich in einem Brief vom 25. Juni 1904 an Straube mit den Worten: „[...] ja, was soll ich da angeben: das Werk selbst ist aus einer recht wehmütigen Stimmung heraus geboren; das Thema in seiner Resignation gibt alles an; eine große Rolle spielt im Werke der melancholische dritte Takt aus dem Thema selbst: Ich I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 glaube, das wird wohl genügen. Du weißt, ich spreche darüber so furchtbar ungern, weil ich es als ‚Pose‘ empfinde, mit seinen Stimmungen und Empfindungen zu ‚protzen‘.“ Regers Thema, dem eine ausgedehntere Introduzione vorausgeht (auf der Basis einer dataillierten Analyse lassen sich zwischen Introduktion, Thema mit Variationen und Fuge vielfältige motivische Beziehungen nachweisen: z. B. erscheint das dreitönige Kopfmotiv der Fuge als Figuration der Thementöne zu Beginn von Variation zwei, außerdem in den Variationen 6 und 7), zeigt nicht nur eine kaum zu überhörende Verwandtschaft mit Choralthemen, sondern nicht zuletzt aufgrund des in sich gekehrten Charakters auch eine unüberhörbare Nähe zu den Themen der langsamen Sätze z. B. in seinem Violin- und Klavierkonzert oder aber in seiner Kammermusik. Die Variationen op. 73 gehören zum Typus der „freien Variation“, für den die Unabhängigkeit von der Themenstruktur charakteristisch ist. Von der den Choralfantasien zugrunde liegenden Variationstechnik weicht op. 73 also insofern deutlich ab, als das Thema nurmehr noch in der zweiten Variation klar erkennbar ist. Einzig der dritte und vierte Thementakt – den dritten Takt hat Reger als „melancholisch“ bezeichnet (s. o.) – treten vor allem in den langsamen Variationen deutlicher hervor. Im Prinzip aber entfernen sich die Varia tionen stark vom Thema, aus dem allenfalls Motivkonstellationen und Gerüstelemente Verwendung finden. In der toccatenartigen neunten Variation allerdings erscheint die diastematische Gestalt des Themas, rhythmisch in eine Folge von gleichmäßigen Sechzehnteln aufgelöst, im Pedal, darüber erklingen zwischen den Händen alternierende Akkordfolgen. Zu Verschleierung bzw. Variation der Themenstruktur tragen bei Techniken wie Streichung oder Austausch von Takten und neue Kombination von Thementeilen. Das bewegte Fugenthema kontrastiert deutlich zum Variationsthema. Im Gegensatz zu den Choralfantasien werden im vorliegenden Werk beide Themen nicht zueinander finden, d. h. auf die apotheotische Verknüpfung von Thema und Fugenthema verzichtet Reger in op. 73. Paul Thissen 23 Samstag, 6. August 2016 | 18.30 Uhr Bernhard Buttmann, Nürnberg Programm | Dom St. Martin J. G. Rheinberger (1839–1901) 4. Sonate a-Moll „Tonus peregrinus“ op. 98 Tempo moderato Intermezzo Andantino Fuga cromatica J. S. Bach (1685–1750) Praeludium et Fuga in c BWV 546 M. Reger (1873–1916) Introduction, Passacaglia und Fuge e-Moll op. 127 24 Bernhard Buttmann I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Sein beruflicher Werdegang führte ihn im Jahre 1985 an die Christuskirche Bochum, wo ihn als Dirigent eine enge Zusammenarbeit mit den Bochumer Symphonikern verband. Mit den Bochumer Orgeltagen und den von ihm initiierten Bochumer Bach-Tagen setzte er vielbeachtete musikalische Impulse in der Region. Bernhard Buttmann wurde 1958 in München geboren und erhielt bereits frühzeitig seine musikalische Ausbildung an Klavier und Orgel. Darüber hinaus wirkte Bernhard Buttmann in den Jahren 1987 bis 1994 als Dirigent des Bielefelder Musikvereins und leitete einige Jahre eine Orgelklasse an der Musikhochschule Dortmund. Nach dem Abitur studierte er an der Musikhochschule seiner Heimatstadt Konzertfach Orgel (Prof. Hedwig Bilgram) und Dirigieren (Prof. Hermann Michael) und ergänzte seine Ausbildung auf Meisterkursen von Michael Schneider, Flor Peeters und Albert de Klerk. Seit 2002 ist Bernhard Buttmann als Kirchenmusikdirektor an Nürnbergs ältester Hauptkirche St. Sebald tätig, wo er ein umfassendes musikalisches Programm verantwortet und als Organist und Dirigent in zahlreichen Konzerten auftritt. Er war Künstlerischer Berater beim Bau der neuen Konzertorgeln in Bochum (Auditorium Maximum der Ruhr-Universität) und Dortmund (Philharmonie), ist seit vielen Jahren regelmäßiger Gast prominenter Orgelfestivals Europas und wirkt als Juror bei internationalen Orgelwettbewerben. Zahlreiche Rundfunkaufnahmen und CDEinspielungen dokumentieren sein weitgespanntes Repertoire von der Epoche des Frühbarock bis hin zu Uraufführungen zeitgenössischer Kompositionen. Eine Gesamteinspielung der Orgelwerke Max Regers ist beim Label OehmsClassics erschienen. Bernhard Buttmann ist Preisträger des VI. Internationalen Johann-Sebastian-BachWettbewerbs Leipzig 1980, des III. Internationalen Anton-Bruckner-Wettbewerbs Linz 1982 sowie des I. Internationalen Karl-Richter-Wettbewerbs Berlin 1988. 25 Zum Programm | 6. August 2016 – Bernhard Buttmann Josef Gabriel Rheinberger wirkte in München als Komponist und gefragter Professor für Komposition. Seine Musik ist handwerklich durchaus gut gemacht, wurde von der Kritik aber nicht selten als etwas steif und mitunter uninspiriert angesehen. Rheinberger kommt das große Verdienst zu, durch die von seinen Orgelsonaten ausgehende Hinwendung zum weltlichen, konzertanten Orgelspiel das Instrument, das nach Bachs Tod an die äußerste musikalische Peripherie gedrängt wurde und auch im Gottesdienst allenfalls als Andachtsgenerator fungierte, wieder in den Blickpunkt des Interesses gerückt zu haben. Rheinberger schrieb 20 Orgelsonaten. Die Sonaten I bis IV zeigen folgende Charakteristika: dreisätzige Anlage; der Einleitungssatz orientiert sich an der Sonatenhauptsatzform, die Mittelsätze wollen romantische Ausdrucksformen erschließen, die Schlusssätze sind als Fugen gearbeitet. Im Fall der 4. Sonate a-moll „Tonus peregrinus“ op. 98 wird innerhalb des Kopfsatzes 26 aus der Formel des 9. Psalmtons, des sogenannten „tonus peregrinus“, das Seitenthema gewonnen. Ähnlich wie im Eröffnungssatz der 1. Sonate f-Moll für Orgel von Felix Mendelssohn Bartholdy gewinnt die „weltliche“ Gattung „Sonate“ durch die Integration eines in der Kirchenmusik beheimateten Themas eine gleichsam geistliche Dimension. Den Mittelsatz („Intermezzo“) hat Rheinberger später in anderen Kontexten wiederverwendet. Die Verknüpfung von Fugenthema und Psalmtonzitat am Ende des Schlusssatzes, einer Fuge mit einem intrikaten chromatischen Thema, evoziert nicht nur eine apotheotische Steigerung – Reger wird in zahlreichen seiner Werke auf diese Technik zurückgreifen –, sondern auch eine zyklische Geschlossenheit des Werkganzen. Johann Sebastian Bach entwickelt die mehrteilige Form des norddeutschen Präludiums (Tunder, Buxtehude u. a.) zu einer bipolaren Form von Praeludium (im Allgemeinen thematisch eher freier gearbeitet) und Fuge (thematisch streng gearbeitet). Formal basiert das Praeludium BWV 546 auf der Idee des Solokonzerts mit dem typischen Wechsel von Ritornell und Episode, wobei der für das Solokonzert substantielle Kontrast von Solo und Tutti deutlich zurückgedrängt ist; da Manualwechsel offenbar nicht intendiert sind, entsteht eine Art Solo-Klang einzig durch das Pausieren des Pedals in den Episoden. Das das Präludium eröffnende Ritornell präsentiert eine Reihe von expressiven Elementen: dialogische Akkorde mit Doppelvorhalten, Seufzermotivik, neapolitanischer Sextakkord, aber auch die Antizipation der Triolenbewegung, die die Episoden-Teile prägen und als Kontrasubjekt eines schlichten Fugato-Themas dienen. Das Präludium, „in Leipzig vollendet […] ist so überaus gewaltig, daß es die Fuge fast zu Boden drückt“. Mit diesen Worten deutet der Bach-Biograf Philipp Spitta das eher schwache Erscheinungsbild der Fuge I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 an, mit der das Präludium überliefert ist. Werner Breig vermutet, dass die Fuge nicht aus der Feder Bachs stammt, sondern von Johann Peter Kellner, von dem die Abschrift stammt, selbst als Ergänzung des Präludiums geschrieben wurde. Mit Introduktion, Passacaglia und Fuge e-Moll op. 127 wandte Max Reger sich nach siebeneinhalb Jahren (im Herst 1905 entstand die „Zweite Suite“ g-Moll op. 92) erstmals wieder der Orgel zu. Das Werk, entstanden zwischen dem 8. April und dem 16. Mai 1913, ist, wie einem Brief Regers vom 28. Oktober 1912 an seinen Dienstherrn Herzog Georg II. zu entnehmen ist, einem Kompositionsauftrag zu verdanken: Die Stadt Breslau hat zur Erinnerung an das Befreiungsjahr 1813 eine große Musikhalle mit Riesenorgel gebaut: diese neue Musikhalle soll mit Orgel im Sommer 1913 eingeweiht werden; nun soll ich für diese Feier auch was schreiben: ein neues großes Werk für Orgel und Orchester schreiben; ich habe zugesagt.