Lösung Fall 14: Luftpumpenrakete 1) Anspruch des K gegen D gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz? a) Tatbestand K hat eine Körperverletzung erlitten. Die Körperverletzung müsste kausal auf einem Handeln oder pflichtwidrigen Unterlassen des D beruhen und dem D zurechenbar sein. Das Verhalten des D – Verkauf und Aushändigung des Unkrautvernichtungsmittels an K – kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Körperverletzung des K entfiele. Es ist also ursächlich i. S. d. Bedingungstheorie. Die Aushändigung des Unkrautvernichtungsmittels an einen Minderjährigen ist generell geeignet, eine Körperverletzung zu verursachen. Es liegt nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass ein Minderjähriger dieses als Sprengmittel benutzt und dabei zu Schaden kommt. Adäquate Kausalität ist daher gegeben. Die Aushändigung des Unkrautvernichtungsmittels durch D hat aber nicht unmittelbar zur Körperverletzung des K geführt, sondern diese trat erst dadurch ein, dass K eine weitere Ursachenkette selbst in Gang gesetzt hat. Bei einer solchen bloß mittelbaren Verletzungshandlung ist die adäquate Verursachung des „Erstverursachers“ relativ weit vom Verletzungserfolg entfernt, so dass es fraglich ist, ob man hier allein aufgrund der adäquaten Kausalität dem „Erstverursacher“ einen Verletzungserfolg zurechnen kann. Bei unmittelbaren Verletzungshandlungen liegt jeder Verletzungserfolg im Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB, da diese Norm vor derartigen Eingriffen in die genannten Rechtsgüter schützen soll. Bei mittelbaren Beeinträchtigungen ist die Zurechnung fraglich, da dem § 823 Abs. 1 BGB nicht die Wertung entnommen werden kann, dass jede Handlung verboten sein soll, die in irgendeiner Weise mittelbar zu einem Verletzungserfolg beigetragen hat. Anderenfalls hätte z. B. auch der Hersteller eines Automobils, mit dem später der Käufer wegen verkehrswidrigen Fahrens einen Dritten verletzt, den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB – Körperverletzung – erfüllt. Seite 1 von 3 Bei einer mittelbar schädigenden (fahrlässigen) Handlung ist dem Handelnden der adäquat kausal herbeigeführte Verletzungserfolg daher nur dann zuzurechnen, wenn der Handelnde die in einem speziellen Schutzgesetz aufgestellte Verhaltenspflicht oder die allgemeine Verkehrssicherungspflicht objektiv verletzt hat. Beim Verkauf von Artikeln an Jugendliche ist die Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht dann zu bejahen, wenn dem Verkauf ein gesetzliches Verbot entgegensteht. Aus deliktsrechtlichen Gründen kann es aber auch geboten sein, auf die Abgabe eines an sich frei verkäuflichen Produkts an Kinder zu verzichten, wenn mit der naheliegenden Gefahr zu rechnen ist, dass die Kinder die auf dem Umgang mit diesem Produkt beruhenden Risiken nicht in gebotener Weise zu beherrschen vermögen und sich oder Dritte in ihren geschützten Rechtsgütern verletzen können. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Pflichtwidrigkeit des D bereits aus dem Zuwiderhandeln gegen die Pflanzenschutzmittelverordnung, die u. a. bezweckt, einem Missbrauch – etwa als Sprengmittel – entgegenzuwirken. D hat somit den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt. b) Die Rechtswidrigkeit ist durch die Verwirklichung des Tatbestands indiziert und Rechtfertigungsgründe greifen nicht ein. c) D hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, als er das gesetzliche Verbot missachtete; er handelte also fahrlässig, § 276 Abs. 2 BGB. Ergebnis: K hat gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB. D muss dem K gemäß §§ 249 ff. BGB alle Nachteile ersetzen, die diesem infolge der Körperverletzung entstehen. In Betracht kommt eine Kürzung des Anspruches gemäß § 254 BGB wegen Mitverschuldens des Minderjährigen K; die „Mitverschuldensfähigkeit“ des K beurteilt sich analog § 828 BGB. Im Rahmen des § 828 Abs. 3 BGB ist die Einsicht maßgeblich, dass man sich selbst vor Schaden zu bewahren hat. Da K erfahren hatte, dass die in der Erde vergrabenen Pumpen durch die Sprengwirkung zerfetzt worden waren, kannte er die Gefährlichkeit. Ihn trifft ein erhebliches Mitverschulden. Man dürfte zu einer Aufteilung von ½ zu ½ kommen. Seite 2 von 3 2) D haftet auch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. der Pflanzenschutzmittelverordnung als Schutzgesetz. Der Haftungsumfang entspricht dem des § 823 Abs. 1 BGB. Seite 3 von 3
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