utopisch dystopisch. Visionen einer `idealen` Gesellschaft

u t o p i s c h
dystopisch.
V i s i o n e n
einer ‚idealen‘
Gesellschaft
Interdisziplinäre Tagung, 07.10. - 08.10.2016 | Universität Hildesheim
Bruno Taut, 1920, Alpine Architektur: Die Monte Rosa-Kette Teil 3. Blatt 18
Programmübersicht
Freitag, 07.10.2016
09:00 – 10:30 Anmeldung
10:30 – 11:30 Eröffnungsvortrag: Irene Leser | Jessica Schwarz
Keynote I – Greta Taubert: Der Traum ist aus. Warum ich Utopien
selbst ausprobiere
11:30 – 12:30 Mittagsimbiss
12:30 – 14:45 Parallel Sessions A | Werkstattgespräch A
Parallel Session A1: Funktionalität in Utopien
• Alexander Neupert-Doppler: Utopiebewusstsein. Zu den Grundlagen
eines funktionalen Utopiebegriffs
• David Salomon: Das Utopische in der Demokratie
• Christoph Panzer: „... Until It Burns The Crusader Armies In Dabiq“ –
Endzeitvorstellungen in der Propaganda des Islamischen Staats
Parallel Session A2: Protestbewegungen
• Hans-Martin Schönherr-Mann: Protest, Solidarität und Utopie
• Paul Sörensen: Now-here? (Post-) Anarchistische Überlegungen
zur Vergegenwärtigung von Utopien
• Sandra Antelmann: Die Utopie einer Carecommony
Werkstattgespräch A
• Mathias Becker | Tim Sandweg: Katastrophenphantasie
14:45 – 15:15 Kaffeepause
15:15 – 16:00 Keynote II – Aljoscha Hofmann: (Alb-)Träume des Städtebaus
16:00 – 16:15 kurze Pause
16:15 – 18:30 Parallel Sessions B | Werkstattgespräch B
Parallel Session B1: Städtebau
• Harald Kegler: Der Plan von „Amaurotum“
• Sandra Meireis: Mikro-Utopismus in der Architektur
• Michael Dickhardt: Die neue Stadt in Asien, Afrika und Europa zwischen
Utopie, Neotopie und Dystopie
Parallel Session B2: Medien, Diskurs und Gesellschaftskritik
• Anne Grüne: „Big Brother is still watching you“ – Medien und Kommuni kation in politischen Utopien/Dystopien
• Radostin Kaloianov: Die Atopien migrantischer Kritik
• Ina-Maria Maahs: Utopie today?! – Vom Tod und Leben der Utopie
Werkstattgespräch B • Holger Berg | Maria Jolanta Welfens | Christa Liedte: Erlösung
und Apokalypse – Utopien und Dystopien im Spannungsfeld für nach haltige Gesellschaften
18:30 – 18:45 kurze Pause
18:45 – 19:30 Keynote III – Torsten Richter: Zur Dystopie der Unsterblichkeit
ab 19:30
Abendbuffet
Foyer
H4
N006
N007
N010
H4
N007
N010
N006
H4
Samstag, 08.10.2016
09:00 – 09:45 Keynote IV – Hannes Schammann: Migrationspolitik als utopistisches Projekt H4
09:45 – 10:00 kurze Pause
10:00 – 12:15 Parallel Sessions C | Werkstattgespräch C
Parallel Session C1: Nachhaltigkeit
N007
• Felix Ekardt: Suffizienz und Postwachstum – Utopie oder Dystopie für
das Jahrhundert der Nachhaltigkeit?
• Jochen Dallmer: Utopien der Nachhaltigkeit. Eine Kritik der Öko-Askese
• Daniel Buschmann: Zukunftspolitiken. Eine machtkritische Untersuchung
der Problemverständnisse stark rezipierter Studien über gesellschaftliche
Transformationen zur Nachhaltigkeit
Parallel Session C2: Historische Erziehungswissenschaft
N010
• Hans-Ulrich Grunder: Alle gleich oder jede(r) anders? Erziehungs- und
Bildungsideen in utopischen Konzepten
• Robert Pfützner: Das Ende der Erziehung in der Utopie? Die Pädagogik
des Sozialen im Frühsozialismus
• Maria Fölling-Albers: Wenn Utopia auf Realität trifft... Konzeption und
Veränderungen am Beispiel der israelischen Kibbutzim
Werkstattgespräch C
N006
• Matthias Grundmann | Steffen Andreae | Frank Osterloh: Gemeinsam!
Eine reale Utopie?!
12:15 – 13:15 Mittagssuppe
13:15 – 14:15 Postersession
Atrium
14:15 – 15:00 Keynote V – Ulrike Guérot: Europa als Republik? Mehr als eine Utopie
H4
15:00 – 15:15 kurze Pause
15:15 – 17:30 Parallel Sessions D
Parallel Session D1: Gesellschaft und Soziales
N006
• Sebastian Fritsch: Der Kommunismus als Epoche der Ruhe – Die Utopie
von William Morris
• Yannick Kalff: Das Ende der Erwerbsarbeit. Industrie 4.0 zwischen Utopie
und Dystopie
• Gerrit von Jorck: Zeitwohlstand. Ein neues gesellschaftliches Narrativ?
Parallel Session D2: Bildung
N007
• Jana Trumann: Perspektiven des Lebens und Lernens in Gemeinschafts projekten
• Matthias Rürup: Zur Utopie des virtuellen Lernens: Was von Schule
übrig bleibt
• Robert Schneider: Bildung und Utopie. Inklusive Schule als „Ort“ des
Möglichen und Transformationsimpuls des Wirklichen
Parallel Session D3: Literatur und Film
N010
• Emanuel Herold: Zeitschichten der Utopie. Zur Konstruktion historischer
Zeit in spekulativer Literatur
• Karsten Senkbeil: Menschen/affen und „Noble Wilde“: Utopische und
dystopische Gesellschaft in „Dawn of the Planet of Apes“
• Volker Wortmann: Die Idee der Vielen in der Darstellung von Zombie apokalypsen
Freitag, 07.10.2016
Einführung
10:30 – 10:45
H4
utopisch dystopisch. Visionen einer „idealen“ Gesellschaft
Irene Leser|Dr. Jessica Schwarz – Mitarbeiterinnen am Institut für Sozialwissenschaften,
Universität Hildesheim
[email protected]
Vor 500 Jahren, im Jahr 1516, verfasste Thomas Morus mit dem Buch „Utopia“ einen Entwurf
einer „idealen“ Gesellschaft. Auf Grundlage rationaler Gleichheitsgrundsätze zwischen
Frauen und Männern, einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden, einer in der Freizeit
nach Bildung strebenden Gesellschaft, die als oberste Prämisse gemeinwohlorientiert und
vom Privateigentum befreit ist, leben die Utopier in Glückseligkeit, fernab vom Rest der
Welt auf einer Insel. „Die Utopier sind ein gewandtes, witziges und kunstfertiges Volk. […]
Jeder einzelne [ist] gesetzeskundig.“ Und „nirgends ist das Volk tüchtiger, und nirgends ist
der Staat glücklicher als in Utopien.“ (Morus 2015, S. 50ff.) – Eine vor 500 Jahren fantastische
Sozialutopie, die manchen in der gegenwärtigen Gesellschaft verwirklicht scheint. Andere
nehmen auf sie Bezug, um neue Grenzen auszuloten. Die Grenzauslotung erfolgt entweder
in der Form der Beschwörung eines glücklicheren Lebens in den Trümmern der alten
Gesellschaftsordnung oder im Sinne einer dystopischen Vision einer neuen Welt(ordnung)
mit negativem Ausgang.
