Wiederholungsfragen

Wiederholungsfragen
Hinweis: Die folgenden Fragen wurden von einer Teilnehmerin des Konversatoriums
gestellt. Ich möchte die Antworten auf diesem Wege auch den übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zugänglich machen.
1. Ist der Verzugsschaden, der über §286 BGB geltend gemacht wird, eine Form
des Schadensersatzes neben oder statt der Leistung?
Der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach § 286 BGB ist immer eine
Form des Schadensersatzes neben der Leistung!
Bitte beachtet, dass ihr bei der Prüfung des Schadensersatzanspruches auf den Verzugs-/Verzögerungsschaden immer richtig zitiert. Ihr dürft hier nicht nur § 286 BGB
zitieren, sondern müsst so zitieren: §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Denn bei diesem Schadensersatzanspruch müssen neben den Grundvoraussetzungen des § 280
Abs. 1 BGB (Schuldverhältnis, Pflichtverletzung und Vertretenmüssen) auch die zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB erfüllt sein (z. B. Mahnung oder Entbehrlichkeit der Mahnung). Das ergibt sich ebenfalls aus dem Wortlaut des § 280
Abs. 2 BGB, der besagt, dass für den Ersatz des Verzögerungsschadens (neben den
allgemeinen Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB) die zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB erfüllt sein müssen.
Ein kurzes Prüfschema zum Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB findet ihr
bei der Übersicht zum Schadensersatz.
Neben diesem Anspruch auf den Verzugsschaden, der eine Form des Schadensersatzes neben der Leistung ist, gibt es auch noch den "einfachen" Schadensersatz
aus § 280 Abs. 1 BGB, der ebenfalls ein Schadensersatzanspruch neben der Leistung ist. Dafür sind nur die drei Grundvoraussetzungen nötig: Schuldverhältnis,
Pflichtverletzung und Vertretenmüssen. Die Pflichtverletzung kann ganz unterschiedlich sein, z.B. eine Schlechtleistung oder eine Schutzpflichtverletzung. Wenn eine
Schutzpflicht verletzt wird und deshalb ein einfacher Schadensersatz neben der Leistung aus § 280 Abs. 1 BGB geltend gemacht wird, wird oftmals noch § 241 Abs. 2
BGB zitiert, der sich auf Schutzpflichten bezieht (zur Abgrenzung Schutzpflichten und
Leistungspflichten siehe Frage 3).
Dass der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB und derjenige aus §§ 280
Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB Schadensersatzansprüche neben der Leistung sind, ergibt
sich auch aus dem Wortlaut des § 280 Abs. 3 BGB. Dieser Abs. 3 sagt nämlich, dass
Schadensersatz statt der Leistung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des
§ 281, § 282 oder § 283 BGB verlangt werden kann. Im Umkehrschluss bedeutet
das, dass die anderen Schadensersatzansprüche auf Schadensersatz neben der
Leistung gerichtet sind.
Auch für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung müsst ihr immer genau zitieren: §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 Alt. 1 (bzw. 281 Abs. 1 Alt. 2 oder 282 oder
283 BGB). Auch hier müssen die Grundvoraussetzungen des § 280 Abs. 1 erfüllt
sein und dazu noch spezielle Voraussetzungen aus § 281 oder § 282 oder § 283 (je
nach Pflichtverletzung).
Zur Abgrenzung Schadensersatz statt der Leistung und Schadensersatz neben der
Leistung siehe die Übersicht zum Schadensersatz.
2. Wie und an welcher Stelle des Gutachtens wird der Annahmeverzug geprüft?
Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs = Gläubigerverzugs sind:
1. Möglichkeit des Schuldners zur Leistung, d.h. keine dauerhafte Unmöglichkeit
nach § 275 BGB und kein vorübergehendes Unvermögen des Schuldners nach §
297 BGB
2. Erfüllbarkeit der Leistung (i.d.R. sofort, § 271 Abs. 1 BGB)
3. Ordnungsgemäßes Angebot des Schuldners (Grundsätzlich tatsächliches Angebot
nach § 294 BGB erforderlich, ausnahmsweise ist ein wörtliches Angebot nach § 295
BGB ausreichend oder das Angebot ist nach § 296 BGB entbehrlich)
4. Nichtannahme des Gläubigers, § 293 BGB
[Hinweis: Die Voraussetzung der Erfüllbarkeit (Nr. 2) ist vielleicht nicht ganz so wichtig. Es wäre nicht so schlimm, wenn man diese Voraussetzung weglässt.]
