Lösung - Juristische Fakultät

Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Sommersemester 2016
Fälle 6 zum Konversatorium Schuldrecht: Nacherfüllung, Schadensersatz statt
der Leistung, Schadensersatz neben der Leistung
Fall 6.1:
K bestellt beim Lieferanten V eine Konfettimaschine zum Preis von EUR 50.000. V liefert die
Maschine wie vereinbart. Als K sie in Betrieb nehmen möchte, stellt er fest, dass die
Maschine zu fein eingestellt ist und dadurch die Papierstückchen, die produziert werden sich
nicht als Konfetti eignen. Der Fehler ließe sich beheben, indem die Maschine von einem
Fachmann mit einem Aufwand von wenigen Minuten anders eingestellt wird.
Kann K von V die Neueinstellung der Maschine verlangen? Kann K alternativ die Lieferung
einer neuen Maschine verlangen?
Lösung:
A. Anspruch des K auf Nachbesserung gem. § 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Nachbesserung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 1
BGB haben. Nachbesserung ist die Beseitigung des Mangels, mit der Folge, dass sich die
Sache in mangelfreiem, vertragsgemäßem Zustand befindet. K könnte daher die
Neueinstellung der Maschine verlangen. Dieser Sekundäranspruch müsste zunächst
wirksam entstanden sein.
I. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1. Kaufvertrag, § 433 BGB
Damit die gewährleistungsrechtlichen Regelungen der §§ 437 ff. BGB überhaupt eingreifen
können, müssten K und V zunächst einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. K hat
mit V vereinbart, dass dieser ihm die Maschine zu einem bestimmten Preis liefern solle.
Damit haben K und V einen Kaufvertrag i.S.v. § 433 BGB geschlossen, aufgrund dessen
sich V zunächst zu Übergabe und Übereignung der Kaufsache an K verpflichtet hatte (§ 433
Abs. 1 Satz 1 BGB).
2. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB
Zudem müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sachmangel i.S.v. § 434 BGB
vorgelegen haben.
a. Sachmangel, § 434 BGB
Die für die Bestimmung des Vorliegens eines Sachmangels maßgebliche Grunddefinition
des § 434 Abs. 1 BGB folgt im Ausgangspunkt einem subjektiven Mangelbegriff. Nach
§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Kaufsache dann als mangelfrei anzusehen, wenn sie die
vereinbarte Beschaffenheit hat. Bestehen wie im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte
für eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung, weil die Parteien über bestimmte
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Eigenschaften des Vertragsgegenstandes nicht explizit gesprochen haben, sind subsidiär
§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB in entsprechender Reihenfolge zu prüfen. Die
Sache muss sich, damit Mangelfreiheit bejaht werden kann, für die im Vertrag
vorausgesetzte oder, falls eine konkrete, von der üblichen Art der Verwendung
abweichende Verwendung nicht Gegenstand der Absprache war, für die gewöhnliche
Verwendung eignen und die übliche Beschaffenheit aufweisen, die der Käufer nach Art
der Sache erwarten kann. Jedenfalls Letzteres ist hier nicht der Fall: Eine
Konfettimaschine, die Papierstückchen in einer nicht passenden Größe herstellt, eignet
sich nicht für die gewöhnliche Verwendung (=Herstellung von Konfetti in passender
Größe) und weist auch nicht die übliche Beschaffenheit auf. Ein Sachmangel ist damit
gegeben.
b. Gefahrübergang, §§ 446 f. BGB
Dieser Mangel müsste bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben.
Beim Kaufvertrag gehen sowohl Leistungsgefahr (= Risiko des Verkäufers bei Untergang
der Kaufsache ohne zusätzliche Gegenleistung nochmals leisten zu müssen) als auch
Preisgefahr (= Risiko des Käufers trotz Untergang der Kaufsache den Kaufpreis an den
Verkäufer zahlen zu müssen, ohne nochmalige Leistung verlangen zu können)
grundsätzlich im Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache vom Verkäufer auf den Käufer
über, vgl. § 446 Satz 1 BGB. Fraglich ist, ob die hier in Rede stehende Leistungsgefahr
bereits übergegangen ist. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für den Übergang der
Leistungsgefahr besteht nicht. Allerdings gehen Leistungs- und Preisgefahr nach h. M.
zeitgleich über, so dass auch die §§ 446 Satz 3, 447 Abs. 1 BGB als Anhaltspunkte für
den Übergang der Leistungsgefahr zu berücksichtigen sind. Die Leistungsgefahr könnte
nämlich ausnahmsweise auch zu einem früheren Zeitpunkt übergegangen sein, vgl. §§
447 Abs. 1 oder 446 Satz 3 BGB.
Vorliegend sollte V die Maschine liefern. Dabei handelt es sich um eine Bringschuld.
Damit bleibt für die Anwendung von § 447 Abs. 1 BGB, der für den Fall eines sog.
Versendungskaufs einen vorgezogenen Gefahrübergang regelt, hierzu aber gerade die
Vereinbarung einer Schickschuld verlangt, kein Raum. Auch für das Vorliegen eines in
§ 446 Satz 3 BGB der Übergabe gleichgestellten Annahmeverzugs des K (§§ 293 ff.