“ Die Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit mag Reger bewogen haben, sich auf eine Komposition für Orgel allein zu beschränken. Bemerkenswert ist Regers in einem Brief an Fritz Stein formulierte Bewertung der stilistischen Ausrichtung seines neuesten Opus: „Das Werk ist klassisch durchsichtig [Unterstreichungen von Reger]; ich mache Front gegen alle ‚Verstiegenheit‘ gegen alle ‚Überladung‘ etc. etc. in jeder Beziehung. Das ist die ‚Frucht‘ Meiningens; diese ‚Kur‘ ist mir ganz famos bekommen [...] u. wäre sie sehr vielen notwendig!“ Die Uraufführung erfolgte am 24. September 1913 in der Jahrhunderthalle in Breslau durch Karl Straube. Die Reaktion von Publikum und Presse war zwiespältig. Noch 1923 schrieb Hermann Keller: „Seltsam: Es sind dieselben Akkordmassen, dieselben Passagen im ff, dieselben Pianointermezzi wie einst, aber sie haben die hinreißende Gewalt der früheren Werke verloren […].“ Wie dem auch sei, der Aspekt des „Klassisch-Durchsichtigen“ hat, vergleicht man op. 127 mit den fis-Moll Variationen op. 73, durchaus seine Gültigkeit, zumindest wenn man ihn auf Passacaglia und Fuge beschränkt, allerdings kann man auch den Eindruck des Schematischen nicht von der Hand weisen, der wiederum besonders für die Introduktion Gültigkeit hat, deren Faktur typisch für zahlreiche andere Werke Regers ist: Passagen mit geballter Akkordik alternieren mit virtuosem Figurenwerk bzw. mit Inseln der Ruhe. Betrachtet man das Thema der Passacaglia und vergleicht es mit früheren PassacagliaThemen Regers (z. B. op. 63 Nr. 6 und op. 96), so fällt auf, dass Reger um „Ausbalancieren von Tonalität und Chromatik“ (Martin Weyer) bemüht ist. Der Passacaglia liegen 26 Variationen zugrunde, von denen eine relativ große Zahl aus durchsichtigem, ja mitunter geradezu filigranem Figurenwerk besteht; lediglich die beiden letzten Variationen greifen die massive und wuchernde 27 28 I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Akkordik des Anfangs der Introduktion wieder auf. Die Fuge, unterbrochen durch zwei Abschnitte in der Art eines Intermezzos, ist eine Doppelfuge. Die Leichtigkeit des ersten Fugenthemas, das motivisch mit dem Passacagliathema verwandt ist, lässt das zweite Fugenthema aus op. 135 b (1915 entstanden) ahnen. Hier wie dort führt die Kombination beider Themen das jeweilige Werk zu einem triumphalen Ende. Paul Thissen 29 Samstag, 13. August 2016 | 18.30 Uhr Adriano Falcioni, Perugia (I) 30 Programm | Dom St. Martin F. Liszt (1811–1888) Präludium und Fuge über B-A-C-H J. S. Bach (1685–1750) Ciaccona d-Moll (Transkription Ulisse Matthey) Praeludium und Fuge cis-Moll (Transkription Max Reger) M. Reger (1873–1916) Erste Sonate fis-Moll op. 33 Phantasie – Intermezzo – Passacaglia Adriano Falcioni I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Studien an der Freiburger Musikhochschule bei Prof. Klemens Schnorr, in London bei Nicolas Kynaston und in Paris bei Marie Claire Alain. Falcioni besuchte Meisterklassenkurse in Haarlem (Holland) und Göteborg (Schweden) mit B. Winsemius, F. Chapelet, G. Leonhardt, L. F. Tagliavini, L. Lohmann, J. van Oortmerssen und J. Guillou und gewann mehrere Preise bei internationalen Orgelwettbewerben in Europa und den USA. Adriano Falcioni lehrt am Konservatorium von Sassari und in zahlreichen Meisterklassen in Europa und Südafrika (Universität von Pretoria). > www.adrianofalcioni.com Adriano Falcioni, geboren in Terni (Italien), ist Domorganist an der Kathedrale St. Lorenz in Perugia und internationaler Konzert organist. Er studierte am Konservatorium in Perugia bei W. van de Pol und vervollständigte seine 31 Zum Programm | 13. August 2016 – Adriano Falcioni Nach Bach einen Verfall organistischer Kultur anzunehmen, die nach achtenswerten, doch kaum mehr als episodischen Bemühungen Mendelssohns und Schumanns durch Franz Liszt zu neuer Blüte gekommen sei, ist als Topos heute common sense. Heinrich Reimann, Organist der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und Lehrer Karl Straubes, dienen die beiden auf Bach bezogenen Orgelwerke Liszts – neben Präludium und Fuge über B-A-C-H auch die Weinen, Klagen-Variationen – zur Rettung des Komponisten schlechthin. Er schreibt: „Jedermann weiß, wie sturmbewegt Liszts Leben war. In dem wilden Meere, auf dem sein Lebensschiff trieb, bilden jene beiden Orgelkompositionen […] ein kleines Eiland von wundervoll ernster, fast düsterer Schönheit.“ Reimann spricht Liszt das Verdienst der Erneuerung der Orgelmusik zu: „Auf Bach´scher Grundlage [...] ist ein neuer Stile geschaffen; […] es sind Werke, die, auf der Höhe der Zeit stehend, die Orgelmusik 32 aus der niederen, dumpfen Atmosphäre, in die sie wie in einen Kerker gebannt war, in die hohen ätherischen Regionen des Lichts und der reinen Kunst gehoben haben.“ Präludium und Fuge über den Namen B-A-C-H entstand als Auftragswerk anlässlich der Wiedereinweihung der LadegastOrgel im Merseburger Dom im Jahr 1855. Liszt konnte das Werk allerdings nicht rechtzeitig vollenden; als Ersatz wurde seine „Ad nos“-Fantasie gespielt. Die Uraufführung der B-A-C-H-Komposition erfolgte am 13. Mai 1856 durch Alexander Winterberger, dem die Komposition auch gewidmet ist. Das Werk gehört zu den sogenannten anagrammatischen Kompositionen. Bach selbst war wohl der Erste, der die aus seinem Namen sich ergebende Viertonfolge, zwei im Sekundabstand sequenzierte Halbtöne, bewusst als musikalisches Motiv benutzte. Liszts Huldigung erschöpft sich keinesfalls nur in der immer wieder in klavieristische Virtuosität mündende Verarbeitung des Namensmotivs, sondern schlägt sich zudem nieder in zahlreichen Annäherungen an Bach´sche Kompositionskonzepte, ohne dass es dabei zu exakten Zitaten kommt. Johann Sebastian Bachs Ciaccona (der Begriff verweist ursprünglich auf eine Tanzform, bezeichnet im weiteren Verlauf – wie „Passacaglia“ – Variationen über einem ostinaten Bass, wobei die Führung des Basses freier sein kann) ist in der Originalfassung der Schlusssatz der Partita d-Moll BWV 1004 für Violine solo. Hinsichtlich Umfang (mit einer Aufführungsdauer von ca. 15 Minuten ist es Bachs längster einzelner Instrumentalsatz überhaupt) und technischem Anspruch darf die Ciaccona zu den Gipfelwerken der Violin-Literatur gezählt werden, das mehrfach für Tasteninstrumente bearbeitet wurde. Einem achttaktigen Thema folgen 31 Variationen. Wie Bach es gelingt, angesichts der Beschränktheit des Streichinstruments z. B. durch Abwandlung der Bassformel, den I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Wechsel von akkordischer und imitatorischer Anlage sowie dem Alternieren von zwei-, drei- und vierstimmigem Satzgefüge die Spannung des Hörers aufrecht zu erhalten, kann nur uneingeschränkte Bewunderung hervorrufen. Insofern ist ein Vergleich der Bearbeitung mit dem Original durchaus lohnend. Insbesondere Bachs Klavierwerk, vor allem das Wohltemperierte Klavier ist über die Jahrhunderte hindurch für alle bedeutenden Komponisten Basis der Aneignung kontrapunktischer Kompositionstechniken gewesen. Kaum ein Komponist jedoch hat Bach so sehr als Vorbild gesehen wie Max Reger. Häufig wurden Bach´sche Werke bearbeitet oder arrangiert (Mozart hat z. B. Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier für Streichquartett bearbeitet). Den Rahmen des heutigen Konzerts bilden Bearbeitungen Max Regers, der, was durchaus bemerkenswert ist, während seines ganzen Lebens Bach´sche Werke bearbeitet hat. Man sah hierfür nicht zuletzt eine in Regers Psyche gründende Motivation, war Johann Sebastian Bach für ihn, den vom Vater Verachteten, doch „Anfang und Ende aller Musik“, sein musikalischer „Allvater“, den er auch als „Musikgottvater“ anbetete, aber auch die „Possessivität“ von Regers Wesen dient als Erklärung. „Reger“, so heißt es, „kann der Tradition nur begegnen, indem er sich ihrer bemächtigt, indem er sie sich zu eigen macht, sie bearbeitet". Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung von August Schmidt-Lindner, der mit Reger bei der Herausgabe der Klavierwerke Bachs zusammengearbeitet hat: „Den Gedanken, dass das Werk, welches er unter seinen Händen habe, in diesem Augenblick sein Eigentum sei, konnte er in höchst dramatischer Weise äußern, wollte ihn ein besorgter Akademiker zur Rechenschaft ziehen“. Von besonderer Bedeutung war für ihn das Wohltemperierte Klavier. In einem Brief, in dem er seinem Wunsch Ausdruck verleiht, als Universitätsmusikdirektor in Leipzig auch Vorlesungen zur Musik zu halten, skizziert er eine musikgeschichtliche Vorlesungsreihe: „Ich würde zuerst anfangen mit Kontrapunkt und Fuge unter spezieller Berücksichtigung des ,Wohltemperierten Klaviers‘ von J. S. Bach.“ So nimmt es nicht Wunder, dass Reger eine Reihe von Präludien und Fugen aus dem WT für Orgel bearbeitet hat. Im Gegensatz zur Bearbeitung der Zweistimmigen Inventionen für Orgel, denen Bach eine dritte Stimme, eine Pedalstimme hinzufügt und so eine „Schule des Triospiels“ realisiert, lässt die Bearbeitung von Präludium und Fuge in cis BWV 849 aus dem Ersten Teil des WT, gleich den übrigen Bearbeitungen von Präludien und Fugen aus dem WT, den Notentext unangetastet, weshalb man korrekterweise von Transkriptionen sprechen muss. Entscheidend ist jedoch, dass durch die Hinzufügung von differenzierter dynamischer Gestaltung und eindeutig fixierter 33 Artikulation aus den Bach´schen Kompositionen Werke entstehen, deren klangliches Erscheinungsbild ganz dem durch das Orchester geprägten ästhetischen Ideal des späten 19. Jahrhunderts entspricht. Der Terminus „Sonate“ begegnet erstmals im 16. Jahrhundert und bezeichnet, formal völlig unverbindlich, von vokalen Modellen emanzipierte Musik für Instrumente. Die heute gängige Vorstellung des Sonatenbegriffs ist geprägt durch die Sonate der sogenannten klassisch-romantischen Epoche und wurde im Wesentlichen kodifiziert durch Adolph Bernhard Marx in seiner „Lehre von der musikalischen Komposition“ (1845). Die Idealform einer Sonate stellt der viersätzige Typus dar mit einem Kopfsatz in Sonatenhauptsatzform (Exposition mit zwei Themen, Durchführung und Reprise), dem ein schneller (Scherzo) und ein langsamer Satz sowie ein Finalsatz (häufig in Rondoform) folgen. Im Verlauf des 19. 34 Jahrhunderts lässt sich beobachten, dass Komponisten wie Franz Schubert und Franz Liszt mit der Form experimentieren, indem sie innerhalb eines einsätzigen Verlaufs Sonatenzyklus und Sonatenhauptsatzform übereinander blenden. Andererseits gibt es aber auch die Tendenz, sich von formalen Vorgaben zu lösen, mithin zu den Ursprüngen des Begriffs zurückzukehren, indem man eine Zusammenstellung verschiedener Sätze als Sonate bezeichnet, wie es erstmals wohl Felix Mendelssohn Bartholdy im Fall seiner sogenannten Orgelsonaten tut. Heinrich Reimann wird 1894 in einer Artikelserie „Orgel-Sonaten. Kritische Gänge“ argumentieren, die Sonate für Orgel müsse instrumentenbedingt flexibler sein und könne „keine Sonatenform in dem bekannten Sinne Haydn-Mozart-Beethoven’s darstellen“. Hieran knüpft Max Reger an. Am 8. April 1899 schreibt er in einem Brief an Arthur Egidi: „Eine neue Sonate [...] ist fertig. Erschrecken Sie nicht über den Titel Sonate; es ist keine Sonatenform. Der Titel ist hier nur Kollektivtitel“. Die Satzfolge der am 14. Juni 1899 von Karl Straube uraufgeführten Erste 1. Sonate op. 33 fis-Moll lautet Phantasie, Intermezzo, Passacaglia. Die Sätze werden nun allerdings nicht nur suitenartig aneinandergereiht, vielmehr eignet ihnen, wie Martin Weyer gezeigt hat, eine motivisch-thematische Substanzgemeinschaft, die auf dem ab T. 14 der Phantasie imitatorisch eingeführten Thema basiert, das in der Mitte des Intermezzos erneut erscheint und in einer zumindest Analogien aufweisenden Fassung auch die thematische Struktur der Passacaglia prägt. Die dreisätzige Anlage erinnert an die ersten vier Orgelsonaten Joseph Rheinbergers, dem Reger seine Sonate auch zukommen ließ. Im Begleitschreiben heißt es: „Hochgeehrter Herr Geheimrat! Gestatten Sie mir ergebenst, Ihnen mit diesem Briefe meine soeben erschienen 1. Orgelsonate (Fis-Moll, op. 33) zu senden und Sie um gütige Durchsicht dieses meines neuesten I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Verbrechens gegen Harmonie und Kontrapunkt etc. etc. etc. zu bitten. Gleichzeitig erlaube ich mir auch, Ihnen, hochgeehrter Herr Geheimrat, meine aufrichtigste Bewunderung für Ihre so grandiosen Orgelsonaten […] zum Ausdruck zu bringen […].“ Auf von Rheinberger offensichtlich geäußerte Kritik reagierte Reger recht verständnisvoll: Im Schreiben vom 12. Januar 1900 heißt es: „Das Werk ist sehr schwer richtig ‚genießbar‘ zu machen u. gehört sich schon ein geistvoller Organist dazu.“ Im Brief vom 1. November 1899 an den Widmungsträger Alexander Wilhelm Gottschalg, den für die Sparte Orgelmusik zuständigen Redakteur der Zeitschrift Urania, bringt Reger seine Überzeugung zum Ausdruck, die Sonate sei „ganz abweichend von meinen anderen Orgelsachen“. Tatsächlich hat mit diesem Werk die Musik für Orgel, wie bereits die massigen Akkorde des ersten Abschnitts der Phantasie – sie gliedert sich letztlich in eine Introduktion mit anschließender Fuge – offenbaren, zumindest im Hinblick auf den Parameter „Harmonik“ einen Grad von Modernität erreicht wie er kaum zuvor zu beobachten war. Das Intermezzo ist dreiteilig: Den ersten Teil prägt eine gleichsam „unendliche“ Melodie, der Mittelteil rekurriert auf das „Fugenthema“ des ersten Satzes, und der letzte Teil ist eine stark verkürzte Wiederholung des ersten Teils. Der Begriff „Passacaglia“ ist offenbar abzuleiten aus dem spanischen Ausdruck „pasar una calle“ („durch die Straße gehen“), woraus man schließen kann, dass die entsprechende, ursprünglich wohl über einem Bassmodell improvisierte Musik im Gehen auf der Straße ausgeführt wurde. In die Kunstmusik überführt, werden Variationen über einem ostinaten, also gleich bleibenden Bassmodell als Chaconne oder eben als Passacaglia bezeichnet. Nach Bachs Passacaglia, die das exemplum classicum der Gattung darstellt, konnten erst Rheinberger (Schlusssatz der 8. Orgelsonate) und Brahms (Finalsatz der 4. Symphonie) sich wieder entscheiden, eine Passacaglia zu schreiben, und Reger war es, der diesen Gattungstyp in vielerlei Gestalten zu neuer Blüte führte, wovon bereits die Passacaglia der Ersten Sonate – nach der vielleicht noch etwas unbeholfen wirkenden Passacaglia in der Suite op. 16 – beredtes Zeugnis abzulegen vermag. Paul Thissen 35 Samstag, 20. August 2016 | 18.30 Uhr Elmar Lehnen, Kevelaer (Orgel) und Hansjörg Fink, Düsseldorf (Posaune) Programm | Dom St. Martin M. Reger Choralfantasie „Ein feste Burg ist unser Gott“ op. 27 (1873–1916) E. Lehnen „Requiem für Posaune und Orgel“ (*1965) Introitus: Requiem H. Fink Kyrie (*1969)Sequenz Offertorium Sanctus/ Benedictus Agnus dei Lux aeterna Libera me In Paradisum 36 Elmar Lehnen, (Orgel) und Hansjörg Fink, (Posaune) Elmar Lehnen (Kevelaer), geboren in Hinsbeck am Niederrhein, erhielt seinen ersten Orgelunterricht bei Wolfgang Seifen (damals Lobberich, jetzt Professor an der Hochschule für Musik Berlin). Er absolvierte sein Kirchenmusikstudium an der Kirchenmusikschule St. Gregorius-Haus in Aachen, wo er später im Rahmen der C- Ausbildung Orgel und Chorleitung unterrichtete. Seine Lehrer waren hier B. Botzet, N. Richtsteig und V. Scholz. Weitere Studien führten ihn an die Schola Cantorum in Paris zu Prof. Jean-Paul Imbert, wo er sein „diplome de concert" mit Auszeichnung abschloss. Nach zehnjähriger Tätigkeit als Kantor der Pfarrei St. Anna in Mönchengladbach-Windberg wurde er im Oktober 2000 zum Basilikaorganisten der Päpstlichen Marienbasilika zu Kevelaer berufen. I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Hansjörg Fink, 1969 in Aalen geboren, erhielt bereits früh eine fundierte und stilübergreifende Ausbildung bei Paul Schreckenberger (Klassische Posaune), Bobby Burgess (Lead- und Jazzposaune) und Klaus Wagenleiter (Harmonielehre, Arrangement und Komposition). Er war Posaunist im Heeresmusikkorps in Stuttgart-Bad Cannstatt und Mitglied im Bundesjazzorchester unter Peter Herbolzheimer. Sein Musikstudium führte ihn an die Amsterdamer Hochschule der Künste in Hilversum / Niederlande; dort studierte er Jazz und Popularmusik bei Bart und Erik van Lier, klassische Posaune bei Ben van Dijk. Seit 1996 ist Hansjörg Fink Soloposaunist im World Famous Glenn Miller Orchestra und mit diesem regelmäßig auf Tournee. Darüber hinaus ist er als freischaffender Musiker tätig. Im Rahmen von Konzerten, CD-Produktionen