BDEW STN zu Kapitel 4 der TA Luft

BDEW Bundesverband
der Energie- und
Stellungnahme
zu den Vorschlägen des
BMUB für eine Anpassung
des Kapitels 4 der TA Luft
(Schutzanforderungen)
vom 18. Juni 2015
Berlin, 19. Juli 2016
Wasserwirtschaft e.V.
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Vorbemerkung
Das Bundesumweltministerium (BMUB) plant eine weitgehende Anpassung der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische
Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) und hat diesbezüglich am 18. Juni 2015 einen
ersten Arbeitsentwurf zu Kapitel 4 (Schutzanforderungen) vorgelegt.
Das betroffene Kapitel 4 der TA Luft enthält insbesondere die Anforderungen an die Prüfung,
ob der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch luftverunreinigende Stoffe bei dem
Betrieb einer Anlage sichergestellt ist. Die Vorschriften in Kapitel 4 enthalten diesbezüglich
insbesondere die maßgeblichen Immissionswerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit,
zum Schutz vor erheblichen Belästigungen oder erheblichen Nachteilen sowie Immissionswerte zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Deposition. Darüber hinaus
werden die Anforderungen zur Ermittlung von Vor-, Zusatz- und Gesamtbelastung, Festlegungen zur Bewertung von Immissionen, Ausbreitungsrechnung sowie Anforderungen für die
Durchführung von Sonderfallprüfungen geregelt.
Der Arbeitsentwurf des BMUB mit Stand vom 18. Juni 2015 sieht u. a. umfangreiche Änderungen im Hinblick auf diese genehmigungsrelevanten Schutzanforderungen vor.
Genehmigungsbedürftige Feuerungsanlagen besitzen eine hohe Systemrelevanz für die allgemeine Strom-, Wärme- und Gasversorgung. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft – BDEW vertritt die Interessen einer Vielzahl von Unternehmen, die genehmigungsbedürftige Anlagen in den genannten Versorgungsbereichen betreiben.
Kernanliegen des BDEW
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Die Schutzanforderungen müssen unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit sachgerecht ausgestaltet werden. Unnötiger Verwaltungs- und Erfüllungsaufwand ist zu vermeiden.
Die besonderen Bedingungen bestehender Anlagen sind angemessen zu berücksichtigen.
Die bewährten Instrumente und Regelungen zur Verkürzung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren sollten beibehalten werden. Dies gilt im besonderen Maße für die
Bagatellmassenstromregelungen.
Die Geruchsimmissionsschutzrichtlinie GIRL (Anhang 7) sollte nicht in die TA Luft aufgenommen werden, sondern weiterhin nur im Einzelfall angewendet werden.
In Anhang 9 sollte der Bagatellmassenstrom für Ammoniak für Feuerungsanlagen, die
nicht bodennah emittieren, angehoben werden.
Anhang 10 zu Bioaerosolen sollten grundsätzlich keine Anwendung auf Verdunstungskühlanlagen und Nassabscheider finden.
Der BDEW nimmt im Einzelnen zum Arbeitsentwurf des BMUB für eine Neufassung des
Kapitels 4 der TA Luft in der Fassung vom 18. Juni 2015 wie folgt Stellung.
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Zu 4.1 - Prüfung der Schutzpflicht
Die Regelung in Nr. 4.1 a), dass wegen geringer Immissionsmassenströme die Bestimmung
von Immissionskenngrößen entfallen kann, sollte aus Gründen der Verfahrensvereinfachung
und Vermeidung von unnötigem Verwaltungsaufwand unbedingt beibehalten werden.
Siehe hierzu auch die Änderungsvorschläge und Anmerkungen zu Nr. 4.6.1.1.
Zu 4.2.2 - Genehmigung bei Überschreiten der Immissionswerte
Die alternativen Voraussetzungen, unter denen die Genehmigung bei Überschreiten eines
Immissionswertes nicht versagt werden darf, sollten um einen Buchstaben c) im Sinne des im
Arbeitsentwurf zur Streichung vorgeschlagenen Abschnitts 4.2.3 (alt) ergänzt werden.
