Kleine Anfrage 5000

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode
Drucksache
16/12601
02.08.2016
Kleine Anfrage 5000
des Abgeordneten Ralf Witzel FDP
Beförderungswelle in der Finanzverwaltung vor der Landtagswahl 2017 –
Wie sehen die bisherigen und zukünftig angedachten Beförderungsentscheidungen des
Finanzministers in der Finanzverwaltung auch angesichts der Frauenquote aus?
Beförderungsstellen kommt innerhalb einer Verwaltung eine wichtige Bedeutung zu, um den
leistungsorientierten Bediensteten im öffentlichen Dienst regelmäßig Aufstiegsperspektiven zu
ermöglichen, das Personal an die Dienststelle zu binden, die Betroffenen zu motivieren und
ihnen auch eine positive Entwicklung bei ihren eigenen Bezügen zu ermöglichen. Daher ist es
wünschenswert, dass die Beförderungsstellen in den Ressortbereichen so bemessen sind und
planungssicher ausgebracht werden, dass sie den leistungsbereiten Bediensteten kontinuierlich neue Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Für die Finanzverwaltung ist dieser Aspekt besonders wichtig, da bei der aktuellen Arbeitsmarktlage derzeit vielfältige attraktive Wechseloptionen in die private Wirtschaft bestehen.
Prinzipiell gilt, dass Beförderungen im Hinblick auf Eignung, Leistung und Befähigung dem
Leistungsgrundsatz unterliegen. Einem Bediensteten wird demnach eine neue berufliche
Funktion zugetraut, wenn er sich auf seiner bisherigen Position bewährt hat. Der sogenannte
Bewährungsaufstieg ist im Öffentlichen Dienst die Bezeichnung für die Einreihung in eine höhere Laufbahngruppe oder für eine Höhergruppierung bei Angestellten, wenn sich jeweils der
Betroffene den Anforderungen der bisherigen Position gewachsen gezeigt hat. Jegliche Beförderung ist jedoch stets abhängig von einer freien und besetzbaren avisierten Planstelle.
Beförderungen unterliegen in der Regel der Mitbestimmung des Personalrates.
Als im Sommer 2014 im Zuge der gerichtlich verhängten Haushaltssperre im Land auch kurzzeitig ein Beförderungsstopp für Landesbedienstete verhängt wurde, hat die Thematik landesweit für Aufsehen gesorgt, da offensichtlich gerade die mit dem Besoldungsurteil bei den Beamten und mit der Haushaltssperre besonders intensiv befassten Kabinettsmitglieder das Instrument der Beförderung als Motivationssteigerung der Beamten in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich schätzen und eine Reihe „Last-Minute-Beförderungen" kurz vor der Haushaltssperre vollzogen haben.
Datum des Originals: 29.07.2016/Ausgegeben: 02.08.2016
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Grundsätzlich wurde aber in diesem Zusammenhang in besonderer Weise der Zielkonflikt von
haushalterischen Einsparnotwendigkeiten in Zeiten einer unverändert angespannten Haushaltssituation und personalwirtschaftlichen Anreizinstrumenten deutlich. Außerdem ist erneut
die Notwendigkeit für eine umfassende Strategie einer politisch wirklich gewollten Haushaltkonsolidierung dokumentiert worden.
Wenige Monate vor der nächsten Landtagswahl hat nun Finanzminister Dr. Norbert WalterBorjans offenbar die Absicht, mit einer beachtlichen außerplanmäßigen Beförderungswelle in
seiner Finanzverwaltung Wahlgeschenke auszukehren. Die Dimensionierung der von ihm zuletzt vorgestellten Beförderungspläne wird jedoch bei seinen Neuverschuldungshaushalten
auf Dauer so nicht beibehalten werden können. Als formale Begründung für das entdeckte
Füllhorn verweist der Finanzminister auf neue Perspektiven, die sich angeblich aus seinem
Projekt „Finanzverwaltung der Zukunft“ ergeben sollen, das dabei nur als Vorwand dient.
Im Monat Juni 2016 ist zuletzt eine ganz erhebliche Anzahl zusätzlicher Beförderungsstellen
ausgebracht worden, die dazu geführt hat, dass allein in diesem einen Monat insgesamt rund
1.500 Beförderungen realisiert worden sind. Zur schnellen administrativen Umsetzung ist ferner auf das übliche Beteiligungsverfahren der Personalvertretungen verzichtet worden – ein
ebenso bemerkenswerter Umstand für eine Landesregierung, die sich gerne bundesweit mit
ihrer Landespolitik als Mitbestimmungsland Nummer eins inszeniert.