sowie Rundfunkund Fernsehaufnahmen ist er regelmäßig mit renommierten Bigbands Europas zu hören, darunter die WDR Big Band, die SWR 37 Zum Programm | 20. August 2016 – Elmar Lehnen und Hansjörg Fink Big Band, das Jazz Orchestra of the Concertgebouw Amsterdam und die Paul Kuhn Big Band. Konzertreisen in über 70 Ländern führten ihn durch Europa und in Großstädte aller Kontinente – von Paris, Monaco, Moskau bis New York, Kapstadt, Bombay, Tokio oder Dubai. Hansjörg Fink fühlt sich als Leadspieler, Satzspieler und Solist den unterschiedlichsten Musikstilen verbunden und ist in Bigbands, Musical- und Theaterproduktionen, Popbands und auf den großen Jazz-Festivals ebenso zu Hause wie in Sinfonieorchestern, Kammermusikensembles und bei Soloprojekten. Hansjörg Fink ist auf mehr als 60 CD-Produktionen zu hören (Stand 2013). Seit 2011 lehrt Hansjörg Fink an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar im Fach Jazzposaune und Ensembleleitung. Als Dozent für Big Band und Posaune folgt er regelmäßig Einladungen zu Jazz-Workshops. > www.musikfuerorgelundposaune.de 38 Der Gattungserstling, die Phantasie für Orgel über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ op. 27, gilt als Durchbruchswerk nicht nur des Orgelkomponisten, sondern des Komponisten Max Reger überhaupt. Rudolf Buck pries die Komposition 1899 in der Allgemeinen Musik-Zeitung: „Das […] Werk kann ich den Organisten gar nicht warm genug empfehlen. […] Reger […] hat ein gewaltiges Werk geschaffen. Den Cantus firmus […] umgibt er mit reichem und ausdrucksvollem Figurenwerk, dessen Fluß durch großartige Interjektionen, die eine Choralstrophe […] als Inhalt haben, gehemmt wird. Mit Meisterschaft werden die immer dichter auftretenden realen Stimmen geführt, der Cantus firmus geht von einer Stimme in die andere über, der Anfang des Chorals wird motivisch verwandt, durchdringt das Stimmgewebe in kanonischer Weise wieder und immer wieder und führt schließlich zu brausenden überwältigenden Schlußkadenzierungen.“ Bemerkenswert ist, dass Reger selbst seine Kompositionen erst ab op. 27 gelten lässt, wohingegen er alle früheren Werke als „schreckliche Jugendsünden“ sah. Deshalb konnte Fritz Stein 1908 zu Recht feststellen, „Regers Eigenart“ beginne „sich erst bei op. 27 zu entwickeln“. Die Konzeption von op. 27, die Reger in allen nachfolgend entstandenen Choralfantasien zumindest in Grundzügen beibehält, nämlich die strophische Anlage mit Binnengliederungen – ab op. 30 kommen Einleitungen und ab op. 40 in eine Choralapotheose mündende, dem für die Symphonik des 19. Jahrhunderts so typischen per aspera ad astra-Prinzip gehorchende Steigerungsfugen hinzu –, geht zurück auf Heinrich Reimanns Choralfantasie über Wie schön leucht’ uns der Morgenstern. In einem Brief vom 1. November 1898 brachte Reger Reimann gegenüber seine Anerkennung zum Ausdruck: I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 „Ihre Choralphantasie für Orgel ,Wie schön leucht’ uns der Morgenstern!’ habe ich mir angeschafft, u. verehre ich [sic] das Werk als ein Wunder- u. Meisterwerk dieser Art! Gerade in der Benutzung u. Verarbeitung des alten Kirchenliedes liegt auch das Heil für unseren Orgelstyl!“ Was Reger hier ganz offensichtlich zum Ausdruck bringen will, ist seine Anerkennung für die Verknüpfung des Rekurses auf einen geistlichen Gehalt mit der über einen bloßen kirchenmusikalisch-funktionalen Kontext hinausweisenden Handhabung der Choralmelodie. Regers erster Beitrag zur Gattung „Choralphantasie“ geht über Reimann nun aber insofern deutlich hinaus, als er im Hinblick auf den kompositorischen und spieltechnischen Anspruch einen Maßstab setzt, der offensichtlich an die repräsentativen Orgelwerke Liszts anknüpft und einmal mehr die auch in anderen Gattungskontexten von Reger immer wieder erwähnte Vorstellung des „großen Stils“ zu realisieren sucht. Die für Regers Stil so typische Verbindung von „barocker“ Kontrapunktik und avancierter Harmonik ist in op. 27 größtenteils noch nicht vollzogen, d. h. diatonisch verlaufendes kontrapunktisches Figurenwerk und harmonische Klangballungen alternieren. Als kaum zu überbietender Effekt erweist sich dabei die Verteilung der ersten beiden Strophen auf zwei tonale Ebenen: Ist die Melodie von Spielfiguren umgeben, erklingt sie in D-Dur, die bloße Harmonisierung der Melodie dagegen erklingt hymnisch in der Mediante B-Dur. Ab der 3. Strophe („Und wenn die Welt voll Teufel wär“) entfaltet die Musik einen ausgesprochenen „tonmalerisch“-illustrativen Charakter. Die Gestaltung der letzten Strophe zeigt eine durchaus originelle Fassung einer gängigen Konzeption, nämlich der fugierten Anlage des Schlusses einer Variationenfolge: Reger präsentiert nur die erste Zeile der 4. Strophe fugiert und lässt die übrigen Choralzeilen im Verlauf der Zwischenspiele erklingen. Die plötzliche Reduktion der Dynamik nach dem Schluss der 4. Strophe mit anschließender Wiederaufnahme des ffff veranlasste Adalbert Lindner zu folgenden Worten: „Was sollen diese erschütternd wirkenden dynamischen Gegensätze anderes besagen, als daß alles irdische Ringen eitel ist, das ganze All in Staub versinkt vor Gottes Allmacht und Majestät.“ Man kann dieses Phänomen auch mit weniger hermeneutischem Ballast versehen und einfach feststellen, dass es sich um einen schon aus Liszts Fantasie und Fuge über B-A-C-H bekannten dynamischen Einbruch handelt, der den Schluss – in Analogie zu den verschiedenen Tonartenebenen des Anfangs – umso effektvoller erscheinen lässt. Grundlage des von Elmar Lehnen und Hansjörg Fink komponierten Requiem für Posaune und Kirchenorgel ist der Gregorianische Choral der Totenmesse. Die 39 Komponisten schufen Sätze mit Freiraum für Improvisation und künstlerische Gestaltung. Die Besonderheit des Konzepts besteht darin, mit stil- und spartenübergreifenden Mitteln eine Verbindung zu schaffen zwischen Kirchenmusik und Jazz. Dabei soll die Improvisation, wichtiges Stilmittel in beiden Bereichen, als Bindeglied dienen. Biblische Texte oder Andachtstexte als inhaltlicher Vorwurf sind in der Geschichte der Instrumentalmusik nichts Ungewöhnliches. Dass im 20. Jahrhundert aber ein Begriff, der eigentlich eine zentrale liturgische Gattung der katholischen Kirche bezeichnet, als programmatischer Titel selbständiger Instrumentalmusik erscheint (z. B. Hans Werner Henze, Requiem. Neun geistliche Konzerte), das „Requiem“ also vollständig vom Text gelöst und in den Bereich des Assoziativen überführt wird, ist ein bemerkenswerter Vorgang, der mit der Wahl des Begriffs „Requiem“ als Überschrift von literarischen 40 Werken in der Dichtung des 19. Jahrhunderts präfiguriert wurde. Insofern ihnen ein außermusikalisches Sujet zugrunde liegt, das als verbale Vorinformation im Titel genannt wird, sind die entsprechenden Werke im Sinn der Neudeutschen Schule als Programmmusik zu verstehen, wobei häufig der Titel allein das auf die – im Lisztschen Sinn – poetische Idee des Werks hinweisende Programm ist, das durch Satzüberschriften präzisiert werden kann. Der Text der im Missale romanum von 1570 kodifizierten Missa pro defunctis erscheint in weiten Teilen bereits in den frühesten Quellen – annähernd vollständig wahrscheinlich erstmals im dritten Viertel des 9. Jahrhunderts in einem Sakramentar gregorianischen Typs –, allerdings in der Regel in anderen Kontexten und Funktionen. Die folgenden Erläuterungen zu den einzelnen Teilen sind, ohne dass im Einzelnen die Nachweise angeführt werden, ganz einer Studie I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Damien Sicards verpflichtet und wollen nur einen ungefähren Einblick in die weit verzweigte Textgeschichte geben. Introitus Dass die Requiemmesse mit der Bitte um Ruhe beginnt („Requiem aeternam dona eis Domine“) und endet („aeternam habeas requiem“) verleiht ihr eine große Geschlossenheit. Die den Rahmen bildenden Worte „Requiem aeternam“ stellen den ältesten Teil des gesamten liturgischen Texts des Requiems dar. Sie haben ihren Ursprung – wie auch die dritte Strophe der Sequenz, „Tuba mirum“ – in dem im 1. Jahrhundert nach Christus verfassten, nicht kanonisierten IV. Buch Esra 2, 43, wo es heißt: „Exspectate pastorem vestrum, requiem aeternitatis dabit vobis, quoniam in proximo est ille qui in fine saeculi adveniet. Parati estote ad proemia regni, quia lux perpetua lucebit vobis per aeternitatem temporis“. Die hier gebrauchten Bilder tauchen allerdings