Auf Grundlage einer gesellschaftspolitischen Status-quo Analyse möchten wir in dieser
Tagung das wissenschaftliche und alltagsweltliche Verständnis von gesellschaftlicher
Entwicklung, technischen Innovationen und politischer Ordnung auf den Prüfstand stellen.
Wir möchten die Tagung zum Anlass nehmen, bestehende Utopien und Dystopien kritisch
zu reflektieren und Entwürfe einer utopischen bzw. dystopischen Zukunft neu zu denken.
Die Tagung will kritische Rückblicke, Gegenwartsentwürfe und utopisch-dystopische
Zukunftsentwürfe aus der Perspektive verschiedener Disziplinen thematisieren.
In Keynotes, Vorträgen, Werkstattgesprächen und Posterpräsentationen soll den
Fragen nachgegangen werden, welche Innovationskraft bzw. welches Potential aus
utopischen und dystopischen Gesellschaftsentwürfen hervorgeht; ob und inwieweit
Utopien und Dystopien Zeugen von tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen
oder Widerstandsmomenten gegen eine wahrgenommene und/oder ausgesprochene
Alternativlosigkeit sind. Es soll thematisiert werden, welche nachhaltigen Lebensmodelle
sich als Alternativen in Gesellschaft und Politik aus Utopien und Dystopien entwickelt
haben; welche dieser Entwicklungen sich als Diffusion utopischer oder dystopischer Ideale
in der Realität nachzeichnen lassen; welche neuen Zukunftsentwürfe sich auf der Grundlage
aktueller gesellschaftspolitischer Diskurse entwickeln. Wir möchten in Erfahrung bringen,
inwiefern die Neukonzeptionen an Vorgänger anknüpfen und welche ordnungspolitischen
Konsequenzen sich daraus ergeben.
Keynote I
10:45 – 11:30
H4
Der Traum ist aus. Warum ich Utopien selbst ausprobiere
Greta Taubert – Journalistin, Autorin
www.greta-taubert.de
Der Club of Rome weiß es, K.I.Z. weiß es. Wir alle wissen: Die Welt, wie wir sie kennen,
geht unter. Angesichts sich immer weiter verschärfender ökologischer, ökonomischer
und sozialer Krisen drängt sich der Diskurs um einen neuen Wohlstandsbegriff auf.
Überarbeitung, Arbeitslosigkeit, Hyperkonsum, Kohlendioxid-Emissionen, Arm-ReichGefälle, Demographie, Klimawandel, Artensterben, Rohstoffknappheit, Landgrabbing,
Flüchlingsströme sind alle Spätfolgen einer rasanten, enthemmten Wirtschaft, die nur
ein Ziel kennt: immer schneller immer mehr haben (wollen). Aber dieses Mehr lässt sich
nicht ewig steigern. Das alte Versprechen „Wohlstand durch Wirtschaftswachstum“ gelingt
allmählich nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt hat als Gradmesser gesellschaftlichen
Wachstums ausgedient.
In Europa, den USA und in Lateinamerika formiert sich derzeit eine immer größere werdende
Bewegung des „Postwachstums“. Sie schlägt eine „sozial-ökologische Transformation“
vor, an deren Ende eine umfassende neu justierte Vorstellung von Gesellschaft steht.
Wissenschaftler wie der Ökonom Nico Paech oder der Beschleunigungsforscher Hartmut
Rosa forschen an neuen Zeitmodellen. Politische Parteien wie Die Grünen und Die Piraten
haben das Thema „Zeitpolitik“ in ihre Programmdebatten übernommen, Thinktanks
wie die Heinrich-Böll-Stiftung, Attac oder das Konzeptwerk Neue Ökonomie erarbeiten
konkrete Alternativen für eine ökologische Wirtschafts- und Lebensweise, die auf einem
neuen Zeitverständnis aufbaut.
Darüber zu diskutieren, ist das eine. Aber was kommt, wenn man sich tatsächlich aus dem
Hamsterrad des Müssens befreit? Was passiert, wenn man selbst nicht mehr will, sondern
weniger? Wie funktioniert die Utopie des Zeitwohlstands ganz konkret? Nicht nur in meiner
eigenen Welt, sondern auch in der anderer Menschen. In einem einjährigen Experiment
stieg ich eine Weile aus der schnellen Welt des Erwerbslebens aus, organisierte mir ein
Grundeinkommen, sagte alles ab – und stellte mich auf bessere Zeiten ein. Es kam anders.
Parallel Session A1: Funktionalität in Utopien
12:30 – 14:45
N006
Utopiebewusstsein. Zu den Grundlagen eines funktionalen Utopiebegriffs
Dr. phil. Alexander Neupert-Doppler – Bildungsreferent der
Sozialistischen Jugend|Die Falken in Hannover
[email protected]
Die Frage nach den Funktionen von Utopien, ob nun Roman-, Siedlungs- oder BefreiungsUtopien, wurde im 20. Jahrhundert breit diskutiert. Sind Utopien primär als Ausdruck
von Kritik zu verstehen (Horkheimer/Adorno)? Sind sie Äußerungen eines konkreten
Möglichkeitssinns (Bloch)? Können Utopien als Bündelung von Bestrebungen begriffen
werden (Landauer)? Besteht die zentrale Funktion von Utopien darin, zum Handeln zu
motivieren (Mannheim, Negt)? Im Vortrag wird gezeigt, wie eine Konstellation dieser
Thesen einen funktionalen Utopiebegriff begründet.
Das Utopische in der Demokratie
Prof. Dr. David Salomon – Gastprofessor am Institut für Sozialwissenschaften, Universität
Hildesheim
[email protected]
Politische Begriffe sind nie nur beschreibend, sondern sind normative, programmatische
Begriffe. Sie fungieren als umkämpfte Strategiekerne in politischer Praxis. Dies gilt
insbesondere für den Demokratiebegriff, der in seiner langen Geschichte vielfältige
Metamorphosen, zuweilen mit utopischem Überschuss durchlaufen hat. Wo von
Demokratie gesprochen wird ist – anders formuliert – die Forderung nach einer
weitergehenden Demokratisierung nicht fern. Der Vortrag versucht eine vorläufige Bilanz
– gerade im Licht von Zeitdiagnosen, die „die Demokratie“ in der Krise sehen.