In diesem Buchstabe c) sollte geregelt werden, dass die Genehmigung nicht versagt werden
darf, wenn
„aufgrund eines Luftreinhalteplans, der Stilllegung von Anlagen oder von Änderungen
an anderen Quellen, Quellengruppen oder sonstigen Erkenntnissen die Einhaltung
des Immissionswertes künftig gesichert erscheint.“
Zu 4.3.2 - Schutz vor Geruchsimmissionen (4.3.2; Anhang 7)
Die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) des Bund-/Länderausschusses für Immissionsschutz
(LAI) sollte nach Auffassung des BDEW nicht als Anhang in die TA Luft aufgenommen werden. Die GIRL ist ein rechtlich nicht verbindliches Regelwerk, das lediglich Orientierungswerte und keine allgemeinen Obergrenzen oder Grenzwerte für die Geruchsbelastung enthält.
Die Vorsorge gegen schädliche Geruchsemissionen durch Anwendung des Standes der
Technik ist bereits Gegenstand der geltenden Regelungen der TA Luft.
Die Verfahren zur Beurteilung der Geruchsimmissionen verursachen einen sehr hohen Verwaltungsaufwand für die zuständigen Behörden und Anlagenbetreiber. Die GIRL sollte jedenfalls nicht in jedem Genehmigungsverfahren verbindlich zur Anwendung kommen, sondern
allenfalls im Einzelfall durch die zuständige Behörde im Genehmigungsverfahren herangezogen werden, in denen eine Beurteilung der Geruchssituation sinnvoll und erforderlich ist, weil
erhebliche Beeinträchtigungen der Nachbarschaft zu besorgen sind.
Falls eine Aufnahme der GIRL in die TA Luft weiterverfolgt wird, sollten Feuerungsanlagen
der Nummern 1.1 bis 1.4 des Anhangs 1 der 4. BImSchV von der Anwendung der GIRL
grundsätzlich ausgenommen werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine mögliche erhebliche
Geruchsbelastung durch die Lagerung oder Verbrennung der eingesetzten Brennstoffe oder
sonstigen Einsatzstoffe bestehen. So könnten unnötiger Verwaltungsaufwand und Verzögerungen im Genehmigungsverfahren vermindert werden.
Darüber hinaus ist in Anhang 7 auf eine Kompatibilität der Begrifflichkeiten „Vorbelastung“,
„Zusatzbelastung“ und „Gesamtbelastung“ mit den neu eingeführten Immissionskenngrößen
nach Kapitel 2.2 zu achten.
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Zu 4.5.1 - Immissionswerte für Schadstoffdepositionen
Der Arbeitsentwurf des BMUB sieht in Tabelle 6 geänderte Jahresmittelwerte für Blei
(40 µg/m²d statt bisher 100) und Cadmium (1 µg/m²d statt bisher 2) sowie neue Jahresmittelwerte für Chrom (16 µg/m²d), Benzo(a)pyren (0,5 µg/m²d) und Dioxine bzw. dioxinähnliche
Substanzen (9 pg/m²d) vor.
Die Immissionswerte sollten nach Auffassung des BDEW auch weiterhin aus den Prüf- und
Maßnahmenwerten der Bundes-Bodenschutzverordnung abgeleitet werden.
Der BDEW kann ohne ausreichende Begründung nicht nachvollziehen, ob die geforderten
Veränderungen auf europarechtlich geforderte Regelungen zurückgehen, auf welcher Erkenntnis- und Datengrundlage diese neuen Immissionswerte beruhen und warum eine Fortschreibung bzw. Ergänzung der Tabellenwerte notwendig sein sollte. Der BDEW bittet das
BMUB, entsprechende Begründungen und Folgenabschätzung sowie sonstige relevante Hintergrundinformationen nachzureichen.
Zu 4.5.2 - Genehmigung bei Überschreitung der Immissionswerte für Schadstoffdepositionen oder der Prüf- und Maßnahmenwerte
Die bestehende Regelung, dass die Genehmigung bei Überschreitung der Immissionswerte
für Schadstoffdepositionen oder der Prüf- und Maßnahmenwerte nicht versagt werden darf,
wenn die Kenngröße für die Zusatzbelastung für die Deposition durch die Emissionen aus
den gefassten Quellen der Anlage bestimmte Bagatellmassenströme nicht überschreitet, sollte beibehalten werden, um unnötigen Verwaltungsaufwand insbesondere für Kleinemittenten
zu vermeiden.
Siehe hierzu auch die Änderungsvorschläge zu Abschnitt 4.6.1.1.