auch in den kanonisierten biblischen Texten auf. Insbesondere die Bitte um die ewige Ruhe bezeichnet Sicard als „une constante de la langue biblique“. Die Antiphon Requiem aeternam dona eis, Domine ist schon im zwischen 850 und 875 entstandenen Sakramentar von Lorsch zu finden und fehlt in keiner der Handschriften, die ab dem 9. Jahrhundert entstanden sind. Graduale Das Responsorium Requiem aeternam wird schon in den frühesten Messproprien für Verstorbene am häufigsten mit dem Vers In memoria aeterna gebraucht. Tractus Als Tractus begegnet sehr oft Ps. 130 (129) De profundis. Der heute noch gebräuchliche Tractus der Totenmesse mit dem Responsorium Absolve domine gehört zu den acht Tracten des gregorianischen Repertoires, denen ein außerbiblischer Text zugrunde liegt. Sequenz Neben Victimae paschali laudes, Veni, sancte spiritus und Lauda Sion, salvatorem zählt das Dies irae – man darf es wohl als das „repräsentativste, kulturell folgenreichste und darum berühmteste Gedicht des lateinischen Mittelalters“ bezeichnen – zu den Sequenzen, die auch nach dem Konzil von Trient der Liturgie erhalten blieben. Das älteste Zeugnis des Textes, dessen Autorschaft als ungeklärt angesehen werden muss, stammt aus dem 12. Jahrhundert, allerdings fehlen die 11. Strophe und der der 17. Strophe folgende Text, der in den Analecta Hymnica auf zwei Strophen zu vier bzw. zwei Zeilen verteilt ist. In der heute bekannten Form findet sich der Text erstmals in franziskanischen Handschriften aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Nachdem es bereits in Messbüchern deutscher und französischer Provenienz (z. B. Magdeburg, 1480 und Reims, 1491) zu finden ist, wurde das Dies irae 1570 in das Formular der Totenmesse integriert 41 und blieb bis 1969 verbindlich. Hinsichtlich der Formstruktur sowie der Vers- und Reimtechnik zeigen die beiden Schlussstrophen einen Bruch: Während die 17 vorausgehenden Strophen jeweils dreizeilig sind mit den Reimschemata aaa, bbb, ccc [...], ist die letzte Strophe vierzeilig mit dem Reimschema aabb und die letzte Strophe zweizeilig, und zwar ohne Reim. Das Gedicht teilt sich in zwei Abschnitte zu sechs bzw. elf Strophen, die inhaltlich zwar deutlich unterschieden, dennoch aber aufeinander bezogen sind. Die ersten sechs Strophen sind gleichsam eine dramatische Vision des Jüngsten Gerichts am Ende der Zeit. Die Reflexion der apokalyptischen Situation, die Betroffenheit des Indviduums thematisieren die Strophen 7 bis 17. Die beiden später hinzugefügten abschließenden Strophen sind fürbittendes Gebet, wodurch der ursprünglich möglicherweise für die 42 persönliche Andacht bestimmte Text gleichsam liturgiefähig wurde. Die schriftliche Überlieferung der Melodie setzt erst gegen 1250 ein. Wiewohl genuin liturgische Musik, ist die Melodie des Dies irae auch außerhalb des Kirchenraums in zahllosen Kompositionen als Chiffre des Todes und seiner Schrecken in ernsten und ironisch-karikierenden Kontexten in Erscheinung getreten. Offertorium Als Offertorium findet man in den frühesten Zeugnissen der Exequien am häufigsten das Domine Jesu Christe. Es bildet inhaltlich insofern die Fortsetzung der Schlussstrophe der Sequenz, da der Text die Bitte für die Verstorbenen weiter ausführt. Auffällig ist, dass im Gegensatz zum Offertorium der übrigen Proprien in der Missa pro defunctis der Psalmvers erhalten geblieben ist. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass in der Totenmesse der Opfergang der Gläubigen, die Darbringung von Wein und Brot, noch vollzogen wurde, während man ansonsten im 12. Jahrhundert auf den Opfergang der Gläubigen verzichtete. Agnus Dei Die Bitten „miserere nobis“ und „dona nobis pacem“ werden in der Missa pro defunctis ersetzt durch die Worte „dona eis requiem“ bzw. „dona eis requiem sempiternam“, die seit dem 11. Jahrhundert überliefert sind. Communio In den Zeugnissen der ersten Requiem-Messen ist die Communio-Antiphon am häufigsten das Lux aeterna. Als Antiphon dient aber auch der Text Chorus angelorum, der im Missale romanum den Vers der Prozessionsantiphon In paradisum bildet. In einem franziskanischen Rituale aus dem 13. Jahrhundert erscheint als Antiphon Qui Lazarum resuscitasti. Der Gedanke an den von Jesus I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 auferweckten Lazarus, der auch in der Antiphon Chorus Angelorum aufgegriffen wird, erscheint bereits im Sakramentar von Lorsch (hier ist das Qui Lazarum resuscitasti ein responsorialer Gesang). Auch die Communio der Missa pro defunctis hat über Jahrhunderte hinweg ihren Psalmvers behalten, während ihn die Communiogesänge der übrigen Propriumsgesänge schon verloren hatten. Dies ist umso erstaunlicher, als im Mittelalter in der Totenmesse die Kommunion der Gläubigen völlig unüblich war. Libera me Nach dem Requiem war in der Zeit zwischen dem Konzil von Trient und dem II. Vaticanum die Absolutio ad tumbam vorgeschrieben. Mit schwarzem Vespermantel angetan, schritt der Priester mit den Messdienern zur in Altarnähe aufgestellten, mit schwarzem Tuch bedeckten Tumba, während der Kantor oder die Schola das Responsorium Libera me, Domine sangen, das mit dem Vers „Tremens factus sum“ in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts auch im Totenoffizium begegnet. Der Text rekapituliert weitgehend das Vokabular der Sequenz. In Paradisum Dieser Gesang gehört nicht mehr zum Proprium der Totenmesse. Die Antiphon In paradisum ist eine der am häufigsten gebrauchten Antiphonen in der Totenliturgie. Es handelt sich um eine Prozessionantiphon, die entweder den Weg des Verstorbenen von seinem Zuhause zur Kirche begleitet hat, oder aber – gemäß der Überzahl der Quellen – den Weg von der Kirche zum Ort des Begräbnisses. „Chorus angelorum te suscipiat“ ist ein bereits sehr früh und häufig – auch in unterschiedlichen Funktionen und mit Varianten – verwendeter Text. Erst vom 13. Jahrhundert an dient der Text als Vers zur Antiphon In paradisum. 43 Samstag, 27. August 2016 | 18.30 Uhr Franz Josef Stoiber, Regensburg Programm | Dom St. Martin Improvisation: Suite francaise Plein jeu – Duo – Trio – Basse de Trompette – Recit de Nazard – Cromorne en taille – Dialogue sur les Grands jeux M. E. Bossi (1861–1925) Intermezzo lirico As-Dur M. Reger Zweite Sonate op. 60 (1873–1916) Improvisation – Invocation – Introduktion und Fuge E. Elgar (1844–1937) Nimrod (aus Enigma-Variationen) (Transkription Boris Hellmers) Improvisation:Symphonische Skizzen über gegebene Themen Introduktion/Allegro – Andante – Scherzando – Adagio – Finale 44 Franz Josef Stoiber I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 an der Musikhochschule in Würzburg (Orgel bei Prof. G. Kaunzinger und Prof. G. Weinberger, Tonsatz bei Prof. Z. Gárdonyi), künstlerisches Hauptfach Orgel an der Musikhochschule in Stuttgart (bei Prof. Jon Laukvik) und Orgelimprovisation bei Prof. Peter Planyavsky (Wien). Franz Josef Stoiber lernte während seiner Schulzeit Orgel beim Passauer Domorganisten Walther R. Schuster und beim Regensburger Domorganisten Eberhard Kraus, studierte Kirchenmusik und Musiktheorie Nach dreijähriger Tätigkeit als hauptamtlicher musikalischer Assistent am Dom in Würzburg und als Lehrbeauftragter für Musiktheorie an der Musikhochschule Würzburg folgte Stoiber 1989 einem Ruf als Dozent für Orgel und Musiktheorie an die Fachakademie für katholische Kirchenmusik und Musikerziehung, heute Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg. Am 1. März 1996 wurde Franz Josef Stoiber zum Domorganisten am Dom St. Peter in Regensburg berufen; seit 1997 ist er auch als Orgellehrer bei den „Regensburger Domspatzen" tätig. 2003 erhielt Franz Josef Stoiber eine ordentliche Professur für Orgel (Schwerpunkt Liturgisches Orgelspiel/Improvisation) an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg, die er von 2003 - 2011 als Rektor leitete. Konzerte, CD-Produktionen, Gastdozenturen (u.a. in Deutschland, Portugal, Kroatien, Russland, Japan, England und Tschechien), kompositorische Tätigkeit, Aufsätze und Buchveröffentlichungen ergänzen seine Aktivitäten. Zu den besonderen Höhepunkten der letzten Jahre zählt 2009 die Weihe der neuen Regensburger Domorgel (mit 80 Registern auf 4 Manualen und Pedal die größte freihängende Orgel der Welt, erbaut von Orgelbau Rieger aus Schwarzach/Vorarlberg), die Franz Josef Stoiber maßgeblich mitkonzipierte. 