Der Annahmeverzug wirkt sich an verschiedenen Stellen aus:
- Haftungserleichterung nach § 300 Abs. 1 BGB: Der Schuldner haftet nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Das heißt, der Annahmeverzug ist zum Beispiel im
Rahmen eines Schadensersatzanspruches gegen den Schuldner bei der Frage des
Vertretenmüssens zu prüfen (wenn Anhaltspunkte für einen Annahmeverzug im
Sachverhalt vorliegen)
Bsp: Der Schuldner S muss G einen bestimmten Oldtimer liefern. S ist zum vereinbarten Zeitpunkt am Wohnort des G und bietet dort den Oldtimer an, G ist jedoch
nicht anwesend. Auf dem Rückweg ist S in einen Unfall verwickelt, bei dem der Oldtimer zerstört wird. S trifft dabei leichte Fahrlässigkeit.
 Anspruch des G auf Schadensersatz statt der Leistung wegen nachträglicher Unmöglichkeit nach §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB?
Lösung: Nein, da kein Vertretenmüssen des S wegen der Haftungserleichterung des
§ 300 Abs. 1 BGB während des Gläubigerverzugs. Ohne Gläubigerverzug müsste S
für Vorsatz und jede Form von Fahrlässigkeit haften (vgl. § 276 BGB), während des
Gläubigerverzugs haftet er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit! Hier lag aber
nur leichte Fahrlässigkeit vor.
- Auswirkung auf das Rücktrittsrecht des Gläubigers bei Pflichtverletzung des
Schuldners: Rücktritt ist nach § 323 VI BGB ausgeschlossen, wenn der zum Rücktritt
berechtigende Umstand im Zeitpunkt des Gläubigerverzugs eintritt und der Schuldner
diesen Umstand nicht zu vertreten hat (auch hier gilt für das Vertretenmüssen wieder
die Haftungsprivilegierung des § 300 Abs. 1 BGB)
- Auswirkung nach § 326 Abs. 2 BGB: Normalerweise entfällt nach § 326 Abs. 1 S.
1 für den Schuldner der unmöglich gewordenen Leistung dessen Anspruch auf die
Gegenleistung (Bsp: Er kann keinen Kaufpreis verlangen, wenn er die Kaufsache
wegen Unmöglichkeit nicht übergeben kann).
Von diesem Grundsatz macht § 326 Abs. 2 BGB eine Ausnahme. Wenn die Unmöglichkeit im Zeitpunkt des Annahmeverzuges eintritt und der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat (auch hier gilt für das Vertretenmüssen wieder die Haftungsprivilegierung des § 300 Abs. 1 BGB), behält der Schuldner nach § 326 Abs. 2
BGB den Anspruch auf die Gegenleistung (Bsp: Er kann den Kaufpreis verlangen,
auch wenn er die Kaufsache wegen Unmöglichkeit nicht mehr übergeben kann).
Das sind nur einige der Rechtsfolgen. Diese sollten aber für das zweite Semester
ausreichen.
3. Was ist der Unterschied von Neben- und Schutzpflichtverletzungen? Werden
sie unterschiedlich geprüft?
Generell gibt es 3 Arten von Pflichten:
1. Hauptleistungspflichten, z.B. Übergabe der Kaufsache, § 433 Abs. 1 S. 1 BGB
bzw. Zahlung des Kaufpreises, § 433 Abs. 2 BGB  Diese Pflichten sind die wesentlichen Pflichten, die den Schuldvertragstyp bestimmen (essentialia negotii), also beim
Kauf die Übergabe der Kaufsache gegen die Zahlung des Kaufpreises.
2. Nebenleistungspflichten = leistungsbezogene Nebenpflichten, z.B. Abnahme der
Kaufsache, § 433 Abs. 2 BGB oder Auskunftspflichten nach § 666 BGB  Diese bestimmen nicht den wesentlichen Charakter des Vertragstyps, sie dienen der Vorbereitung, Unterstützung, Sicherung, Durchführung und der vollständigen Erfüllung der
Hauptleistungspflichten, haben ohne diese aber keine eigene Bedeutung.
Kleiner Tipp: Im 2. Semester ist eine Nebenleistungspflicht für die Klausur bestimmt nicht relevant! Diese Fallgruppe ist für euch also nicht wichtig!
