812 BGB Lösung Fall 28

Lösung Fall 28: Ziegelsteineigentumsvorbehalt
1) Anspruch des B gegen E aus §§ 951, 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall BGB
a) Die Voraussetzungen des § 951 BGB sind grundsätzlich erfüllt. Der B hat einen
Rechtsverlust gemäß § 946 BGB erlitten, weil die Baumaterialien mit dem Einbau durch N
wesentlicher
Bestandteil
des
Grundstücks
des
E
geworden
und
damit
gemäß
§§ 946, 93, 94 BGB in das Eigentum des E übergegangen sind.
b) Es müssten ferner die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall BGB vorliegen.
E hat das Eigentum an den Baumaterialien erlangt.
In sonstiger Weise auf Kosten des B (Nichtleistungskondiktion)?
B hat die Baumaterialien dem Grundeigentümer E nicht zweckgerichtet zugewandt. Ein
Erwerb der Baumaterialien durch E in sonstiger Weise auf Kosten des B kommt nicht in
Betracht, wenn E die Baumaterialien durch Leistung des N erworben hat – Grundsatz der
Subsidiarität.
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass in den Einbaufällen das Eigentum schon gar nicht
geleistet wird. Der Eigentumserwerb gemäß §§ 946 ff. BGB erfolge kraft Gesetzes,
unabhängig von einem vom Parteiwillen getragenen Leistungszweck, bestehend aus einer
angestrebten Erfüllung einer Verbindlichkeit. Diese Auffassung lässt sich weiterhin damit
begründen, dass Bauverträge nach ganz h. M. Werkverträge (§ 651 BGB) sind. Da damit die
Übereignung der eingebauten Sachen nicht geschuldet ist, besteht insoweit überhaupt keine
zu erfüllende Verbindlichkeit, die Gegenstand des Zwecks einer Leistung sein könnte. Da
deshalb der Subsidiaritätsgrundsatz nicht gelte, könne B von E direkt kondizieren.
Nach Ansicht des BGH und der h. M. liegt grundsätzlich eine Leistung des N an E vor, da
sich der Eigentumswechsel aufgrund des Werkvertrages, also aufgrund eines Vertrages, der
gerade auf die Tätigkeit gerichtet ist, die unmittelbar den Rechtswechsel herbeiführt,
vollzieht. Das gilt leistungsrechtlich auch dann, wenn der Eigentumswechsel per Gesetz und
nicht gemäß §§ 929 ff. BGB erfolgt. N hätte ja das Baumaterial auch vor Einbau übereignen
können.
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Der BGH hat aber bisher offen gelassen, ob in den Fällen eines Drei-PersonenVerhältnisses, bei dem der Erwerber hinsichtlich der Einwilligung des Eigentümers zum
weiteren Einbau bösgläubig ist, eine Leistung des Vertragspartners, hier also des N, zu
bejahen ist (BGHZ 56, 228, 241 f., BGH NJW-RR 1991, 343 ff.)
Nach einem Teil der Lit. liegt auch in den Fällen, in denen der Empfänger bösgläubig ist,
eine Leistung des Bauunternehmers vor. Dies wird damit begründet, dass der bösgläubige
Bauherr den Erwerb der Baustoffe nicht ablehnen könne, da er daran mit eigenen
Rechtshandlungen überhaupt nicht beteiligt sei. Da somit eine Leistung vorliege, werde die
Nichtleistungskondiktion verdrängt, so dass B von E nicht direkt kondizieren kann.
Nach der h. M. in der Lit. wird die Eingriffskondiktion nicht voraussetzungslos durch die
Leistungskondiktion
verdrängt.
Das
Gesetz
kenne
nur
einen
einzigen
Kondiktionsausschlussgrund, nämlich denjenigen des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbs,
wie sich aus § 816 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 2 BGB ergebe. Folglich vermöge nicht das
Vorliegen einer Leistung allein den Ausschluss einer Eingriffskondiktion zu rechtfertigen,
sondern lediglich die vollständige, auch die subjektiven Voraussetzungen umfassende
Analogie zu §§ 932, 816 BGB. Der Empfänger habe das Eigentum folglich erst dann
kondiktionsfest erworben, wenn er gutgläubig war. Dies gilt auch, obwohl der Rechtserwerb
kraft Gesetzes eintritt. Maßgeblich ist, ob E, hätte N hätte das Baumaterial vor Einbau
übereignet, gutgläubig Eigentum daran erwerben hätte können. Dies ist im konkreten Fall zu
verneinen, weil E bösgläubig war.
Danach ist hier ein Direktkondiktionsanspruch zu bejahen. Zum selben Ergebnis kommt
man, wenn man in diesen Fällen wegen der Bösgläubigkeit bereits keine Leistung des N an
E annimmt, weil dann die Nichtleistungskondiktion mangels Vorliegen einer vorrangigen
Leistung von vornherein nicht subsidiär ist.