45 Zum Programm | 27. August 2016 – Franz Josef Stoiber Das auffälligste Merkmal der französischen Orgelmusik des 17./18. Jahrhunderts ist die Herausbildung von fest umrissenen Typen, die durch die Verknüpfung von Satztechnik und Registrierung gekennzeichnet sind. Plein Jeu bedeutet Mixturplenum (Prinzipalregister und Mixturen). In der Regel handelt es sich um einen eher zur Homophonie neigenden Tonsatz. Das Duo weist auf einen Satz mit zwei gleichberechtigten Stimmen hin, während das Trio ein dreistimmiger Satz ist, entweder für zwei Manuale und Pedal oder aber mit zwei Stimmen für die rechte und einer Stimme für die linke Hand. Récit de Nazard weist darauf hin, dass eine mit dem Register „Nazard“ gespielte Stimme hervortritt, und zwar meist im Sopran. Cromorne en taille heißt ganz schlicht, dass die vom Cromorne gespielte Solo-Stimme in der Mitte (also im Tenor oder Alt) liegt. „Dialogue sur les grands jeux“ bedeutet ein Dialogisieren der Zungenplena (zu den Zungen gehören z. B. die Trompetenfamilie und 46 sogenannten kleinbechrige Zungen wie Cromorne etc.) Unter den italienischen Komponisten ist es Marco Enrico Bossi, der nach Girolamo Frescobaldi die wohl gehaltvollsten Werke für Orgel komponiert hat. Bossi – als Konzertorganist genoss er internationales Ansehen – war zunächst Domorganist in Como und schließlich Direktor des Konservatoriums in Bologna sowie des Liceo musicale Santa Cecilia in Rom. Bossi gehört zu den Komponisten, die zur Erneuerung der Instrumentalmusik in Italien Wesentliches beigetragen haben. Die relativ zahlreichen Orgelkompositionen Bossis – vielen eignet eine programmatisch-deskriptive Ausrichtung – schenken eine besondere Aufmerksamkeit der Harmonik, die im Spätwerk sich der impressionistischen Klanglichkeit nähert. Dem Intermezzo lirico liegt eine A-B-A-Form zugrunde. Der A-Teil basiert auf einem Quintsprung-Motiv, das, mal zur Quarte gestaut, mal zur Sexte gespreizt oder aber in eine Umkehrung gefasst, in immer andere Farben eingebunden erklingt. Eine unvermittelte chromatische Rückung nach e-Moll kündigt den von mehr Bewegungsenergie geprägten B-Teil an, dessen Motivik sich, wiewohl kontrastierend, sich vollständig aus dem A-Teil ableiten lässt. Wiewohl Max Reger im Brief vom 10. Februar 1900 an den Kritiker Georg Göhler meinte, die Choralfantasie sei „aus innersten ästhetischen Gründen der Natur der Orgel eher zusagend als die Form der Sonate“ vollendete er knapp zwei Jahre nach der Ersten Sonate (am 17. Dezember 1901) seine Zweite Sonate d-Moll, op. 60, deren Satzüberschriften „Improvisation“, „Invocation“, „Introduktion und Fuge“ lauten. Wiewohl der eröffnende Satz mit „Improvisation“ überschrieben ist, wurde immer wieder versucht, ihn mit Elementen der „Sonatenhauptsatzform“ in Verbindung zu bringen: Die Takte 1 bis 26 I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 („Hauptsatz“) reihen vier thematische Gestalten und schließen mit der Wiederholung des Anfangs; die Takte 27 bis 35 präsentieren ein als lyrischen „Seitensatz“ verstehbares Thema, dem Material folgt, das wieder der Sphäre des Hauptsatzes angehört. Eine kurze imitatorische Abhandlung des ersten thematischen Gedankens schließt den Teil ab. Die nächsten neun, in Tempo und Dynamik zurückgenommenen Takte – sie sollen, so argumentieren etwas hilflos die Apologeten der Sonatenform, die Position der Durchführung einnehmen, der „fast nichts mehr zu tun bleibt“ (Martin Weyer) – präsentieren ein neues Thema, dem sich, vor der „Reprise“, die Wiederholung des zweiten thematischen Gedankens des „Hauptsatzes“ anschließt. Die Frage, inwieweit es tatsächlich sinnvoll ist, den Satz auf der Folie der Sonatenform zu betrachten, kann hier nicht erörtert werden, ist aber durchaus diskussionswürdig. Die ausgesprochen programmatisch gestaltete „Invocation“ hebt an mit einer schmerzlichen, rezitativartigen Geste, die im weiteren Verlauf in ein harmonisches Gewand gekleidet erklingt, um dann im pppp zu ersterben. Anschließend steigert sich der Satz zu einer sich lauthals aufbäumenden Klage, die jedoch wieder in sich zusammenbricht. Ganz ähnlich trostreich wie Liszt sein Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen mit dem Choral „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ schließen lässt, beendet Reger das Dunkel der „Invocation“ mit dem Zitat des Chorals „Vom Himmel hoch“. Ganz anders als der einleitungsartige Teil der „Phantasie“ der Sonate fis-Moll hat die „Introduction“ der Zweiten Sonate einen ausgesprochenen Scherzo-Charakter mit Reminiszenzen an die vorgängigen Sätze und gleichzeitiger Präsentation von Material, das in der Fuge erneut zur Geltung kommt, wobei der Themenkopf der Fuge an das der „Reprise“ vorausgehende Thema im ersten Satz erinnert. Die hier aufscheinende Dichte der motivisch-thematischen Arbeit rechtfertigt einmal mehr den Terminus „Sonate“. In der handschriftlichen Partitur der Variationen über ein eigenes Thema op. 36 notierte Edward Elgar den Vermerk „Enigma“; das griechische Wort für „Rätsel“ wird später Bestandteil des Titels. „Rätselhaft“ sind die den Variationen beigegebenen Kürzel etc.; sie verweisen auf einzelne Personen aus dem Umfeld Elgars, die mit jeweils einer Variation charakterisiert werden sollen. Nimrod ist gemäß biblischer Überlieferung ein „großer Jäger vor dem Herrn“ und ist Elgars bestem Freund und Verleger bei Novello, August Jaeger, gewidmet. Elgar wies darauf hin, dass die Musik sich auf eine ganz konkrete Situation bezog, nämlich auf ein Gespräch zwischen ihm und Jäger über die langsamen Sätze in den Klaviersonaten Beethovens. Die „Nimrod“-Variation soll der Atmosphäre des langsamen Satzes der Beethoven'schen Pathetique verpflichtet sein. Paul Thissen 47 Samstag, 3. September 2016 | 19.30 Uhr Domorganist Daniel Beckmann, Mainz Programm | Pfarrkirche St. Stephan Abschlusskonzert M. Reger Choralfantasie „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (1873–1916) op. 52/2 J. S. Bach Sinfonia der Kantate (1685–1750) „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ BWV 106 [ Transkription F.-A. Guilmant (1837–1911)] Choral „Ertöt uns durch dein Güte“ BWV 22 [ Transkription M. Duruflé (1902–1986)] „Komm, süßer Tod“ [ Transkription V. Fox (1912–1980)] G. Bovet (* 1943) M. Reger 48 T ango de segundo tono, para los Barbaros teutonicos que pisan la Musica con los pies (für die teutonischen Barbaren, die die Musik mit Füßen treten) Tango de quinto tono, de mano izquierda (für die linke Hand) Fantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46 > Vita siehe Seite 7 Zum Programm | 3. September 2016 – Daniel Beckmann Nicht selten begegnete man der Tatsache, dass der Katholik Max Reger – er bezeichnete sich selbst einmal als „katholisch bis in die Fingerspitzen“ – in seinen Orgelfantasien auf evangelische Kirchenlieder rekurrierte, mit Verwunderung. Reger selbst reagierte darauf in einem Brief an Anton Gloetzner vom 13.10.1899 mit den Worten: „Wegen meiner Choralfantasien bin ich schon von manchen Organisten für Protestant gehalten worden. Ist ja egal; mir ist die Hauptsache, dass man mich für einen guten Musiker hält.“ Wichtiger ist jedoch, dass Reger das Kirchenlied nicht mehr als funktionales Choralvorspiel konzipierte oder aber, wie z. B. Mendelssohn im ersten Satz der Sonate op. 65/1, als semantisierendes Element in eine Orgelsonate integrierte, sondern aus ihm eine eigene große Form autonomer Musik entwickelte, die durchaus gleichberechtigt neben die bis dahin von ihm komponierte Klavier- und Kammermusik trat, und zwar unter konsequenter Beibehaltung einer avancierten Satztechnik. In nur zwei Jahren, zwischen 1898 und 1900 nämlich, komponierte Reger die Reihe von sieben Choralfantasien. Bereits die zuerst entstandene Choralfantasie Freu dich sehr, o meine Seele op. 27 zeigt eine Konzeption, die Reger in nahezu allen nachfolgend entstandenen Choralfantasien zumindest in Grundzügen beibehält, nämlich die strophische Anlage mit Binnengliederungen; ab op. 30 kommen Einleitungen und ab op. 40 in eine Choralapotheose mündende Steigerungsfugen hinzu. Die Phantasie für Orgel über den Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ op. 52. Nr. 2 gehört zu Regers beliebtesten Orgelwerken und darf wohl als eine der überzeugendsten Choralphantasien gelten, was nicht zuletzt in der äußerst gelungenen Umsetzung des programmatischen Gehalts gründen dürfte. Die Einleitung zeichnet, unterbrochen durch den zweimaligen „Weckruf“ im fff der Orgel, das Dunkel der auf den Erlöser wartenden Welt. Nach einer kurzen I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Fermate setzt über einem Quintklang im Pedal, umwoben von einem „lichten“ (so Regers Registrierungsanweisung) Tonsatz, nahezu unhörbar, aber leicht hervortretend, die Choralmelodie ein, deren Zeilen durch kurze Überleitungen, für die die punktierte Figur aus Takt 1 der Einleitung konstitutiv ist, getrennt sind. Die Wiederholung des Stollens („Mitternacht heißt diese Stunde“) lässt alle Stimmen, also den Choral und ruhig fließende Sechzehntel, auf einem Manual, also in einer Klangfarbe erklingen. Dabei differenziert Reger je nach Textsituation der einzelnen Zeilen zwischen „dunkler“ („Mitternacht heißt diese Stunde“) und „sehr ‚lichter‘ Registrierung“ („Sie rufen uns mit hellem Munde“). Der zweite Teil der Strophe („Wohlauf, der Bräut’gam kommt“) variiert die Textur der drei ersten Zeilen. Die in der zweiten Strophe zum Ausdruck gebrachte freudige Haltung schlägt sich in der durchgehenden Triolenbewegung und dem schnelleren Tempo nieder. Die Wiederholung des 49 Stollens – Melodie im Pedal, darüber rasche Terzgänge in den Manualen – führt zu einem ersten Höhepunkt. Mit Einsatz des Abgesangs („Nun komm, du werte Kron“) nimmt die Musik einen gänzlich neuen Charakter an. Eine völlig verinnerlichte Musik lässt die Melodie als colorierten Choral erklingen. „Adagio con espressione“ überschrieben, nimmt dieser Teil gleichsam die Funktion eines langsamen Sonatensatzes ein. Er verklingt – ganz wie die Musik zur 4. Strophe in op. 40 Nr. 1 („Wie schön leucht’t uns der Morgenstern“) – im pppp mit einem nochmaligen Diminuendo und endet auf der Dominante, der nach einer kurzen Generalpause das Fugenthema, das, ähnlich dem Fugenthema der Mozart-Variationen, den kongenialen Gegenentwurf zur Melodie bildet und ganz dem freudigen Affekt der 3. Strophe verpflichtet ist. Die Klimax bildet auch in op. 52 Nr. 2 die höchst eindringlich wirkende Verbindung von Fugenthema und eben der 3. Choralstrophe, wobei 50 Reger hier mit dem kurzfristigen Ausweichen in das terzverwandte C-Dur nach der mit dem letzten Melodieton verbundenen Tonika E-Dur eine seiner bemerkenswertesten Schlusswendungen komponiert hat, die das abschließende E-Dur umso triumphaler erscheinen lässt. Die unter der Bezeichnung „Actus tragicus“ bekannte Kantate Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit BWV 106 J. S. Bachs entstand wahrscheinlich 1707, also während Bachs Mühlhauser Zeit. Die Kantate des 22jährigen ist, wir Alfred Dürr formuliert, „ein Geniewerk, wie es auch großen Meistern nur selten gelingt“ und mit dem Bach „alle seine Zeitgenossen mit einem Schlage weit hinter sich läßt“, ein „Stück Weltliteratur“. Die von Alexandre Guilmant für Orgel bearbeitete, an eine Pastorale erinnernde „Sonatina“ gibt eine präludienartige Einstimmung zur Trauermusik: „Nach dem Abschied von der Erde hat die menschliche Seele auf der Weide des göttlichen Hirten Ruhe gefunden.“ (Martin Geck). 1951 transkribierte Maurice Duruflé zwei Sätze aus Kantaten J. S. Bachs für die Orgel, u.a. aus der Kantate „Jesus nahm zu sich die Zwölfe“ BWV 22 den Schlusssatz „Ertöt’ uns durch dein’ Güte“. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Bach diese Kantate im Rahmen seiner Bewerbung um das Amt des Thomaskantors geprobt hat. Der die Kantate beschließende Satz ist ein vierstimmiger Choral, der jedoch ergänzt wird um einen eigenständigen Instrumentalsatz (Oboe und Streicher) mit durchlaufender Sechzehntelbewegung. Das Lied Komm, süßer Tod stammt aus dem 1736 in Leipzig vom Zeitzer Schlosskantor Georg Christian Schemelli herausgegebenen Gesangbuch, das „954 geistreiche, sowohl alte als neue Lieder und Arien“ enthält. Von den Melodien heißt es in der Vorrede, I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 sie seien „von Sr. Hochedl. Herrn Johann Sebastian Bach [...] theils ganz neu componiret, theilös auch von Ihm im Generals-Baß verbessert worden“. Nur 69 Liedern sind auch Melodien beigegeben, und in lediglich zwei Fällen gilt die Autorschaft Bachs als gesichert. Guy Bovets Tangos ecclesiasticos präsentieren Tangos in Kirchentonarten und gewinnen ihren Reiz somit aus der Konfrontation von weltlicher und geistlicher Assoziationssphäre. Der Titel des Tango de segundo tono, para los Barbaros teutonicos que pisan la Musica con los pies (für die teutonischen Barbaren, die die Musik mit Füßen treten) spielt auf die deutsche Praxis des Pedalspiels an, das in Spanien unbekannt war. Im Tango de quinto tono, de mano izquierda (für die linke Hand) soll die im Bass liegende Melodie von einem charakteristischen Solo-Register gespielt werden. Im Schreiben vom 26. Januar 1900 an Alexander Wilhelm Gottschalg, den für die Sparte Orgelmusik zuständigen Redakteur der Zeitschrift Urania, kündigt Max Reger Phantasie und Fuge über B–A–C–H als ein Werk technisch gleichermaßen wie ästhetisch höchsten Anspruchs an: „Das muß ein Werk größten Styls und Kalibers werden“ und ich werde „mir alle Mühe damit geben“. Und im November schreibt er: „Darüber [gemeint ist die Choralfantasie „Straf´ mich nicht in deinem Zorn“ op. 40 Nr. 2] werden sich die Herren Organisten wahrscheinlich grausig entsetzt haben“, aber es kommt „noch ‚toller‘ […] mein op. 46 z. B.“ Tatsächlich dürfte Regers Beitrag der bedeutendste unter den zahlreichen B–A–C–H-Kompositionen sein. Das Werk, von Straube später einmal als „Symphonie in zwei Sätzen“ bezeichnet, ist dem, wie bereits gesagt, vom Autor hoch geschätzten „Herrn Geheimrat Professor Dr. Joseph Rheinberger in Verehrung zugeeignet“. Wie Adalbert Lindner überliefert, soll der Widmungsträger, der als Professor für Komposition und Orgelspiel an der Königlichen Musikschule in München tätig war, Reger gegenüber geäußert haben, er glaube nicht, „dass Menschenfinger Ihr Werk spielen und Menschenohren es ertragen können“. Im Brief vom 18. Dezember 1900 an Joseph Renner räumte Reger ein, wiewohl ansonsten jedweder Kritik gegenüber äußerst empfindlich, er sei in dem Werk „bis an die äußerste Grenze der harmonischen u. technischen ‚Möglichkeit’ gegangen.“ Dennoch konnte op. 46 zum erfolgreichsten Orgelwerk Regers und innerhalb des Gesamtwerks zu der am meisten gewürdigten Komposition Regers avancieren. In nahezu jedem Takt der von einer den Tonsatz an die Grenzen der Tonalität führenden Chromatik geprägten Phantasie ist das anagrammatische, in verschiedenen Werten und Tempi präsentierte B-A-C-H-Motiv enthalten. Ein wesentliches 51 52 Gestaltungsmerkmal ist dabei der Rekurs auf die dem Motiv bereits innewohnende Sequenz, wobei die Tonfolge einer Vielzahl von harmonischen Interpretationen unterworfen ist. Das im Wesentlichen akkordische Gepräge des ersten Abschnitts, der gleich zu Anfang das mit bis zu zehnstimmigen Akkorden harmonisierte und sequenzierte Motiv monumenthaft in Erscheinung treten lässt, weicht im zweiten Abschnitt (ab T. 12) skalenartigen Führungen und zahlreichen figurativen Elementen. Die anfängliche Geringstimmigkeit des ab T. 31 zweistimmig anhebenden Schlussteils – das Motto wird mit glitzernden 32teln kontrapunktiert – erinnert am ehesten an die Toccatenfaktur barocker-norddeutscher Provenienz, während der weitere Verlauf mit Terzenskalen und virtuosen Läufen an Liszt’sche Klaviertechnik erinnert. Ein größerer Gegensatz als der zwischen dem strahlend-triumphalen Ende der Phantasie – von besonderer Wirkung ist hier die Wiederholung der anfänglichen Akkordfolge mit der Verdurung des dritten Akkords, d. h. zum dritten Motivton „c“ erklingt nun statt c-Moll die Tonart C-Dur – und dem Beginn der Fuge, einer Doppelfuge, ist kaum denkbar: Im vierfachen p und mit dunkler Farbe setzt – aufgrund der relativ breiten Notenwerte quasi im stile antico – das erste Thema ein, dessen Intervallstruktur ganz aus dem initiierenden Motto gewonnen ist. Die Fuge ist unter Einschluss besonderer kontrapunktischer Techniken wie Krebs und Umkehrung ganz am Bach’schen Vorbild ausgerichtet. Das zweite, motorische Thema verweist mit seiner Wechselnotenmotivik auf den Beginn des dritten Abschnitts der Phantasie. Nach zwei durch ein Zwischenspiel getrennten Durchführungen des Themas erklingt nurmehr noch der Themenkopf, das B-A-C-H-Motiv, in der Originalgestalt, während die Fortspinnung in „moto retrogrado“, also in Krebsgestalt erscheint. Der Fugenverlauf ist im Hinblick