3. Nichtleistungsbezogene Nebenpflichten = Schutzpflichten  Diese sind in §
241 Abs. 2 BGB geregelt. Es geht hier um die Pflicht, die Rechtsgüter/Interessen der
anderen Partei nicht zu schädigen. Es geht also eigentlich um Pflichten außerhalb
der konkret geschuldeten Vertragspflichten (Vertragspflichten beim Kaufvertrag:
Übergabe bzw. Kaufpreiszahlung). Diese Schutzpflichten beziehen sich nicht auf den
eigentlichen Leistungsgegenstand des Vertrages. Zum Beispiel darf ein Hochzeitsfotograf die Hochzeitsgäste nicht beleidigen (= Schutzpflicht!) oder der Käufer hat die
Schutzpflicht, den zur Abholung der Sache mitgeführten bissigen Hund an die Leine
zu nehmen.
Die Frage bezog sich nur auf den Begriff „Nebenpflicht“. Das ist streng genommen
etwas ungenau. Man müsste eigentlich zwischen leistungsbezogener (Nr. 2) und
nichtleistungsbezogener (Nr. 3) Nebenpflicht unterscheiden. Oftmals ist es aber so,
dass wenn der Begriff „Nebenpflicht“ verwendet wird, das Synonym zur Schutzpflicht
gemeint ist, also die nichtleistungsbezogene Nebenpflicht.
Also kurz:
Die nichtleistungsbezogene Nebenpflicht ist ein Synonym zur Schutzpflicht!
Für euch relevant sind eigentlich nur Hauptleistungspflichten (Nr. 1) und Schutzpflichten (Nr. 3).
Ob eine Hauptleistungspflicht oder eine Schutzpflicht verletzt wurde, hat große Auswirkungen auf die Prüfung. Es geht hier vor allem um die Frage, welche Normen für
den Schadensersatz oder den Rücktritt anwendbar sind.
(1) Schadensersatz:
- § 280 Abs. 1 BGB kann sich auf eine Verletzung von (Haupt-)Leistungspflichten
und auf eine Verletzung von Schutzpflichten beziehen. Wenn es um eine Schutzpflichtverletzung geht, zitiert man oft noch § 241 Abs. 2 BGB dazu. Der Schadensersatzanspruch lautet dann: §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
- Die Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 und §§ 280 Abs. 1,
Abs. 3, 281 Abs. 1 Alt. 1 oder 281 Abs. 1 Alt. 2 oder 283 BGB beziehen sich nur auf
die Verletzung von Leistungspflichten (z. B. Nichtleistung, Schlechtleistung, Unmöglichkeit der Leistung).
- § 282 BGB bezieht sich stattdessen nur auf die Verletzung von Schutzpflichten/nichtleistungsbezogenen Nebenpflichten. Schadensersatz statt der Leistung
wegen Verletzung einer Schutzpflicht kann es also nur nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3,
282 BGB geben.
(2) Rücktritt:
Hier gibt es für Schutzpflichtverletzungen ein eigenständiges Rücktrittsrecht.
- Die Rücktrittrechte aus § 323 Abs. 1 Alt. 1 (Nichtleistung), § 323 Abs. 1 Alt. 2
(Schlechtleistung) und § 326 Abs. 5 BGB (Unmöglichkeit der Leistung) beziehen sich
auf die Verletzung von Leistungspflichten
- Bei einer Verletzung von Schutzpflichten gilt das Rücktrittsrecht aus § 324 BGB
4. Wird bei einer Mängelrechtsklausur der Schadensersatz vor oder nach der
Minderung geprüft?
Der Reihenfolge des § 437 BGB folgend bietet es sich eigentlich an, die Minderung
(§ 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB) vor dem Schadensersatz (§ 437 Nr. 3 Alt. 1 BGB) zu prüfen.
Diese Reihenfolge würde ich auch empfehlen.
Ich denke aber, dass es im Grunde auch ok wäre, zuerst den Schadensersatzanspruch und dann die Minderung zu prüfen. Die Falllösung zu Fall 5 (Mängelrechte I)
des Konversatoriums spricht z.B. zuerst den Schadensersatzanspruch und dann die
Minderung an.
Folgender Punkt ist wichtiger: Wenn ein Nacherfüllungsanspruch (§§ 437 Nr. 1,
439 BGB) zu prüfen ist, so muss dieser immer als erster Anspruch (vor der Minderung oder Schadensersatzansprüchen) geprüft werden. Dies ergibt sich aus dem
Grundsatz des Vorrangs der Nacherfüllung.
5. Könnten Sie vielleicht noch einmal die verschiedenen Arten der Rücktrittsprüfung erklären? Wann ist welche Anspruchsgrundlage einschlägig?
Siehe dazu die Übersicht zum Rücktritt.