Gegen die erste Auffassung spricht, dass auch im Bewusstsein der Beteiligten die
Vorstellung vorherrscht, das Eigentum sei durch ein bewusstes und willentliches
Tätigwerden des Bauhandwerkers übergegangen. Von einer Leistung ist daher auszugehen.
Mit der h. M. kann daher angenommen werden, dass in den Einbaufällen der gesetzliche
Eigentumswechsel leistungsrechtlich auf einer vertraglichen Leistung beruht. Für die Frage
der Kondiktionsfestigkeit des Erwerbs ist es dann aber nur konsequent, zumindest analog
auch die Voraussetzungen des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs zur Anwendung
kommen zu lassen. Zusätzliche Voraussetzung für einen kondiktionsfesten Erwerb ist daher
neben einer Leistung die Gutgläubigkeit des Erwerbers. Der Grundsatz der Subsidiarität wird
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in diesen Fällen folglich abgeschwächt. Trotz einer Leistung von Seiten des N kommt
mangels Gutgläubigkeit des E daher ein Kondiktionsanspruch des B gegen E aus
§§ 951, 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall BGB in Betracht.
c) Ohne Rechtsgrund?
Ein Vertragsverhältnis bestand zwischen B und E nicht. Fraglich ist deshalb allein, ob die
Vorschrift des § 946 BGB hinreichender Rechtsgrund für den Eigentumserwerb ist. Aus
§ 951 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt sich jedoch, dass die Bestimmungen der §§ 946 ff. BGB für
sich allein keinen rechtfertigenden Grund für die Vermögensverschiebung abgeben. Folglich
fehlt es an einem rechtfertigenden Grund für die Erlangung des Eigentums an den
Baustoffen.
d) Rechtsfolge der §§ 951 Abs. 1, 812 BGB
Es ist eine Vergütung in Geld zu zahlen. Der für die Baustoffe gezahlte Kaufpreis kann
gemäß § 818 Abs. 3 BGB nicht in Anrechnung gebracht werden, da § 951 BGB an die Stelle
des § 985 BGB tritt. Gegenüber § 985 BGB hätte sich E aber auch nicht darauf berufen
können, dass er für den Gegenstand etwas bezahlt hat.
2) Schadensersatzanspruch des B gegen E aus § 823 BGB
Der E könnte sich gemäß § 823 Abs. 1 BGB, sowie gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m.
§ 246, 27 StGB gegenüber B schadensersatzpflichtig gemacht haben. Zwar besteht keine
besondere Erkundigungspflicht des Erwerbers gegenüber seinem Vertragspartner, woher
dieser seine Baustoffe bezieht. Jedoch war der E hier bereits bösgläubig und zwar auch
bezüglich der mangelnden Befugnis des N zum Einbau, so dass es nicht um die Frage der
Erkundigungspflicht geht. Fraglich ist aber, ob dem Eigentümer eines Grundstücks die
Verpflichtung zukommt, zu verhindern, dass ein Dritter durch Einbau sein Eigentum verliert.
Bejaht man dies, wäre ein Anspruch gegeben.
Der BGH musste diese Frage noch nicht entscheiden, so dass eine abweichende
Entscheidung nicht ausgeschlossen ist.
3) Schadensersatzanspruch des B gegen E aus §§ 990, 989 BGB
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Auch diese Frage hat der BGH noch nicht entschieden (allerdings grundsätzlich eher
ablehnend zu Ansprüchen aus EBV bei Eigentumsverlust gemäß § 946 BGB BGHZ 40,
272 ff.).
Bei Bösgläubigkeit kommt aber ein Schadensersatzanspruch aus § 989 BGB in Betracht (es
sei denn, man verneint dessen Anwendbarkeit aus einem sonstigen Grund).
n.B.: Wenn E gutgläubig ist, erwirbt er kondiktionsfest. Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB und
§ 990, 989 BGB scheiden dann aus (siehe zu Ansprüchen aus EBV auch BGHZ 40, 272 ff.).
Dies gilt auch für die §§ 823 ff. BGB, obwohl dort einfache Fahrlässigkeit für eine Haftung
ausreicht, bei der gutgläubiger Erwerb noch möglich ist, weil insoweit nur grobe
Fahrlässigkeit schädlich ist. Ansonsten würde das Deliktsrecht (i. V. m. § 249 BGB) den
Gutglaubenserwerb unterlaufen.
Wenn E weiß, dass dem N die Baustoffe nicht gehören, er jedoch davon ausgeht, dass N
diese einbauen darf, ist er zwar nicht gutgläubig bezüglich des Eigentums, sondern
gegenüber der Verfügungsbefugnis des N. Der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis
(§ 185 BGB) ist jedoch durch §§ 932 ff. nicht geschützt, so dass E bei einer gedachten
rechtsgeschäftlichen Übereignung nicht gutgläubig erwerben könnte. Hier hilft aber
§ 366 HGB, der den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis schützt. Wendet man auf
einen solchen Fall § 366 HGB entsprechend an und ist E gutgläubig im Sinne von
§ 366 HGB, erwirbt E kondiktionsfest. Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB sowie aus
§§ 990, 989 BGB scheiden dann aus (s. o.).
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