BGB) bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Von einem Gefahrenübergang ist vorliegend
somit im Zeitpunkt der Übergabe an K auszugehen, § 446 Satz 1 BGB. Mangels
gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt ist anzunehmen, dass in diesem Zeitpunkt
die Sache bereits mit dem Mangel behaftet war.
3. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
Die Mängelgewährleistung war vorliegend weder aufgrund eines vertraglichen Haftungsausschlusses (§ 444 BGB), noch im Hinblick auf eine positive Kenntnis oder grob fahrlässige
Unkenntnis des Käufers bzgl. des Mangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 442
Abs. 1 BGB) ausgeschlossen.
4. Zwischenergebnis
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Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem.
§§ 437 ff. BGB ist gegeben.
II. Anspruch auf Nachbesserung entstanden
Der Anspruch auf Nachbesserung entsteht gem. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB bereits durch die
mangelhafte Lieferung der Sache. Ein Vertretenmüssen des V ist für den Anspruch aus
§ 437 Nr. 1, § 439 BGB nicht erforderlich. K muss sich allerdings noch zugunsten der
Nachbesserungsvariante entscheiden und von seinem in § 439 Abs. 1 BGB eingeräumten
Wahlrecht (sog. ius variandi) Gebrauch machen. Damit ist der Anspruch entstanden.
III. Anspruch nicht erloschen
Der Anspruch ist nicht erloschen.
IV. Anspruch durchsetzbar
Der Anspruch ist durchsetzbar, da das Bestehen von Einreden vorliegend nicht ersichtlich
ist. Insbesondere besteht hier kein Anhaltspunkt für das Eingreifen von § 439 Abs. 3 BGB.
V. Ergebnis
K hat gegen V einen Anspruch auf Nachbesserung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 1
BGB.
B. Anspruch des K auf Nachlieferung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Nachlieferung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 2
BGB haben. Nachlieferung ist die Lieferung eines Ersatzstücks in vertragsgemäßem
Zustand. Es lag eine Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1 BGB) vor, da zwischen V und K der
Kaufvertrag über eine neue Maschine abgeschlossen wurde. Damit ist nicht ein bestimmtes
Stück Gegenstand des Kaufvertrags, sondern eine Sache, die nach einer Typenbezeichnung
zu bestimmen ist und daher lediglich eine Stück einer umfassenden Gattung.. K könnte
daher möglicherweise die Lieferung einer neuen Maschine verlangen. Der
Nacherfüllungsanspruch müsste zunächst wirksam entstanden sein.
I. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem.
§§ 437 ff. BGB ist gegeben (s.o.).
II. Anspruch auf Nachlieferung entstanden
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Der Anspruch auf Nacherfüllung entsteht gem. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB bereits durch die
mangelhafte Lieferung der Sache. Ein Kaufvertrag, sowie ein Mangel im Zeitpunkt des
Gefahrübergangs liegen vor (s.o.). K muss sich wiederum ausdrücklich zugunsten der von
ihm gewollten Nachlieferungsvariante entscheiden. Damit ist der Anspruch entstanden.
III. Anspruch nicht erloschen
Der Anspruch ist nicht erloschen.
IV. Anspruch durchsetzbar
Dem Anspruch könnte aber die Einrede des § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB entgegenstehen.
Danach kann V die von K gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit
unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei ist gem. Satz 2 der Vorschrift insb. der Wert
der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage, ob auf die
andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen
werden könnte, zu berücksichtigen.
Insbesondere dann, wenn die von K gewählte Art der Nacherfüllung in Form der
Nachlieferung bei einem internen Kostenvergleich mit der Nachbesserung die Grenze der
Zumutbarkeit überschreitet, könnte sich V wegen sog. relativer Unverhältnismäßigkeit auf
das Leistungsverweigerungsrecht des § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen. Üblicherweise ist
dies der Fall, wenn die gewählte Art der Nacherfüllung 10 % teurer als die andere ist. Sollte
V dagegen die Lieferung der mangelhaften Sache zu vertreten haben, wird dieser Wert auf
20 % erhöht (die Frage der jeweiligen Prozentsätze ist nicht unumstritten).
Die Neueinstellung der vorhandenen Maschine wäre durch einen Fachmann binnen weniger
Minuten zu erledigen. Es ist in Ermangelung genauerer Sachverhaltsangaben anzunehmen,
dass der Kostenaufwand hierfür – u. U. durch den Einsatz eigener Mitarbeiter des V – nur
einen sehr kleinen Bruchteil im Vergleich zu einer Neulieferung ausmachen würde. Die
Kosten der Neulieferung stünden mit Sicherheit selbst bei einem Vertretenmüssen des V
nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Neueinstellung. V kann daher
die Nachlieferung gem. § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB verweigern. Der Anspruch auf
Nachlieferung ist nicht durchsetzbar.