Ein weiterer wichtiger Grund für den plötzlichen Aktionismus des Finanzministers liegt sicher
ebenfalls in den massiven Auswirkungen der drastisch verschärften Frauenquotenregelung im
sogenannten Dienstrechtsmodernisierungsgesetz begründet, nach der zukünftig auch reihenweise schlechter qualifizierte Frauen den besser qualifizierten Männern in derselben Vergleichsgruppe vorgezogen werden. Um die Fallzahl der durch eine negative persönliche Betroffenheit hervorgerufenen Klagen benachteiligter Männer zu senken, sind unmittelbar vor
dem Inkrafttreten der Neuregelung zum 1. Juli 2016 noch massenhaft Beförderungsfälle abgearbeitet worden. Welche dauerhaft negativen Auswirkungen die neue Frauenquote für Männer in den kommenden Jahren tatsächlich hat, soll den Betroffenen nach Absicht der Landesregierung wohl erst nach der Landtagswahl im Frühjahr 2017 bewusst werden.
Der Hintergrund der Ministerentscheidung ist wohl folgender: Nach seiner Rechtsauffassung
existiert insbesondere dann eine Klagemöglichkeit für benachteiligte Männer, wenn deren eigener Listenplatz unmittelbar zur Beförderung angestanden hat („im Aufruf“ befindliche Beförderungen). Diese Fälle sind nun durch die Last-Minute-Beförderungswelle nach altem Recht
weitgehend abgearbeitet worden. Die betroffenen Bediensteten dürfen sich dabei aber keinen
Sand in die Augen streuen lassen: Einerseits wird das Beförderungstempo so nicht aufrechterhalten, andererseits die Diskriminierung von Männern durch das aktuelle Vorgehen des Finanzministers nur auf die nachfolgenden Ränge der Beförderungsliste verlagert. Die Finanzbeamten haben in den letzten Tagen Post aus dem Personalreferat erhalten mit der Mitteilung
ihres Listenplatzes nach neuem Recht. Wie seitens der FDP-Landtagsfraktion stets prognostiziert, sind dabei etliche Frauen signifikant nach oben gerutscht und umgekehrt etliche Männer
weit abgestürzt – einige männliche Bedienstete sogar auf einen Schlag um mehrere einhundert Plätze, wie beispielsweise in den Gruppen A11/A12. Diese müssen sich nun per aufwändiger Klage gegen ihre ungerechtfertigte Benachteiligung zur Wehr setzen.
Jeweils zum 15. eines Monats werden für alle rund 26.000 Bediensteten in der nordrheinwestfälischen Finanzverwaltung mittels Intranet die monatlich neuen Beförderungstabellen
sichtbar publiziert. Die Daten sind bei der Verwaltung gespeichert und deshalb problemlos
ohne einen größeren Arbeitsaufwand abrufbar. Der Landtag hat als Haushaltsgesetzgeber einen parlamentarischen Auskunftsanspruch, dieses Beförderungsverhalten nachvollziehen zu
können.
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Ich frage daher die Landesregierung:
1.
Wie sehen jeweils im Einzelnen die detaillierten monatlichen Beförderungstabellen für
die Finanzverwaltung im Zeitraum von Juni 2013 bis Juli 2016 aus? (bitte einfach die im
Intranet verfügbar gewesenen Tabellen 1:1 als Anlage zur Antwort beifügen)
2.
Wie viele von allen tatsächlich beförderten Beschäftigten in der Finanzverwaltung sind
jeweils jährlich in den Jahren 2013 bis 2016, differenziert nach den einzelnen Besoldungen von A 6 bis A 15, weiblich bzw. männlich gewesen? (Angaben für 2016 sollen sachlogisch nur das 1. Halbjahr umfassen)
3.
Wie viele von allen tatsächlich beförderten Beschäftigten in der Finanzverwaltung sind
konkret bei der Beförderungswelle im Monat Juni 2016, differenziert nach den einzelnen
Besoldungen von A 6 bis A 15, weiblich bzw. männlich gewesen?
4.
Wie sollen sich die Beförderungszahlen in der Finanzverwaltung nach den Planungen
der Landesregierung jeweils monatlich bis Mai 2017 weiterentwickeln?
5.
Aus welchen objektiv nachvollziehbaren Sachgründen heraus hat der Finanzminister die
Beförderungswelle im Monat Juni 2016 so hektisch vollziehen wollen, dass sogar nur ein
stark vereinfachtes Beteiligungsverfahren der Personalvertretungen praktiziert worden
ist?
Ralf Witzel
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