Turner-Syndrom - BAG Selbsthilfe

Turner-Syndrom
Das Turner-Syndrom (auch Ullrich-Turner-Syndrom) hat seinen Namen
den beiden Ärzten Otto Ullrich (deutscher Kinderarzt) und Henry Turner
(amerikanischer Hormonspezialist) zu verdanken. Beide haben unabhängig
voneinander das Syndrom beschrieben. Ullrich im Jahr 1928 und Turner
dann im Jahr 1938.
Das Turner-Syndrom entsteht durch eine als Monosomie X bezeichnete,
nicht vererbbare Veränderung im Erbgut, von der nur Mädchen bzw.
Frauen betroffen sind. Etwa eines von 2.500 neugeborenen Mädchen ist
vom Turner-Syndrom betroffen. In Deutschland leben schätzungsweise
16.000 Betroffene.
Erscheinungsformen
Beim Turner-Syndrom gelten die folgenden klinischen
Symptome als charakteristisch:
· Leitsymptom: vermindertes Körperwachstum
· Leitsymptom: fehlgebildete Ovarien (Eierstöcke)
· Fehlbildung der inneren Organe
Herz: Aortenisthmusstenose, Aortenstenose, Klappenanomalien
Niere: z. B. Hufeisenniere
Schilddrüse: Schilddrüsenunterfunktion
· Fehlbildungen im HNO-Bereich: Verformung der
Ohrmuscheln, Schallleitungsschwerhörigkeit,
Gotischer Gaumen, kleiner Unterkiefer, Zahnfehlstellung, kurzer und breiter Hals
· Fehlbildungen an den Augen: Lidspaltenschrägstellung, weiter Augenabstand, herabhängende
Augenlider, Strabismus, Fehl- bzw. Kurzsichtigkeit
· Fehlbildungen an der Haut: Lymphödeme
(Schwellungen an Hand- und Fußrücken), Pterygium
colli (Flügelfell), Pigmentnävi (auffällig viele oder große
Leberflecken), tiefer Haaransatz, Nageldysplasie,
weiter Abstand der Mamillen oder nach innen gerichtete Mamillen
· knöcherne Fehlbildungen: z. B. Cubitus valgus,
Madelungsche Deformität, Skoliose, Schildthorax
· Magen-Darm-Trakt: z. B. Morbus Crohn,
Colitis ulcerosa
Ursache/Diagnose/Prognose
Beim Turner-Syndrom ist in allen oder in einem Teil der Zellen nur ein X-Chromosom anstelle des sonst vorhandenen
Geschlechtschromosomenpaars vorhanden (daher die
Bezeichnung Monosomie X). Die X-Chromosomen enthalten Erbinformation für die Entwicklung der Eierstöcke,
für das Größenwachstum und für weitere körperliche
Merkmale.
Ursache für die Anomalie ist eine Fehlverteilung der Chromosomen bei der Zellteilung.
Als Leitsymptome sind Kleinwuchs und Unfruchtbarkeit aufgrund einer Unterentwicklung der Eierstöcke zu
nennen. Beim Turner-Syndrom liegen die ersten diagnoserelevanten Hinweise bereits vor der Geburt vor. Eine
Diagnosestellung erfolgt pränatal anhand einer Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung). Postnatal erfolgt
die Diagnosestellung mittels Chromosomenanalyse,
wenn klinische Zeichen vorliegen bzw. wenn das TurnerSyndrom vermutet wird.
Die klinischen Zeichen (siehe Erscheinungsformen) können sehr unterschiedlich sein, i. d. R. treten nicht alle Symptome gleichzeitig auf. Manchmal ist die Ausprägung
auch so schwach, dass eine Diagnose erst im späteren Alter gestellt wird, z. B. aufgrund des Minderwuchses oder
des unerfüllten Kinderwunsches, bei einer sonst unauffälligen Patientin.
Betroffene sind normal intelligent und können ein eigenständiges Leben führen. Allerdings besteht ein erhöhtes
Risiko, an Diabetes zu erkranken.
Behandlung
Eine Therapie mit Wachstumshormonen kann den Minderwuchs etwas ausgleichen und sollte möglichst früh
begonnen werden (ca. ab dem vierten Lebensjahr). Unbehandelt erreichen die betroffenen Mädchen eine durchschnittliche Körpergröße von nur 145 cm. Die Reaktion
auf diese Therapie ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Nicht
immer erzielt die Behandlung den gewünschten Erfolg.
Etwa ab dem zwölften Lebensjahr umfasst die Therapie
zudem die Gabe von weiblichen Geschlechtshormonen,
um die bei einem Turner-Syndrom typischerweise ausblei-
148
16-04-18_WirinderSchule.indd 148
18.04.16 14:17
bende Pubertät einzuleiten. Dies führt zur Entwicklung
der Brust und zum Einsetzen der Regelblutung. Zudem
wirken sich die Hormone günstig auf die Entwicklung der
kleinen Schamlippen, der Scheide und der Gebärmutter
aus. Die Unfruchtbarkeit bleibt allerdings aufgrund der
nicht ausreichend ausgebildeten Eierstöcke meist bestehen. Die Gabe von Geschlechtshormonen ist auch für die
Knochenentwicklung notwendig, da es sonst zu Osteoporose kommen kann.
Durch das Turner-Syndrom verursachte Herzfehler oder
Fehlbildungen der Nieren erfordern ggf. operative Eingriffe. Daher sind regelmäßige kardiologische Untersuchungen notwendig. Zudem sind regelmäßige endokrinologische, HNO-ärztliche, gynäkologische und augenärztliche
Kontrollen erforderlich.
Je nachdem, welche weiteren Symptome vorliegen, können zusätzliche Therapien notwendig sein. Bei Ödemen
bspw. können Lymphdrainagen, das Tragen von Kompressionsstrümpfen und Schwimmen hilfreich sein.
Hinweise für Lehrkräfte
Lehrkräfte sollten über das Krankheitsbild informiert
sein und auf die Probleme der betroffenen Mädchen
eingehen. Es ist darauf zu achten, dass Stigmatisierungen vermieden werden und die Mädchen keine
Außenseiterrolle einnehmen.
Es hat sich gezeigt, dass ein Referat im Unterricht
zum Thema Turner-Syndrom helfen kann, Stigmatisierungen abzubauen bzw. vorzubeugen.
Materialien für Lehrkräfte
· Informationsbroschüren und einen Flyer der TurnerSyndrom-Vereinigung Deutschland e. V. können
Lehrkräfte über die Geschäftsstelle der Vereinigung
anfordern.
Selbsthilfe/Patientenorganisation
Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e. V.
www.turner-syndrom.de
Der Verein ist bundesweit aktiv und gliedert sich in Regionalgruppen. Mehrmals jährlich werden verschiedene Veranstaltungen durchgeführt, sowohl auf Regionalebene als auch bundesweit. Zudem gibt es ein von
einer Diplompsychologin betreutes Informations- und
Beratungstelefon. Der Verein ist auf Kongressen und
Selbsthilfeveranstaltungen mit Informationsständen vertreten, um in der Öffentlichkeit auf das Turner-Syndrom
aufmerksam zu machen.
Quellenangaben:
Häusler, G./Haverkamp, F.: Ullrich-Turner-Syndrom, Informationen für Eltern, Betroffene und Fachpersonal. novonordisk, 2009. Ranke, M.: Ullrich-Turner-Syndrom, Eine Einführung. Pfizer, 2002.
Schweizer, R.: Ullrich-Turner-Syndrom, Ratgeber für Patienten. Sandoz, 2010.
149
16-04-18_WirinderSchule.indd 149
18.04.16 14:17