Leseprobe II - Verlag Modernes Lernen

Kapitel 4: Station mit Sandkasten und Wasserspielen
Die Station mit Sandkasten und Wasserspielen ist bei Kindern besonders beliebt,
und daher scharen sie sich gerne um den Sandkasten. Die Kinder beschäftigen sich
mit Sieben, Umgießen, Schöpfen und Ausschütten. Sie können sich über längere Zeit
hinweg dem Spielen hingeben und lernen dabei, Begriffskategorien zu bilden, z. B.
groß und klein, grob und fein, voll und leer sowie schnell und langsam. An dieser
Station betätigen sich die Kinder aktiv, eignen sich dabei feinmotorische Fertigkeiten
an und schärfen ihre Sinneswahrnehmung. Hinzu kommt, dass die Kinder ihre sprachliche Ausdrucksfähigkeit verbessern, indem sie einer bestimmten Handlungsstrategie
folgen und am Sandkasten und Wasserbehälter miteinander Dinge aushandeln.
Ein Problem an der Station mit Sandkasten und Wasserspielen besteht darin, dass
nicht beliebig viel Platz vorhanden ist. An dieser Station sind die Kinder in ihrem
sozialen Verhalten nicht so flexibel wie an anderen Stationen, z. B. wenn sie mit
Bauklötzen spielen. Aus diesem Grund stimuliert der Sandkasten die Sinnesreize der
Kinder womöglich zusätzlich und birgt ein verhältnismäßig großes Konfliktpotential,
das beim Zusammenspiel hinderlich sein kann. Es ist daher notwendig, sich Gedanken
darüber zu machen, wie viele Kinder Sie am Sandkasten und dem Wasserbehälter
spielen lassen, und wie Sie gewährleisten können, dass für jedes Kind genügend Spielsachen vorhanden sind. Beachten Sie dabei auch die Reizschwelle derjenigen Kinder,
die am Sandkasten und dem Wasserbehälter spielen.
Im Rahmen einer inklusiven Betreuung ist es wichtig, dass der Spieltisch am
passenden Ort steht und standfest ist. Oft ist der Tisch mit dem Sandkasten und Wasserbehälter mit Rädern versehen, was dazu führt, dass er sich verschiebt. Dies wirkt
sich auf Kinder mit motorischen Beeinträchtigungen nachteilig aus. Um die Einwirkung
von Reizen aus der Umwelt, sowie das Hin und Her im Gruppenraum so gering wie
möglich zu halten, sollte der Tisch an einem ruhigen Ort stehen.
Bringen Sie Abwechslung ins Spiel, indem Sie verschiedene Materialien verwenden.
Anstelle von Sand und Wasser könnten dies unter anderem Mehl, Salz, Schlamm,
mit Lebensmittelfarbe eingefärbtes Wasser, Sägemehl, Kieselsteine, Jackenknöpfe,
Kunstschnee oder Ostergras sein. Einige dieser Stoffe können verschmiert werden und
dadurch den Spieltisch oder den Fußboden beschmutzen. Bei manchen Materialien ist
besondere Vorsicht geboten, da Erstickungsgefahr besteht! Spieltisch und Gruppenraum lassen sich sauberhalten, indem Sie den Boden unter dem Tisch mit einer Tischdecke aus Plastik oder einem Duschvorhang belegen. Alles muss rutschfest sein!
Meist haben kleine Kinder noch keine bestimmte Vorliebe für irgendeine Tätigkeit entwickelt, probieren jedoch gerne aus, wie sich Wasser und Sand anfühlen. Wahrscheinlich wiederholen sie ein bestimmtes Spielverhalten, z. B. Auswringen eines wassergetränkten Schwammes. Einem zweijährigen Kind oder einem, das in seiner Entwicklung
auf dieser Altersstufe steht, fällt es schwer, Spielsachen mit anderen zu teilen oder
Sicherheitsanweisungen zu befolgen. Aus diesem Grund müssen diese Kinder eng von
Erwachsenen beaufsichtigt werden. Auf dieser Altersstufe lernt ein Kind am ehesten
durch Beobachten und Nachahmen.