Zu 4.6.1.1 - Ermittlung im Genehmigungsverfahren
Das BMUB schlägt im Arbeitsentwurf der TA Luft vor, Tabelle 7 und die entsprechenden Regelungen zu den „Bagatellmassenströmen“ zu streichen.
Aus Sicht des BDEW sollte das System der Bagatellmassenströme für alle Genehmigungsverfahren einschließlich Neu- und Änderungsgenehmigungen unbedingt erhalten bleiben, um
unnötigen Verwaltungsaufwand insbesondere für Kleinemittenten zu vermeiden. Die Bagatellmassenstromregelung führt nämlich regelmäßig zu Verfahrensvereinfachungen und erheblicher Zeitersparnis im Genehmigungsverfahren und setzt zusätzlich Anreize, die im Rahmen
von TA Luft oder anderen Regelwerken geforderten Emissionswerte weiter zu unterschreiten.
Der BDEW schlägt vor, zu Beginn des Abschnitts 4.6.1.1 folgenden Satz 1 zu ergänzen:
„Die Bestimmung der Immissions-Kenngrößen ist im Genehmigungsverfahren für den
jeweils emittierten Schadstoff, für den in dieser Verwaltungsvorschrift Immissionswerte
festgelegt sind, nicht erforderlich, wenn dessen Emissionen (Massenströme) die in
Tabelle 7 festgelegten Bagatellmassenströme nicht überschreiten.“
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Darüber hinaus sollten Tabelle 7 nicht gestrichen und die übrigen Bezugnahmen auf die Bagatellmassenstromregelung erhalten bleiben. Entsprechende Folgeänderungen in Kapitel 4
und den Anhängen sollten vorgenommen werden.
Darüber hinaus enthält die Auflistung in Satz 1 den Stoff „Staub“, während die Immissionswerte in Kapitel 4 auf Partikel (PM10 und PM2.5) sowie Staubniederschlag abzielen. Bei Beibehaltung der Bagatellmassenströme muss noch eine entsprechende Klarstellung vorgenommen werden, welche Bagatellmassenströme für die genannten Partikelfraktionen gelten
sollen.
Die immissionsschutzbezogenen Regelungen sollten im Übrigen eine grundsätzliche Gleichbehandlung aller Emissionsquellen und hierbei insbesondere von Neugenehmigungen und
Änderungsgenehmigungen einschließlich Kapazitätserweiterungen in bestehenden Anlagen
vorsehen.
Zu 4.8 - Prüfung, soweit Immissionswerte nicht festgelegt sind, und in Sonderfällen
Im Arbeitsentwurf der TA Luft ist festgelegt, dass bei luftverunreinigenden Stoffen, für die
Immissionswerte in den Nummern 4.2 bis 4.5 nicht festgelegt sind, und in den Fällen, in denen auf Nummer 4.8 verwiesen wird, eine Prüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, erforderlich ist, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte bestehen.
Stickstoffdeposition
Außerhalb von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung ist für die Prüfung, ob der Schutz
vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch
Stickstoffdeposition gewährleistet ist, Anhang 9 heranzuziehen. Anhang 9 regelt die Prüfmaßstäbe in Bezug auf empfindliche Pflanzen und Ökosysteme und bestimmt insbesondere,
dass für Ammoniakemissionen der Bagatellmassenstrom unabhängig von den Ableitbedingungen 0,1 kg NH3/h beträgt.
Der NH3-Bagatellmassenstrom soll hierbei der Konkretisierung der Kausalität zwischen Anlagenbetrieb und schädlichen Umwelteinwirkungen dienen. Da die Ableitung der NH3Emissionen häufig bodennah erfolgt, wird im Arbeitsentwurf auf eine Differenzierung nach Art
der Ableitung verzichtet. Diese Regelungen sind offensichtlich auf genehmigungsbedürftige
landwirtschaftliche Betriebe mit bodennahen Emissionen zugeschnitten.
Die Ableitung der NH3-Emissionen bei Feuerungsanlagen und vielen anderen Industrieanlagen erfolgt üblicherweise nicht bodennah. Signifikante Ammoniakemissionen sind bei Feuerungsanlagen nur bei Einsatz von Selektiver Katalytischer Reduktion oder Selektiver Nichtkatalytischer Reduktion zur Stickstoffoxidminderung zu erwarten. Es sollte eine Klarstellung
erfolgen, dass Anhang 9 nicht auf solche genehmigungsbedürftige Feuerungsanlagen der
Nummern 1.1 bis 1.4 des Anhangs 1 der 4. BImSchV angewendet werden soll.