„... Until It Burns The Crusader Armies In Dabiq“ – Endzeitvorstellungen in der Propaganda
des Islamischen Staats
Christoph Panzer – Institut für Soziologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
[email protected]
Der selbsternannte Islamische Staat (IS) wirbt erfolgreich wie keine andere vergleichbare
Organisation weltweit SympathisantInnen und Mitglieder. In der Propaganda werden dafür
häufig apokalyptische Visionen mit der utopischen Verheißung einer „idealen“ Gesellschaft
verbunden und so eine auch in „westlichen“ Gesellschaften attraktive Alternative in der
Deutung der heutigen Weltlage und ihrer Widersprüche geschaffen. Dieses Element der
IS-Propaganda wird am Beispiel des Magazins Dabiq betrachtet.
Parallel Session A2: Protestbewegungen
12:30 – 14:45
N007
Protest, Solidarität und Utopie
Prof. Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann – Professor für politische Philosophie | GeschwisterScholl-Institut für Politische Wissenschaft, LMU München
Nähere Informationen zum Inhalt des Vortrags folgen alsbald.
Now-here? (Post-) Anarchistische Überlegungen zur Vergegenwärtigung von Utopien
Dr. Paul Sörensen – Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politikwissenschaften | Politische Theorie,
Institut für Sozialwissenschaften, Universität Augsburg
[email protected]
Ideengeschichtlich betrachtet ist das Verhältnis des Anarchismus zu Utopie und Utopismus
als ambivalent zu bezeichnen. Gleichwohl, so die These des Vortrags, bergen gewisse
Strömungen des anarchistischen Denkens ein genuin eigenes Utopieverständnis, das auch
gegenwärtige Protestbewegungen informiert und deren Transformationsstrategien prägt.
Dieses Utopieverständnis soll aus klassisch anarchistischen wie auch postanarchistischen
Konzeptionen herausgearbeitet und mit Verweis auf Praxisbeispiele veranschaulicht
werden.
Die Utopie einer Carecommony
Sandra Antelmann – Diplom-Soziologin, Hamburg
In meiner Diplomarbeit „Suffizienz, Commons und Care – Ansätze urbaner
Postwachstumsbewegungen“ habe ich mich mit (queer-)feministischen Ansätzen
alternativer Ökonomien wie Ecommony und Care Economy beschäftigt, die dem
dominierenden Diskurs in der Nachhaltigkeitsdebatte Green/Smart Growth
entgegenstehen. Aktuell organisiere ich gemeinsam mit vielen Initiativen, Projekten und
Bewegungen in Hamburg im Oktober eine „Wandelwoche – ein gutes Leben für alle ist
möglich!“.
Werkstattgespräch A
12:30 – 14:45
N010
Katastrophenphantasie
Mathias Becker – Puppenspieler | Theaterkollektiv manufaktor | freier Künstler
[email protected]
Tim Sandweg – Künstlerischer Leiter der SCHAUBUDE BERLIN Theater.
PuppenFigurenObjekte
[email protected]
„The Imagination of Disaster“ – so betitelt Susan Sontag 1965 ihren Aufsatz über Science
Fiction-Filme und stellt die Katastrophe als konstituierendes Moment der Dystopie ins
Zentrum. Sontag bemängelt bei den von ihr betrachteten Filmen zwar, dass sie stets im
moralisierenden Gestus restaurative Taktiken verfolgen, im Titel steckt aber auch eine
alternative Reaktionsform: Katastrophen hinterfragen den Normalzustand und sind somit
eine Herausforderung zur Neuformulierung etablierter gesellschaftlicher Strukturen.
Betrifft dies zunächst die handelnden Figuren des Films, so kann man dies natürlich auch
auf die Imagination durch den Rezipienten beziehen: Die von ihm sinnlich nachvollzogene
Katastrophenbedrohung des Films wird zum kathartischen Ausgangspunkt für ein
Nachdenken über den Ist-Zustand.
Das Berliner Salon-Kollektiv widmet sich diesem Denkmodell und versucht es in szenischen
und performativen Simulationen umzusetzen. Durch die direkte sinnliche Erfahrung und
Konfrontation können neue Denkräume für utopisches wie dystopisches Denken und
damit Diskussionen über die Zukunft entstehen.
Im Werkstattgespräch soll, nach einer kurzen Einführung in die Arbeit des Salon-Kollektivs,
das beschriebene Verfahren der künstlerischen Forschung methodisch eingesetzt werden.
Eine installative Situation, in deren Zentrum eine menschenähnliche Puppe steht, spielt das
in Dystopien oft verwendete Motiv der totalen Isolation durch und macht es performativ
und auditiv für die Anwesenden erfahrbar. Der dabei imaginierte Raum kann gleichzeitig
Bunker oder Schutzraum und damit Fragen nach dem Überleben evozieren, wie er auch
das Bild vom letzten Menschen aufgreift.
Ausgehend von diesem ästhetischen Experiment werden utopische wie dystopische Ideen
entwickelt. Ebenfalls wird die angewandte Methode zur Diskussion gestellt und auf ihre
Potenziale für das Entwickeln von gesellschaftlichen Utopien hin untersucht.
Keynote II
15:15 – 16:00
H4
(Alb-)Träume des Städtebaus
Aljoscha Hofmann – DFG-Doctoral Fellow, International Graduate Programm Berlin - New
York – Toronto | Center for Metropolitan Studies der Technischen Universität Berlin |
Initiative Think Berl!n
[email protected]
Auch wenn nicht jede Utopie nur das Städtische beschreibt – Kein anderer Ort scheint
geeigneter für die Realisierung der fiktiven, idealen Gesellschaftsformen jeglicher Utopien,
als die ‚ideale Stadt‘. Bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. erdachte Platon einen idealen StadtStaat. Vor 500 Jahren dann prägte Thomas Morus mit seiner Erzählung über die Insel
Utopia den Begriff der Utopie.
Die idealen Welten der Utopisten beruhen neben aller präzisen Beschreibung auf
Simplifizierung als Scheinlösungen für die Herausforderungen der realen Welt. Oft
mit harten Regelwerken: „Außerhalb des Senats oder der Volksversammlung über
öffentliche Angelegenheiten zu beraten, gilt“ etwa in Morus Utopia „für ein todwürdiges
Verbrechen“ (More, T. & Ritter, G. 1979. Utopia. S.48). Das Individuum muss sich zudem
oft der utopischen Gesellschaft unterordnen. Auch die Realisierung der Utopien bedarf
zumeist eines gesellschafts- und machtpolitischen Umbruchs, welcher etwa durch eine Art
aufgeklärten Diktator gewährleistet wird, der nicht selten der Verfasser der Utopie selbst
ist.