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Dreijährige entwickeln eine zunehmende Fingerfertigkeit und sind in der Lage, kleinere
Gegenstände mit den Fingern zu greifen. In ihrem Spielverhalten werden sie zusehends
selbständiger und gehen dazu über, Wörter für Farben, Formen, Größen und Mengen
zu verwenden. Ihr Handeln im Spiel ist zunehmend zielgerichtet. Vierjährige sind so
weit, dass sie Gegenstände nach Größe, Form und Farbe sortieren können.
Ab dem Alter von fünf Jahren machen Kinder beim Spielen mit Sand und Wasser
Rollenspiele. Sie sind in der Lage, dreistufige Anweisungen zu befolgen. In ihrem
Spielverhalten lernen sie, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen und Rücksicht auf das
Eigentum anderer zu nehmen (Miller 1994).
Zum Spielen mit Sand und Wasser empfehlen wir folgende Gegenstände:
ƒƒPipetten
ƒƒTeigräder
ƒƒZangen
ƒƒLöffel
ƒƒkleine Schaufeln für Sand
ƒƒTrichter
ƒƒSchöpfbecher
ƒƒdurchsichtiges Plastikrohr
ƒƒLöffel
ƒƒSpielzeugpuppen aus Plastik
ƒƒLebensmittelfarben
ƒƒPlastikgeschirr / -besteck
ƒƒHohlformen
ƒƒFilmdöschen
ƒƒWasserräder
ƒƒhohle Plastikbälle
ƒƒkleine Becken oder Spülwannen
ƒƒHolzkügelchen und Bauklötze
ƒƒSchneebesen
ƒƒFläschchen und Blasring für Seifenblasen
ƒƒSpielzeugschiffe aus Plastik
ƒƒPlastiktierchen
ƒƒEierkartons
ƒƒEiswürfelschalen
ƒƒHaarkämme
ƒƒSprühflaschen
ƒƒEisstiele
ƒƒFettgießer
ƒƒSpielzeugpumpen
ƒƒSandsiebe
ƒƒSpielzeuglastwagen und -baumaschinen
ƒƒTemperafarben
ƒƒBecher und Behälter in verschiedenen Größen
ƒƒVorzugsweise durchsichtige Plastikbehälter mit Schraubverschluss
ƒƒkleine Schwämme
ƒƒKorken und andere schwimmfähige
Gegenstände
ƒƒMessbecher
ƒƒBehälter mit fein durchlöchertem
Unterboden
ƒƒleere Spritzen (ohne Nadeln!)
ƒƒLappen und Bürsten zum Abwaschen
ƒƒSpieltisch für Sandkasten und
­Wasserbehälter
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„„Tisch mit Sandkasten
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kinder beim Spiel schon mal Sand verschlucken
oder damit um sich werfen. Deshalb ist es ratsam, die Kinder im Auge zu behalten und
ihnen die grundlegenden Sicherheitsregeln beizubringen. Beobachten Sie das Spielverhalten der Kinder, kommentieren Sie es. Ermuntern Sie die Kinder dazu, ihre Ideen
in Worte zu fassen und mit den Spielgefährten zu sprechen. Wenn am Spieltisch Räder
montiert sind, nehmen Sie diese ab, oder stellen Sie den Tisch an eine Wand, damit er
nicht wegrollt.
Allgemeine Anregungen
``Die Anzahl Kinder am Spieltisch richtet sich danach, ob und in welchem Maße die
Kinder im Gruppenraum in der Lage sind, mit Gedränge und störenden Umwelteinflüssen umzugehen.
``Der Tisch mit dem Sandkasten sollte sich auf einer Höhe befinden, die es den
Kindern erlaubt, in aufrechter Haltung zu spielen und mit beiden Händen nach dem
Sand zu greifen.
``Passen Sie die Spielsachen dem Entwicklungsniveau der Kinder an. Im Laufe der Zeit
können Sie es mit altersgerechten anspruchsvolleren Spielen und Aufgaben versuchen.
``Bieten Sie den Kindern nicht zu viel Auswahl an Spielsachen an; tauschen Sie von
Zeit zu Zeit die Materialien aus.
``Sand kann bei einigen Kindern zu einer Überreizung der Sinne führen. Ersetzen
Sie gegebenenfalls den Sand durch schwereres und gröberes Material, wie z. B. Kies.
Dadurch erhöht sich allerdings die Erstickungsgefahr, so dass die spielenden Kinder
ständig beaufsichtigt werden müssen!
