Ein Leadershiplaboratorium für die Universität Die Southern University of Denmark bietet ein fünftägiges Leadershiplaboratorium als Kompaktlehrveranstaltung für Studierende aus unterschiedlichen wirtschaftlichen Studienrichtungen an. Mit der Methode des gelenkten Rollenspiels bearbeiten die Studierenden Führungssituationen aus einem international agierenden Familienunternehmen. Sabine Pelzmann/Ingo Winkler Im Rahmen von Lehraufträgen an Universitäten haben wir mit Studentinnen und Studenten zu tun. Ziel für die Entwicklung des Leadershiplaboratoriums war es, den Studentinnen und Studenten konkrete Führungserfahrungen zu vermitteln, sie für die Bedeutung und die Art und Weise, wie geführt wird, zu sensibilisieren, ihnen Lust auf Berufe mit Führungsaufgaben zu machen und ihnen Leadershipzugänge und Führungsaufgaben praxisnah zu vermitteln. Es ging darum, den Studentinnen und Studenten ein Angebot zu machen, ihre eigenen Führungsstärken und -schwächen kennenzulernen, und mit Respekt mit anderen Studentinnen und Studenten und anderen Rollen im Rahmen des Business Case umzugehen. Unsere Hypothesen für die Entwicklung dieses Leadershiplaboratoriums waren folgende • Lernen braucht emotionale Betroffenheit. • Spielerisch und dialogisch gestaltete Lernprozesse sind eine gute Basis für Lernfortschritte. • Bewusstes Einsetzen von Reflexion und Feedbackprozessen fördert den individuellen und kollektiven Lernprozess. • Eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit erhöht den Lerntransfer. Die Studenten müssen sich sicher sein, dass ihre Fehler nicht bloßgelegt werden. • Hohe Erwartungen von mir als Lehrende fördern den Lernzuwachs. • Selbstlernen braucht Zeit. Wir sind überzeugt, dass insbesondere in der universitären Ausbildung zum Thema Leadership alternative Ansätze, die über die reine Wissensvermittlung hinausgehen, sehr hilfreich sein können. Wie Daniel Jenkins (2013, S. 48 -62) in seinem aktuellen Aufsatz jedoch zeigt, werden insbesondere experimentelle und erfahrungsgestützte Lehrformen im Leadership-Unterricht innerhalb der Bachelorausbildung nur sehr wenig angewandt. Das Leadership-Laboratorium bietet aus universitärer Sicht folgende Vorzüge. Erstens begegnet es erfolgreich dem Umstand, dass universitäre Lehre in der Regel primär auf Wissensvermittlung beruht. In Vorlesungen, Übungen oder Seminaren ist es nicht möglich, Erfahrung zu lehren. Erfahrung kann nur machen, wer etwas selbst erlebt! Das Laboratorium bietet nun den Studierenden die Möglichkeit, in geschützter Umgebung und unter erfahrener Anleitung, Leadership selbst ‚auszuprobieren’ und somit selbst erste Erfahrungen zu machen. Quelle: Neue @Hochschul-Zeitung (N@HZ) Zweitens, reichen die während der Simulation gemachten Erfahrungen über die üblichen Charakteristika einer erfolgreichen Führungskraft sowie effektives Führungsverhalten hinaus. Sicher sind auch diese beiden Aspekte Teil des Laboratoriums, darüber hinaus erleben die Studierenden Leadership und erfahren somit buchstäblich am eigenen Leib, was es bedeutet, sich in spezifischen Führungssituationen mehr oder weniger erfolgreich zu bewähren. Drittens, lernen die Studierenden nicht nur was es bedeutet, als Führungskraft zu agieren. Sie erleben auch Geführtenrollen und erfahren somit, was es bedeutet, mehr oder weniger gut geführt zu werden. Diese Erfahrung ist meiner Meinung nach enorm wichtig für Studierende, die in der Regel als die zukünftige Führungselite angesehen werden. Zu verstehen, wie es sich anfühlt, geführt zu werden, trägt immens dazu bei, sich