Fokussiert man den Blick auf die ‚ideale Stadt‘, so ist vor allem auffällig, dass sie keinen
Bestand kennt, sondern neu errichtet werden muss. Diese Darstellung sendet bis heute
eine fatale Botschaft. Sie diagnostiziert unseren Städten eine tödliche Krankheit. In ihnen ist
keine bessere Gesellschaft möglich. Zum Albtraum wird die Utopie, wenn ihre vereinfachten
Vorstellungen reell über unsere Städte hereinbrechen. Wohl keine städtebauliche
Vision vor ihr hat die vorhandene Stadt so radikal vernichtet wie die aufgelockerte und
durchgrünte ‚Stadt von morgen‘ mit ihren Funktions- und Verkehrstrennungen, die ab
der Zwischenkriegszeit als fortschrittliche Lösung proklamiert wurde. Und auch heute
präsentieren sich städtische Zukunftsvorstellungen vor allem als Neues. Im Beitrag wird
der Frage nachgegangen, wie viel Pragmatismus und wie viel Utopie unsere heutigen
(Traum-)Städte brauchen.
Parallel Sessions B1: Städtebau
16:15 – 18:30
N007
Der Plan von „Amaurotum“
Harald Kegler, PD Dr. habil – Institut für urbane Entwicklungen, Universität Kassel
[email protected]
Die Universität Kassel hat die Ausführungen von Morus planerisch dekomponiert. Dies
ist erstmalig in der Planungsgeschichte vorgenommen worden und wird den ersten Teil
des Vortrags ausmachen. Im zweiten Teil werden ‚utopische Bezüge‘ zu den Projekten
der Bauhaus-Moderne in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen im 20. Jahrhundert
aufgezeigt und hinsichtlich des zukunftstauglichen Gehalts für ein „neues Utopia“ erörtert.
Mikro-Utopismus in der Architektur
Sandra Meireis – Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorantin am Fachgebiet
Architekturtheorie, IfA, Technische Universität Berlin
[email protected]
Eine Vielzahl temporärer Architekturprojekte ist in den letzten Jahren in öffentlichen
und halböffentlichen Räumen größerer Städte entstanden. Es sind oftmals Projekte, die
in ständiger Existenzgefährdung eine politische Diskussionskultur „von unten“ anregen.
Der Fokus meiner Untersuchungen liegt hier auf dem wiederangestiegenen Interesse
an utopischen Konzepten, das sich, so die These, proportional zur Herausbildung einer
gesamtgesellschaftlichen Machtlosigkeit gegenüber realpolitischen Gegebenheiten
verhält.
Die neue Stadt in Asien, Afrika und Europa zwischen Utopie, Neotopie und Dystopie. Zu
einem Forschungsprojekt zu den vielfältigen Materialitäten urbaner Zukunft
Prof. Dr. Michael Dickhardt – Institut für Ethnologie der Universität Göttingen, CETREN –
Materializing Urban Futures
[email protected]
Die Materialität der Städte macht Zukunft vorstellbar und gestaltbar. Entlang der Planung,
Realisierung, Aneignung und Zurückweisung von urbanen Formen wie ‚New City‘ und
‚Smart City‘ wird eine kulturvergleichende Perspektive darauf entworfen, wie Zukunft in
und durch diese Materialitäten als kulturelle Praxis Teil der Lebenswelten wird. Gibt es das
Utopische darin noch oder sind diese urbanen Formen nur Neotopien mit pragmatischen
und technologischen Lösungen, um den dystopischen Realitäten zu entfliehen?
Parallel Session B2: Medien, Diskurs und Gesellschaftskritik
16:15 – 18:30
N010
„Big Brother is still watching you“ – Medien und Kommunikation in politischen Utopien/
Dystopien
Dr. des. Anne Grüne – wissenschaftliche Mitarbeiterin im Seminar für Medien- und
Kommunikations-wissenschaft, Universität Erfurt
[email protected]
In der filmischen und literarischen Fiktion werden Entwicklungen der mediatisierten
Moderne oft konsequenter zu Ende gedacht als in wissenschaftlichen Analysen.
Kommunikative Ängste und Mediendynamiken prägen dabei nicht selten die fiktionalen
Gesellschaftsordnungen und bilden so oft die Hintergrundfolie der politischen
Utopie/Dystopie. Der Vortrag legt den medien- und kommunikationstheoretischen
Gehalt ausgewählter Utopien/Dystopien offen und systematisiert diese entlang ihrer
zeithistorischen Prägung bis hin zu aktuellen Debatten über eine „Menschheit 2.0“.
Die Atopien migrantischer Kritik
Dr. Radostin Kaloianov – Wien
In dem Vortrag argumentiere ich, dass sich eine genuin migrantische kritische Theorie
nicht mit Utopien beschäftigt, wie es oft reflexartig von kritischen Theorien erwartet wird,
sondern vor allem eine Vielzahl an Atopien erzeugt und MigrantInnen mit neuen Formen
von sozialer De-Platzierung und Marginalität konfrontiert. Diese Atopien resultieren
aus den Inhalten, der epistemologischen Beschaffenheit und dem sozialen Kontext
migrantischer Kritik und sind sozusagen der ‚Preis’, den MigrantInnen für ihr kritisches
Wirken zu entrichten haben.
Utopie today?! – Vom Tod und Leben der Utopie
Ina-Maria Maahs – Universität zu Köln
[email protected]
Mit dem Zusammenbruch des ‚realexistierenden Sozialismus‘ wurde von einigen
Wissenschaftlern auch das Konzept der Utopien zu Grabe getragen. Der Vortrag geht
dazu der Frage nach, ob diese seit 1990 nur noch ein Dasein als scheintote Namensgeber
für Eisdielen, Webportale und Realityshows führen oder ob und inwieweit auch heute
politische Utopien existieren, welche ein besseres Verständnis der eigenen Zeit vermitteln
sowie Lösungsvorschläge zu aktuellen Konflikten der Gesellschaft bieten.
Werkstattgespräch B
16:15 – 18:30
N006
Erlösung und Apokalypse – Utopien und Dystopien als Spannungsfeld für nachhaltige
Gesellschaften
Dr. Holger Berg | Maria-Jolanta Welfens | Christa Liedtke – Wuppertal Institut für Klima,
Umwelt, Energie GmbH
Nachhaltige Gesellschaften müssen in ihren Entwürfen Ökonomie, Ökologie und Soziales
überbrücken, synchronisieren und harmonisieren. Sowohl für den Weg zur Nachhaltigkeit
als auch für einen nachhaltigen Zustand spielen Utopien und Dystopien dabei eine
bedeutende Rolle. Dies umso mehr, als wir uns in einer Zeit befinden, die fundamentale
Entwicklungen anzukündigen scheint. Die Verheißungen und Drohungen von Utopien und
Dystopien verleihen diesen Diskussionen ein besonderes Momentum, da sie Hoffnung
bieten und Ängste schüren können. So treten die Versprechungen positiver Leitbilder
(bspw. Morus) apokalyptischen Voraussagen und Folgerungen gegenüber (bspw. Malthus).