``Füllen Sie den Sand in kleinere Becken, wenn es einzelnen Kindern schwerfällt, die
eigenen Grenzen nicht zu überschreiten oder auf Grund körperlicher Beeinträchtigungen am Spieltisch zu stehen. Wenn ein Kind im Rollstuhl sitzt und nicht genügend
Platz am großen Tisch hat, können Sie ihm einen kleinen Behälter mit Sand geben, der
für diesen Zweck geeignet ist.
``Bestärken Sie die Kinder darin, beim Spielen miteinander zu sprechen, um ihre Ausdrucksfähigkeit zu fördern.
„„Kognitive Beeinträchtigungen
Erfahrungsgemäß weist ein Kind mit kognitiven Beeinträchtigungen gegenüber Gleichaltrigen einen Rückstand von ein bis zwei Jahren auf. Zunächst muss es ein seinem
Niveau entsprechendes, angemessenes Spielverhalten entwickeln, bevor es dazu
übergehen kann, seine Fertigkeiten so weit auszubauen, dass es in der Lage ist, mit
den anderen Kindern intensiv zu interagieren. Wichtig ist dabei, behutsam in kleinen
Schritten vorzugehen. Wenn das betroffene Kind beispielsweise so weit ist, dass es mit
bloßen Händen Sand schaufeln und rieseln lassen kann, geben Sie ihm eine Schaufel,
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und helfen Sie ihm dabei, Sand in einen Eimer zu füllen. Nehmen Sie das Kind dabei an
die Hand, und reduzieren Sie allmählich die Unterstützung, sobald Sie merken, dass
das betroffene Kind bei der Tätigkeit zunehmende Selbständigkeit erlangt.
``Wenn sich das Kind leicht ablenken lässt, sollte es in einer möglichst kleinen Gruppe
am Spieltisch stehen. Falls notwendig, kann dies auch nur ein einzelner Spielkamerad
sein. Das Gedränge vieler Kinder am Tisch, aber auch schon der Sand an sich, kann ein
Kind mit kognitiven Beeinträchtigungen überfordern.
``Passen Sie die Tätigkeiten und die entsprechenden
Spielsachen dem Entwicklungsniveau des betroffenen
Kindes an. Einem Kind, das in seiner Entwicklung stark
beeinträchtigt ist, kann es viel bringen, wenn es im
Sandkasten befindliche Gegenstände mit Sand füllen
oder bestreuen oder darin vergraben kann. Es macht ihm
ggf. auch Spaß, mit einem Löffel Temperafarben über den
Sand zu streuen (Granovetter und James, 1989). Wenn ein
Kind in seinen Fertigkeiten weiter fortgeschritten ist, hat
es vielleicht Freude daran, nach Gegenständen zu suchen,
die im Sand versteckt sind oder Sprühflaschen mit Wasser
zu füllen und damit in den Sand zu spritzen. Bei Kindern
ist es ebenfalls beliebt, Sand in Eimer zu schaufeln, um
damit Sandburgen oder anderes zu bauen.
``Geben Sie dem Kind klare Anweisungen, und gehen Sie
dabei behutsam vor. Kinder, die frei von Beeinträchtigungen sind, erfassen wahrscheinlich intuitiv, was man mit Sand alles machen kann und kommen dabei ohne fremde
Hilfe aus. Bei einem Kind mit kognitiven Beeinträchtigungen sieht es etwas anders
aus. Um sein Spielverhalten weiterzuentwickeln, ist es auf Unterstützung aus seinem
Umfeld angewiesen. Was die Sinneswahrnehmung betrifft, lernt es unter Umständen
leicht dazu, indem es beispielsweise seine Finger über den Sand „rennen“ lässt. Wie
man mit Spielsachen im Sand richtig umgeht, weiß es unter Umständen jedoch nicht.
Dazu ist es auf Denkanstöße von Erwachsenen angewiesen. Nur so kann es seine Fertigkeiten nach und nach ausbauen.
``Machen Sie das Kind mit sprachlichen Kategorien vertraut, wie z. B. „groß“, „klein“,
„voll“ oder „leer“, wenn es im Sand spielt.