Anmerkung: Bislang wurde neben der Frage der relativen Unverhältnismäßigkeit wegen der
beiden anderen in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB genannten Kriterien (Wert der Sache in
mangelfreiem Zustand, Bedeutung des Mangels) immer auch berücksichtigt, ob die
Nacherfüllung nicht insgesamt gem. § 439 Abs. 3 Satz 3 HS 2 BGB wegen sog. absoluter
Unverhältnismäßigkeit verweigert werden kann (auch in diesem Zusammenhang war der
einschlägige Prozentsatz umstritten). Mittlerweile hat der BGH in Umsetzung eines EuGHUrteils entschieden, dass bei einem Verbrauchsgüterkauf eine Leistungsverweigerung
nach § 439 Abs.3 Satz 3 HS 2 BGB jedenfalls dann nicht möglich ist, wenn dadurch die
einzige mögliche Variante der Nacherfüllung zu entfallen droht (BGH, NJW 2012, 1073ff.).
Insoweit ist die Vorschrift teleologisch, europarechtskonform zu reduzieren. Da die Einrede
des § 439 Abs.3 Satz 1 BGB in der vorliegenden Fallvariante aber ohnehin bereits wegen
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relativer Unverhältnismäßigkeit greift, kann auf Ausführungen zur absoluten
Unverhältnismäßigkeit verzichtet werden. Die relative Unverhältnismäßigkeit ist ohne
Weiteres auch im Verbrauchsgüterkauf zulässig, da sie von der Richtlinie ausdrücklich
vorgesehen wird.
V. Ergebnis
K hat gegen V einen Anspruch auf Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. Da V die
Nachlieferung gem. § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB verweigern kann, hat K gem. § 439 Abs. 3
Satz 3 HS 1 BGB nur einen Anspruch auf Nachbesserung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB.
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Fall 6.2:
Wie Fall 6.1, mit dem Unterschied, dass in der Zeit, die vergeht, bis V die Maschine neu
eingestellt hat, der K einen Kunden nicht beliefern kann, wodurch ihm ein Gewinn von
EUR 2.000 entgeht. V hatte vor Übergabe der Maschine aus dem Lieferbericht des
Herstellers ersehen, dass die Maschine zu fein eingestellt worden und damit nicht zur
Konfettiherstellung geeignet war.
Kann K von V diesen Betriebsausfallschaden ersetzt verlangen?
Lösung:
A. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs.1 BGB
I. Bestimmung der einschlägigen Anspruchsgrundlage
1. Schadensersatz neben oder Schadensersatz statt der Leistung?
K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB
haben. Dazu müsste der mangelbedingte Nutzungsausfallschaden jedoch eine
Schadensposition neben der Leistung darstellen und zunächst vom Schadensersatz statt der
Leistung abgegrenzt werden. Die Abgrenzung erfolgt danach, ob der Schaden bei
hypothetisch rechtzeitig vorgenommener Nacherfüllung entfiele. Schäden, die bestehen
bleiben, sind neben der Leistung ersatzfähig, Schäden die entfielen, sind statt der Leistung
ersatzfähig.
Hier wurde die Maschine zwar ordnungsgemäß neu eingestellt. Allerdings ist der entgangene
Gewinn dadurch nicht kompensiert worden. Realisiert werden könnten im Falle einer
ordnungsgemäßen Nacherfüllung allenfalls künftige Gewinne. Damit ist vorliegend ein
Schadensersatzanspruch neben der Leistung zu prüfen.
Hinweis: Der sog. Vorrang der Nacherfüllung ist beim Schadensersatz neben der
Leistung
nicht
zu
beachten.
Für
die
Geltendmachung
eines
Schadensersatzanspruchs neben der Leistung ist es irrelevant, ob Nacherfüllung
verlangt worden ist. Schließlich würde die Schadensposition nicht entfallen, auch
wenn rechtzeitig nacherfüllt worden wäre. Begründet findet sich diese Einschätzung
auch darin, dass sich der Vorrang der Nacherfüllung im Fristsetzungserfordernis des
§ 281 BGB wiederspiegelt. Die Frist soll gesetzt werden, damit der Schuldner noch
nachbessern/nachliefern kann. § 280 Abs. 1 BGB und § 286 BGB kennen ein solches
Erfordernis nicht.
2. §§ 437 Nr.3, 280 Abs.1 BGB oder §§ 437 Nr.3, 280 Abs.1, Abs. 2, 286 BGB?
Schadensersatz neben der Leistung kann nach § 280 Abs. 1 BGB oder nach §§ 280 Abs. 1,
Abs. 2, 286 BGB gewährt werden. Es ist zu überlegen, ob der Anspruch auf Ersatz gem.
§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB oder unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 437
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Nr. 3, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB (Verzug) zu gewähren ist. Die genaue Einordnung
des mangelbedingten Nutzungsausfallschadens ist umstritten.