Auch heutige Lösungsansätze und -entwürfe bedürfen als Narrative gleichfalls Hoffnungen
und Befürchtungen, um Wirkmächtigkeit zu entfalten. Sie bewegen sich daher im
skizzierten Spannungsfeld zwischen utopischen Entwürfen und dystopischen Drohungen.
Das vorgeschlagene Werkstattgespräch widmet sich dieser Beobachtung. Aufbauend auf
einer kurzen Einführung in die Thematik stellt es folgende Fragen zur Diskussion:
• Was kann die spezifische Rolle von Utopien und Dystopien in den Narrativen für
nachhaltige Gesellschaftsentwürfe sein?
• Wie ist deren Performativität? Wovon hängt sie ab?
• Welche alternative Narrative existieren für Entwürfe in einer globalisierten Welt?
• Welche alternativen Ansätze ließen sich daraus skizzieren?
Das Werkstattgespräch zielt damit darauf ab, bestehende – insbesondere westliche –
Utopien und Dystopien zu skizzieren, ihre Wirkung und die Grundlagen dieser Wirkung
zu analysieren und zu hinterfragen, um schließlich ihre Wirkmächtigkeit zu ergründen.
Fußend auf der Hypothese, dass überzeugende Narrative für die Entstehung zukünftiger
Nachhaltigkeitskulturen unabdingbar sind, soll diskutiert werden, welche Alternativen für
die Entwicklung solcher Utopien und Narrative herangezogen werden können, um auf
ihrer Basis neue Ansätze zu skizzieren bzw. zu entwerfen.
Keynote III
18:45 – 19:30
H4
Zur Dystopie der Unsterblichkeit
Dr. Torsten Richter – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biologie und Chemie,
Abteilung Biologie, Universität Hildesheim
[email protected]
In einem leicht antiquierten Hotelsaal sitzen wir mit Guido Westerwelle und Helmut
Schmidt im schleppenden Gespräch. Ein schwacher Luftzug umweht unangenehm das
Bein, die Tanzkapelle spielt tapfer voran in einer Schleife der Wiederholung gefangen,
während trotz vereinten Winkens weder die Bedienung noch der Tod je an diesen Tisch zu
den Gästen kommt.
Der Unsterblichkeit steht nur der Tod im Weg. Doch wodurch sterben Organismen? Die
Evolution jedenfalls hat anscheinend kein unsterbliches individuelles Leben hervorgebracht.
Nachdem in vielen westlichen Gesellschaften religiöse Vorstellungen der Unsterblichkeit
auf dem Rückzug sind, entwickeln sich zunehmend Visionen einer säkularen (bio-)
technologischen Unsterblichkeit: Von der digital unterstützten Selbstoptimierung über
die körperfixierte Kryonik und Plastination hin zur körperlosen Unsterblichkeit als von
der Hardware „Körper“ befreite „Software“ im Mind-Uploading. Die Ziele reichen vom
weiteren Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung, die an einer harten Grenze von
ca. 120 Jahren einer maximalen menschlichen Lebensdauer bisher ihr Limit findet, über
die potentielle Unsterblichkeit bei Abschaffung der biologischen Alterungsprozesse bis zur
Vision einer echten Unsterblichkeit als finaler Überwindung des Todes. Die Dystopie der
Unsterblichkeit soll dabei anhand von drei Linien festgemacht werden: der statischen und
generationslosen Existenz des unsterblichen Menschen in einer sich weiterhin ändernden,
evolvierenden und ihm nicht notwendigerweise wohlgesonnenen Umwelt; den ökologischen
Auswirkungen innerhalb der planetarischen Leitplanken einer begrenzten Erde, auf der
der Mensch bereits jetzt mehr der verfügbaren Nettoprimärproduktion verbraucht als
jedes Lebewesen vor ihm sowie der Messlatte der Nachhaltigkeit mit dem auf UN-Ebene
verabschiedeten Anspruchs einer intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit, die man
gut auf 2,5 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr und Mensch herunterbrechen kann: Danach
dürfte jemand, der gedenkt, sich tieffrieren zu lassen, eigentlich nie gelebt haben. Weitere
Fragen schließen sich an: wie viele Menschen wollten wir unsterblich werden lassen? Denn
im Mittel 2500 Kilokalorien werden allein ihre Körper weiterhin täglich verbrauchen. Und
wen bewahren wir dafür auf, in Zukunft wiederbelebt zu werden? Verdiente Exemplare
unserer Gesellschaft; diejenigen, die es sich ökonomisch leisten können oder alle ca. 56
Millionen Menschen, die jedes Jahr sterben?
Samstag, 08.10.2016
Keynote IV
09:00 – 09:45
H4
Migrationspolitik als utopistisches Projekt
Prof. Hannes Schammann – Juniorprofessor für Migrationspolitik, Institut für
Sozialwissenschaften, Universität Hildesheim
[email protected]
In dieser Bewertung sind sich Fachleute und Stammtische ausnahmsweise einig:
Migrationspolitik ist von Inkohärenz und Inkontingenz durchdrungen. Doch Migrationspolitik
hat es auch nicht leicht: So sehr sie sich auch bemüht, Widersprüchlichkeit bleibt Teil
ihres Charakters. Dies liegt daran, dass nationalstaatliche Migrationspolitik per se ein
utopistisches Projekt ist. Schließlich ist aus der Sicht der Migrationsforschung schon die
Prämisse gewagt, dass man die Bewegung von Menschen über internationale Grenzen
mittels unilateraler Maßnahmen steuern könne. Aber auch das Recht auf Asyl oder neue
Entwicklungen wie ein „Migrationsmanagement“, beispielsweise über multilaterale
Abkommen, sind im Grunde utopistische Projekte, deren vollständige Realisierung kaum
jemand erwartet. Der Vortrag spürt der utopistischen Ader der Migrationspolitik in realem
politischem Handeln nach und wird darüber hinaus auch Konzepte vorstellen, die als
„echte Utopien“ (oder Dystopien) der Migrationspolitik gelten können.
Parallel Session C1: Nachhaltigkeit
10:00 – 12:15
N007
Suffizienz und Postwachstum – Utopie oder Dystopie für das Jahrhundert der
Nachhaltigkeit?
Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. – Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik
[email protected]
Dieser Beitrag analysiert den zuletzt immer stärker diskutierten Suffizienzgedanken, kurz
gesagt also die Idee eines einfachen Lebens und einer durch Verhaltenswandel (statt
nur durch Technik) verfolgten Nachhaltigkeitsstrategie und Zukunftsvision. Neben einer
Begriffsklärung geht es um Fragen wie: Gelingt Nachhaltigkeit rein technisch? Wenn
nein, führt dies dann zu Postwachstum? Und was sind die motivationalen Hindernisse
auf dem Weg zur Nachhaltigkeit? Macht Suffizienz trotzdem glücklich? Und welche
Politikinstrumente fördern sie?
Utopien der Nachhaltigkeit. Eine Kritik der Öko-Askese
Jochen Dallmer – Politikwissenschaftler, Promovend an der Universität Kassel, Stipendiat
der Hans-Böckler-Stiftung
www.glueckundnachhaltigkeit.de
Utopische Modelle einer ökologischen Gesellschaft verharren in Nischen, obwohl die
Notwendigkeit von alternativen Entwicklungsmodellen zunimmt. Ein zentraler Grund, so
die These dieses Beitrages, ist die Dominanz der „Öko-Askese“, welche den imaginären
Gegensatz vermittelt: das gute Leben versus das nachhaltige Leben. Aber jenseits der
asketischen Ideale ist durchaus auch ein „Öko-Hedonismus“ denkbar, der die Freude des
Seins zum Mittelpunkt einer nachhaltigen Gesellschaft macht!
Zukunftspolitiken. Eine machtkritische Untersuchung der Problemverständnisse stark
rezipierter Studien über gesellschaftliche Transformationen zur Nachhaltigkeit
Daniel Buschmann – Mitarbeiter am Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik,
Universität für Bodenkultur Wien
[email protected]
Im internationalen Diskurs über eine gesellschaftliche Transformation zur Nachhaltigkeit
gelten „Visionen“ zunehmend als essentiell für erfolgreiche Politik. Die Präsentation fußt
auf den Ergebnissen meiner Masterarbeit und geht dabei den Fragen nach, wie der Begriff
Vision in diesem Kontext verstanden wird, wie sich die Visionen inhaltlich charakterisieren
und welche machtpolitischen Implikationen mit ihnen verbunden sind.
Parallel Session C2: Historische Erziehungswissenschaft
10:00 – 12:15
N010
Alle gleich oder jede(r) anders? Erziehungs-und Bildungsideen in utopischen Konzepten
Prof. Dr. phil. habil. Hans-Ulrich Grunder – Direktor ad interim des Instituts für
Bildungswissenschaften (IBW), Universität Basel
[email protected]
In jedem utopischen Text der vergangenen fünfhundert Jahre, sei es eine Skizze oder ein
Roman, eine Utopie, Mätopie oder Dystopie, finden sich Textstellen, Abschnitte oder ganze
Kapitel zum Thema Kindheit und Jugend, Sozialisation und Enkulturation, Erziehung und
Bildung/Ausbildung.
Ich untersuche anhand von Utopien der vergangenen fünf Jahrhunderte, inwieweit/
wie Kindheit und Jugend, Sozialisation und Enkulturation, Erziehung und Bildung/
Ausbildung beschrieben werden, welche Differenzen sich bei einem längsschnittlichen/
querschnittlichen Vergleich ergeben und zu welchen weiterführenden Aussagen dieser
Vergleich führt.
Das Ende der Erziehung in der Utopie? Die Pädagogik des Sozialen im Frühsozialismus
Prof. Robert Pfützner – Juniorprofessor für Vergleichende Pädagogik, Institut für Bildung
und Kultur, Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Im Vortrag werden die sozialkritischen Utopien der beiden rivalisierenden französischen
Frühsozialisten Étienne Cabet (1788-1856) und Charles Fourier (1772-1837) vorgestellt
und deren pädagogische Konzepte illustriert. Vor dem Hintergrund der These, das sich in
beiden Entwürfen utopische, dystopische, aber auch realistische Elemente finden, soll ihr
Potential für eine aktuelle Sozial- und Erziehungskritik diskutiert werden.
Wenn Utopia auf Realität trifft... Konzeption und Veränderungen in den israelischen
Kibbuz
Prof. Dr. Maria Fölling-Albers – Professorin am Lehrstuhl für Pädagogik
(Grundschulpädagogik), Universität Regensburg
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Seit Anfang des 20. Jhts. wurden Kibbuzim gegründet, in denen Gerechtigkeit als soziale
Utopie umfassend realisiert werden sollte: kollektives Eigentum, gleiche Vergütung der
Arbeit, kollektive Erziehung, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Basisdemokratie. Ein
kleiner Teil der vormals ca. 270 Siedlungen praktiziert noch fast alle Werte. Gründe für
Erfolg und Scheitern werden dargestellt.
Werkstattgespräch C
10:00 – 12:15
N006
Gemeinsam! Eine reale Utopie?!
Prof. Dr. Matthias Grundmann – Professor für Sozialisations- und Gemeinschaftsforschung,
Institut für Soziologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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Andreae, Steffen – Mitbegründer der Genossenschaft Gemeinsam Leben und des Vereins
Lossehof e.V. Oberkaufungen
Frank Osterloh – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie, Westfälische
Wilhelms-Universität Münster
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„Gemeinsam! Eine reale Utopie. Wenningen 2025“ (ANDREAE/GRUNDMANN 2012.
Hintergrundinformationen und kritische Kommentare auf www.reale-utopie.de)
beschreibt die Zukunft einer kleinen hessischen Gemeinde im Jahr 2025. Träumereien
einer konkreten Utopie im Sinne Blochs inspirierten zu dieser Reise in eine mögliche
gesellschaftliche Zukunft. Ihre Wurzeln haben die greifbar nah erscheinenden Visionen in
den weltweit bereits real existenten Transition-Town-Bewegungen, die den Übergang in
eine postfossile, relokalisierte Wirtschaft bereits vollziehen. Es gibt sie also schon, diese
neuen Gesellschaftsentwürfe! Mögliche Antworten auf die gewaltigen gesellschaftlichen
Umbrüche, die im Einklang mit den Grundbedürfnissen der Menschen an den Grundfesten
unseres gesellschaftlichen Systems rütteln, scheinen auf. Zugleich wird jedoch auch die
Antinomie von relokalisiert-gemeinschaftlicher Tauschwirtschaft und gesellschaftlich
organisiertem Handel deutlich.
Im Workshop soll herausgearbeitet werden, welche Problematiken sich für die
Verwirklichung von Utopien angesichts der real existenten globalen Welt ergeben und ob
sie sich realpolitisch umsetzen lassen.
Ist nicht jede Utopie angesichts der konkreten weltpolitischen Lage zugleich auch Dystopie?