„„Beeinträchtigungen der körperlichen und motorischen Entwicklung
Wenn sich das Kind mit körperlicher Behinderung in einer ergonomisch günstigen
Haltung befindet, kann das Spielen mit Sand dazu beitragen, dass sich der Muskeltonus und die Bewegungskoordination im Laufe der Zeit verbessern. Ermutigen Sie das
Kind, soweit dies möglich ist, sich selbständig zu bewegen, anstatt es beim Spielen an
der Hand zu führen.
``Bringen Sie das Kind am Sandkasten in eine Stellung, in der es sich optimal halten
und bewegen kann. Wenn der Tisch mit dem Sandkasten standfest ist, könnte dies für
ein Kind, das den ganzen Tag über im Rollstuhl sitzt, eine günstige Gelegenheit sein,
mit einer speziell angefertigten Stehhilfe aufrecht zu stehen. Sollten Sie eine solche
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Maßnahme erwägen, empfiehlt es sich, einen Physio- oder
Ergotherapeuten hinzuzuziehen. Um dem Kind mit einer
körperlichen Beeinträchtigung das Spielen mit dem Sand so
angenehm wie möglich zu gestalten, sollten Sie darauf achten,
dass sich der Kopf auf einer Linie mit dem Rumpf befindet
und dass dieser in einer symmetrischen Position ausbalanciert ist; versuchen Sie zu vermeiden, dass sich das Kind zur
Seite neigt. Beide Hände sollten gleich ausgerichtet sein. Eine
andere Variante besteht darin, dass sich das Kind mit einer
Hand abstützen oder damit die Spielsachen festhalten und mit
der anderen die Gegenstände bewegen kann. Ziel der Bemühungen ist es, das Kind in das Spiel einzubeziehen. Es soll die
Hand nach den Spielsachen ausstrecken, diese greifen und
aktiv verwenden können.
``Uns ist aufgefallen, dass sich einige Kinder mit Muskelverkrampfungen schwertun, mit bestimmten taktilen Reizen
umzugehen, unter anderem, wenn sie in den Sand greifen.
Dann verspüren sie ein tiefes Widerstreben und den Impuls, die Hand sofort wieder
wegzuziehen. Solche Kinder empfinden es meistens als geringeres Übel, wenn sie mit
den Händen starken Druck auf den Sand ausüben, als wenn sie den Sand nur leicht
berühren oder dieser sanft auf die Haut rieselt. Wenn das betroffene Kind nur ungern
Sand anfasst, können Sie ihm dies ersparen, indem Sie ihm beispielsweise eine
Schaufel anbieten.
``In der Regel sind die Tische mit dem Sandkasten für Kinder im Rollstuhl zu niedrig,
so dass diese nicht nah genug herankommen können. Wenn das betroffene Kind nicht
wie gewünscht am großen Spieltisch Platz nehmen kann, füllen Sie einen Behälter
mit Sand, und stellen Sie die dazugehörigen Spielsachen bereit. Stellen Sie diesen
Behälter auf die Ablagefläche des Rollstuhls. Es ist sehr wichtig, einen Spielgefährten
dazu zu motivieren, zusammen mit dem körperlich beeinträchtigten Kind zu spielen.
``Es tut dem Kind wahrscheinlich gut, wenn es den
Rollstuhl verlassen kann, um seine Muskulatur zu
dehnen und zu lockern. Legen Sie eine Gymnastikmatte auf den Fußboden, damit es sich bäuchlings
darauf hinlegen kann. Füllen Sie ein Becken mit
Sand, und stellen Sie es zusammen mit den entsprechenden Spielsachen vor dem Kind auf den Boden.
Dies ist für das Kind mit einer körperlichen Behinderung eine willkommene Gelegenheit, sich ohne
Rollstuhl zu bewegen. Wenn ein Altersgenosse mit
ihm spielt, dürfte die Freude umso größer sein. Falls
ein körperlich beeinträchtigtes Kind nicht liegend
spielen kann, probieren Sie andere Positionen,
setzen Sie es sich beispielsweise auf den Schoß.
``Wenn das betroffene Kind nicht sprechfähig ist, zeigen Sie ihm Bilder mit den Spielsachen, die es sich aussuchen kann. Falls das Kind nicht in der Lage ist, Bilder richtig
zu interpretieren, geben Sie ihm die Möglichkeit, mit dem Finger auf sein bevorzugtes
Spielzeug zu zeigen.