Mitunter wird vertreten, dass die ordnungsgemäße Leistung (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) im
Falle eines mangelbedingten Nutzungsausfalls zeitlich verzögert sei. Jede Schlechtleistung
stelle daher immer auch eine (teilweise) Nichtleistung dar. Außerdem dürfe derjenige
Schuldner, der immerhin eine – wenn auch mangelhafte – Leistung erbringt, nicht unter
leichteren Voraussetzungen zum Schadensersatz verpflichtet werden, als derjenige, der
überhaupt nicht leistet und erst unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB zur
Rechenschaft gezogen wird. Weil die Leistung einer mangelhaften Sache eine weniger ins
Gewicht fallende Pflichtverletzung als eine vollständige Nichtleistung i.S.v. § 286 BGB
darstelle, müssten die Verzugsvoraussetzungen hier erst Recht zur Anwendung kommen.
Demzufolge wären nach dieser Ansicht die §§ 437 Nr.3, 280 Abs.1, Abs. 2, 286 BGB
einschlägig.
Diese Argumentation wird jedoch von der herrschenden Meinung zu Recht abgelehnt. Zum
einen ist es keineswegs zutreffend, dass die Lieferung einer mangelhaften Sache eine
weniger schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt als die Nichtleistung. Denn mit der
Lieferung einer mangelhaften Sache wird unter Umständen eine potentielle Gefahrenquelle
geschaffen, die in negativer Weise auf die Gütersphäre des Käufers einwirken und weitere
Schadensposten nach sich ziehen kann. Des Weiteren verlangt der Wortlaut des § 286 BGB
ausdrücklich eine Nichtleistung, die etwas qualitativ anderes als die Erbringung einer
mangelhaften Leistung ist. Diese Überlegung wird dadurch bekräftigt, dass im Falle einer
Nichtleistung weiterhin der ursprüngliche Erfüllungsanspruch des Käufers (§ 433 Abs.1 BGB)
besteht, der sich jedoch bei mangelhafter Leistung in den Nacherfüllungsanspruch
umwandelt. Zudem deutet auch § 437 Nr. 3 BGB darauf hin, dass die Schlechtleistung als
erstmalige Pflichtverletzung und nicht als Verzug zu werten ist: § 286 BGB wird nämlich in §
437 Nr.3 BGB im Gegensatz zu allen anderen schadensersatzrelevanten Vorschriften (§§
280, 281, 283, 311a Abs.2 BGB) explizit nicht erwähnt. Zwar ergibt sich über § 280 Abs. 2
BGB eine mittelbare Verweisung auf § 286 BGB. Allerdings gilt das wegen § 280 Abs. 3 BGB
auch für die §§ 281 und 283 BGB, auf die § 437 Nr. 3 BGB aber im Gegensatz zu § 286
BGB unmittelbar Bezug nimmt. Die Anwendbarkeit der §§ 434 ff. BGB setzt voraus, dass
bereits eine Leistung erbracht wurde und der Gefahrübergang i.S.v. § 446 Satz 1 BGB
stattgefunden hat. § 286 BGB ist im Rahmen des Gewährleistungsrechts der §§ 434 ff. BGB
vielmehr nur dann anwendbar, soweit es darum geht, dass sich der Verkäufer mit der
Erfüllung der Nacherfüllungspflicht in Verzug befindet und damit (nach Lieferung einer
mangelhaften Sache) eine zweite Pflichtverletzung begeht. Im Übrigen ist die sofortige
Schadensersatzpflicht des V nach den §§ 437 Nr.3, 280 Abs.1 BGB auch dadurch
gerechtfertigt, dass V die Maschine vor der Auslieferung auf ihre Beschaffenheit kontrollieren
kann (aber nicht muss). Der BGH (BGH, NJW 2009, 2674ff.) hat sich dieser überzeugenden
herrschenden Meinung mittlerweile angeschlossen.
3. Zwischenergebnis
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Damit sind – vorbehaltlich der Anwendbarkeit der §§ 434 ff. BGB – die §§ 437 Nr. 3, 280
Abs. 1 BGB im Falle des mangelbedingten Nutzungsausfalls die richtige
Anspruchsgrundlage.
II. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1. Kaufvertrag, § 433 BGB
Damit die gewährleistungsrechtlichen Regelungen der §§ 437 ff. BGB überhaupt eingreifen
können, müssten K und V zunächst einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. Dies
war vorliegend der Fall, s.o.
2. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB
Zudem müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sachmangel i.S.v. § 434 BGB
vorgelegen haben.
a. Sachmangel, § 434 BGB
Da die Parteien weder eine konkrete Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB
vereinbart noch einen besonderen Verwendungszweck i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr.1
BGB verabredet hatten, kommt hier allein ein Sachmangel gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr.2
BGB in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da die Maschine nicht
imstande war, die Konfettistücke in passender Größe herzustellen und insofern nicht die
übliche Beschaffenheit aufweist, die bei vergleichbaren Sachen erwartet werden kann,
s.o.
b. Gefahrübergang, §§ 446 f. BGB
Dieser Mangel müsste bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Für
ein Eingreifen der §§ 446 Satz 3, 447 Abs.1 gibt es keine Anhaltspunkte. Mangels
gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt ist anzunehmen, dass die Sache bereits bei
Übergabe und damit bei Gefahrübergang i.S.v. § 446 Satz 1 BGB mit dem Mangel
behaftet war. Insoweit ergeben sich ebenfalls keine Abweichungen zu oben.
3. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
Die Mängelgewährleistung war vorliegend weder aufgrund eines vertraglichen Haftungsausschlusses (§ 444 BGB), noch im Hinblick auf eine positive Kenntnis oder grob fahrlässige
Unkenntnis des Käufers bzgl. des Mangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 442
Abs. 1 BGB) ausgeschlossen.
4. Zwischenergebnis
Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem.
§§ 437 ff. BGB ist gegeben.
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III. Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB
1. Schuldverhältnis
Mit dem zwischen K und V geschlossenen Kaufvertrag liegt das für § 280 Abs. 1 BGB
erforderliche Schuldverhältnis vor.
2. Pflichtverletzung
Die maßgebliche Pflichtverletzung liegt in der Lieferung einer mangelhaften Sache, nicht in
der nicht-rechtzeitigen Lieferung einer mangelfreien Sache. Insoweit verstößt V gegen seine
Verpflichtung aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB.
3. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
V müsste die Pflichtverletzung (Lieferung einer mangelhaften Sache) zu vertreten haben.
Den Maßstab für das Vertretenmüssen bilden dabei die Regelungen der §§ 276 ff. BGB.
Gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schuldner grundsätzlich für Vorsatz und
Fahrlässigkeit einzustehen. Ein Vorsatzvorwurf gegenüber V steht nicht im Raum, jedoch der
der Fahrlässigkeit. V hat zwar die mangelhafte Einstellung der Maschine nicht durch eigenes
Verhalten kausal herbeigeführt, er hat aber eine Überprüfung der Einstellung bzw. eine
Neueinstellung der Maschine unterlassen, obwohl er laut Sachverhalt eindeutig Kenntnis von
dem Mangel aufgrund des Lieferberichts hatte. Den Verkäufer trifft zwar keine grundsätzliche
Untersuchungspflicht des Kaufgegenstands, er darf aber auch nicht „sehenden Auges“ den
Käufer mit einer mangelhaften Sache belasten. Erkennt er einen Mangel, so muss er sich um
dessen Beseitigung bemühen. Durch die Nichtbeseitigung des Mangels ließ V also die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht und handelte folglich fahrlässig. Ein
Vertretenmüssen liegt vor, so dass es auf die Vermutungsregelung des § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB nicht ankommt.
4. kausaler Schaden, §§ 249ff. BGB
Die aufgrund der Produktionsausfälle entstanden Umsatzeinbußen sind adäquat kausal auf
die Mangelhaftigkeit der Maschine zurückzuführen und damit nach Maßgabe der sog.
Differenzhypothese vom Umfang des Schadensersatzanspruchs mitumfasst.
B. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1 BGB ist gegeben.
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Fall 6.3:
Wie Fall 6.2, mit dem Unterschied, dass V zu dem Zeitpunkt, der für das Neueinstellen
vereinbart ist, nicht erscheint, da V, der von sich weiß, dass er gerne einmal Termine
vergisst, den vereinbarten Zeitpunkt nicht in seinen Kalender eingetragen hat. Erst drei Tage
später, als V die Vereinbarung wieder einfällt, schickt er einen Monteur. In dieser
Zwischenzeit konnte der K einen weiteren Auftrag nicht erfüllen, der ihm einen Gewinn von
EUR 750 beschert hätte.
Kann K von V auch diese EUR 750 ersetzt verlangen?
Lösung:
A. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB
I. Bestimmung der einschlägigen Anspruchsgrundlage
1. Schadensersatz neben oder Schadensersatz statt der Leistung?
K könnte den entgangenen Gewinn in Höhe von 750 € möglicherweise über den
Schadensersatzanspruch des §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB ersetzt verlangen.
Dazu müsste der entgangene Gewinn vorliegend aber einen Verzugsschaden darstellen. Da
der Verzugsschaden eine besondere Form den Schadensersatzes neben der Leistung
begründet, gilt es zunächst zu klären, ob es sich nicht um eine über den Schadensersatz
statt der Leistung zu kompensierende Schadensposition handelt.
Die Abgrenzung beider Schadensersatzkategorien erfolgt danach, ob der Schaden bei
hypothetisch rechtzeitig vorgenommener Nacherfüllung entfiele. Schäden, die bestehen
bleiben, sind neben der Leistung ersatzfähig, Schäden die entfielen, sind statt der Leistung
ersatzfähig.
Im vorliegenden Fall wurde die Maschine zwar repariert. Allerdings ist der Monteur verspätet
zum verabredeten Reparaturtermin erschienen. Da die konkrete entgangene und in der
Vergangenheit liegende Gewinnchance trotz der vorgenommenen Nacherfüllung nicht mehr
kompensiert werden kann, handelt es sich um einen Schadensersatz neben der Leistung.
Die Reparatur versetzt den K nur noch in die Lage, künftige Gewinne zu realisieren.
2. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB oder §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 2 286 BGB?
Schadensersatz neben der Leistung kann nach § 280 Abs. 1 BGB oder nach §§ 280 Abs. 1,
Abs. 2, 286 BGB gewährt werden. Es ist zu überlegen, ob der Anspruch auf Ersatz gem.
