Hausarbeit Verwaltungsrecht II (VwGO)

Klaus Peter Frenzen, Präsident des VG Minden
Fakultät für Rechtswissenschaft
Hausarbeit Verwaltungsrecht II (VwGO)
Teil 1
Der A ist deutscher Staatsbürger mit afrikanischen Wurzeln. Er fährt am
21. März 2016 in einem Regionalzug von Minden nach Dortmund. Mit dem A sitzen
noch rund 30 weitere Personen in dem Großraumwaggon. In Bielefeld steigen zwei
uniformierte Polizeibeamte der örtlich zuständigen Bundespolizeidirektion zu. Die
beiden Beamten sprechen gezielt den A an und fordern ihn auf, sich für eine
grenzpolizeiliche Kontrolle auszuweisen. Daraufhin entbrennt zwischen den Beamten
und A eine lebhafte Diskussion, in der der A sich zunächst weigert, sich
auszuweisen. Er wirft den Beamten vor, ihn nur wegen seines nicht
westeuropäischen Aussehens zu kontrollieren. Dies könne doch wohl nicht sein.
Denn die Zeiten, in denen ausländisch aussehende Personen in Deutschland
Repressalien zu fürchten hätten, seien ja wohl vorbei. Außerdem dürften die
Beamten in diesem Zug schon deshalb keine Einreisekontrollen durchführen, da die
Grenzen Deutschlands überhaupt nicht überschritten werden und daher mit diesem
Zug keine Einreise möglich sei. Die Beamten weisen besonders den ersten Vorwurf
zurück. Die einschlägigen Regelungen des Bundespolizeigesetzes gestatteten es
den Beamten, jeden Fahrgast eines Zuges ohne Vorliegen eines besonderen
Anlasses zu kontrollieren; in diesem Waggon sei die Wahl eben auf den A gefallen.
Sein Aussehen allein sei nicht der Grund für die Kontrolle. Nach einigem Hin und Her
fügt sich der A aber schließlich; auch um nicht noch mehr Aufmerksamkeit der
anderen Fahrgäste auf sich zu ziehen, die jedes Wort der Auseinandersetzung
bisher mitbekommen haben. Er händigt seinen Personalausweis aus, die Beamten
fragen kurz in der Einsatzzentrale nach, ob „etwas gegen den A“ vorliegt. Da dies
nicht der Fall ist, geben sie ihm den Ausweis zurück und gehen weiter.
Der A – nicht zum ersten Mal auf diese Weise kontrolliert – hat nun endgültig genug
von dieser Art Kontrolle. Am 27. Juni 2016 erhebt er deshalb beim örtlich
zuständigen Verwaltungsgericht Klage, mit der er eine gerichtliche Bestätigung
verlangt, dass die Kontrolle am 21. März 2016 unzulässig gewesen ist. Wie wird das
Gericht entscheiden?
2. Teil
Der B ist ebenfalls deutscher Staatsbürger. Da das Ablaufdatum seines
Personalausweises näher rückte, machte er sich auf dem Weg zum für in örtlich
zuständigen Ordnungsamt Bielefeld und beantragte dort einen neuen
Personalausweis. Im Rahmen der Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen
erfuhr die Behörde (inhaltlich zutreffend), dass der B vor rund einem halben Jahr „auf
die schiefe Bahn geraten“ ist: Über das Internet ließ er sich von einer – in
Deutschland zu Recht als terroristisch eingestuften – Vereinigung begeistern und war
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von deren religiös-extremistischer Weltanschauung fasziniert. Der Gruppe, die sich
selbst als „Islamistisches Land“ (IL) bezeichnet und ihren Wirkbereich zur Zeit
hauptsächlich im Nahen Osten hat, ist insbesondere die westeuropäische
Lebensweise zuwider und möchte sie daher nachhaltig beseitigen. Hierzu setzt sie
auf die Begehung von Sprengstoffanschlägen in den westeuropäischen Staaten,
durch die sie so viele unbeteiligte Zivilisten wie möglich töten will, um so ein Gefühl
der Angst zu schüren. Auch der B wollte einen solchen Anschlag begehen und reiste
hierzu für ein entsprechendes „Training“ in den Irak, wo er von den dortigen
Anhängern des IL geschult wurde. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland, plante
der B, in naher Zukunft nach Österreich zu reisen, um dort einen Anschlag auf einem
belebten Platz mit möglichst vielen Opfern unter den Passanten zu begehen.
Um dies zu verhindern, versagt das Ordnungsamt – nach einer umfassenden
Prüfung des Sachverhaltes – mit ordnungsgemäß begründetem Schreiben eine
Erteilung des neuen Personalausweises. Damit sich der B innerhalb Deutschlands
weiterhin legitimieren kann, wurde ihm jedoch ein Ersatz-Personalausweis
ausgestellt. Hiergegen erhob der B Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht,
mit der er jedoch rund 7 Monate nach Klageerhebung vollumfänglich unterlag. Auch
mit diesem Urteil war er nicht einverstanden, sodass er hiergegen Berufung einlegte.
Während das Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht seinen Gang
nahm, wurde der B durch eine Vielzahl von Medienberichten über die Gräueltaten
des IL, aber auch durch Veränderungen im privaten Umfeld (der B hat nunmehr
einen festen Arbeitsplatz und wird in absehbarer Zeit Vater) aufgerüttelt und wandte
sich nicht nur von der hassgeprägten Weltanschauung des IL ab. Er setzt sich
nunmehr auch aktiv gegen die Rekrutierungsversuche des IL – gerade unter
deutschen Jugendlichen – ein und betreibt in verschiedenen sozialen Netzwerken
Kanäle, auf denen er die Methoden des IL öffentlich macht und vor deren Ideologie
warnt. Außerdem sucht er vermehrt die mediale Öffentlichkeit, um dort seine
Erfahrungen zu schildern und potentielle Nachahmer aufzurütteln. Diese Umstände
wurden während der mündlichen Berufungsverhandlung erörtert. Im Ergebnis war
der B mit seiner Berufung erfolgreich, womit wiederum die Stadt Bielefeld nicht
einverstanden war. Sie erhob daraufhin eine – zulässige – Revision, die nun seit
rund 3 Monaten beim Bundesverwaltungsgericht zur Bearbeitung liegt.
Der B bringt seine Aufklärungskampagne gegen das IL in der Zwischenzeit weiter
voran: Um sie möglichst weit zu tragen, würde der B auch gern in das europäische
Ausland reisen, was ihm mit dem Ersatz-Personalausweis aber nicht möglich ist.
Dringend wird die Situation für ihn, als er zu einem Fernsehauftritt in einer Talkshow
in Paris in genau einer Woche eingeladen wird, wo er als „Kenner des ILs“ über
dessen Methoden berichten soll. Auf Nachfrage erhält der B beim
Bundesverwaltungsgericht die Auskunft, dass mit einer Revisionsentscheidung in
seiner Sache frühestens in drei Monaten zu rechnen sein. Daher geht er zum örtlich
zuständigen Verwaltungsgericht und beantragt dort, dass das Gericht dafür sorgen
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möge, dass er zu diesem Fernsehauftritt reisen könne. Schließlich sei er jetzt ein
rechtschaffender Bürger, der sich sogar aktiv für Demokratie und Rechtsstaat
einsetzen wolle und vor allem dem IL für immer abgeschworen habe. Die Stadt
Bielefeld ist auch hier der Meinung, dass dem B kein Personalausweis ausgestellt
werden könne. Schließlich habe er den IL unterstützt und auch wegen seines
früheren Plans könne ihm eine Ausreise aktuell durch die Ausstellung eines
Personalausweises nicht gestattet werden. Außerdem sei das Verwaltungsgericht
hier überhaupt nicht mehr zuständig, denn die Sache liege jetzt schließlich zur
abschließenden Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht und dieses – oder
doch zumindest das OVG – müsse nun auch in dieser Angelegenheit entscheiden.
Wird der B mit seinem jüngsten Anliegen vor dem Verwaltungsgericht Erfolg haben?
Bearbeitervermerk