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„„Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)
Ein Kind mit Autismus spielt möglicherweise nur ungern mit Spielsachen im Sand.
Es stimuliert sich vielleicht mit dem Sand, indem es diesen durch die Finger rieseln
lässt. Verwenden Sie Bilder, die verschiedene Tätigkeiten darstellen, die man mit Sand
ausüben kann. So kann ein betroffenes Kind beispielsweise lernen, Spielsachen zu
verwenden und es spielt später vielleicht sogar gerne mit Sand.
``Das Spielen mit Sand kann die Sinne eines berührungsempfindlichen Kindes überreizen. Ersetzen Sie gegebenenfalls den Sand durch Kieselsteine. Diese sind schwerer
als Sand und bieten beim Greifen mit der Hand größeren
Widerstand. Steine lassen sich fast wie Wasser schöpfen
oder umgießen. Um die Erstickungsgefahr so gering wie
möglich zu halten, sollten die Kiesel verhältnismäßig groß
sein.
``Damit das autistische Kind nicht unnötigen Körperkontakt mit anderen Kindern hat und nicht zu viele
Spielgefährten durcheinanderreden, sollten höchstens
ein bis zwei andere Kinder am Tisch mit dem Sandkasten
spielen. Dies sollte Sie jedoch nicht davon abhalten, das
betroffene Kind dazu zu motivieren, mit seinen Spielkameraden zu interagieren. So können Sie ihm beibringen,
seine Spielsachen mit anderen zu teilen und falls nötig
abzuwarten, bis es mit einem bestimmten Spielzeug an
der Reihe ist.
``Falls das Kind zu stereotypem Spielverhalten neigt, indem es beispielsweise immer
mit denselben Spielsachen spielt, zeigen Sie ihm, was man damit sonst noch alles
machen kann. Führen Sie das Kind nur so weit wie nötig mit der Hand, und reduzieren
Sie diese Interventionen allmählich.
``Es gibt Kinder, die Sand nicht mögen und stattdessen lieber mit anderen Materialien oder Spielsachen spielen. Nutzen Sie dies, um ein Kind mit
Autismus-Spektrum-Störungen dazu zu motivieren,
mit seinem Lieblingsspielzeug im Sand zu spielen.
Falls das betroffene Kind lieber mit der Eisenbahn
spielt, lassen Sie es den Zug durch den Sand ziehen.
Ermuntern Sie das Kind dazu, vermehrt Spielsachen
zu verwenden, die es nicht kennt oder weniger gerne
mag. Dann kann das betroffene Kind allmählich lernen,
auf sein Lieblingsspielzeug zu verzichten.
``Falls das betroffene Kind große Angst davor hat,
in den Sand zu greifen, gehen Sie behutsam in ganz
kleinen Schritten vor. Um einen Anfang zu machen,
soll sich das Kind dem Spieltisch nähern und schließlich davor stehenbleiben. Irgendwann wird es dazu
übergehen, den Tisch anzufassen. In einem nächsten
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Schritt nimmt es das im Sand befindliche Spielzeug in die Hand. Wenn das Kind mehr
Vertrauen gefasst hat, greift es sich eine Schaufel, um Sand zu schaufeln und herausrieseln zu lassen. Wenn es seine Berührungsängste noch weiter abgebaut hat, greift es
sogar direkt in den Sand.
``Falls die Sinne des betroffenen Kindes beim Spielen mit Sand überreizt werden,
kann eine Gewichtsweste beruhigend wirken. Eine Anleitung zum Anfertigen einer
solchen Weste finden Sie auf Seite 200f. Ziehen Sie dem betroffenen Kind die Gewichtsweste jeweils für zehn Minuten an und machen Sie danach zehn Minuten Pause,
oder nehmen Sie sie ihm nach zwanzig Minuten ab, damit sich das Nervensystem nicht
an das Gewicht der Weste gewöhnt und diese ihre Wirksamkeit einbüßt.