Führt die gegenwärtige Welt nicht selbst dann in den Abgrund, wenn wir in letztlich doch
nur im Kleinen realisierbaren Alternativen leben? Die Frage ist daher, wie diese Komplexität
der Utopien als Verwirklichungsphantasien von Möglichkeiten einer „guten Gesellschaft“
möglicherweise neu zu denken sind.
Es sollen auch real existente Antinomien postmoderner Gesellschaftlichkeit (wie im
Fall von Wenningen) diskutiert werden, die utopischen Entwürfen einer zukünftigen
Gesellschaft Grenzen auferlegen. Lokales, gemeinschaftliches und auf Nachhaltigkeit
zielendes Leben vollzieht sich vor dem Hintergrund (welt)gesellschaftlicher Produktionsund Reproduktionsbedingungen, deren Komplexität kaum überschaubar ist und daher
jedem utopischen Entwurf den Boden entzieht.
Posterpräsentationen
13:15 – 14:15
Atrium
Leitbilder einer ressourcenleichten Gesellschaft – Utopien nachhaltigen Zusammenlebens
Dr. Holger Berg | Marco Hasselkuß | Maria Schnurr | Christa Liedtke | Carolin Baedeker
– Forschungsgruppe IV, Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren, Research Group
IV, Sustainable Consumption and Production, Z_punkt GmbH - The Foresight Company,
Universität Wuppertal
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Utopia – Ein Brevier für die Raumplanung
Tatjana Fischer – Institut für Raumplanung und Ländliche Neuordnung (IRUB), Department
für Raum, Landschaft und Infrastruktur (RaLI), Universität für Bodenkultur Wien (BOKU)
[email protected]
Willkommen in 2055 – Leben in einer Postwachstumsgesellschaft – Ein Rollenspiel
Julia Fuchte – Cusanus Hochschule Bernkastel-Kues
[email protected]
Selbstverwaltung in Wissenschaft und Gewerkschaften – Autonomie als utopisches
Konzept?
Ricardo Kaufer – Abteilung für Forst- und Naturschutzpolitik, Georg-August-Universität
Göttingen
[email protected]
Von künstlerischen Strategien zur Dystopie in digitalen Spielwelten
Daniela Kortebusch – Doktorandin der Fakultät für Kulturwissenschaften, Institut für
Kunst, Musik und Textil, Universität Paderborn
[email protected]
Utopien im dialektischen Verhältnis von Theorie und Praxis – Eine Untersuchung
professionsbezogener Utopien am Beispiel der der Sozial- und Organisationspädagogik
Johannes Kuhns – Universität Hildesheim
[email protected]
Posterpräsentationen
13:15 – 14:15
Atrium
Zwischen Utopie und Dystopie – Zukunftsnarrative junger Menschen im Spannungsfeld
von Individuum und Gesellschaft in der Spätmoderne
Ingmar Mundt – University of Edinburgh
[email protected]
Die Arbeit mit Mediendystopien in der Politischen Bildung am Beispiel von „Die Tribute
von Panem“
Laura Schmidt | Sarah Regelin | Josepha Streit | Timo Bauer – Universität Hildesheim
[email protected]
Die Einküchenhaus-Bewegung – Grenzen und Potentiale einer feministischen Wohnutopie
Christina Schraml – Universität für angewandte Kunst Wien
[email protected]
Alternativen zur Alternativlosigkeit – Europa-Visionen als Chance in Krisenzeiten?
Nora Schröder – Lehrstuhl für Friedens-und Konfliktforschung, Universität Augsburg
[email protected]
Politische Philosophie und utopisches Handeln – Utopie-Überschüsse aus der
Vergangenheitsvereisung lösen
Dr. Christine Schwarz | Dr. Hendrik Wallat – Leibniz Universität Hannover
[email protected] und [email protected]
Keine Hoffnung auf Utopia? – Bedingungen von Krieg und Frieden in literarischen Utopien
Arne Sönnichsen – Institut für Politikwissenschaft, Universität Siegen
Keynote V
14:15 – 15:00
H4
Europa als Republik? Mehr als eine Utopie
Dr. Ulrike Guérot – Direktorin des European Democracy Labs in Berlin an der European
School of Governance
Die EU in ihrer bisherigen Form ist gescheitert angesehen. Die Desintegrationstendenzen
sind unübersehbar. Europa braucht dringend ein radikales neues institutionelles Design.
Das institutionelle System der EU steht europäischen Lösungen entgegen, solange am
Prinzip der nationalen Souveränität festgehalten wird. Die europäische Post-Demokratie
produziert Populismus in Europa. Das Gebot der Stunde ist es daher, Europa neu zu
designen, und zwar als Republik. Res publica, bedeutet Gemeinwohl. Europa muss mehr als
ein Binnenmarkt sein. Es muss fundamentalen demokratischen Ansprüchen genügen: dem
Grundsatz der politischen Gleichheit aller Bürger sowie dem Prinzip der Gewaltenteilung.
Das sollte mehr als eine Utopie sein, nämlich eine politische Notwendigkeit.
Parallel Session D1: Gesellschaft und Soziales
15:15 – 17:30
N006
Kommunismus als Epoche der Ruhe – Die Utopie von William Morris
Sebastian Fritsch – Promovent an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
[email protected]
Der Künstler und Sozialist William Morris entwirft in seinem utopischen Roman „News from
Nowhere“ den Kommunismus als dörfliche Idylle. Schönheit ist dort zum Grundbedürfnis
geworden – es ist eine Epoche der Ruhe, ohne Zwang und Angst vor Verelendung. Ich werde
Morris‘ Entwurf mit aktuellen Diskussionen über die Kritik der „imperialen Lebensweise“
verknüpfen, die strukturell Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen, bei
gleichzeitigem Überfluss und zunehmendem Sinnverlust produziert.
Das Ende der Erwerbsarbeit. Industrie 4.0 zwischen Utopie und Dystopie
Yannick Kalff – Dipl. Soz. am Arbeitsbereich Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie,
Institut für Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena
[email protected]
Erwerbsarbeit ist Gegenstand sozialromantischer sowie pessimistischer Zukunftsvisionen.
Für Marx und Engels lief die historische Entwicklung unausweichlich auf ein Ende der
fremdbestimmten Arbeit hinaus. Im Lichte der Digitalisierung und Informatisierung
westlicher Industrien gerät sie tatsächlich unter Druck, so werden Diagnosen der 1980er
und 1990er durch Spekulationen auf Industrie 4.0 wieder angefacht. Deren utopische oder
dystopische Züge sollen hier untersucht werden.
Zeitwohlstand. Ein neues gesellschaftliches Narrativ?
Gerrit von Jorck – Dipl.-Volksw., Fachgebiet Arbeitslehre | Ökonomie und Nachhaltiger
Konsum, Fakultät I - Geistes- und Bildungswissenschaften, Technische Universität Berlin
[email protected] | www.aloenk.tu-berlin.de
Unsere Zeit ist zunehmend entgrenzt, beschleunigt, verdichtet und vermarktlicht.