später in Geführte hineinversetzen zu können. Viertens, ist die Rückbindung der während des Laboratoriums gemachten Erfahrungen zu etabliertem akademischen Leadership-Wissen ein wichtiges Element. Das Laboratorium wirkt somit nicht abgekoppelt von der universitären Ausbildung. Vielmehr können die Studierenden z.B. ihr Leadership-Wissen, welches sie in meiner Organisational Behaviour-Vorlesung im ersten Semester erwerben, nun zur Reflektion anwenden. Diese Reflektion ermöglicht zwei Dinge. Einerseits können die Studierenden akademisches Wissen aufgrund ihrer Erfahrungen kritisch hinterfragen. Andererseits, ermöglicht es dieses Wissen, die Erfahrungen einzuordnen und zu verstehen. Diese Verschränkung bietet enormes Lernpotential. Das Konzept für das fünftägige Leadershiplaboratorium Thema Impuls Gruppen Arbeit Montag Übergabe im Familienunterne hmen Definition Leadership und Management Zu FamilienUnternehmen Kreative, analoge Arbeit RollenSpiel Moderierte Familienkonfere nz um Nachfolge innerhalb der Besitzerfamilien zu besprechen Dienstag Das Mitarbeitergespr äch Maßnahmen der Personalentwic klung Bedeutung des Mitarbeitergespr ächs Optimales Verhalten von Führungskräfte n im Mitarbeitergespr äch Biografiearbeit zu den individuellen Erfahrungen mit Führung Durchführung eines emotionalen Mitarbeitergespr ächs – mehrmalige Durchläufe Quelle: Neue @Hochschul-Zeitung (N@HZ) Mittwoch Strategisches Leadership Donnerstag Die Zielvereinbarung Freitag Change Strategie, strategische Schulen Geschichte und Bedeutung von Führen über Ziele Veränderungs modelle und Veränderungs zugänge Vorbereitung des Strategieworksho ps – Recherche zu Zukunftspotential en für die Produktion Arten von Zielen im Unternehmen Verständnis von Changeproze ssen und wichtige Aspekte in Changeproze ssen Durchführung eines Strategieworksho ps mit der ersten und zweiten Führungsebene Turmbauübung um Führen über Ziele erfahrbar und beobachtbar zu machen Durchführung eines Zielvereinbarungsgespräches-– mehrmalige Durchläufe zwischen MitarbeiterIn und Führungskraft Changebespr echung: Umgang mit Widerstand nach Umstrukturier ung in der Reflexio n Schriftliche Einzelreflexion: Die eigene Rolle und die Dynamik in der Familienkonfere nz zwischen MitarbeiterIn und Führungskraft Schriftliche Reflexion in der Dyade: Führungskraft und MitarbeiterIn des Rollenspiels: Unser Verhalten im Mitarbeitergespr äch Schriftliche Reflexion in der Dyade: Erfolgs- und Misserfolgsfaktor en für die strategische Arbeit in Unternehmen Zweistufig: • Reflexion des Zielvereinbarun gsgespräches entlang eines Beobachtungsb ogens • Schriftliche Einzelarbeit: mein Lernen im Rahmen des durchgeführten Zielvereinbarun gsgespräches Produktion von Linien auf Tischprodukti on zweistufig • Dialo gisch e Refle xion und Evalui erung des Lead ership labor atoriu ms im Plenu m • Indivi duelle schrift liche Refle xion und Evalui erung Als Business Case wurde ein international agierendes Familienunternehmen – industrielle Produktion – mit circa 5000 Mitarbeitern - beschrieben. Alle Führungsthemen und Rollenspiele spielen sich im Rahmen dieses Business Cases ab. Der Business Case ist sozusagen der rote Faden durch das fünftägige Leadershiplaboratorium und wird jeden Tag durch spezielle Aufgabenstellungen und Rollenspielanleitungen ergänzt. Das Rollenspiel ist eine Methode, bei der die Führungswirklichkeit mit spielerischem Agieren verbunden wird. Im Leadershiplaboratorium wird pro Tag eine Führungsaufgabe im Rollenspiel bearbeitet. Rollenspiele bieten zwar keine „echten“ Führungserfahrungen, ihre besondere Chance liegt aber darin, gezielt Situationen zu inszenieren, sich auf bestimmte Aspekte im Führungsalltag zu konzentrieren und in einem geschützten Raum bisher ungewohnte Verhaltensweisen und Rollen zu erproben, neue Sichtweisen zu gewinnen und dies anschließend gemeinsam zu reflektieren. Allgemein geht es beim Einsatz von Rollenspiel darum, die Sichtweisen über die in der Führungsrealität ablaufenden sozialen Prozesse zu beleuchten, zu erweitern oder zu verändern. Die Studenten werden zwar in den meisten Fällen emotional weniger stark beteiligt sein als in realen Situationen, die Erfahrung zeigt aber, dass sich die Rollenspieler im Rollenspiel stark mit ihrer Rolle identifizieren. Das Rollenspiel wurde als gelenktes Rollenspiel durchgeführt. Für fast jede Rolle gab es einen Vorbereitungsbogen, damit sich die Rollenspielerinnen gut für die jeweilige Rolle vorbereiten konnten. Die eigenverantwortliche Ausgestaltung der Quelle: Neue @Hochschul-Zeitung (N@HZ) vorgegebenen Rolle war erwünscht. Bei der Durchführung wurde einerseits das multiple Rollenspiel für die Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgespräche, aber auch die Fischteichmethode für die Familienkonferenz, das Strategiemeeting und die Changebesprechung verwendet. Man muss sicher zugeben, dass das Laboratorium - das sagt ja schon der Titel - eine eher künstliche Umgebung erzeugt. Die Studierenden nehmen an einer QuasiRealität teil, die mit realen Situationen unter Umständen nicht vergleichbar ist. Jedoch, ermöglicht es gerade diese Umgebung, einen geschützten Erfahrungsraum zu etablieren, wo Studierende Dinge ausprobieren und auch Fehler machen können. Dies ermöglicht es ihnen zu lernen, ohne die direkt damit verbundenen Konsequenzen für ‚reale Führungskräfte’ wie z.B. Bestrafung, soziale Isolierung oder gar Entlassung, fürchten zu müssen. Einige Studenten hatten zu Beginn Hemmungen, eine Rolle im Rollenspiel zu übernehmen und artikulierten das auch. Bereits am dritten Tag waren alle Studierenden des Leadershiplaboratoriums bereit, im Rollenspiel mitzuarbeiten und formulierten ihre individuellen Lernerfahrungen in der jeweiligen Rolle. Im Rahmen dieses Leadershiplaboratoriums wurde viel Zeit - etwa ein Fünftel der gesamten Lehrzeit - für schriftliche individuelle Reflexion und auch für dialogisches Reflektieren im Plenum eingebaut. Ziele der schriftlichen Reflexion, die an die Lehrende gemailt werden musste, war es, den Lernprozess für die Studenten selbst, aber auch für mich als Lehrende sichtbar zu machen (Hattie, S. 123ff, 2014) . Literatur Hattie J.: Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen, Schneider Verlag Hohengehren, 2014 Jenkins, D. M.: Exploring Instructional Strategies in Student Leadership Development Programming. Journal Of Leadership Studies, 2013, 6(4) Autoren: Dipl.-Ing. Sabine Pelzmann, MSc MBA: Organisationsberaterin, Supervisorin (ÖVS), leitet die Pelzmann Unternehmensberatung in Graz; Lektorin an in- und ausländischen Universitäten; Arbeitsschwerpunkte: Design und Begleitung von komplexen Veränderungsprozessen, Beratung von Führungsteams, Konzept und Durchführung von Corporate Leadership Development Programmen. Dr. habil. Ingo Winkler Associate Professor for Organization Studies, Department of Border Region Studies, University of Southern Denmark, Tätigkeitsgebiete: Forschung und Lehre im Bereich Management, Arbeit, Identität, Higher Education Quelle: Neue @Hochschul-Zeitung (N@HZ)
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