„„Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
Wenn Kinder mit ADHS mit Sand spielen sollen, brauchen sie klar vorgegebene Strukturen. Stellen Sie nur eine kleine Anzahl verschiedener Spielsachen zur Verfügung, und
erklären Sie, wie diese verwendet werden sollten. Kinder, denen es schwerfällt, ihre
Aufmerksamkeit über längere Zeit hinweg aufrechtzuerhalten und auf ein bestimmtes
Ziel zu konzentrieren, neigen dazu, sprunghaft von einer Station zur nächsten zu
wechseln. Benutzen Sie einen Time-Timer, um das betroffene Kind dazu zu motivieren,
seine Aufmerksamkeitsspanne sukzessive zu erhöhen. So lernt es, über längere Zeit
hinweg bei derselben Aktivität zu verbleiben und sich neue Fertigkeiten anzueignen.
``Prüfen Sie vorsichtig die Reizschwelle des betroffenen Kindes. Das Spielen mit dem
Sand kann die Sinne des Kindes mit ADHS überreizen. Dies äußert sich dadurch, dass
das Kind seine Aktivität steigert oder sein Verhalten nicht mehr unter Kontrolle hat.
Sorgen Sie gegebenenfalls dafür, dass das betroffene Kind an eine ruhigere Station
wechseln oder sich in eine Nische zurückziehen kann. Wie ein solcher Ruhebereich
aussehen könnte, können Sie im Anhang auf Seite 198f. nachschlagen. Es ist allerdings auch möglich, dass man es einem Kind mit ADHS nicht ansieht, dass seine Sinne
überreizt sind. Dann wirkt das Kind zerstreut und teilnahmslos. Das betroffene Kind
zeigt ggf. Anzeichen einer „Notabschaltung“, um sein noch nicht voll entwickeltes
Nervensystem vor Reizüberflutung zu schützen. Es kann auf das Kind beruhigend
wirken, mit dem Rumpf langsam hin- und herzuschaukeln, sich in die Nische zurückzuziehen und sich auf die Decke zu legen oder eine kräftige
Rückenmassage zu bekommen.
``Legen Sie größere Kieselsteine oder Jackenknöpfe in
den Sandkasten. Diese belasten die Sinnesreize eines
berührungsempfindlichen Kindes weniger als Sand. Kieselsteine und ähnliche Materialien bieten beim Anfassen
stärkeren Widerstand. Achten Sie darauf, dass die Kinder
diese Gegenstände nicht in den Mund nehmen, weil sie
daran ersticken könnten. Stellen Sie ggf. Materialien
bereit, auf denen sich gefahrlos kauen lässt, z. B. ein
Stück Kau-Schlauch, wie Logopäden ihn verwenden, wenn
ein Kind gerne Gegenstände in den Mund nimmt.
``Die Regeln am Spieltisch müssen für das Kind mit
ADHS klar nachvollziehbar sein. Machen Sie dem Kind
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klar, dass unangemessenes Verhalten Konsequenzen nach sich zieht. Wenn es beispielsweise mit Sand um sich wirft, um damit ggf. andere Kinder zu treffen, wird es
vom Sandkasten weggeschickt. Denken Sie allerdings auch daran, angemessenes
Verhalten zu loben.
``Beobachten Sie die Ereignisse, die dem Fehlverhalten des betroffenen Kindes vorausgegangen sind. Überlegen Sie sich auch, ob die Beschaffenheit des Sandes eine
Rolle gespielt hat oder ob ihm Gleichaltrige zu nahe gekommen sind. Wenn Sie das
Verhalten des Kindes mit ADHS im Auge behalten und darauf achten, was sonst noch
vor sich geht, kann Ihnen dies dabei helfen, rechtzeitig und angemessen einzugreifen.
``Denken Sie darüber nach, wie ein bestimmtes Fehlverhalten des Kindes auf Sie
wirkt. Ist das, was wie eine Provokation aussieht, auch wirklich eine solche? Vielleicht ist das betroffene Kind durch die Sinneseindrücke schlichtweg überfordert.
Das Spielen mit dem Sand und der enge Kontakt mit anderen Kindern können dazu
führen, dass das Kind mit ADHS „ausrastet“. Tragen Sie dazu bei, dass die Sinnesreize reduziert werden, indem Sie so vorgehen, wie es im Anhang auf Seite 196ff.
beschrieben ist.