auf die Parameter Tempo und Dynamik eingebunden in eine allmähliche, aber stetig sich entwickelnde Steigerungswelle, die mit dem Einsatz des zweiten Themas einen erneuten, vor allem dynamisch nochmals gesteigerten Anlauf nimmt. Damit ist die Basis gelegt für einen ganz dem seit Beethovens Symphonik allgegenwärtigen Schema per aspera ad astra verpflichteten Verlauf, der schließlich in einen Dominantseptakkord mit anschließender Generalpause mündet, wollte man mit dem Vokabular der Rhetorik sprechen, mit einer exclamatio, die den Rückgriff auf den Anfang der Phantasie erzwingt, die Apotheose des B-A-C-H-Motivs, kontrapunktiert von der Motivik des zweiten Fugenthemas. Was zu guter Letzt folgt, ist die Sequenzierung des Motivs, „sempre Org. Pl. e stringendo“, ein immer schnelleres Emporschrauben, das in eine zum strahlenden B-Dur-Schlussakkord führende Kadenz mündet. Paul Thissen 53 Dispositionen der Mainzer Domorgeln Querhaus (Klais 1928/29 & Kemper 1965) 54 I. Manual C–a3 („Empore I“) Südchorette Pedal C–f 1 Südchorette III. Manual C–a3 („Empore II") Nordwand, schwellbar Pedal C–f 1 Nordwand Quintade 16' Prinzipal 8' Gedacktflöte8' Gemshorn (C-H neu)8' Oktave 4' Querflöte (C-H neu) 4' Quintadena4' Nasat22/3' Oktave2' Waldflöte2' Mixtur VI 11/3' 1/2' Zimbel III Oboe 8' Helltrompete4' Tremulant Subbass16‘ Flötbass8‘ Choralbass4‘ Trompete8‘ Gedackt16‘ Prinzipal8‘ Hohlflöte8‘ Quintade8‘ Salizional8‘ Oktave4‘ Rohrflöte4‘ Blockflöte2‘ Terzflöte (ab c0)13/5‘ 8/9‘ None 1/2‘ Oktävlein Rauschpfeife II 22/3‘ Mixtur V 1‘ Rankett16‘ Trompete ged. 8‘ Geigenregal4‘ Tremulant Prinzipal16‘ Gedackt (Transmiss. II) 16‘ Oktavbass8‘ Quintade (Transmiss. II) 8‘ Pedaloktave4‘ Nachthorn2‘ Rauschpfeife IV (aus Klais-Cornett IV - V) Posaune16‘ Trompete4‘ Legende: Klais (1928/29): schwarz Kemper (1962–65): grau Killinger/Breitmann (2003): rot I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Westchor (Klais 1928/29) II. Manual C–a3 („West I") Chorgestühl IV. Manual schw. C–a3 („West II“) Chorgestühl, schwellbar Pedal C–f1 Chorgestühl Prinzipal16‘ Prinzipal8‘ Offenflöte8‘ Schweizerpfeife8‘ Nachthorngedackt8‘ Oktav4‘ Nachthorn4‘ Quinte22/3‘ Oktave2‘ Mixtur IV-VI Zymbel VI 1’ Bombarde16‘ Trompete8‘ Tremulant Spitzflöte8‘ Lieblich Gedackt 8‘ Unda maris 8‘ Prinzipal4‘ Blockflöte4‘ Nachthorn2‘ Nasat11/3‘ Sifflöte1’ Sesquialter II 22/3‘ Scharff IV Krummhorn8‘ Clairon4‘ Tremulant Untersatz32‘ Prinzipalbaß16‘ Subbaß16‘ Oktavbaß8‘ Flötbaß8‘ Pedaloktav4‘ Rauschpfeife IV 4‘ Posaune16‘ Schalmey4‘ Cornett2‘ Wächterhäuschen nicht schwellbar Kardinalstrompete 8' 55 Ostchor (Kemper 1962) – seit Oktober 2014 stillgelegt 56 V. Manual C–a3 („Ost I") Kaiserlogen VI. Manual C–a3 („Ost II") Kaiserlogen, schwellbar Pedal C–f1 Kaiserlogen Pommer16‘ Prinzipal8‘ Holzflöte8‘ Spitzgambe8‘ Oktave4‘ Quintade4‘ Gedackt4‘ Quinte22/3‘ Rauschpfeife III Scharff IV Mixtur VIII Spanische Fanfare (horizontal) 16‘ Spanische Trompete (horizontal) 8‘ Tremulant Spitzgedackt8‘ Quintade8‘ Lochflöte4‘ Strichflöte4‘ Prinzipal2‘ Waldflöte2‘ Nonensesquialter III Zwergzymbel V Spanische Trompete (horizontal) 8‘ Spanische Fanfare (horizontal) 4‘ Pommer16‘ Subbass16‘ Oktavbass8‘ Gedecktbass8‘ Choralbass4‘ Quintade2‘ Rauschpfeife V Spanische Posaune (horizontal) 16‘ Spanische Trompete (horizontal) 8‘ Spanische Trompete (horizontal) 4‘ Nicht schwellbar: Salizet8‘ Tremulant I n t e r nat i ona l e r Or gelsommer 2016 Generalspieltisch (Kemper 1965) Koppeln Spielhilfen Zwei weitere Kemper-Spieltische West I/Emp. I (II/I) Emp.II/Emp.I (III/I) West II/Emp. I (IV/I) Ost I/Emp. I (V/I) Ost II/Emp. I (VI/I) Emp. II/West I (III/II) West II/West I Ost I/West I (V/II) Ost II/West I (VI/II) West II/Emp. II (IV/III) Ost II/Ost I (VI/V) Emp.I/Ped (I/P) West I/Ped (II/P) Emp. II/Ped (III/P) West II/Ped (IV/P) Ost I/Ped (V/P) Ost II/Ped (VI/P) Handregister 4 freie Kombinationen Handregister zu Kombination 2 freie Pedalkombinationen (A+B) Zungen ab Manual 16’ ab 32’ ab Empore II ab Einzelabsteller Tutti West Tutti Ost Tutti Empore General Tutti 3 Schwelltritte für Manuale II, IV, VI Crescendowalze Walze ab Walze West ab Walze Ost ab Koppeln in Walze ab 1. im Westchorgestühl für West I, West II, Empore II, Ped. West und Nordwand 2. im Ostchor für Ost I, Ost II, Ped Ost 57 St. Stephan (Klais 2013) I. Hauptwerk C-a3 II. Positiv C-a3 III Schwellwerk C-a3 Praestant16‘ Principal8‘ Concertflöte8‘ Viola da Gamba 8‘ Rohrflöte8‘ Octave4‘ Blockflöte2‘ Quinte2 2/3‘ Superoctave2‘ Comet V (ab fis0)8‘ Mixtur IV 2‘ Trompete16‘ Trompete 8‘ Principal8‘ Dulciana8‘ Gedackt8‘ Principal4‘ Gemshorn4‘ Doublette2‘ Larigot11/3‘ Mixtur III 11/3‘ Cromorne8‘ Tremulant Lieblich Gedackt 16‘ Willigis-Bass (aus Nr. 40) 32‘ Flûte harmonique 8‘ Untersatz (aus Nr. 42) 32‘ Bordun8‘ Majorbass16‘ Gambe8‘ Principalbass16‘ Vox coelestis 8‘ Subbass16‘ Fugara4‘ Octavbass8‘ Traversflöte4‘ Gedacktbass8‘ 2/3 Quintflöte2 ‘ Tenoroctave4‘ Posaune16‘ Flautino2‘ Trompete8‘ Terzflöte13/5‘ Progressio II-V 11/3‘ Basson16‘ Koppeln: Trompette8‘ II-I, III-I, III-II, I-P, II-P, III-P, Super III-P, Super III-I Hautbois8‘ Setzeranlage: 10.000 Speichermöglichkeiten in 10 Gruppen Clairon4‘ Sequenzer als Druckknöpfe und Pistons Spieltraktur: mechanisch Tremulant www.orgel-st-stephan.de 58 Pedal C-f1 Registertraktur: elektrisch Stimmtonhöhe: a = 438 Hz bei 15° C Anzahl der Pfeifen: 3.006 Informationen zur Orgelmusik im Dom Auf den Internetseiten www.domorgel-mainz.de können Sie sich umfassend über die Orgelmusik innerhalb und außerhalb der Liturgie, anstehende Konzerttermine sowie Geschichte und Besonderheiten der großen Mainzer Domorgelanlage informieren. Wenn Sie darüber hinaus Interesse an regelmäßigen Informationen in Form eines Newsletters haben, teilen Sie uns bitte Ihren Namen und Ihre E-Mail Adresse per Post, Fax oder E-Mail (Betreff: Adressverteiler) mit. So werden Sie umgehend in die Datenbank aufgenommen. Besuchen Sie uns auch bei facebook: www.facebook.com/domorgelmainz 59 Zum Autor: Prof. Dr. Paul Thissen Institut der Universität Paderborn und der Hochschule für Musik Detmold. Promotion (Zitattechniken in der Symphonik des 19. Jahrhunderts) sowie Habilitation (Destruktion und Entfunktionalisierung einer Gattung. Requiemkompositionen im 20. Jahrhundert) und Erlangung der venia legendi für das Fach „Historische Musikwissenschaft“ an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden. Seit 1987 Leiter des Referats Kirchenmusik im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn. 2011 Ernennung zum Honorarprofessor für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik Detmold. Paul Thissen wurde 1955 in Kleve geboren. Studium der Kirchenmusik (A-Examen), Schulmusik und Germanistik (1. Staatsexamen) an der Folkwang-Hochschule und der Universität Essen. Studium der Musikwissenschaft am Musikwissenschaftlichen 60 Spielstätten Dom St. Martin Markt 55116 Mainz St. Stephan Weißgasse 12 55116 Mainz 61 62 Eine neue Orgel für den Mainzer Dom Bereits seit 1986 wird immer wieder über einen Neubau der Mainzer Domorgelanlage nachgedacht. Nach zahlreichen Entwürfen, Symposien, Akustikgutachten, Klangproben und Orgelbauwettbewerben konnte sich das Konsortium der international renommierten Orgelbauwerkstätten Rieger (Vorarlberg/Österreich) und Goll (Luzern/Schweiz) durchsetzen. Bankverbindung: VR-Bank Mainz NL der Volksbank Alzey-Worms eG IBAN: DE80 5509 1200 0082 5453 10 Weitere Informationen finden Sie auf den Internetseiten www.domorgel-mainz.de Das Gesamtkonzept sieht eine sukzessive Erneuerung der mehrteiligen Orgelanlage unter Wiederverwendung der erhaltenen Substanz der Domorgel von 1928 (Klais/Bonn) und Aufgabe der Zubauten aus den 1960er Jahren (Kemper/Lübeck) vor. Dem liturgischen Anforderungsprofil entsprechend wird es wieder in beiden Chorräumen Teilwerke zur Begleitung des Chorgesangs (Westchor) und der antiphonalen Offiziumspsalmodie (Ostchor) geben. Der bisherige Standort Querhaus hat sich nicht bewährt und wird zu Gunsten eines neuen Orgelwerks an der Marienkapelle aufgegeben. Um dieses ambitionierte Vorhaben realisieren zu können, sind wir auf großzügige Spenden angewiesen und freuen uns über die Spendenzusage des Mainzer Dombauvereins in Höhe von 500.000 Euro. Auch Sie können mit einer zweckgebundenen Spende (Stichwort „Domorgel“) an den Dombauverein zum Gelingen dieses Jahrhundertprojekts beitragen! 63
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