§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB (sog. positive Pflichtverletzung) oder nur unter den
Voraussetzungen des § 437 Nr. 3, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB (Verzug) zu gewähren
ist.
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Vorliegend wird die potentielle Schadensposition des entgangenen Gewinns durch die
verspätet erbrachte Nacherfüllung hervorgerufen. Zwar ist die ursprüngliche Lieferung der
mangelhaften Sache mitursächlich, weil es ohne sie nie zu der beschriebenen Situation
gekommen wäre (erste Pflichtverletzung). Entscheidend (und Hauptursache) ist aber, dass V
die Nacherfüllung in Form der Reparatur verspätet durchführen lässt (zweite
Pflichtverletzung). Befindet sich der Verkäufer mit der Nacherfüllung in Verzug und wird
dadurch ein Schaden verursacht, so sind die §§ 437 Nr.3, 280 Abs.1, Abs. 2, 286 BGB
richtige Anspruchsgrundlage.
[Hinweis 1: Es wäre aber auch genauso möglich auf die erste Pflichtverletzung für die
Bestimmung des Schadensersatzes nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB abzustellen. Denn
schließlich ist auch diese kausal für den Schaden und V trifft Verschulden hinsichtlich der
Lieferung einer mangelhaften Sache]
[Hinweis 2: Insoweit besteht ein entscheidender Unterschied zu Fall 6.2. Dort wurde der
Schaden durch die erstmalige Schlechtleistung verursacht, während hier der Schuldner auch
noch zusätzlich mit der Beseitigung des Mangels in Verzug kommt.]
II. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1. Kaufvertrag, § 433 BGB
V und K haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen, s.o.
2. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB
Zudem müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sachmangel i.S.v. § 434 BGB
vorgelegen haben.
a. Sachmangel, § 434 BGB
Es liegt ein Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 2 Nr.2 BGB vor, s.o.
b. Gefahrübergang, §§ 446 f. BGB
Die §§ 446 Satz 3, 447 Abs.1 BGB sind vorliegend nicht einschlägig, s.o. Außerdem ist
in Ermangelung anderweitiger Sachverhaltsangaben davon auszugehen, dass die Sache
schon bei Übergabe (und damit bei Gefahrübergang i.S.v. § 446 Satz 1 BGB) mangelhaft
war, s.o.
3. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
Die Mängelgewährleistung war vorliegend weder aufgrund eines vertraglichen Haftungsausschlusses (§ 444 BGB), noch im Hinblick auf eine positive Kenntnis oder grob fahrlässige
Unkenntnis des Käufers bzgl. des Mangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 442
Abs. 1 BGB) ausgeschlossen.
4. Zwischenergebnis
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Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem.
§§ 437 ff. BGB ist gegeben.
III. Voraussetzungen des §§ 280 Abs.1, Abs. 2, 286 BGB
1. Schuldverhältnis
Mit dem zwischen K und V geschlossenen Kaufvertrag liegt das für § 280 Abs. 1 BGB
erforderliche Schuldverhältnis vor, s.o.
2. Pflichtverletzung
Die Pflichtverletzung liegt in der nicht-rechtzeitigen Nachbesserung der mangelhaften Sache,
also im Eintritt des Verzugs der Nacherfüllung, nicht in der nicht-rechtzeitigen Lieferung einer
mangelfreien Sache, also im Eintritt des Verzugs der ursprünglichen Leistung. Folglich
müssten die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs gegeben sein (§ 286 BGB).
a) Fälliger und durchsetzbarer Nacherfüllungsanspruch des K
K müsste ein fälliger und durchsetzbarer Nacherfüllungsanspruch zustehen.
Die Erfüllung des Nacherfüllungsanspruchs dürfte insbesondere nicht unmöglich i. S.
v. § 275 Abs. 1-3 BGB gewesen sein. Hierfür bestehen vorliegend keinerlei
Anhaltpunkte.
Ansprüche werden gem. § 271 Abs. 1 BGB im Zweifelsfalle grundsätzlich mit ihrer
Entstehung sofort fällig. Beim Nacherfüllungsanspruch, ist, da der Käufer mitunter
zwischen Nachbesserung und Nachlieferung wählen muss, spätestens mit dessen
Geltendmachung durch Anzeige des Mangels und Ausübung des Wahlrechts von der
Fälligkeit auszugehen.
Zuletzt dürften dem Anspruch auch keinerlei die Durchsetzbarkeit hemmende
Einreden entgegenstehen. Vorliegend wurde die Leistungspflicht bis zum für die
Reparatur vereinbarten Zeitpunkt gestundet. Diesen Termin ließ V jedoch ungenutzt
verstreichen, so dass i. E. sowohl die Fälligkeit als auch die Durchsetzbarkeit des
Anspruchs zu bejahen sind.
b) Mahnung oder Entbehrlichkeit der Mahnung
K müsste den V gemahnt haben (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder die Mahnung
müsste entbehrlich gewesen sein (§ 286 Abs. 2 BGB). K hat den V nicht gemahnt.