``Bieten Sie dem Kind nur ein oder höchstens zwei
Spielzeug(e) gleichzeitig an, z. B. einen Trichter oder
eine Schaufel. Alle anderen Kinder am Spieltisch sollten
ebenfalls nur eine bestimmte Anzahl Spielsachen zur
Verfügung haben. Wenn nach einigen Minuten die Aufmerksamkeit des Kindes mit ADHS nachlässt, ersetzen
Sie die Spielsachen durch zwei andere.
``Anstelle eines großen Sandkastens könnten Sie auch
kleinere Becken verwenden und auf den Spieltisch
stellen, so dass das Kind mit ADHS einen klar zugewiesenen Platz hat, an dem es mit dem Sand spielen kann.
``Tränken Sie den Sand mit etwas warmem Wasser.
Durchnässter Sand irritiert das betroffene Kind weniger
als trockener. Taktile Reize können ein Kind mit ADHS
leicht überfordern. Andererseits ist ein Kind vielleicht enttäuscht, wenn der Sand mit Wasser durchtränkt ist. Probieren Sie aus, welche Methode
sich für ein bestimmtes Kind am besten eignet.
``Wenn sich ein Kind damit schwertut, die Grenzen seiner Spielgefährten zu respektieren, fordern Sie es dazu auf, auf einer Matte zu stehen.
„„
Störung der komplex-motorischen Bewegungsabläufe / Dyspraxie
Ermutigen Sie die Kinder mit einer Störung der komplex-motorischen Bewegungsabläufe dazu, ihre eigenen Ideen zu entwickeln, um mit dem Sand zu spielen. Fordern Sie
diese Kinder dazu auf, Ihnen zu erklären, was sie vorhaben. Tun Sie einem betroffenen
Kind Ihrerseits kund, was Sie beobachten, und kleiden Sie dies in lobende Worte: „Das
gefällt mir, wie du mit dem Lastwagen spielst.“ Das Lob sollte jeweils spezifisch sein
und sich auf eine konkrete Sache beziehen. Dies hilft dem Kind mehr als eine allgemeingehaltene Anerkennung wie z. B. „gut gemacht“.
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``In einigen Fällen haben Kinder mit einer Störung der komplex-motorischen Bewegungsabläufe ein Problem damit, genügend Körperspannung aufzubauen. Ihr Muskeltonus ist schwach ausgeprägt.
``Manchen Kindern hilft es unter Umständen, wenn sie ihr Körpergefühl stimulieren
können, indem sie beispielsweise auf einem Trampolin hüpfen. So fällt es ihnen danach
leichter, in aufrechter Haltung vor dem Spieltisch mit dem Sandkasten zu stehen.
``Gewichtswesten (siehe Seite 200f.) können die Körperwahrnehmung des betroffenen Kindes positiv beeinflussen, indem die Rumpfmuskulatur den Bewegungsapparat besser stützt und das Kind zugleich den Raum besser wahrnimmt, in dem es sich
bewegt. Lassen Sie das betroffene Kind die Gewichtsweste jeweils nicht länger als
zehn Minuten tragen, ansonsten gewöhnt sich das Nervensystem an das Gewicht.
``Motivieren Sie das Kind dazu, sich zu überlegen, was es am Sandkasten am liebsten
tun möchte. Fordern Sie es dazu auf, sein Vorhaben in Worte zu fassen. Wenn das betroffene Kind den Versuch unternommen hat, seine Ideen umzusetzen, besprechen Sie
mit ihm in einer Nachbetrachtung, was ihm gelungen ist und was noch weiter ausprobiert werden kann.
``Ein Kind, das von Dyspraxie betroffen ist, lernt wahrscheinlich am einfachsten
dadurch, dass es von einem Erwachsenen oder einem Gleichaltrigen leicht verständliche Anweisungen und Anregungen erhält. Machen Sie dem Kind die einzelnen
Schritte vor, soweit dies nötig ist, z. B. wie man eine Form mit Sand füllt, stürzt und
einen „Kuchen“ daraus macht. Verwenden Sie bei der Arbeit mit dem Kind einfache
Merksätze, wie „einfüllen und stürzen“. Lassen Sie dabei das betroffene Kind den
jeweiligen Satz nachsprechen.
``Ermuntern Sie das Kind dazu, seine Altersgenossen beim Spielen zu beobachten und
sich von den Strategien und Ideen zum Spielen mit dem Sand inspirieren zu lassen.