Zeitpioniere/-innen streben daher nach einem qualitativ anderen Umgang mit Zeit.
Erwerbsarbeit und materieller Wohlstand stehen für sie nicht im Mittelpunkt, sondern
sinnstiftendes und gemeinwohlorientiertes Tätigsein in selbstbestimmter Zeit sowie
eine nachhaltige Konsumweise. Postwachstumsunternehmen schaffen gemeinsam mit
ihnen eine neue Unternehmenskultur, welche Zeitwohlstand zu einer gemeinsamen
Orientierungsgröße erhebt.
Parallel Session D2: Bildung
15:15 – 17:30
N007
Perspektiven des Lebens und Lernens in Gemeinschaftsprojekten
Dr. Jana Trumann – wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Erwachsenenbildung/
Politische Bildung, Fakultät für Bildungswissenschaften, Universität Duisburg-Essen
[email protected]
Auf kommunaler Ebene engagieren sich Menschen gegenwärtig verstärkt in Projekten
wie Gemeinschaftsgärten, Repair-Cafes uvm. Im gemeinschaftlichen Handeln werden
dabei unterschiedliche Perspektiven des Zusammenlebens diskutiert und nach
Gestaltungsmöglichkeiten gesucht. Der Vortrag nimmt diese Handlungsräume auf und
diskutiert vor dem Hintergrund eines eigenen Forschungsprojekts ihr Gestaltungspotential
für urbane Räume und fragt nach den hier möglich werdenden Lernimpulsen.
Zur Utopie des virtuellen Lernens: Was von Schule übrig bleibt
Dr. Matthias Rürup – wissenschaftlicher Mitarbeiter in der School of Education, Bergische
Universität Wuppertal
[email protected]
Gesetzt den Fall, Schule könnte komplett als Aufenthalt in einer virtuellen Lernumgebung
gestaltet sein, was würde das für Schule und Unterricht bedeuten? Welche üblichen
Gestaltungsformen (Lehrer-Schüler-Rollen, Orientierung auf individuelle Leistung,
Versachlichung) könnten wegfallen? Eigentlich keine, so wird im Vortrag argumentiert
werden, wenn man bei einer Zielstellung von Schule bleibt, Lernen als bewusste,
zielgerichtete und im Fortschritt evaluierbare Eigenaktivität erlebbar zu machen.
Bildung und Utopie. Inklusive Schule als „Ort“ des Möglichen und Transformationsimpuls
des Wirklichen
Prof. Dr. Robert Schneider – Professor für Inklusionspädagogik, Pädagogische Hochschule
Salzburg
[email protected]
Der Beitrag richtet den kritischen Blick auf Entwicklungen, die ‚Schule‘ und die Etablierung
von ‚Bildung für alle‘ vorangetrieben haben. Durch Bildungstheorie werden diese zu
kontrastieren versucht und gezeigt, dass dieser immer schon ein entgrenzendes Moment
immanent ist. Relevante pädagogische ‚Utopien‘ werden dargestellt und Verbindungen
zur Idee demokratischer solidarischer Lebensformen entwickelt, um – beide Aspekte
aufgreifend – mit der ‚inklusiven Schule‘ eine aktuelle pädagogische Vision zu entwickeln.
Parallel Session D3: Literatur und Film
15:15 – 17:30
N010
Zeitschichten der Utopie. Zur Konstruktion historischer Zeit in spekulativer Literatur
Emanuel Herold – Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Theoretische und
normative Grundlagen, SOCIUM, Universität Bremen
[email protected]
Gegen die Vorstellung von der Utopie als Endpunkt der Geschichte soll hier der Nachweis
von Geschichtlichkeit in der Utopie gesetzt werden. Verzeitlichte Utopien sind dazu
genötigt, sich als plausible Zukunft ihrer jeweiligen Bezugsgesellschaft auszuweisen. Dies
ist immer auch eine Frage der Konstruktion von Geschichte innerhalb der fiktiven Welt.
Anhand einiger spekulativer Romane soll gezeigt werden, wie diese Zeitkonstruktionen vor
allem von den imaginierten technischen Veränderungen abhängen.
Menschen/affen und „Noble Wilde“: Utopische und dystopische Gesellschaft in „Dawn
of the Planet of the Apes” (2014)
Dr. Karsten Senkbeil – Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für interkulturelle
Kommunikation, Universität Hildesheim
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Die Menschen haben wieder einmal versagt, nun übernehmen in „DotPotA“ intelligente
Affen das Projekt Zivilisation, ziehen sich in den Urwald zurück und formen pastoralidyllische Stammesgemeinschaften. Quasichristliche Erziehung, autoritärer Führungsstil
und traditionelle Geschlechterrollen: die „noblen wilden“ Affen in dieser aktuellen
Hollywoodproduktion organisieren ihre Gesellschaft oft überraschend konservativ, teils
reaktionär – eine repräsentative Utopie des frühen 21. Jahrhunderts?
Die Idee der Vielen in der Darstellung von Zombieapokalypsen
Dr. Volker Wortmann – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medien, Theater und
Populäre Kultur, Universität Hildesheim
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Die Frage nach den Vielen bewegt sich auf einem ambivalenten Feld: Man kann von
„Horde“ oder „Meute“ sprechen, oder vom „Schwarm“ und „kollektiver Intelligenz“ - und
doch ist nicht klar, ob man Grundverschiedenes meint, oder ob sich nur die Perspektiven
verschieben. Beides, das utopische und das dystopische Sprechen über die Vielen, steht
semantisch nah beieinander. Es verhält sich hier wie mit den Utopien selbst, die spätestens
mit der Realisierung ins Unwägbare kippen: Was in den 20er Jahren noch als utopisches
Bild der Vielen gilt, findet sich heute in Zombiefilmen wieder...
Tagungsort
Hauptcampus der Universität Hildesheim
Universitätsplatz 1
31141 Hildesheim
Die Tagung findet im Gebäude N (Forum) der Universität statt. Das Gebäude ist
barrierefrei. Behindertengerechte Toiletten befinden sich im Erdgeschoss.
Booklet of Abstracts zur Tagung
UTOPISCH DYSTOPISCH – VISIONEN EINER „IDEALEN“ GESELLSCHAFT
Interdisziplinäre Tagung vom
07. bis 08. Oktober 2016
Stiftung Universitat Hildesheim
Stand: 30. Mai 2016
Herausgegeben von Irene Leser und Jessica Schwarz
E [email protected]
Wwww.uni-hildesheim.de/utopisch-dystopisch
Für den Inhalt der einzelnen Abstracts sind die jeweils benannten AutorInnen verantwortlich. Orthographische
Fehler wurden gegebenenfalls korrigiert.
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