Auf europarechtliche Fragestellungen ist in beiden Teilen nicht einzugehen.

Gehen Sie davon aus, dass die von B beabsichtigte Begehung von Anschlägen
unter anderen auch den Tatbestand des § 89a StGB erfüllt.

Lassen Sie für Ihre Bearbeitung unbeachtet, dass § 6a des
Personalausweisgesetzes erst mit Wirkung zum 30. Juni 2015 eingeführt worden
ist.
Hinweise zur Bearbeitung
Es ist auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen ggf. hilfsgutachterlich einzugehen.
Die Bearbeitung darf 30 Seiten nicht übersteigen (Deckblatt, Inhalts- und
Literaturverzeichnis nicht mitgerechnet). Die Arbeit kann jedoch auch auf weniger
Seiten angemessen bearbeitet werden. Seitenformat DIN A4, Schriftgröße 12,
Schriftart Times New Roman, 1,5-facher Zeilenabstand, Rand: oben, unten und
rechts jeweils 2 cm, links 7 cm
Der Bearbeitungszeitraum läuft vom 01.08.2016 bis 12.09.2016. Die Arbeit lässt sich
aber auch in einem Zeitraum von vier Wochen umfassend bearbeiten.
Die Bearbeitung ist entweder persönlich bis zum 12.09.2016 um 12.00 Uhr im
Sekretariat des Lehrstuhls Gusy (H1-132, Morgenbreede 39, H-Gebäude)
abzugeben oder postalisch spätestens am 12.09.2016 und ausschließlich per
Einschreiben mit Rückschein (!!!) an das Sekretariat des Lehrstuhls Gusy zu senden.
Auf anderem Wege eingereichte Bearbeitungen (z.B. Einwurf in ein Postfach auf T3
oder den Briefkasten der Universität) werden nicht zur Korrektur angenommen.
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