„„Sehbeeinträchtigungen
Der Spieltisch mit dem Sandkasten ist für ein sehbeeinträchtigtes Kind sehr attraktiv,
weil es lernen kann, seinen Tastsinn und seinen Sehrest gezielt einzusetzen, um seine
Umgebung zu erkunden. Gleichzeitig lernt das betroffene Kind, darüber zu sprechen,
was es im Sandkasten vorfindet und was seine Spielgefährten gerade tun.
``
Suchen Sie für den Spieltisch einen Standort im Gruppenraum, der gut ausgeleuchtet ist.
``
Helfen Sie dem betroffenen Kind dabei, sich einen Überblick zu verschaffen, was
es für Spielsachen im Sandkasten auf dem Tisch gibt. Beschränken Sie sich auf eine
kleine Anzahl Spielsachen.
``Wenn Sie am Sandkasten neue Aktivitäten vorstellen, achten Sie darauf, dem
betroffenen Kind genau zu erklären, was Sie vorhaben, und nehmen Sie es ggf. bei der
Hand. Bauen Sie Ihre Unterstützung sukzessive ab, damit das sehbeeinträchtigte Kind
selbständiger wird. Verwenden Sie so lange dieselben Spielsachen, bis das Kind deren
Handhabung sicher beherrscht.
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``Stellen Sie vorzugsweise solche Spielsachen bereit, die bei der Anwendung
Geräusche verursachen, wie z. B. Sandräder und Siebe.
``Verwenden Sie Spielsachen in leuchtenden Farben,
die sich optisch vom Sand abheben. Besonders gut
eignen sich Rot, Orange und Gelb. Gegenstände, die
einen schwächeren Farbkontrast zum Sand aufweisen,
können Sie mit Farbbändern kennzeichnen. Bringen
Sie das Band beispielsweise am Stiel einer Schaufel
oder am Henkel eines Eimers an.
``Wenn das sehbeeinträchtigte Kind nur ungern selbst
in den Sand greift, erlauben Sie es ihm, seine Hände
auf Ihre zu legen. So lernt es, wie es sich anfühlt, wenn
man mit der Hand über den Sand fährt und wie man
mit Gegenständen im Sand spielt.
``Größere glatte Kieselsteine sind für ein berührungsempfindliches Kind unter Umständen besser geeignet
als Sand (siehe Abbildung auf Seite 84 oben).
``Ermutigen Sie das sehbeeinträchtigte Kind dazu, sich an den Geräuschen zu orientieren, die beim Spielen mit dem Sand entstehen, z. B. das Schaben der Schaufel im
Sand oder das Einfüllen von Sand in einen Eimer.
„„Wasserspiele
Wasser wirkt auf die meisten Kinder entspannend und übt auf sie eine große Faszination aus. Stellen Sie Gefäße mit Blasmöglichkeiten und Messbehälter bereit und
schauen Sie dem Treiben am Wasserbehälter zu. Hilfsmittel, wie beispielsweise
Schwämme, Pipetten und Spritzen eignen sich nicht nur dazu, Wasser zu schöpfen,
zu gießen oder anderweitig zu verteilen, sondern kräftigen auch die Handmuskulatur.
Achten Sie darauf, dass die Kinder sich die Hände waschen, bevor sie mit dem Wasser
spielen, und denken Sie daran, das Wasser jeden Tag zu wechseln. Diese Maßnahmen
dienen dazu, der Übertragung von Krankheitserregern vorzubeugen. Reinigen Sie das
Wasserbecken und die verwendeten Spielsachen nach jedem Gebrauch mit einem
Desinfektionsmittel.
Allgemeine Anregungen
``Kombinieren Sie mündliche Anweisungen mit Piktogrammen, und machen Sie die
jeweiligen Aktivitäten vor, wenn Sie Kinder mit verzögerter Sprachentwicklung unterrichten.
``Beobachten Sie die Reaktion eines Kindes mit Beeinträchtigungen, um festzustellen,
ob es sich am Spieltisch wohlfühlt, an dem unterschiedliche Reize aus der Umgebung
auf es einwirken. Wenn sich das Kind den Wasserspielen hingibt und gleichzeitig auf
Gleichaltrige eingeht, ist dies optimal.
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