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Falls dennoch eine Anwendung des Anhangs 9 auf Feuerungsanlagen erfolgen soll, wäre für
diese Anlagen sehr wohl eine Differenzierung der Anforderungen nach Art der Ableitung angezeigt und demzufolge ein höherer Bagatellmassenstrom festzulegen. Gemäß Abschnitt
5.4.1 dürfen die Emissionen an Ammoniak in diesen Fällen im Abgas eine Massenkonzentration von 10 mg/m³ nicht überschreiten. Eine solche Begrenzung führt nur bei Anlagen mit
einer Feuerungswärmeleistung von weniger als 10 MW zu einer sicheren Unterschreitung
des vorgeschlagenen Bagatellmassenstromes von 0,1 kg NH3/h.
Für Feuerungsanlagen sollte der Bagatellmassenstrom für Ammoniak so bemessen werden,
dass eine Prüfung nach Möglichkeit nur für Großfeuerungsanlagen zur Anwendung kommt.
Der Schwellenwert wäre demzufolge für Feuerungsanlagen auf mindestens 0,5 kg NH3/h anzuheben. Damit wäre auch eine größere Konsistenz mit dem Bagatellmassenstromwert von
20 kg/h für Stickstoffoxide gemäß Tabelle 6, Abschnitt 4.6.1.1 im Hinblick auf den jeweils betroffenen Anlagenpark erreicht.
Im Übrigen wäre es zudem vorstellbar, dass eine Sonderprüfung entfallen kann, wenn es
trotz zusätzlicher unvermeidbarer Ammoniakemission im Zuge des Nachrüstens von Selektiver Katalytischer Reduktion oder Selektiver Nichtkatalytischer Reduktion in einer bestehenden Anlage die Maßnahme nachweislich zu einer signifikanten Nettominderung der gesamten
anlagenrelevanten Stickstofffracht aus Ammoniakschlupf und verbleibenden Stickstoffoxidemissionen auf dem Luftpfad führt.
Bioaerosole
Für Bioaerosole wird konkretisiert, dass in den Fällen, in denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit durch die Immission von
Keimen und Endotoxinen nicht gewährleistet ist, der Einzelfall zu prüfen ist. Für diese Prüfung ist Anhang 10 heranzuziehen.
Nach Auffassung des BDEW sind die Regelungen zu Bioaerosolen nach Anhang 10 vornehmlich für die Anlagen der Nummern 7.1, 7.15, 8.5 und 8.6 des Anhangs 1 der 4. BImSchV
anwendbar.
Klarzustellen ist, ob Anhang 10 künftig auch auf Biogasanlagen der Nummern 1.15 und 1.16
oder Biomassefeuerungen der Nummern 1.1 oder 1.2 mit entsprechenden Lagereinrichtungen für Biomasse angewendet werden sollen. Derzeit enthält Anhang 10 für diese Anlagenarten jedenfalls keine geeigneten Leitparameter und Orientierungswerte nach dem Stand der
Technik.
Der BDEW weist darauf hin, dass das BMUB am 19. Januar 2016 die Verbändeanhörung
über den Entwurf der 42. BImSchV – Verordnung über Verdunstungskühlanlagen und Nassabscheider (VerdunstKühlV) begonnen hat. Die Verordnung soll Vorgaben zur Vorsorge gegen Legionelleninfektionen, die mutmaßlich durch Emissionen aus Kühlanlagen und Nassabscheidern verursacht werden, setzen.
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Es sollte deswegen insbesondere klargestellt werden, dass die Sonderfallprüfung zu Bioaerosolen und Anhang 10 nicht auf stationäre Verdunstungskühlanlagen inklusive Naturzugkühltürmen und Nassabscheider anzuwenden ist. Für Verdunstungskühlanlagen gilt im Übrigen bereits nach Abschnitt 5.2.9, dass sie so zu errichten und zu betreiben sind, dass Verunreinigungen des Kühlwassers durch Mikroorganismen, insbesondere Legionellen, vermieden
oder deren Konzentrationen so niedrig gehalten werden, wie dies nach dem Stand der Technik möglich ist.
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