Allerdings hatten K und V einen konkreten Zeitpunkt, zu dem die Nacherfüllung
erbracht werden soll, vereinbart, sodass die Leistungszeit nach dem Kalender
bestimmt war. Damit ist eine Mahnung gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich.
c) Nichtleistung des Schuldners
Da V die Reparatur trotz des fälligen und einredefreien Nacherfüllungsanspruchs zum
verabredeten Zeitpunkt nicht durchführen ließ, sind bis auf das Vertretenmüssen alle
Verzugsvoraussetzungen des § 286 BGB erfüllt.
3. Vertretenmüssen, §§ 286 Abs.4, 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
V müsste die Pflichtverletzung zu vertreten haben i.S.d. § 276 BGB. Hinsichtlich der
Säumnis handelte er nicht vorsätzlich, doch möglicherweise fahrlässig. Da V Kenntnis von
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seiner vergesslichen Natur hat, missachtete er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, indem
er den Termin nicht in seinen Kalender aufnahm und daher die Nacherfüllung versäumte,
und handelte somit fahrlässig. Im Verhältnis zu § 286 Abs. 4 BGB stellt § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB in materieller Hinsicht keine weitergehenden Anforderungen.
3. Kausaler Schaden, §§ 249 ff. BGB
Die von K geltend gemachten Umsatzeinbußen i.H.v. 750 EUR sind adäquat kausal auf die
Verzögerung der Leistung (=Verspätung der Nacherfüllung) zurückzuführen. Als
entgangener Gewinn i.S.v. § 252 BGB sind sie im Rahmen des vorliegenden
Schadensersatzes neben der Leistung zu ersetzen.
B. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB ist
gegeben.
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Fall 6.4:
Wie Fall 6.3, mit dem Unterschied, dass V die Nachbesserung nicht an einem vereinbarten
Zeitpunkt und auch nicht später vornimmt, da er sie vollkommen vergisst. K erklärt dem V,
dass er auf die Nacherfüllung verzichte und beschließt, die Maschine zu behalten. Mit dem
Fehler hat sie aber nur noch einen Wert von 45.000 €.
Kann K die 5.000 € Wertunterschied von V ersetzt verlangen? (Vorausgesetzt, dass der
Kaufpreis von 50.000 € dem wirklichen Wert der Maschine entspricht. Eine Minderung ist an
dieser Stelle nicht zu prüfen.)
Lösung:
A. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
I. Bestimmung der einschlägigen Anspruchsgrundlage
1. Schadensersatz neben oder Schadensersatz statt der Leistung?
Möglicherweise kann K die 5.000 € Wertunterschied gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3,
281 BGB ersetzt verlangen. Dazu müsste der mangelbedingte Minderwert jedoch einen
Schadensposten statt der Leistung darstellen, sodass auch hier wieder eine Abgrenzung
zum Schadensersatz neben der Leistung erforderlich ist.
Die Abgrenzung beider Schadensersatzkategorien erfolgt danach, ob der Schaden bei
hypothetisch rechtzeitig vorgenommener Nacherfüllung entfiele. Schäden, die bestehen
bleiben, sind neben der Leistung ersatzfähig, Schäden die entfielen, sind statt der Leistung
ersatzfähig.
Der Schaden liegt im Wertunterschied von 5.000 €. Würde die Maschine noch repariert
werden, würde dieser Minderwert beseitigt werden. Der Schaden ist also nicht endgültig
eingetreten, sondern wäre durch eine hypothetisch rechtzeitig vorgenommene
Nachbesserung entfallen. Es kommt daher allein ein Schadensersatzanspruch statt der
Leistung in Betracht.
Hinweis: Dabei ist unbeachtlich, dass K nun schon Schadensersatz verlangt hat
(§ 281 Abs. 4 BGB) und damit die Nacherfüllung nicht mehr möglich ist, weil sie dem
V nicht mehr erlaubt ist. Wäre sie nämlich im erlaubten, letztmöglichen Zeitpunkt
vorgenommen worden, wäre der Schaden beseitigt worden. Es kommt auf eine
gedachte, hypothetische Nacherfüllung an.
2. Abgrenzung der §§ 281, 283, 311a Abs. 2 BGB
Schadensersatz statt der Leistung wird gem. § 280 Abs. 3 BGB nur unter den zusätzlichen
Voraussetzungen des § 281 BGB, § 282 BGB oder § 283 BGB gewährt. Da vorliegend eine
leistungsbezogene Pflicht, nämlich die Nacherfüllung, verletzt worden sein könnte und deren
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Erfüllung nicht unmöglich i.S.d. § 275 BGB geworden ist, ist § 281 BGB einschlägig. Daher
müssen die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB und des § 281 BGB erfüllt sein.
II. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1. Kaufvertrag, § 433 BGB
K und V haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen, s.o.
2. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB
Zudem müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sachmangel i.S.v. § 434 BGB
vorgelegen haben.
a. Sachmangel, § 434 BGB
Es liegt ein Sachmangel i.S.v. § 434 Abs.1 Satz 2 Nr.2 BGB vor, s.o..
b. Gefahrübergang, §§ 446 f. BGB
Dieser lag auch schon im Zeitpunkt der Übergabe und damit bei Gefahrübergang vor,
s.o.
3. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
Die Mängelgewährleistung war vorliegend weder aufgrund eines vertraglichen Haftungsausschlusses (§ 444 BGB), noch im Hinblick auf eine positive Kenntnis oder grob fahrlässige
Unkenntnis des Käufers bzgl. des Mangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 442
Abs. 1 BGB) ausgeschlossen.
4. Zwischenergebnis
Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem.
§§ 437 ff. BGB ist gegeben.
III. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281
BGB
1. Schuldverhältnis, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB
Voraussetzung für das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs ist gem. der zentralen
Grundnorm des § 280 Abs. 1 BGB zunächst das Vorliegen eines Schuldverhältnisses. K und
V haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen. Ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 Abs. 1
Satz 1 BGB ist damit gegeben.
2. Pflichtverletzung, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB
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V müsste zudem eine Pflichtverletzung begangen haben. Als solche kommen grundsätzlich
Nicht-, Spät- oder Schlechtleistung in Betracht. Bezugspunkt ist hier die Nacherfüllung. Diese
hat V nicht erbracht, so dass ein Fall der schlichten Nichtleistung gegeben ist.
3. Fristsetzung
K müsste dem V darüber hinaus gem. § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Frist zur Nacherfüllung
gesetzt haben. Diese müsste erfolglos abgelaufen oder gem. Abs. 2 der Vorschrift
entbehrlich sein. Die Fristsetzung ist die bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung
innerhalb eines bestimmten Zeitraums. K und V hatten einen Termin für die Neueinstellung
vereinbart. Darin ist das bestimmte und eindeutige Verlangen des K erkennbar.
Insbesondere wird hierdurch auch ein Zeitpunkt bestimmt. V hat die Maschine nicht zur
vereinbarten Zeit neu eingestellt, die Nachbesserung also nicht erbracht. Damit ist die Frist
erfolglos abgelaufen.
4. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
V müsste die Pflichtverletzung zu vertreten haben. Beim Anspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280
Abs.1, Abs. 3, 281 BGB ist umstritten, auf welche Pflichtverletzung sich das
Vertretenmüssen des Verkäufers beziehen muss:
Teilweise wird verlangt, dass der Verkäufer kumulativ sowohl die Lieferung der
mangelhaften Sache (1. Pflichtverletzung) als auch das endgültige Ausbleiben der
Nacherfüllung (2.Pflichverletzung) zu vertreten haben muss. Diese Auffassung ist
abzulehnen, da sie nicht aus dem Gesetz abgeleitet werden kann und zudem unnötig hohe
Anforderungen an ein Schadensersatzverlangen des Käufers aufstellt.
Eine andere Ansicht bezieht das Vertretenmüssen bei § 281 BGB dagegen allein auf die
Nichtbehebung des Mangels, also die zweite Pflichtverletzung (=Nichtleisten der
Nacherfüllung). Allein diese Sichtweise entspreche dem im Fristsetzungserfordernis des §
281 Abs.1 BGB zum Ausdruck gebrachten „Recht zur zweiten Andienung“.
Nach wohl überwiegender Auffassung ist dagegen erforderlich, dass der Verkäufer
zumindest eine der beiden genannten Pflichtverletzungen zu vertreten haben muss. Die
Nacherfüllungspflicht des Verkäufers stelle nur eine zweite Gelegenheit dar, die eigentlich
geschuldete Leistung zu erbringen. Verstößt er auch gegen diese Pflicht, so soll es keine
Rolle spielen, dass er die zweite Pflichtverletzung unter Umständen gar nicht zu vertreten
hat. Denn mit der Lieferung der mangelhaften Sache (1.Pflichtverletzung) hat der Verkäufer
selbst die Gefahr begründet, dass die Nacherfüllung möglicherweise aus nicht von ihm zu
vertretenden Umständen ausbleibt (Risikoerhöhung). Die erste Pflichtverletzung werde eben
nicht dadurch hinfällig, dass der Verkäufer auch gegen seine Nacherfüllungspflicht verstößt.
Letztlich muss man sich hier nicht für eine der obigen Ansichten entscheiden, da V sowohl
mit Blick auf die erste (Lieferung der mangelhaften Sache) wie die zweite Pflichtverletzung
(Ausbleiben der Nacherfüllung) Fährlässigkeit vorzuwerfen ist.
5. kausaler Schaden, §§ 249 ff. BGB
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Was den Umfang des von K geltend gemachten Anspruchs auf den „kleinen
Schadensersatz“ statt der Leistung (er will die Sache behalten) angeht, ist der
mangelbedingte Minderwert i.H.v. 5.000 € nach Maßgabe der sog. Differenzhypothese
mitumfasst.
6. Zwischenergebnis
Der Anspruch ist entstanden. Für das Eingreifen rechtsvernichtender Einwendungen oder
rechtshemmender Einreden bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Der Anspruch ist mithin nicht
erloschen und durchsetzbar.
B. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ist
mithin gegeben.